Parlamentskorrespondenz Nr. 654 vom 10.07.2009

Diskussion um Bespitzelung von Abgeordneten

Wehrrechtsänderungsgesetz mit Mehrheit angenommen

Wien (PK) Bevor der Nationalrat die Debatte zur Tagesordnung aufnahm, wurde ein Antrag der Regierungsparteien auf Absetzung des Tagesordnungspunktes 14 (Änderung des Ökostromgesetzes) mehrheitlich angenommen.

In einer Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung wies Abgeordneter Heinz-Christian STRACHE (F) auf Meldungen über die Bespitzelung des Abgeordneten Westenthaler hin, wobei er die Vermutung äußerte, dass hier auf Initiative der Grünen Datenklau und Aktenmissbrauch auf höchster Ebene stattfinde und der Fall des BZÖ-Mandatars nur die Spitze eines Eisbergs sei. Er sprach in diesem Zusammenhang vom größten Skandal der Republik und beantragte die Einberufung einer Sonderpräsidiale.

Präsidentin Barbara PRAMMER gab dazu bekannt, eine Sonderpräsidiale sei für 13.30 Uhr geplant.

Abgeordneter Peter PILZ (G) bemerkte zu seinem Vorredner, Strache behaupte unter dem Schutz seiner Immunität, dass das ÖVP-Innenministerium ein Instrument der Grünen sei. Inhaltlich schloss er sich dem Wunsch auf eine Sonderpräsidiale an und meinte, es sei wichtig, dass sich dieses Haus gegen illegale Überwachungsmaßnahmen gemeinsam zur Wehr setzt.

Abgeordneter Peter WESTENTHALER (B) sprach von einem großflächigen Skandal, der an die Grundfesten der Demokratie gehe. Das Parlament sei aufgefordert, Spitzelmethoden zu bekämpfen, betonte er und verlangte die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Abgeordneter Karlheinz KOPF (V) bezeichnete die Vorwürfe als schwerwiegend und trat ebenfalls für eine Untersuchung ein. Nach der Präsidiale werde über die Art der Untersuchung zu reden sein, kündigte er an.

Abgeordneter Josef CAP (S) sah die Grundrechte betroffen und forderte eine lückenlose Aufklärung. Die SPÖ sei schockiert und werde alle Schritte setzen, die zu einer Aufklärung führen, fügte er an.

Ebenfalls noch vor Eingang in die Tagesordnung stellte Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) einen Antrag auf Permanenzerklärung des Unterausschusses des Verfassungsausschusses betreffend Verwaltungsreform, der auch vom Abgeordneten Herbert KICKL (F) unterstützt wurde.

Die Verwaltungsreform sei ein Gebot der Stunde, meinte Abgeordneter Josef CAP (S) und trat ebenfalls für eine Permanenzerklärung ein. Zustimmung zum Antrag signalisierte auch Abgeordneter Karlheinz KOPF (V), der namens seiner Fraktion auf die Dringlichkeit des Anliegens hinwies.

Es geht doch, die Regierungsparteien bewegen sich, kommentierte Abgeordneter Werner KOGLER (G) die Zustimmung von ÖVP und SPÖ. Er kündigte an, die Grünen würden beim Zweidrittel-Block sofort mitverhandeln, gab aber zu bedenken, dass es zu den Verhandlungen auch der Ländervertreter bedürfe. Sollte sich nun herausstellen, dass sich von Seiten der Länder nichts bewegt, dann werden die Grünen den Tisch verlassen, denn diese "Politfolklore" könne man sich nicht mehr leisten, warnte Kogler.

Abgeordneter Karlheinz KOPF (V) erwiderte, Vorbeschimpfung eines Teils der Verhandlungspartner hätten keinen Sinn. Er kündigte weiters auch eine Permanenzerklärung des Finanzausschusses an, um über den Sommer die Blockade der Grünen bei der Lösung des Problems des Bankgeheimnisses zu überwinden.

Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) zeigte sich zufrieden mit der Permanenzerklärung und erinnerte an den Vorschlag seiner Fraktion auf generelle Abschaffung der tagungsfreien Zeit.

Abgeordneter Herbert KICKL (F) kündigte einen Antrag der FPÖ auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Spitzelaffäre an.

Abgeordneter Josef CAP (S) lehnte wie Kopf Beschimpfungen der Landespolitiker ab und betonte, zur Verwaltungsreform brauche man ein vernünftiges Arbeitsklima, da müsse man sich mit den Ländervertretern zusammensetzen. Zum Vorstoß des BZÖ auf Abschaffung der Sommerpause bemerkte Cap, die Arbeit der Abgeordneten finde nicht nur im Haus, sondern auch in den Wahlkreisen statt, das BZÖ solle nicht den Eindruck erwecken, dass außerhalb des Parlaments nicht gearbeitet werde.

Abgeordneter Werner KOGLER (G) wies den Vorwurf der Beschimpfung von Landespolitikern zurück und meinte, die Fortschrittsverweigerung in Sachen Verwaltungsreform finde in erster Linie auf Länderebene statt, dies müsse man behaupten dürfen.

Wehrrechtsänderungsgesetz mit Mehrheit angenommen

Abgeordneter Kurt LIST (B) signalisierte inhaltlich die Zustimmung des BZÖ zur vorliegenden Novelle, lehnte aber die Verfassungsbestimmung ab. Vom BZÖ werde die Regierung in nächster Zeit keine Zweidrittelmehrheit bekommen, kündigte er an und argumentierte, dies sei notwendig, da seitens der Regierungsparteien die konstruktive Arbeit der Opposition laufend blockiert werde.

Zum Thema Landesverteidigung hielt List fest, Minister Darabos habe das Bundesheer in seine schwerste Krise geführt, die Einsatzbereitschaft der Truppe sei gefährdet. Die Heeresreform erklärte der Redner für gescheitert, zumal, wie er anfügte, das nötige Geld dazu fehle.

Abgeordneter Stefan PRÄHAUSER (S) wies darauf hin, dass man im Ausschuss einstimmig diese Gesetzesänderung beschlossen habe, aber heute scheine es diese Einmütigkeit nicht mehr zu geben. Man sollte das Bundesheer nicht als Instrument in einer politischen Auseinandersetzung benützen, denn das Heer habe es in Zeiten wie diesen nicht leicht. Zum Inhalt der Novelle überleitend, meinte der Redner, die Vorlage bringe wesentliche Verbesserungen für Soldaten und Grundwehrdiener. Die SPÖ stehe zur allgemeinen Wehrpflicht, zur Miliz, zu den Auslandseinsätzen und auch zu Strukturverbesserungen. Weiters unterstrich Prähauser, dass mit der Novelle die Bundesheer-Beschwerdekommission aufgewertet werde.

Abgeordneter Peter PILZ (G) machte darauf aufmerksam, dass auch das Militärbefugnisgesetz geändert werde, mit dem der Minister ursprünglich den beiden Nachrichtendiensten den Online-Zugriff auf alle Datenbanken des Bundes, auch der Krankenhäuser und Stiftungen, einräumen wollte. Zum Fall Westenthaler brachte Pilz Einzelheiten vor und meinte, es sei bedenklich, dass ein Abgeordneter eine Rufdatenerfassung über sich ergehen lassen müsse und erst dann einvernommen werde; eine ordnungsgemäße Vorgangsweise wäre umgekehrt. Möglicherweise illegal ist seiner Meinung nach die Vorgangsweise, Abgeordneten Westenthaler als Zeugen zu befragen und damit das Immunitätsgesetz des Nationalrats zu umgehen.

Abgeordneter Norbert KAPELLER (V) verstand die Haltung von Kurt List, der Offizier des Bundesheeres ist, nicht und erklärte, es gehe nur darum, das Beste für das Heer zu erreichen. Der Redner bedankte sich bei der Bundesheer-Beschwerdekommission für die geleistete Arbeit und betonte, durch die Aufwertung der Kommission werde man eine Art Demokratisierung im Heer erreichen. In Zeiten wie diesen gehe es auch darum, im Heer die richtigen Akzente zu setzen. Er bedankte sich weiters beim Ressortleiter dafür, dass heuer wieder die AirPower abgehalten wurde; die Veranstaltung war ein voller Erfolg, mehr als 300.000 Besucher wurden in den zwei Tagen in Zeltweg gezählt.

Angesichts der Spitzelskandals gegen Abgeordnete ist klar, sagte Abgeordneter Heinz-Christian STRACHE (F), dass rege Betriebsamkeit im Grünen Klub herrsche, man versuche offenbar, Beweismittel wegzuschaffen. Fest steht für ihn: "Eure Schande heißt Abgeordneter Karl Öllinger und euer Spitzel heißt Uwe Seiler." Das sei der größte Spitzelskandal der Zweiten Republik, und damit bekämen auch die Laptop-Diebstähle und die Einbrüche in Ministerbüros eine andere Bedeutung. Dies müsse zum Rücktritt des Abgeordneten Öllinger führen, sagte Strache.

Bundesminister Norbert DARABOS strich heraus, das österreichische Bundesheer habe mit diesem Vorfall nichts zu tun, wie auch die vorliegende Novelle nichts mit dem Bankgeheimnis zu tun habe. Der Ressortleiter dankte den rund 700 Soldaten für ihren Hochwassereinsatz, 137.000 Stunden an Arbeitseinsatz seien angefallen. Das Bundesheer zeige damit, dass es eines der besten Einsatzorganisationen Österreichs und in der Lage sei, der Bevölkerung zu helfen. Das Heer könne 10.000 Soldaten für den Katastrophenschutz aufbieten, 800 Soldaten befänden sich im Assistenzeinsatz an der Ostgrenze und 1.2000 Soldaten könne man in Auslandseinsätze schicken. Das österreichische Bundesheer sei leistungsstark, leistungsbereit, kompetent und habe einen guten Ruf in der österreichischen Bevölkerung, merkte der Minister stolz an.

Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) hielt das "selbstgefällige Lob", dass alles in Ordnung sei, für unangebracht. Die Soldaten, die ihr Leben und ihre Gesundheit für die Sicherheit des Landes einsetzen, erwarteten sich einen Minister an der Spitze, der nicht alles gesundbete, sondern klar sage, was notwendig sei, um die Einsatzbereitschaft herzustellen und zu erhalten. Dem Minister hielt der Redner entgegen, dass das Hochwasser 2002 12.000 Soldaten erfordert habe, die wir heute nicht mehr hätten, fügte er an.

Abgeordneter Gerhard KÖFER (S) befasste sich mit dem Friedenseinsatz. Nicht nur im Kosovo, im Tschad und am Golan werde ein wertvoller Beitrag zur Sicherheit der dort in Konflikt lebenden Bevölkerung geleistet. Neben einer hochmodernen Ausrüstung brauche man für einen solchen Einsatz auch eine international anerkannte Vorbereitung. Militärische Kooperationen vor allem mit der Bundesrepublik Deutschland seien in den vergangenen Jahren immer sehr erfolgreich und von einer besonderen Kameradschaft getragen gewesen.

Abgeordneter Peter PILZ (G) nahm noch einmal zum Spitzelskandal Stellung. Alle Vorwürfe sollten ernst genommen werden, auch der Vorwurf gegen Karl Öllinger, der einer privaten Firma von Uwe Seiler einen Auftrag erteilt habe. Alle Vorwürfe, auch die der FPÖ, sollten im Rahmen eines Untersuchungsausschusses geklärt werden. Deswegen werden die Grünen einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses stellen, strich er heraus.

Abgeordneter Peter Michael IKRATH (V) meinte, er sei von der jetzigen Debatte enttäuscht. Man habe heute die Chance, den Menschen darzustellen, welche Verdienste ihre Kinder, Partner, auch Väter, die Dienst im Bundesheer machen, haben. Die Diskussion laufe aufgrund der Opposition in ein ganz anderes Themenfeld. Erschütternd sei, dass List, der selbst Offizier ist, im Ausschuss einem Gesetz zustimme, weil er es als sinnvoll erachte, und im Plenum die Zustimmung verweigere. Der einzige Oppositionspolitiker, der auf die Thematik eingegangen sei, sei Scheibner gewesen.

Abgeordneter Peter FICHTENBAUER (F) erklärte in seiner "Eigenschaft als höchstrangiger Milizoffizier unter den Abgeordneten" und als Verteidigungssprecher der FPÖ die unverbrüchliche Haltung und Unterstützung der Freiheitlichen zum österreichischen Bundesheer. Die FPÖ werde der heutigen Vorlage die Verfassungsmehrheit verschaffen, die FPÖ stehe zu ihrem Wort. Wahr sei aber, dass es einen Sündenkatalog von ÖVP-Ministern zum Ruinieren des Heeres gegeben habe. Die großen Leistungen seien nicht denkbar ohne die gedeihliche Tätigkeit der in Ausbildung stehenden Soldaten. In einem Entschließungsantrag wird der Minister aufgefordert, den für die Ausbildung der Rekruten 2009 verantwortlichen Soldaten Dank und Anerkennung auszusprechen sowie für diese Leistungen eine monetäre Belohnung zur Verfügung zu stellen.

Bei der Abstimmung wurde das WRÄG 2009 in zweiter Lesung teils einstimmig, teils mehrheitlich mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen. In dritter Lesung wurde das Gesetz mit Mehrheit verabschiedet. Der F-Entschließungsantrag fand keine Mehrheit. Das Abkommen mit Deutschland wurde genehmigt.

(Schluss Landesverteidgung/Forts. Sozilaes)