Parlamentskorrespondenz Nr. 253 vom 26.03.2009

Fragestunde im Bundesrat mit Bundeskanzler Faymann

Themen: Arbeitsmarkt, ORF, Verwaltungsreform, Steuerreform 2009

Wien (PK) – In der Fragestunde der 768. Bundesratssitzung stand Regierungschef Werner Faymann den Bundesräten Rede und Antwort.

Bundesrat Mag. KLUG (S): Welche Maßnahmen plant die österreichische Bundesregierung zur Sicherung eines hohen Beschäftigungsniveaus am österreichischen Arbeitsmarkt?

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Bundeskanzler FAYMANN meinte, es gehe um Maßnahmen, die der Krise gegensteuern sollen und die Schritt für Schritt umgesetzt werden müssen. Im Bereich der Steuerreform und bei den Familienmaßnahmen liege man im Zeitplan, aber den Großteil der Maßnahmen werden die Menschen erst Mitte des Jahres spüren. Das Vorziehen geplanter Maßnahmen, inklusive der Leistungen der Bundesländer, gehört nach Meinung des Kanzlers zu den wichtigsten Maßnahmen.

Bundesrat Saller (V) sprach die mit 20 Mio. € dotierte AMS-Stiftung für jugendliche Arbeitslose an. – Hierzu teilte der Regierungschef mit, er unterstütze die Vorschläge der Sozialpartner, Arbeitsstiftungen einzurichten. Gerade in Krisenzeiten sei Jugendbeschäftigung eine der – auch emotional - wichtigsten Themen einer Gesellschaft. Maßnahmen wie Ausbildungsgarantie für Jugendliche und die Schaffung von Stiftungen werden von ihm unterstützt, denn es sei besser, aktiv zu sein, als ausschließlich über die Stabilisationsfaktoren Arbeitslosengelder zu bezahlen.

Bundesrat Schennach (G) gegenüber betonte der Kanzler, an ein spezielles Beschäftigungsprogramm für 20- bis 25-Jährige sei nicht gedacht.

Bundesrat PREINEDER (V): Wie wollen Sie im künftigen ORF-Gesetz sicherstellen, dass der Österreichische Rundfunk einen angemessenen Teil seiner Finanzmittel für die Tätigkeiten der neun Landesstudios vorbehält, wie dies in § 5 Abs. 6 des ORF-Gesetzes vorgesehen ist?

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Man werde sich der Diskussion zu stellen haben, wie kann man wirtschaftlich ein Unternehmen unterstützen, damit es nicht nur unabhängig ist, sondern es auch wirtschaftlich überleben kann; eine Unabhängigkeit helfe ja nur, wenn auch die finanzielle Basis funktioniere. Das gelte auch für die Landesstudios. Diese seien am besten dadurch zu sichern, dass der ORF in seiner Mittel- und Langfristplanung ein gesichertes Unternehmen ist.

In Richtung der Bundesrätin Mühlwerth (F) meinte der Regierungschef, die Berichterstattung des ORF sei vielfältig, informativ und objektiv; in diesem Bereich bestehe kein Handlungsbedarf für die Politik, sehr wohl aber hinsichtlich der Frage, wie soll der ORF finanziell gesichert werden. Eine Gebührenerhöhung stelle keine Lösung dar, vielmehr müsse man, ohne die Objektivität in Frage zu stellen, die Frage beantworten, wie kann das Unternehmen geführt werden, damit es auch in einigen Jahren noch einen eigenständigen, unabhängigen, möglichst an niemanden abverkauften ORF gibt.

Bundesrätin MÜHLWERTH (F): Werden Sie im Sinne des allgemeinen, freien, persönlichen Wahlrechts verfassungsrechtliche Schritte setzen, um bei zukünftigen Wahlen die Briefwahl zu verbessern und das E-Voting zu verhindern?

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In der letzten Novelle zur Europawahlordnung wurde die Stimmabgabe mittels Briefwahl wesentlich vereinfacht, informierte der Bundeskanzler. Weil es noch offene Fragen gibt, wurde im Regierungsübereinkommen keine Aussage über das E-Voting getroffen. Die Informationen über die Briefwahl müssen verstärkt werden, meinte der Regierungschef zu S-Bundesrat Todt. B-Bundesrat Mitterer teilte er mit, man beobachte bei der ÖH-Wahl, welche Auswirkungen E-Voting habe, aber es bestehe keine Absicht, es etwa bei einer Nationalratswahl einzusetzen.

Bundesrätin KEMPERLE (S): Welche Maßnahmen wurden auf Ebene der Europäischen Union zur Ankurbelung der Konjunktur vereinbart?

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Die Übernahme von Haftungen für BürgerInnen, für wirtschaftliche Kreisläufe und für Betriebe sei kein Geschenk für Bankdirektoren, sondern ein wichtiger Faktor der Stabilisierung, um nicht in einem Sturm völlig Unbetroffene mitzureißen, betonte Faymann. Wären Banken in Europa insolvent geworden, gäbe es unabsehbare Folgen für andere Banken und Unternehmen. Das Auffangnetz an Haftungen für Banken war in Österreich und in ganz Europa wichtig und stellte einen ersten wichtigen Ansatz für ein Konjunkturpaket und für Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit dar. Diese Stabilisierung sei noch nicht zu Ende, denn es gäbe noch keine ausreichenden und leistbaren Finanzierungen.

Hinsichtlich der Liquiditätsverbesserung der österreichischen Klein- und Mittelbetriebe (Frage des Bundesrates Peinsteiner, V) befinde man sich im ständigen Kontakt mit der Wirtschaftskammer. Die Wirtschaftskammer habe bei ihren Untersuchungen festgestellt, dass kleinere und mittlere Betriebe durchaus in der Lage sind, von Banken Finanzierungen zu bekommen; in Kontakt mit dem Finanzministerium wurde eine Stelle eingerichtet, die dem Einzelfall nachgeht. Im Bereich der Industrie, wenn es um langfristige Finanzierung höherer Mittel geht, sagt sowohl die Kammer als auch die Industriellenvereinigung, durch die Probleme der Banken, selbst langfristig günstig Geld aufzunehmen, entstehe ein Engpass.

Zu Bundesrat Schennach (G) meinte der Regierungschef. die Tarifsenkung werde auch kleineren und mittleren Betrieben zugute kommen, weil wenn man 3 Mrd. Euro den Bürgern "zurückgibt", werde sicherlich die eine oder andere Anschaffung getätigt werden.

Bundesrätin GREIDERER (V): Welches Einsparungspotential im Zuge einer Verwaltungsreform sehen Sie in Anbetracht der aktuellen Diskussion über die Lehrverpflichtung alternativ in der Schulverwaltung?

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Durch den Rechnungshof und durch andere kontrollierende Einrichtungen wisse man, dass es in der Verwaltung Einsparungspotentiale gebe, nicht nur im Bereich der Schule. Die derzeitige kontroversiell geführte Diskussion über die Mehrleistung der Lehrer in der Klasse könne nur zu einem guten Ergebnis führen, wenn man gleichzeitig durch gezielte organisatorische Maßnahmen die Abläufe in der Schule ändert und damit den Wünschen der engagierten Lehrer entgegenkommt.

Es gebe eine Arbeitsgruppe, die generell zur Verwaltungsreform eingesetzt ist, der der Rechnungshof, Ländervertreter, das WIFO und das IHS angehören. Insgesamt wurden 11 Arbeitspakete definiert, Bildung ist eines davon. Rund um den 20. April soll im Ministerrat das Doppelbudget beschlossen werden, um es dann an den Nationalrat weiterleiten zu können. Zugleich müsse ein Budgetbegleitgesetz beschlossen werden; bis dahin müsse es einen Kompromiss zwischen LehrervertreterInnen, Gewerkschaft und Ministerin geben.

Bundesrat KAMPL (A): Welche Maßnahmen setzt die Bundesregierung für den von der derzeitigen Krise besonders betroffenen Arbeitsmarkt?

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Da die Kosten für einen Arbeitslosen für die Republik genauso hoch sind wie für drei Verträge für Kurzarbeit, ist es sinnvoller, dass die Kurzarbeit nicht behindert, sondern weiter gefördert wird. Die Kurzarbeit muss flexibel eingesetzt und es müssen Verlängerungen ermöglicht werden. Obwohl die Kurzarbeit eine defensive Maßnahmen ist, ist sie eine der besten Instrumente, um in der Krise eine Überbrückungshilfe für einen Betrieb und für die betroffenen ArbeitnehmerInnen zu haben.

Die meisten Sorgen bereiten der Regierung die Menschen, die nach der Ausbildung, obwohl sie gut ausgebildet sind, durch die derzeitige wirtschaftlich schwierige Situation Probleme haben, einen Arbeitsplatz zu finden.

Zu S-Bundesrat Kaltenbacher sagte der Kanzler, die Bundesländer Oberösterreich und Salzburg haben einen hohen Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verzeichnen, wenngleich Salzburg mit 5,6 % die österreichweit niedrigste und Oberösterreich mit 6,1 % die drittniedrigste Arbeitslosenquote aufweisen.

Wir wollen im Herbst in einer zusätzlichen Regierungskampagne jene Betriebe besonders unterstützen, die Lehrlinge aufnehmen, denn in schwierigen Zeiten die Lehrlingsausbildung zu streichen, wäre ein falsches Signal für junge Menschen, meinte der Kanzler auf eine Zusatzfrage der Bundesrätin Diesner-Wais (V).

Bundesrat PREINER (S): Welche Auswirkungen hat die Steuerreform 2009 auf die ArbeitnehmerInnen Österreichs?

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Der Bundeskanzler teilte mit, die Steuerreform komme möglichst vielen Menschen zugute und war nicht nur auf besonders sozial schwache Menschen ausgerichtet. Diese Maßnahmen wurden vorgezogen, hat man doch im Vorjahr 300 Mio. € zweckgebunden an Arbeitslosenversicherungsgeld gestrichen, um die, die sehr wenig verdienen, in diesem Bereich zu entlasten. 88 % des gesamten Entlastungsvolumens entfallen auf Einkommen unter 4.000 €, strich Faymann heraus. Die Tarifreform ist aus seiner Sicht ausgewogen und entspricht den gesetzten Zielen.

Gegenüber Bundesrätin Mühlwerth (F) meinte der Bundeskanzler, es müsse Entscheidungsfreiheit geben, ob jemand zuhause bleibt oder berufstätig ist. Es darf sich möglichst niemand diskriminiert fühlen, auch wenn der "goldene Schnittpunkt", an dem alle zufrieden sind, in keinem Steuersystem der Welt existiert.

Bundesrat KNEIFEL (V): Was haben die Regierungsvertreter beim Europäischen Rat am 19. und 20. März 2009 für Österreich erreicht?

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Stabilität im Osten und im Südosten Europas voranzutreiben, die Konjunkturprogramme zu stimulieren und konkrete Projekte für Österreich nachrechenbar zu machen, all das stand bei diesem Europäischen Rat im Vordergrund, sagte der Bundeskanzler. Es müssen aber auch weitere Programme forciert und Konsequenzen aus der Wirtschaftskrise gezogen werden. Österreich muss sich im Europäischen Rat stark machen für Finanzmarktkontrollen, für kontrollierte Märkte und für Maßnahmen, die es ermöglichen, den Wettbewerb zu begünstigen.

Es war notwendig, im Europäischen Rat einige Klarstellungen zum Bankgeheimnis zu treffen, dazu zählt auch, dass Österreichs Bankgeheimnis einen Datenschutz für BürgerInnen darstellt und er nicht dazu da ist, illegale Geldströme zu vertuschen oder zu verteidigen. Österreich ist keine Steueroase, die Steuern befinden sich eher in der oberen Mitte der Steuerquote. Bei ausländischen Geldströmen wird Österreich im Falle von Verdachtsmomenten Auskunft geben. Dazu ist es notwendig, im österreichischen Parlament ein entsprechendes Abkommen mit Zweidrittelmehrheit abzuschließen, erklärte Faymann zu einer Zusatzfrage des S-Bundesrates Konecny.

Zu Bundesrat Mitterer (B) meinte der Kanzler, man würde einer Kompetenzverschiebung, die Österreich verbietet, im eigenen Land Atomenergie zu verhindern, nie zustimmen. (Schluss)


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