Parlamentskorrespondenz Nr. 599 vom 30.06.2009

Nowotny: IWF-Bericht stellt Österreich positives Zeugnis aus

Aktuelle Aussprache mit den beiden Nationalbank-Gouverneuren

Wien (PK) – Auf der Tagesordnung der heute Nachmittag stattfindenden ersten Sitzung des Finanzausschusses standen die Berichte des Gouverneurs und des Vize-Gouverneurs der Oesterreichischen Nationalbank über die erfolgten geld- und währungspolitischen Maßnahmen im ersten Halbjahr 2009.

IWF-Länderbericht kommt insgesamt zu einem positivem Ergebnis

Der Gouverneur der OeNB, Ewald Nowotny, informierte zunächst über den IWF-Länderbericht Österreich, der im Rahmen der so genannten Artikel-IV-Konsultationen erstellt und heute der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Auch wenn Österreich von den Auswirkungen der Subprime-Krise wenig betroffen sei, stellen die allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklungen in Europa, und vor allem in Osteuropa, eine große Herausforderung dar, urteilten die Autoren des Berichts. So werde etwa mit einem Rückgang des Sozialprodukts um 4 % im Jahr 2009 gerechnet. Die IWF-Experten kamen aber gleichzeitig zum Schluss, dass Österreich schnell und effektiv reagiert und entsprechende Maßnahmen ergriffen habe. Insgesamt ziehe der Bericht eine positive Bilanz, meinte Nowotny, was auch hinsichtlich der Einschätzung durch die internationalen Ratingagenturen für Österreich sehr wichtig ist.

Sodann ging Ewald Nowotny auf die Prognosen hinsichtlich der  makroökonomischen Entwicklungen im Euro-Raum ein, wo es zu einem massiven Wirtschaftseinbruch gekommen ist; deshalb müsse man im Jahr 2009 auch mit einem Rückgang um 4,5 % rechnen, 2010 wird ein Plus von 0,7 % erwartet. Welchen genauen Verlauf die Wirtschaftsentwicklung nun aber nehmen wird, könne man aufgrund der hohen Unsicherheitsfaktoren derzeit nicht abschätzen. Was die Inflationsrate angeht, die ebenfalls stark zurückgegangen ist, so betrug sie im Mai 2009 0 % im Euro-Raum bzw. -0,1% in Österreich. Auch in den nächsten Monaten könne es vorübergehend zu negativen Inflationsraten kommen, da die Energiepreise derzeit niedriger sind als im Vorjahr, gab Nowotny zu bedenken.

Für richtig erachtete er die Reaktion von Seiten der Wirtschaftspolitik, zumal erstmals eine halbwegs koordinierte expansive Fiskalpolitik aller EU-Staaten feststellbar war, was zu einer Beruhigung der Situation beigetragen hat. Im Bereich der Geldpolitik kam es zu massiven Eingriffen durch die EZB, wodurch die Liquiditätsversorgung der Banken (insgesamt 440 Mrd. €) sichergestellt und der Zusammenbruch der Geldmärkte aufgehalten wurde. Es sei jedoch richtig, dass es im Bereich der Kreditversorgung noch eine Vielzahl von Problemen gebe, die durch den Basel-II-Effekt noch verstärkt werden könnten, räumte der OeNB-Gouverneur ein.

Schließlich ging Nowotny noch auf die Frage ein, ob die massive Liquiditätsausweitung inflationäre Effekte auslösen könne. Dies müsse differenziert betrachtet werden, gab er zu bedenken. Während er aus geldpolitischer Sicht keine Auswirkungen sehe, könnte es möglicherweise gewisse Risiken im realwirtschaftlichen Sektor geben, und zwar, wenn es zu einem Aufschwung kommt. Die sensibelsten Bereiche seien dann die Erdöl- und Energiepreise. Aus diesem Grund seien alle Maßnahmen in Richtung mehr Energiesparen und Energieeffizienz aus seiner Sicht voll zu unterstützen.

Duchatczek: Finanzmarktlage freundlicher, aber keine Entwarnung

Sodann ging der Vizegouverneur der OeNB, Wolfgang Duchatczek, auf einige wichtige Themenbereiche ein. Grundsätzlich könne die Lage am Finanzmarkt als etwas freundlicher bezeichnet werden, zumal die Aktienpreise etwas angezogen haben und die Anleihenmärkte in Bewegung gekommen sind. Dennoch gebe es keinen Anlass zur Entwarnung, betonte der Vize-Gouverneur. Was die Ertragssituation der Banken angeht, so wurde diese natürlich durch die Krise beeinträchtigt. 2008 (und auch im ersten Quartal 2009) wurde zwar nach wie vor ein Gewinn verzeichnet, dieser sei aber um ein Drittel geringer als im Vorjahr. Verlangsamt habe sich auch das Kreditwachstum, und auch die Fremdwährungskredite seien leicht rückläufig. Bezüglich der so genannten Banken-Stresstests mahnte Duchatczek zu einer vorsichtigen Beurteilung, da in den einzelnen Ländern von unterschiedlichen Annahmen ausgegangen wird. In Österreich rechne man derzeit mit einem Rückgang des Wirtschaftswachstums um 4 %, 2010 sollte es zu einer ökonomischen Stabilisierung kommen. Vor diesem Hintergrund könne man derzeit sagen, dass die Eigenkapitalquote der Banken als ausreichend zu betrachten sei. Schließlich ging der Vizegouverneur noch auf die neue Finanzmarktaufsichtsarchitektur in der EU ein und berichtete darüber, mit welchen Themen sich die Kommission derzeit befasst (Richtlinien bezüglich Hedgefonds, Private Equity-Gesellschaften, Prozyklizität etc.).

Pröll: Freier Fall gebremst, aber Boden noch nicht erreicht

Finanzminister Josef Pröll lobte zunächst die gute Zusammenarbeit zwischen der OeNB und seinem Ressort, was gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten von großer Bedeutung sei. Auch er ging sodann auf den IWF-Bericht über Österreich ein, der belege, dass man sich in die Gruppe jener Länder einreihen könne, die rasch und effizient auf die globale Finanzkrise reagiert haben. Die von der Regierung geschnürten Maßnahmenpakete haben wesentlich dazu beigetragen, dass der freie Fall gebremst werden konnte, war Pröll überzeugt, der Boden bezüglich Wachstum und Arbeitslosigkeit sei allerdings noch nicht erreicht.

Pröll wies weiters auf den nächste Woche stattfindenden Finanzministerrat in der EU hin, wo von österreichischer Seite u.a. das Thema der Prozyklizität von Basel II vorangetrieben werden soll. Auf der Agenda stehe sicher auch das Defizitverfahren, das gegen Österreich – wie wahrscheinlich gegen insgesamt 20 Länder – eingeleitet werden soll. Die Europäische Kommission habe aber gleichzeitig auch bestätigt, dass die von Österreich ergriffenen Maßnahmen als zeitgerecht und richtig erachtet werden.

Die Einigung in der EU über eine gemeinsame Finanzmarktaufsicht, die aus einem Zweisäulenmodell besteht, sehe er als ersten wichtigen Schritt.  

Die Fragen der Abgeordneten

Abgeordneter Martin Bartenstein (V) wies darauf hin, dass Österreich laut dem IWF-Bericht größere Maßnahmenpakete geschnürt habe als der europäische Durchschnitt. Seiner Ansicht nach sei jedoch ein Inflationsrisiko langfristig nicht auszuschließen, weshalb ein besonderes Augenmerk auf diesen Bereich gelegt werden müsse.

Abgeordneter Werner Königshofer (F) zeigte sich verwundert darüber, dass Nowotny in einem Interview das Osteuropa-Risiko als nicht besonders hoch eingeschätzt habe, obwohl zahlreiche Wirtschaftsexperten Warnungen ausgesprochen haben. Weitere Fragen stellte er zur Geldmarktpolitik sowie zur "Staatsfinanzierung" der Kommunalkredit.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) hätte sich gewünscht, dass sich Österreich intensiver für die Aussetzung des EU-Defizitverfahrens eingesetzt hätte, zumal mehr als zwei Drittel der Länder davon betroffen sind. Sein Fraktionskollege Christoph Matznetter (S) befasste sich vor allem mit den Auswirkungen von Basel II, wodurch große Probleme entstehen können. Er plädierte dafür, dass eine Eigenkapitaldeckung von 8 % ausreicht und dass den Ratingsystemen der Banken ein längerer Vergleichszeitraum zu Grunde gelegt wird.

Abgeordneter Alexander Van der Bellen (G) hatte den Eindruck, dass die Aufsichtsarchitektur in der EU nur zusätzliche Bürokratie schaffe, denn eine gemeinsame Finanzmarkt- und Bankenaufsicht gebe es damit noch immer nicht.

Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny wies in Beantwortung der Fragen der Abgeordneten zunächst darauf hin, dass 60 % des Defizits durch automatische Stabilisatoren verursacht werden; dieser Bereich sei also vom Wachstum abhängig. Abgeordnetem Bartenstein versicherte er, dass die EZB eine Priorität in der Preisstabilität sehe, was von der OeNB natürlich sehr ernst genommen werde. Hinsichtlich der Fragen über die Risken, die mit dem starken wirtschaftlichen Engagement Österreichs in Osteuropa verbunden sind, merkte Nowotny an, dass die Phase der Hysterie vorbei sei. Aussagen wie "Österreich droht der Staatsbankrott" hätten sich mittlerweile als völlig falsch herausgestellt. Dennoch stehe man vor großen Herausforderungen, räumte Nowotny ein, wobei die Länder in Osteuropa sehr differenziert betrachtet werden müssten. Außerdem hätten die starken Engagements von Seiten des IWF und der Europäischen Kommission zu einer massiven Beruhigung der Situation beigetragen.

Bezüglich der Frage zur Kommunalkredit informierte Nowotny darüber, dass es sich bei der Unterstützung um einen kurzfristigen Kredit gehandelt habe, zumal die OeNB auch gar keine Staatsfinanzierung durchführen dürfe. Der V-Abgeordneten Karin Hakl pflichtete Nowotny bei, dass sich für bestimmte Wirtschaftsbereiche (z.B. Jungunternehmer) die Finanzierungsgrundlagen nachdrücklich verschlechtert haben. In solchen Fällen halte er Staatsgarantien oder Unterstützungen von Seiten des Europäischen Investitionsfonds für sehr wichtig. (Fortsetzung)