Parlamentskorrespondenz Nr. 634 vom 08.07.2009
Nationalrat beschließt Straffung der Umweltverträglichkeitsprüfung
Wien (PK) – Über die Änderung des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes war es im Vorfeld zu Auseinandersetzungen zwischen den Koalitionsparteien und den Oppositionsfraktionen darüber gekommen, in welchem Ausschuss die Materie vorzuberaten sei. Während die Opposition den Umweltausschuss dafür zuständig sah, fanden die Beratungen nach dem Mehrheitswillen der Koalition im Wirtschaftsausschuss statt. Während diese Auseinandersetzung die Einwendungsdebatte am Vormittag geprägt hatte, ging es jetzt um die Inhalte der Novelle.
Abgeordneter Norbert HOFER (F) bedauerte, dass in UVP-Verfahren unter dem Vorwand der Verfahrensbeschleunigung nunmehr Parteienrechte eingeschränkt werden sollen. Seiner Meinung nach sind für Verzögerungen bei UVP-Verfahren ebenso oft unzureichende Unterlagen seitens der Antragsteller oder der Behördenleiter verantwortlich. Im Übrigen machte er darauf aufmerksam, dass so gut wie jedes UVP-Verfahren positiv abgeschlossen wird. Hofer plädierte für eine Rückverweisung des vorliegenden Gesetzes an den Wirtschaftsausschuss und neuerliche Beratungen im Umweltausschuss.
Abgeordneter Hermann SCHULTES (V) begrüßte die vorliegende Gesetzesnovelle hingegen. Seiner Meinung nach führt diese zu einer Beschleunigung von UVP-Verfahren, gleichzeitig würden aber auch die Bürgerrechte gestärkt, die Transparenz des Verfahrens erhöht und der Zugang zu Daten erleichtert. In einem von Schultes eingebrachten Abänderungsantrag geht es unter anderem um die Einrichtung eines "Investorenservice" zur Verkürzung der Vorbereitungsphase für UVP-pflichtige Projekte, die verlängerte Bereitstellung relevanter Daten im Internet und die personelle Erweiterung des Umweltrats. Außerdem sollen Projektwerber angehalten werden, im Rahmen der Umweltverträglichkeitserklärung ein erweitertes Energie- und Klimakonzept vorzulegen.
Das neue UVP-Gesetz war nach Auffassung des Abgeordneten Rainer WIDMANN (B) nicht der große Wurf, da nur kleine Reparaturen - als Reaktion auf ein EU-Vertragsverletzungsverfahren - vorgenommen wurden. Am kritischsten beurteilte er, dass praktisch kein parlamentarisches Verfahren stattgefunden hat. Eineinhalb Stunden vor der Ausschusssitzung sei den Mandataren ein umfangreicher Paragraph-27-Antrag "vor die Nase geknallt" worden, wodurch eine sachliche Diskussion verunmöglicht wurde. Grundsätzlich befürwortete Widmann eine Beschleunigung der Verfahren, aber ohne Einschränkung der Öffentlichkeits- und Bürgerrechte. Außerdem schlug er vor, dass man Projekte, wo massiv auf Nachhaltigkeit gesetzt wird, deutlich bevorzugen sollte. Bei Maßnahmen, die eine massive Verbesserung der Umweltsituation bringen, sollte man überhaupt von einer UVP Abstand nehmen.
Abgeordnete Petra BAYR (S) wies zunächst darauf hin, dass durch die UVP-Novelle vor allem die Konformität mit dem EU-Recht wiederhergestellt werden musste. Zu begrüßen sei auch, dass die Umweltschutzorganisationen wieder die Möglichkeit zur Beschwerde am Verwaltungsgerichtshof haben. Festgelegt wurde zudem, dass im Falle von effizienzsteigernden Maßnahmen bei bestehenden Wasserkraftwerken (z.B. Turbinentausch) keine neue UVP durchgeführt werden muss. Sie halte die UVP-Novelle für einen tragbaren Kompromiss, der weitere Vereinfachungen und Verkürzungen der Verfahren bringt und der baldige Investitionen ermöglicht. Allerdings räumte Bayr ein, dass sich ihre Fraktion eine noch stärkere Berücksichtigung sowohl von Energieeffizienz als auch von Klimaschutz im Rahmen der Prüfung der Kriterien gewünscht hätte, auch wenn im Abänderungsantrag ein kleiner Kompromiss gefunden worden sei. Verbesserungswürdig seien ihrer Ansicht nach auch die Mitsprache- und Mitwirkungsmöglichkeiten der Betroffenen.
Abgeordnete Christine BRUNNER (G) sprach zunächst das Kraftwerksprojekt Ilisu in der Türkei an, das gemäß österreichischer UVP sicherlich nicht genehmigungsfähig gewesen wäre. Allerdings sollte man sich überlegen, ob in Hinkunft bei der Vergabe von Exportgarantien nicht mehr auf ökologische, soziale und kulturelle Kriterien geachtet werden sollte. Im Rahmen eines Entschließungsantrags trat sie sodann für eine entsprechende Novelle des Ausfuhrförderungsgesetzes ein. Was die vorliegende Änderung des UVP-Gesetzes angeht, so kritisierte Brunner, dass zwei Jahre lang nichts passiert sei und dann kurz vor der Ausschusssitzung ein umfassender Antrag der Regierungsparteien vorgelegt wurde. Überdies wurde das Gesetz dann noch an den Wirtschaftsausschuss verwiesen, wo es sicherlich nicht hingehöre.
Die UVP-Novelle enthalte zwar einige positive Punkte (wie die Vorlage eines Energieeffizienzkonzepts), aber viele Dinge fehlten (z.B. die Parteienstellung von Nachbarn im Feststellungsverfahren) oder seien als negativ zu werten. So bemängelte Brunner etwa, dass das Energieeffizienzkonzept nicht als Genehmigungskriterium gewertet werde.
Bundesminister Nikolaus Berlakovich zeigte sich froh darüber, dass es in einer so schwierigen Materie wie der Umweltverträglichkeitsprüfung, wo gegensätzliche Interessen aufeinander prallen, gelungen sei, ein beschlussreifes Gesetz vorzulegen. Ihm sei es vor allem darum gegangen, die Balance zwischen der wirtschaftlichen Entwicklung, einem vernünftigem Ausbau der Wasserkraft sowie der Beachtung der Bürgerrechte sowie von Natur- und Umweltschutz zu wahren. Der Minister war der Meinung, dass dieses Ziel erreicht werden konnte, wie auch die meisten Stellungnahmen deutlich zeigten. Er wehre sich auch dagegen, wenn öfters behauptet werde, dass die UVP Projekte verhindere. Die Länge der Verfahren hänge vor allem von der Qualität der eingereichten Unterlagen und von den Landesbehörden ab, gab er zu bedenken; dafür könne man nicht dem Gesetz die Schuld geben. Sodann ging er auf die Eckpunkte der Novelle ein, z.B. die Maßnahmen zur weiteren Verfahrensbeschleunigung, die Stärkung der Bürgerrechte und die Berücksichtigung des Prinzips der Energieeffizienz.
Auch Abgeordneter Martin BARTENSTEIN (V) verwahrte sich gegen das "Sündenbockimage", das der UVP anhafte; dieses sei sicherlich nicht gerechtfertigt. Meist sei nämlich die politische Nicht-Entscheidung in den Ländern Schuld daran, dass Projekte wie die 380-KV-Leitung in der Steiermark, die am 1. Juli schließlich ans Netz gegangen sei, jahrelang verzögert würden. Die Kritik der Opposition könne er nur zurückweisen, da sie sich selber ausgeschaltet habe. Bartenstein wies schließlich darauf hin, dass sich auch der Umweltdachverband optimistisch zur UVP-Novelle geäußert habe.
Abgeordneter Bernhard THEMESSL (F) konnte die Aussage von Minister Berlakovich nicht nachvollziehen, wonach in den letzten Monaten sehr intensiv und ausführlich mit allen Beteiligten über dieses Gesetz gesprochen worden sei. Offensichtlich habe man ganz vergessen, auch die Opposition miteinzubinden. Auch wenn man es aus Sicht der Wirtschaft durchaus begrüßen könnte, dass die Verfahren nun beschleunigt werden sollen, räumte Themessl ein, müsse man leider feststellen, dass sich an den strukturellen Problemen nichts verändere. So hätte man sich etwa überlegen sollen, das UVP-Verfahren bereits in der Planungsphase starten zu lassen, um wesentlich mehr Zeit zu gewinnen.
Abgeordneter Christoph MATZNETTER (S) sprach zunächst den Entschließungsantrag der Grünen an, der seiner Ansicht nach nicht notwendig sei. Gerade das Ilisu-Projekt habe doch gezeigt, dass die Kriterien und Standards sehr ernst genommen werden. Er verteidigte sodann die Inhalte der UVP-Novelle, weil damit in keiner Weise die Rechte von Parteien, Bürgerinitiativen oder Betroffenen eingeschränkt werden. Vielmehr sei das Gegenteil der Fall, unterstrich Matznetter. Die Verfahren sollen gestrafft werden, damit die Projekte im Interesse der Wirtschaft und der Beschäftigten rascher abgewickelt werden können. Leider habe die Opposition die Zusammenarbeit für dieses gute Gesetz verweigert.
Für Abgeordnete Gabriela MOSER (G) sei man von einem guten Gesetz weit entfernt, was auch die Umweltanwaltschaften und viele NGO in ihren Stellungnahmen bestätigen würden. So habe man z.B. festgelegt, dass mündliche Verfahren, zu denen es keine Einwendungen gibt, sofort gestrichen werden. Die Novelle sei ihrer Meinung ein weiterer Schritt der Verwässerung und führe zu einem Abbau der Qualität bei den Umweltverträglichkeitsprüfungen. Als Beispiel führte Moser das Projekt "Skylink" an, wo eine Landesbehörde binnen einer Woche das Verfahren durchgezogen und dabei keine UVP-Pflicht festgestellt habe. Aus all diesen Gründen müsse das Gesetz in den Umweltausschuss zurückverwiesen werden, forderte die G-Rednerin.
Auch Bundesminister Reinhold MITTERLEHNER sprach von einem schwierigen Balanceakt, der jedoch mit Maß und Ziel umgesetzt werden konnte. Einvernehmlich geregelt seien schließlich auch zwei zunächst umstrittene Punkte worden, nämlich die Versorgungssicherheit als öffentliches Interesse sowie die Verankerung der Energieeffizienz, hob der Minister hervor. Als weitere positive Neuerungen führte Mitterlehner das Verfahrensmonitoring, den Entfall der mündlichen Verhandlung (wenn keine Einwendungen bestehen) und den Schluss des Ermittlungsverfahrens bei Entscheidungsreife an. Man hoffe daher, dass sich aufgrund der Beschleunigungsmaßnahmen die Verfahren zumindest innerhalb von neun Monaten bzw. sechs Monaten (im Falle des verkürzten Verfahrens) abwickeln lassen können.
Abgeordneter Franz HÖRL (V) war der Meinung, dass es für die BürgerInnen relativ irrelevant sei, in welchem Ausschuss ein Gesetz behandelt wird, denn für sie zähle primär das Ergebnis. Die Novelle werde in ausgewogener Form sowohl den ökologischen als auch den ökonomischen Anforderungen gerecht, war der Redner überzeugt. Der im Gesetz vorgesehene Maßnahmenmix werde hoffentlich zu einer deutlichen Beschleunigung der Verfahren führen. Hörl dankte dafür, dass hinsichtlich der Schigebiete eine grobe Ungerechtigkeit beseitigt werden konnte.
Abgeordnete Ruperta LICHTENECKER (G) wiederholte die Kritik ihrer Fraktion, wonach die Anbindung der UVP-Novelle an das Dampfkesselbetriebsgesetz, bei dem es um berufsrechtliche Dinge geht, nicht in Ordnung war. Auch waren die Grünen im Wirtschaftsausschuss vertreten und haben dort ihre Positionen klargestellt, unterstrich sie. Ein schweres Manko der UVP-Novelle sei ihrer Ansicht nach die Anlagenliste sowie die Tatsache, dass die Energieeffizienz nicht als verpflichtendes Kriterium verankert wurde. Eine Senkung müsste auch hinsichtlich der Schwellen für Wasserkraftwerke vorgenommen werden.
Die Novelle zum UVP-Gesetz 2009 könne im wesentlichen als Reaktion auf das von der EU gegen die Republik Österreich eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren betrachtet werden, erläuterte Abgeordneter Gerhard STEIER (S). Dieses bezog sich vor allem auf die mangelnde Berücksichtigung relevanter Vorhaben durch die Einzelfallsprüfung mit niedrigen Schwellenwerten sowie die Nicht-Berücksichtigung der UNESCO-Weltkulturerbestätten im UVP-Gesetz. Neu sei zudem die stärkere Verankerung des Klimaschutzaspekts. Steier räumte jedoch ein, dass eine tiefergehende Diskussion über diese Materie im zuständigen Umweltausschuss wünschenswert gewesen wäre.
Abgeordneter Werner NEUBAUER (F) zeigte sich unzufrieden mit der Vorlage. Mit dieser mache man sich unglaubwürdig, sie diene den erstrebten Zielen nicht. Zudem werde hier mit zweierlei Maß gemessen, und auch dies sei abzulehnen. Mit diesem Gesetz werde der heimischen Umweltpolitik kein guter Dienst erwiesen, hielt der Redner fest. Er brachte einen Entschließungsantrag betreffend Atommülllagerpläne in der Nähe Österreichs ein.
Abgeordneter Franz GLASER (V) goutierte hingegen die Änderung des UVP-Gesetzes, denn diese diene der heimischen Umwelt und sorge dafür, dass wichtige Entscheidungen rasch fallen können.
Abgeordneter Günther KRÄUTER (S) zeigte sich erfreut, dass sich in dieser Frage ein vernünftiger Weg ergeben habe, den man getrost beschreiten könne.
Ebenfalls zustimmend zur Vorlage äußerten sich Abgeordneter Johann RÄDLER und Abgeordneter Peter MAYER (beide V).
Die Vorlage wurde in der Fassung des V-S-Abänderungsantrags mehrheitlich angenommen, der G-Antrag auf Rückverweisung verfiel ebenso der Ablehnung wie die oppositionellen Entschließungsanträge.
(Schluss UVP/Forts. Kultur)