Parlamentskorrespondenz Nr. 771 vom 25.09.2008

Studienbeiträge mit S-F-G-Mehrheit abgeschafft

V-Antrag auf Volksabstimmung bleibt in der Minderheit

Wien (PK) – Mit lauten Beifallskundgebungen begrüßten Abgeordnete der Sozialdemokraten, der FPÖ und der Grünen am späten Abend die Abschaffung der Studienbeiträge. Dem war eine teilweise hoch emotionale Debatte über die Anträge 890/A und 891/A voran gegangen.

Abgeordnete Dr. KARL (V) sprach als erste Rednerin zu den beiden Punkten der Tagesordnung von einem besonderen Tag in der Geschichte des Parlaments: Es sollten nicht nur Milliarden Euro aus Jux und Tollerei zum dem Fenster hinausgeworfen werden, es wollten sich auch drei Parteien, nämlich SPÖ, FPÖ und Grüne, nachhaltig aus der Hochschulpolitik verabschieden, urteilte die Rednerin. Mit der heutigen Husch-Pfusch-Aktion, die einen weitgehenden Entfall der Studienbeiträge mit einer teilweisen Aufhebung der Zugangsbeschränkungen verknüpft, werde die Zukunft der österreichischen Hochschulen und der Jugend fahrlässig aufs Spiel gesetzt. Auch zahlreiche Rektoren hätten darauf hingewiesen, dass der vorliegende Antrag zur Änderung des Universitätsgesetzes nicht ausreichend reflektiert sei, gab Karl zu bedenken. Ein von ihr eingebrachter Entschließungsantrag zielte auf eine

bessere Finanzierung der Universitäten ab.

Es werden heute sicherlich nicht aus Jux und Tollerei irgendwelche Maßnahmen gesetzt, die die Universitäten gefährden, hielt Abgeordnete Dr. KUNTZL (S) ihrer Vorrednerin entgegen, sondern das Gegenteil sei der Fall. Es werden Maßnahmen beschlossen, die eine gute Zukunft für die Unis einleiten sollen. Einerseits sollen die Studiengebühren, die in den letzten Jahren eine Barriere für den Zugang zur Hochschulbildung dargestellt haben, abgeschafft werden, wobei den Universitäten dieser finanzielle Entfall selbstverständlich ersetzt werde. Darüber hinaus soll ein ganzes Paket an wichtigen Maßnahmen verabschiedet werden, um die Zeit des Aushungerns der Universitäten und Fachhochschulen zu beenden. Im konkreten sollen die Universitätsbudgets jährlich um 200 Millionen Euro erhöht werden, bis 2 % des BIP erreicht sind. Auch die Zugangsbeschränkungen werden abgeschafft, erläuterte Kuntzl, es wird sie ab dem Wintersemester 2009 nicht mehr geben. Übergangsbestimmungen sind für die Fächer Medizin und Psychologie vorgesehen.

Seine Fraktion werde der Abschaffung der Studiengebühren sicherlich nicht zustimmen, da es sich dabei um eine soziale Lenkungsmaßnahme handle, bekräftigte Abgeordneter Mag. DARMANN (B). Die Anträge bezüglich der finanziellen Mehrausstattung der Unis hingegen werden von seiner Partei ausdrücklich begrüßt. Ein von ihm eingebrachter Abänderungsantrag zielte darauf ab, negative Auswirkungen der erhöhten Familienbeihilfe auf die Berechnung der Studienbeihilfe zu verhindern.

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) rief die ÖVP-Vertreter auf, endlich der Wahrheit ins Auge zu schauen. Während innerhalb der OECD-Staaten die Studentenzahlen in den letzten zehn Jahren um 40 % gestiegen sind, beträgt der Prozentsatz in Österreich nur 4 %. Auch beim Bildungsbudget hinke Österreich den anderen Ländern nach und brauche endlich mehr Mittel, um wieder den Anschluss zu finden, urteilte Grünewald. Er brachte noch zwei S-F-G-Abänderungsanträge ein, die einerseits die Erhöhung des Bildungsbudgets zum Inhalt hatten und andererseits die Klarstellung, dass Genfer Konventionsflüchtlinge von den Studiengebühren befreit sind.

Abgeordneter Dr. RASINGER (V) sprach von einem "schwarzen Tag" für die österreichische Gesundheitspolitik. Es sei verantwortungslos und nicht durchdacht, wenn die ohnehin schon große Zahl an Medizinstudenten um 60 % erhöht wird. Österreich werde damit zweieinhalb mal so viele Mediziner ausbilden wie Deutschland, zeigte Rasinger auf. Diese Maßnahme sei technisch gar nicht umsetzbar, weil eine qualitätsvolle Ausbildung nicht mehr gewährleistet werden könne. Er habe Angst vor solchen Ärzten, schloss Rasinger.

Abgeordneter Dr. GRAF (F) brachte zunächst zwei Entschließungsanträge ein, die u.a. die Bereitstellung von zusätzlichen 30 Millionen Euro jährlich in den Jahren 2009-2012 für Vorziehprofessuren und andere Hochschullehrer sowie eine Erhöhung des Bundesbeitrages zur Finanzierung der Fachhochschulstudienplätze um 34 % pro Platz vorsahen. Er sei der festen Überzeugung, dass der freie Hochschulzugang ein Grundrecht der Jugend ist und es auch bleiben soll. Außerdem werde immer verschwiegen, dass die Zugangsbeschränkungen am 31.1.2010 sowieso entfallen wären. Graf wies weiters darauf hin, dass etwaige anfallende Mehrkosten gemäß der studienplatzbezogenen Finanzierung ersetzt werden. Mit diesem Paket werden daher die Forderungen der Rektorenkonferenz allesamt erfüllt, unterstrich der FPÖ-Redner. Es handle sich um das größte Universitätspaket in den letzten dreißig Jahren, da den Universitäten ab dem nächsten Jahr netto 600 Millionen Euro mehr zur Verfügung gestellt werden.

Abgeordneter EINWALLNER (V) sprach von einer "brutalen Schuldenpolitik auf dem Rücken der jungen Menschen". Die Studienbeiträge seien nicht nur sozial treffsicher, sondern auch längst von allen akzeptiert.

Abgeordnete RUDAS (S) zeigte sich erfreut darüber, dass heute ein Schlusspunkt unter die bildungspolitische Katastrophe der letzten Jahre gesetzt werde. Sie dankte den vielen Studierenden, die für die Abschaffung der Studiengebühren, die nur zur sozialen Selektion beigetragen haben, gekämpft haben.  

Bundesminister Dr. HAHN hielt die vorliegenden Anträge für einen "Schwachsinn" und brachte eine Reihe von inhaltlichen Argumenten dagegen vor. Der Minister gab zu bedenken, dass die Einführung der Studienbeiträge dazu geführt hat, dass sich die Zahl der prüfungsinaktiven Studenten massiv reduziert habe (von über 40 % auf ca. 15 %) und auch die durchschnittliche Studiendauer sei von 14 auf 12 Semester zurückgegangen. Außerdem müsse man bedenken, dass schon heute jeder fünfte Studierende an den Universitäten und jeder dritte an den Fachhochschulen keine Studienbeiträge mehr zu zahlen hat. Die Konsequenz werde sein, dass jene, die es sich leisten können, ihre Kinder ins Ausland schicken, weil dort die Qualität der Ausbildung ungleich höher sein wird. Hahn befürchtete zudem negative Auswirkungen für die Medizin-Unis, da die EU eventuell ihr Moratorium aufheben wird.

Abgeordnete Dr. KARL (V) wies erneut darauf hin, dass von Seiten der Universitäten, Fachhochschulen, Lehrenden und Studierenden massive Bedenken gegen dieses Uni-Paket vorgebracht wurden. Aber der Kreis der Betroffenen sei noch viel größer, da jeder Steuerzahler dadurch zur Kasse gebeten wird. Die Österreicher sollten darüber entscheiden dürfen, ob sie die Studiengebührenbefreiung von finanziell Bessergestellten und von Studenten aus allen EU-Ländern bezahlen wollen. Aus diesem Grund brachte sie einen Antrag auf Durchführung einer Volksabstimmung ein.

Abgeordneter Mag. EISENSCHENK (V) schloss sich der Meinung von Bundesminister Hahn an, wonach die Abschaffung der Studiengebühren unsozial sei. Es sei ein Faktum, dass alle Studenten, die aus einkommensschwachen Familien kommen, nicht nur von den Gebühren befreit sind, sondern auch Studienbeihilfe erhalten. Die Studienförderung könne sich sehen lassen, war Eisenschenk überzeugt, da sich die Mittel seit 2000 verdoppelt haben und der Bezieherkreis massiv ausgeweitet wurde.

Abgeordneter Dr. GRAF (F) zeigte sich in einer zweiten Wortmeldung verwundert über die Haltung der ÖVP und meinte, wenn es um die Gesamtänderung der Verfassung durch den EU-Vertrag gehe, könne man der Volkspartei keine Volksabstimmung entlocken, bei der Abschaffung der Studiengebühren trete sie hingegen sehr wohl für ein Referendum ein.

Abgeordneter BROUKAL (S) stellte kritisch fest, Minister Hahn habe nichts für die Universitäten getan, nun würden andere tätig, es gebe eine neue Mehrheit, die die Mauer des Widerstands eingerissen und ein breites Tor für mehr Geld und mehr Studienplätze eingetreten habe.

Bei der Abstimmung wurde der S-F-G-Antrag in Dritter Lesung mehrheitlich angenommen. Der V-Antrag auf Abhaltung einer Volksabstimmung wurde in namentlicher Abstimmung mit 108 Nein- gegen 72 Ja-Stimmen abgelehnt.

Der V-Entschließungsantrag blieb in der Minderheit. Die S-F-G-Entschließungsanträge wurden mehrheitlich angenommen.

(Schluss Studiengebühren/Forts. NR)