Parlamentskorrespondenz Nr. 643 vom 09.07.2009

Arbeitsmarktpaket im Nationalrat einstimmig verabschiedet

BM: Mit den Arbeitsmarktpaketen gibt man eine Antwort auf die Krise

Vor Eingang in die Tagesordnung der 31. Sitzung des Nationalrats kündigte Nationalratspräsidentin Barbara PRAMMER für 15 Uhr die Abhaltung zweier Kurzdebatten an. Anlass dafür bieten das Verlangen der Grünen auf Besprechung einer Anfragebeantwortung der Innenministerin zur Verhängung der Schubhaft über eine Familie mit drei minderjährigen Kindern und ein Fristsetzungsantrag der FPÖ für ihren Antrag 247/A(E) auf Öffnung geschlossener Polizeiposten.

In einer Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung zeigte sich BZÖ-Klubobmann Josef BUCHER bestürzt über die Nachricht von der behördlichen Überwachung des Mobiltelefons des Abgeordneten Peter WESTENTHALER und verlangte dazu eine Erklärung der Innenministerin.

Präsidentin Barbara PRAMMER gab bekannt, dass sie in dieser Sache zwei Briefe an die zuständigen Bundesministerinnen für Inneres sowie für Justiz vorbereitet habe und den Vorfall auch zum Thema in der nächsten Präsidialkonferenz machen werde.

Abgeordneter Norbert HOFER (F) schloss sich seinem Vorredner an und ersuchte die Nationalratspräsidentin, in der nächsten Präsidialkonferenz über die Reaktion der beiden Ministerinnen zu berichten. Eine Überwachung unter dem Deckmantel der Stellung Westenthalers als Zeuge sei inakzeptabel. Ein derartiger Eingriff in die Freiheitsrechte könne nicht hingenommen werden.

Klubobmann Karlheinz KOPF (V) bekräftigte, dass die Immunität der Abgeordneten ein besonderes Gut ist, zumal man in der Ausübung des freien Mandats in keiner Weise beeinflusst werden dürfe. Kopf hielt es daher für notwendig klarzustellen, was tatsächlich vorgegangen ist und was man gedenkt zu tun, um derartige Vorfälle in Zukunft zu vermeiden.

Klubobmann Josef CAP (S) verlieh seiner Betroffenheit Ausdruck und unterstützte die Vorgangsweise der Nationalratspräsidentin. Er erwartete sich klare Antworten von den Ministerinnen und eine Diskussion darüber in der Präsidiale. Allfällige rechtliche Konsequenzen seien unverzüglich zu ziehen, sagte Cap. In gleicher Weise habe der Nationalrat allfällige gesetzliche Schritte zu setzen, sollte dies notwendig werden, denn hier sei in die Grundrechte eingegriffen worden.

Abgeordneter Dieter BROSZ (G) hielt die vermutete Telefonüberwachung eines Abgeordneten ebenfalls für inakzeptabel. Hier gehe es um den Schutz der Demokratie, betonte er. Brosz verlangte darüber hinaus, nicht nur den konkreten Fall zu untersuchen, sondern auch andere Fälle zu überprüfen, etwa in Bezug auf die Umstände rund um die TierschützerInnen.

Nationalratspräsidentin Barbara PRAMMER hielt daraufhin nochmals fest, dass sie in ihren Briefen an die Innen- und Justizministerin auch die generelle Problematik angesprochen habe.

In Verhandlung genommen wurden die Anträge 679/A betreffend Arbeitsmarktpaket 2009, die Änderung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, 617/A(E) betreffend Anhebung der Nettoersatzrate in der Arbeitslosenversicherung und 441/A(E) bezüglich fehlerhafte Anrechnung angeblicher PartnerInneneinkommen in der Notstandshilfe.

Abgeordneter Herbert KICKL (F) bewertete zwar einige Maßnahmen des Arbeitsmarktpakets 2009 positiv, in der Sache passt jedoch einiges für ihn nicht zusammen. Vor allem kritisierte er, dass diejenigen, die am wenigsten für die Krise können, nämlich die ArbeitnehmerInnen, für alles bezahlen müssen. Die Arbeitslosigkeit steige, viele Menschen müssten um ihren Arbeitsplatz zittern, weil sogar sozialdemokratische FirmenchefInnen, wie Androsch und Ederer, Produktionen nach China verlagern oder einen massiven Stellenabbau betreiben, merkte er an. Die Freiheitlichen unterstützten zwar grundsätzlich die Kurzarbeit, sagte Kickl, aber man dürfe nicht vergessen, dass auch diese eine finanzielle Einbuße für die Betroffenen bedeute und dass nach Beendigung der Kurzarbeit keinerlei Schutz vorgesehen ist. Mit den Bestimmungen zur Kurzarbeit bevorzuge man einmal mehr die großen Unternehmen. Kickl plädierte dafür, das Arbeitslosengeld entsprechend anzupassen und das bürokratische System der Anrechnung des Partnereinkommens bei der Notstandshilfe abzuschaffen.  

Abgeordnete Renate CSÖRGITS (S) meinte im Gegensatz dazu, dieses Arbeitsmarktpaket stelle eine weitere Unterstützung zur Bewältigung der Krise dar. Nach dem ersten Paket, das vor allem der Einführung der Kurzarbeit gedient hatte, komme es nun zu weiteren Verbesserungen bei diesem Instrument. Die Kurzarbeit werde auf 24 Monate ausgeweitet und die Beihilfen erhöht. Darüber hinaus werde der Zugang zur Altersteilzeit erleichtert. Csörgits begrüßte weiters die Neuerungen bei der Bildungskarenz, die nun bereits nach einem halben Jahr in Anspruch genommen werden kann. Besonders strich sie auch die Jugendstiftung hervor, die rund 2.000 arbeitslos gewordenen Jugendlichen eine Unterstützung bietet. Ebenso fand das Sozialtrainingsmodell ihre Unterstützung.    

Abgeordnete Ursula HAUBNER (B) vertrat die Auffassung, das Arbeitsmarktpaket 2009 sei zu klein und komme zu spät. Die Ausweitung der Kurzarbeit stellt laut Haubner zwar einen sinnvollen Schritt dar, ihr fehlten aber begleitende Maßnahmen. Das BZÖ schlage zum Beispiel eine Reduktion der Lohnsteuer für jene vor, die sich in Kurzarbeit befinden. An der Neuregelung der Altersteilzeit kritisierte Haubner, dass in Zukunft wieder Arbeitnehmerbeiträge bezahlt werden müssen, was zu einer Steigerung der Lohnkosten führe. Haubner befürwortete zwar die Jugendstiftung, wandte aber ein, man sollte den Blum-Bonus in neuer Form wieder beleben. Generell fehlt dem BZÖ ein umfassendes "Kraftpaket", so Haubner, das vor allem für Klein- und Mittelbetriebe einen Bürokratieabbau und eine Entlastung vorsieht. Sie vermisste auch Reformen im Gesundheits- und Schulbereich.

Abgeordneter Martin BARTENSTEIN (V) bezeichnete die Situation am Arbeitsmarkt als nicht nur ernst, sondern dramatisch. Die Lage werde sich in den nächsten Monaten weiter zuspitzen, befürchtete er, weshalb die Regierung rasch Maßnahmen setze. Das Arbeitsmarktpaket ist daher seiner Meinung nach richtig und komme auch zum richtigen Zeitpunkt. Ein Wermutstropfen dabei sei, dass 50 % der Kosten durch Lohnnebenkosten gegenfinanziert werden müssen. Der ehemalige Wirtschafts- und Arbeitsminister unterstützte auch die Neuregelung der Altersteilzeit, die den Weg der kontinuierlichen Altersteilzeit fortsetze und das Blocken der Teilzeit zurückdränge. Die Schwerpunktsetzung im Bereich Jugendbeschäftigung ist für Bartenstein ein Gebot der Stunde. Er appellierte abschließend an die Opposition, ihren Widerstand gegen die Umsetzung eines OECD-konformen Bankgeheimnisses aufzugeben, da sonst wirtschaftliche Sanktionen drohten, die den Arbeitsmarkt noch mehr gefährdeten.

Abgeordnete Birgit SCHATZ (G) zeigte sich vom Arbeitsmarktpaket enttäuscht. Das werde noch lange nicht reichen, bemerkte sie dazu. Sie wiederholte die Skepsis der Grünen gegenüber der Kurzarbeit und vermisste vor allem eine kritische Prüfung durch Gewerkschaft und AMS. Ein Augenzwinkern bei der Bewilligung sei nicht in Ordnung, sagte Schatz, die dafür eintrat, Kurzarbeit an Bildungsmaßnahmen zu knüpfen. Ebenso glaubte sie, dass die Jugendstiftung nicht ausreichend sei, und sie fand es auch nicht in Ordnung, dass bei der Altersteilzeit das Erfordernis der Ersatzbeschäftigung wegfällt. Als Zumutung bezeichnete sie die Erhöhung des Arbeitslosengeldes um lediglich 20 €. Es sei völlig inakzeptabel und peinlich, dass die Regierung bei Familien, die mit 1.000 € auskommen müssen, knausere, während das Geld für die Banken locker sitze, bemängelte sie abschließend.

Bundesminister Rudolf HUNDSTORFER reagierte auf die vorangegangenen kritischen Wortmeldungen mit der Bemerkung, er wolle nun etwas Realität in die Sache bringen. Bis Ende dieses Jahres investiere der Bund 357 Mill. € an Lehrstellenförderung. Einen so hohen Betrag habe es noch nie gegeben, stellte der Sozialminister fest, und jeder, der eine Ausbildung machen wolle, könne sie auch machen. Ende Mai seien 121.695 Lehrlinge beschäftigt gewesen, für September und Oktober sei man auf 130.000 Lehrlinge vorbereitet. Die Bundesregierung setze alles daran, jungen Menschen den Weg in die berufliche Zukunft zu ebnen und nicht zum AMS. Hundstorfer wies auch die Kritik an der Kurzarbeit zurück. In den letzten Monaten sei die Kurzarbeit nirgends abgebrochen worden, es sei denn, es habe sich ein weiterer Einbruch bei den Aufträgen ergeben. Exportmärkte können man aber nicht steuern, merkte er an. Kurzarbeit sei als eine Überbrückung gedacht, um langfristig zu helfen. Die Prüfverfahren würden genau durchgeführt und Trittbrettfahrer ausgeschieden, betonte Hundstorfer gegenüber Abgeordneter Schatz. Er informierte weiters, dass bei den älteren ArbeitnehmerInnen die Beschäftigungsquote auf 41 % gestiegen sei, woran man erkennen könne, dass die Maßnahmen greifen. Bei der Altersteilzeit sei das Erfordernis der Ersatzkraft gestrichen worden, um auch kleineren Unternehmen dieses Modell zu ermöglichen. Mit den Arbeitsmarktpaketen habe man eine Antwort auf die Krise gegeben, zeigte sich der Minister überzeugt, und das beweise auch die Tatsache, dass Österreich den geringsten Anstieg der Arbeitslosigkeit innerhalb Europas zu verzeichnen hat.

Auch Abgeordneter Walter SCHOPF (S) verteidigte die Kurzarbeit als wichtiges und richtiges Instrument. Überall gebe es betriebsbezogene, faire und vernünftige Vereinbarungen, unterstrich er. Der Abgeordnete bedauerte jedoch, dass in einigen Fällen in den Bundesländern die Vereinbarungen der Sozialpartner zur Kurzarbeit umgangen werden. Es gebe noch immer ArbeitgeberInnen und FunktionärInnen, die die Kurzarbeit schlechtreden.  

Abgeordneter Andreas KARLSBÖCK (F) vermutete hinter der Kurzarbeit, die er grundsätzlich für sinnvoll hielt, versteckte Subventionen an die Wirtschaft. Die SteuerzahlerInnen würden einmal mehr für die Industrie ohne Gegenleistung in die Pflicht genommen, meinte er und forderte aus diesem Grund Sanktionsmöglichkeiten. Vor allem fehlten ihm Regelungen, wie es nach den 24 Monaten weitergeht.

Abgeordneter August WÖGINGER (V) räumte ein, dass die Kurzarbeit zwar kein Allheilmittel darstellt, jedoch ein wichtiges Mittel im Kampf zur Bewältigung der Arbeitslosigkeit sei. Was die konkreten Neuerungen des Arbeitsmarktpakets betrifft, so begrüßte er insbesondere die Ausweitung der Kurzarbeit, die Verbesserungen bei der Bildungskarenz sowie die Einrichtung einer Jugendstiftung. Diese sei für junge Menschen wichtig, um entsprechend beschäftigt werden zu können.

Abgeordneter Sigisbert DOLINSCHEK (B) befürwortete die Übernahme der Dienstgeberbeiträge zur Sozialversicherung ab dem 7. Monat der Kurzarbeit. Er kritisierte jedoch die Abschaffung der Ersatzregelung bei der Altersteilzeit, da dies eine wichtige Maßnahme gewesen sei, junge MitarbeiterInnen einzustellen. Dolinschek sprach sich auch dafür aus, die Altersteilzeit sowie die Kurzarbeit für Kleinbetriebe unkomplizierter zu gestalten. Das Arbeitsmarktpaket kommt für ihn zu spät und sei auch in Bezug auf die Jugendbeschäftigung zu wenig. Er brachte in diesem Zusammenhang einen Entschließungsantrag ein, in dem die rasche Umsetzung eines umfassenden Lehrlingspakets gefordert wird.

Abgeordneter Franz RIEPL (S) berichtete über einige Fälle von Lohn- und Sozialdumping. Einige Betriebe würden billige ausländische ArbeiterInnen anbieten. Riepl forderte daher, die Kontrollen zu verstärken und konsequent gegen diesen unlauteren Wettbewerb vorzugehen.

Abgeordneter Karl ÖLLINGER (G) fasste aus seiner Sicht das Arbeitsmarktpaket zusammen: "Das kann nicht alles sein". Vor allem wird aus der Sicht der Grünen nichts für arbeitslos gewordene Menschen getan. Er brachte daher einen Abänderungsantrag ein, in dem die Grünen die Valorisierung des Arbeitslosengeldes verlangen, die Erhöhung der Nettoersatzrate in der Arbeitslosenversicherung sowie die Erweiterung der Informationspflichten des AMS hinsichtlich der Kurzarbeit. Des weiteren legte er einen Entschließungsantrag vor, der auf die Erhöhung der Freigrenze bei der Berechnung des Partnereinkommens im Rahmen der Notstandshilfe abzielt. Man könne nicht akzeptieren, sagte Öllinger, dass in Zeiten der Krise die Arbeitslosen die Einzigen sind, die nichts erhalten.

Staatssekretär Reinhold LOPATKA unterstrich, dass die Maßnahmen, die bis heute gesetzt worden sind, von Erfolg getragen waren. Was die Beschäftigung betrifft, liege Österreich innerhalb der EU an zweiter Stelle. Das Finanzministerium sei an einem Erfolg der Maßnahmen und damit an einem zielgerichteten Einsatz der Mittel interessiert, denn allein der Anstieg der Arbeitslosigkeit um 1 % bedeute eine schlagartige Belastung des Budgets um 500 Mill. €, rechnete er vor. Dass Österreich auf dem richtigen Weg ist, beweise auch der jüngste Bericht der OECD, der Österreich bescheinigt, eines der modernsten Budgetrechte zu haben. Die OECD weise auch darauf hin, dass alles getan werden müsse, um jene zu unterstützen, die keine Qualifikationen haben. Und hier setze auch das Arbeitsmarktpaket ein, sagte Lopatka. Für Schulungen und Qualifikationsmaßnahmen würde eine Milliarde € zur Verfügung gestellt. Weiters flössen 300 Mio. € zur Unterstützung der Kurzarbeit, um Menschen in Beschäftigung zu halten. Mit der Jugendstiftung, der Bildungskarenz und der Altersteilzeit gebe man jungen und älteren ArbeitnehmerInnen eine Chance.

Abgeordneter Josef LETTENBICHLER (V) meinte ebenfalls, die Regierung habe rechtzeitig wirkungsvolle Maßnahmen gesetzt. Er befürwortete die Verbesserungen bei der Kurzarbeit, auch wenn für ihn das Modell zu kompliziert ist und er die deutsche Regelung bevorzugt. Er stellte weiters in Abrede, dass es bei der Prüfung zu Unregelmäßigkeiten kommt. Ebenso wies er den Vorwurf der versteckten Wirtschaftsförderung zurück und versuchte dies mit Zahlen zu belegen.

Abgeordneter Martin STRUTZ (B) zeigte sich besorgt über die Jugendarbeitslosigkeit. Harte Kritik übte er am Unternehmer und Sozialdemokraten Androsch und brachte abschließend einen Entschließungsantrag betreffend begleitende Maßnahmen zur Unterstützung der Kurzarbeit ein.

Bei der Abstimmung wurde das Arbeitsmarktpaket 2009 in Dritter Lesung einstimmig angenommen. Der Abänderungsantrag der Grünen fand nicht die erforderliche Mehrheit.

Mehrheitlich abgelehnt von SPÖ und ÖVP wurden weiters der Entschließungsantrag des BZÖ betreffend ein Lehrlingspaket sowie der Entschließungsantrag der Grünen betreffend Anhebung der Freigrenzen bei der Notstandshilfe. Auch der BZÖ-Antrag zur Kurzarbeit fand nicht die erforderliche Mehrheit, da er nur von FPÖ und BZÖ unterstützt, von SPÖ, ÖVP und Grünen jedoch abgelehnt wurde.

Die Änderungen zum Ausländerbeschäftigungsgesetz passierten den Nationalrat einstimmig.

Die Ausschussberichte über den Antrag der FPÖ betreffend Anhebung der Nettoersatzrate in der Arbeitslosenversicherung und gerechtere Anrechnung des Partnereinkommens bei der Notstandshilfe sowie über den Antrag der Grünen betreffend die fehlerhafte Anrechnung angeblicher PartnerInneneinkommen in der Notstandshilfe erhielten die Zustimmung von SPÖ, ÖVP und BZÖ, womit die beiden Anträge abgelehnt wurden, das es sich um negative Ausschussberichte handelte. (Forts./2. SRÄG)   


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