Parlamentskorrespondenz Nr. 205 vom 12.03.2009

Nationalrat: Fragestunde mit Frauenministerin Heinisch-Hosek

Warum verdienen Frauen immer noch weniger als Männer?

Wien (PK) - Die altbekannte Einkommensschere zwischen Männern und Frauen stand im Zentrum des Interesses der Abgeordneten in der heutigen Fragestunde mit Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek; mit der Fragestunde leitete Nationalratspräsidentin Barbara Prammer die 17. Plenarsitzung des Nationalrates ein.

Abgeordnete Mag. WURM (S): Warum verdienen Frauen in Österreich um mehr als ein Viertel (25 %) weniger als ihre männlichen Kollegen?

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Frauenministerin HEINISCH-HOSEK machte in der Einleitung ihrer Anfragebeantwortung mit Bedauern darauf aufmerksam, dass die Einkommensunterschiede bei Arbeiterinnen und Angestellten noch höher seien als im Durchschnitt, obwohl der Ausbildungsstand der Frauen in den letzten Jahren stark zugenommen habe. Als Gründe dafür nannte die Ministerin traditionelle Bewertungskriterien, die immer noch an schwerer körperlicher Arbeit orientiert seien, sowie die Folgen familienbedingter Unterbrechungen im Erwerbsleben der Frauen. Auf eine Zusatzfrage erläuterte die Ministerin die Road Map der EU zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf und wies darauf hin, dass in Österreich das Kinderbetreuungsgeld bereits flexibilisiert wurde, um den Frauen den Wiedereinstieg in das Berufsleben zu erleichtern. Nun laute das Ziel, ein einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld einzuführen, um die Erwerbstätigkeit der Frauen zu unterstützen, sagte die Ministerin.

Auf eine Zusatzfrage der Abgeordneten HÖLLERER (V), die Kritik an der geringen Frauenbeschäftigung und an wenigen Frauen in Führungspositionen der ÖBB übte, führte die Ministerin aus, sie habe sich bei ihrer Forderung nach einer Quotenregelung in der Wirtschaft ein Vorbild an Norwegen genommen, wo börsennotierte Unternehmen eine gesetzliche Frauenbeschäftigungsquote erfüllen müssen. In Österreich könne sie sich eine derartige Selbstverpflichtung der Unternehmen vorstellen.

Mit Abgeordneter HAUBNER (B) zeigte sich die Frauenministerin einig darin, dass die Arbeit von Frauen in Pflegeberufen hinsichtlich der Gehaltshöhe neu bewertet werden sollte.

Zur Förderung von Frauen in den Unternehmen orientiere sie sich am schwedischen Vorbild, wo Unternehmen Gleichbehandlungsbilanzen vorlegen müssen, teilte die Ministerin Abgeordneter Mag. LUNACEK (G) mit. Sie stehe mit dem Wirtschaftsminister in Gesprächen über dieses Thema.

Abgeordnete GARTELGRUBER (F) erfuhr, dass es der Ministerin wichtig sei, in Frauenförderungsprogrammen darauf zu achten, Frauen von Teilzeitbeschäftigungen auf Vollarbeitsplätze zu bekommen. Voraussetzung dafür sei eine Verbesserung der Kinderbetreuung.

Abgeordnete SCHITTENHELM (V): Wie gedenken Sie die frauenpolitischen Zielvorgaben aus dem Regierungsprogramm umzusetzen?

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Die FRAUENMINISTERIN machte darauf aufmerksam, dass das Regierungsprogramm erstmals explizite frauenpolitische Zielvorgaben in jedem Kapitel enthalte, was ihr die Möglichkeit gebe, deren Umsetzung bei ihren MinisterkollegInnen einzufordern, etwas mehr Soldatinnen und bessere Aufstiegschancen für Frauen im Heer, oder für die Aufnahme von Exekutivbeamtinnen bei der Innenministerin. Ihre Ziele lauten, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, Frauen mehr Vollzeitbeschäftigungen zu bringen und Väter stärker zu motivieren, in Karenz zu gehen. Dem diene ihre Zielsetzung, das Kinderbetreuungsgeld einkommensabhängig zu gestalten. Strafen für frauenlose Firmen seien derzeit noch nicht vorgesehen, dies würde eine Frauenquotenregelung nach norwegischem Vorbild voraussetzen.

Abgeordneten GROSZ (B), der die Frauenministerin mit dem kritischen Befund konfrontierte, dass die Armut der Frauen in den ersten hundert Tagen der neuen Bundesregierung weiter zugenommen habe, informierte die Bundesministerin über die zu erwartenden Auswirkungen der Steuerreform, die dafür sorgen werde, dass alle Österreicher mehr Geld in der Brieftasche haben werden. Dazu kommen die beiden Konjunkturpakete, die zur Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen, und das Doppelbudget, das es erlauben werde, arbeitslose Menschen finanziell abzusichern.

Zur Vorbereitung des Nationalen Frauenförderungsplans stehe sie im Gespräch mit den Sozialpartnern über konkrete Maßnahme zur ökonomischen Gleichstellung von Frauen in der Wirtschaft samt Zeitplan. Erfreut zeigte sich die Ressortleiterin darüber, dass die Bundesländer Kindergärten immer mehr als Bildungseinrichtungen sehen und die Steiermark seit 2008 - und nun auch Wien - Gratiskindergärten für alle Kinder einrichten (auf Zusatzfragen der Abgeordneten Mag. SCHWENTNER, G, und SILHAVY, S). 

Abgeordnete MÜHLBERGHUBER (F) forderte, Hausfrauen, die nach wie vor unbezahlte Arbeit in den Familien leisten, finanziell besser zu stellen. Die Frauenministerin machte darauf aufmerksam, dass Frauen, die mit ihrem Partner vereinbaren, zuhause zu bleiben, einen Rechtsanspruch auf eine entsprechende Unterhaltsleistung haben.  

Abgeordneter HERBERT (F): Wie ist der Stand der Verwaltungsreform in Bezug auf das angekündigte einheitliche Dienstrecht und welche Auswirkungen wird diese Reform auf die Sicherheitsverwaltung haben, zumal die Bereiche Polizei, Justiz und Bundesheer personell unzureichend ausgestattet sind?

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Die auch für den öffentlichen Dienst zuständige BUNDESMINISTERIN berichtete zunächst über die Einrichtung von Arbeitsgruppen zur Koordinierung der Staatsreform und über erste Gespräche mit Vertretern der GÖD über eine Dienstrechtsreform, die zunächst in kleineren Reformschritten realisiert werden soll, ehe man an eine umfassende Besoldungsreform herangehen werde. Bedenken des Fragestellers, es würde bei der Sicherheit gespart, bemühte sich die Ressortleiterin zu zerstreuen, auch bei den LehrerInnen würden keine Planstellen eingespart, merkte die Ministerin an. Eine Jobbörse sei eingerichtet worden, um öffentlich Bediensteten den Wechsel in andere Bereiche zu ermöglichen, das Ziel laute, die guten Dienstleistungen in der öffentlichen Verwaltung durch effizienzsteigernde Maßnahmen in der Zukunft mit weniger Personaleinsatz erbringen zu können.

Um die Sicherheit für Frauen zu verbessern, setze sie sich dafür ein, mehr Frauen in den Polizeidienst zu bringen, erklärte die Ministerin, und machte auf den Ausbau des Gewaltschutzes und der diesbezüglichen Interventionsstellen aufmerksam. 

Auf eine diesbezügliche Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. WITTMANN (S) informierte Bundesministerin Heinisch-Hosek auch über die Einrichtung besonders bürgerfreundlicher Servicecenter, One-Stop-Shops in der Justizverwaltung und über ihre Bemühungen, Best-Practice-Modelle in den Bezirksverwaltungen einzuführen.

Abgeordneter Dr. SONNBERGER (V), der sich über Kommunikationsprobleme zwischen der Bundesministerin und den LehrerInnen beklagte und darauf drängte, die Dienstnehmer rechtzeitig in die Gespräche über die geplante Dienstrechts- und Besoldungsreform einzubeziehen, erfuhr von der Bundesministerin, dass die Bildungsministerin die Gespräche mit der Lehrergewerkschaft bereits aufgenommen habe und mehrere Modelle zu Lösung des aktuellen Problems auf dem Tisch lägen. Es gelte, einen Kompromiss zu finden, um Verschlechterungen für die SchülerInnen zu vermeiden.

Die Motivation der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst und die Identifikation mit dem Arbeitgeber beurteilte die Ministerin gegenüber Abgeordnetem Mag. WIDMANN (B) als zufriedenstellend.

Der Rechtsstaat sei ihr sehr wichtig, sagte die Bundesministerin und bezeichnete die Personaleinsparungen im Justizbereich als moderat (Zusatzfrage des Abgeordneten Mag. STEINHAUSER, G).

Abgeordnete SCHENK (B): Wie erklären Sie Ihre Zustimmung zur Steuerreform im Ministerrat, obwohl sogar die Regierungsvorlage offen zugibt, dass die aufgrund der Einkommensschere weniger verdienenden Frauen steuerlich benachteiligt werden?

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Die FRAUENMINISTERIN gab ihrer Freude über das Vorziehen der Steuerreform Ausdruck. Höhere Einkommen werden in absoluten Beträgen tatsächlich stärker entlastet, prozentuell zum Einkommen falle die Entlastung bei niedrigen Einkommen aber stärker aus, erklärte die Ministerin und wies auf den im Jahr 2008 vorgezogenen Teil der Steuerreform hin, der den Arbeitslosenversicherungsbeitrag für kleine Einkommen teilweise oder gänzlich beseitigte. Außerdem wurde eine 13. Auszahlung der Familienbeihilfe eingeführt und die Familiensteuerreform bringe Entlastungen für Alleinverdiener und -erzieher.

Ausdrücklich bekannte sich die Ressortchefin zur Fortsetzung des Mentoring-Programms für die berufliche Förderung von Männern und Frauen, insbesondere für solche mit Migrationshintergrund.

Abgeordnete Mag. SCHWENTNER (G) kritisierte, dass 1,7 Mio. Frauen mit niedrigen Einkommen nicht von der Steuerreform profitieren werden - die Ministerin listete ihr die Maßnahmen der Bundesregierung und der Bundesländer zur Entlastung von Menschen mit kleinem Einkommen auf: Entfall des Arbeitslosenversicherungsbeitrags, Befreiung von Rundfunkgebühren sowie Heizkosten- und Wohnungsbeihilfen.

Abgeordnete KITZMÜLLER (F) kritisierte die Diskriminierung von Müttern, die sich selbst um die Erziehung ihrer Kinder kümmern, gegenüber Frauen, die externe Kinderbetreuungseinrichtungen in Anspruch nehmen. Die Frauenministerin erläuterte ihr die vielfältigen Maßnahmen, mit denen die Bundesregierung im Rahmen des 750 Mio. €-Familienpakets versuche, Frauen die Möglichkeit zu geben, familiäre und berufliche Pflichten besser zu vereinbaren und nach der Babypause rascher in den Beruf zurückkehren zu können.

Abgeordnete GESSL-RANFTL (S) erkundigte sich nach Maßnahmen zur Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit und erfuhr, dass Österreich eine höhere Quote als die EU aufweise, aber noch Nachholbedarf bei Vollzeiterwerbsarbeitsplätzen für Frauen habe. Die Ministerin unterstrich ihr Anliegen, Mädchen für Ausbildungen in für sie noch ungewohnten, etwa technischen Berufen zu motivieren.

Mehr Mut der Frauen zum Kind - eine Zusatzfrage der Abgeordneten TAMANDL (V) - erwartet sich die Frauenministerin aufgrund internationaler Erfahrungen vom Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen, einer höheren Erwerbsquote der Frauen und von einem einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld, das dem Argument entgegenwirke, "sie" solle zu Hause beim Kind bleiben, weil "er" mehr verdiene.

Abgeordnete Mag. SCHWENTNER (G): Welche jährliche Reduktion der Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern bezogen auf die Bruttostundenlöhne möchten Sie mit welchen konkreten Maßnahmen erreichen?

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Frauenministerin HEINISCH-HOSEK teilte ihre Absicht mit, mit den Sozialpartnern Gespräche über mehr Transparenz bei Gehältern, Prämiensystemen und Überstundenentlohnungen zu führen. Sie erwarte sich davon einen Beitrag zur Verringerung der Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern und denke auch daran, Transparenzverpflichtungen für die Betriebe einzuführen.

Sie stehe im Dialog mit Frauen und Jugendlichen mit Migrationshintergrund und bemühe sich, diese Menschen auf dem Weg in die berufliche Integration zu fördern, erfuhr Abgeordnete Dr. BELAKOWITSCH-JENEWEIN (F) von der Frauenministerin. Als Schwerpunkte des Nationalen Aktionsplans zur Gleichstellung von Frauen am Arbeitsmarkt nannte die Frauenministerin Abgeordnetem KRIST (S) die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung der Frauen, mehr Vollarbeitsplätze statt Teilzeitbeschäftigungen, die Verringerung der Einkommensschere und mehr Führungspositionen für Frauen. Sie begrüße die Initiativen des Wissenschaftsministers zur Erhöhung des Frauenanteils in den Gremien der Universitäten, sagte Ministerin Heinisch-Hosek Abgeordneter Mag. CORTOLEZIS-SCHLAGER (V).

Sie erwarte sich, dass ab dem kommenden Juni kein Beschäftigter - auch dort, wo noch kein 1.000 Euro-Mindestlohn vereinbart wurde - weniger als 1.000 € pro Monat verdienen werde (Zusatzfrage des Abgeordneten DOLINSCHEK, B).

Abgeordneter PENDL (S): Was unternimmt der Bund als Dienstgeber konkret zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit  - einem zentralen Punkt des Regierungsprogramms?

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Beim Bund seien mehr als 1.000 Lehrlinge beschäftigt, sagte HEINISCH-HOSEK, in den letzten Jahren habe man die Zahl der Lehrlinge beim Bund verdreifacht. Auch im laufenden Jahr würden rund 300 Lehrlinge aufgenommen, diese Lehrstellen seien im Internet ausgeschrieben. 60 % der Lehrlinge seien weiblich, im Bundeskanzleramt würden 4 von 5 Lehrlingen behalten. Zudem fördere der Bund das Modell "Lehrling mit Matura". Auf eine Zusatzfrage eingehend, stellte die Ministerin Kooperationen des Bundes mit privaten Unternehmen dar und ging kurz auf die Förderung der Fortbildung ein.

Auf eine weitere Zusatzfrage kam die Frauenministerin auf das Thema "Mädchen in frauenuntypischen Lehrberufen" zu sprechen. Sie plädierte dafür, mit der Berufsinformation und –orientierung schon früher einzusetzen, etwa durch entsprechende Projekte in Schulen. Zum Thema Arbeitslosigkeit junger Frauen meinte Heinisch-Hosek, dass davon vor allem die 20- bis 24-Jährigen betroffen seien. Sie hoffe aber, dass es im Herbst "einige tausend weniger" sein würden. Die Ministerin verwies auf erfolgreiche Modelle wie die Blum-Aktion und befürwortete die Forcierung von Ausbildungsverbünden.

Abgeordnete Mag. AUBAUER (V): Da der Frauenanteil bei Spitzenfunktionen (Sektionschefinnen) im Bund – trotz leichter Steigerung des Frauenanteils der Voll- und Teilzeitbeschäftigten insgesamt – immer noch nicht zufrieden stellend ist, frage ich Sie, wie Sie dem entgegentreten wollen.

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Es sei gelungen, den Anteil von Frauen in Führungspositionen von 17 auf 28 % zu erhöhen, sagte HEINISCH-HOSEK. Es gelte aber, Frauen für entsprechende Bewerbungen fit zu machen und bei Nachbesetzungen auf dieses Thema zu achten. Auch hier müsse früher angesetzt werden; so sollte z.B. der Unterricht so gestaltet werden, dass Mädchen mit technischen Themen und Burschen mit so genannten soft Skills vertraut gemacht würden. Die Frauenquote im parlamentarischen Klub der SPÖ liege immerhin bei 37 %; der Frauenanteil bei den Rechtsparteien drücke allerdings den Schnitt im Nationalrat. Auf eine Zusatzfrage sprach sich Heinisch-Hosek für Betriebsvereinbarungen zur Frauenförderung aus; es sei außerdem zu überlegen, ob Wirtschaftsförderung nicht mit Frauenförderung gekoppelt werden könnte. (Schluss)