Parlamentskorrespondenz Nr. 987 vom 18.11.2009

Österreich - Europas Schlusslicht beim Klimaschutz

Grüne orten in Aktueller Stunde Handlungsbedarf der Regierung

Wien (PK) - Die heutige Sitzung des Nationalrats wurde mit einer Aktuellen Stunde zum Thema "Österreich – Europas Schlusslicht beim Klimaschutz: Dringender Handlungsbedarf der Bundesregierung vor dem Kopenhagen-Gipfel" eingeleitet. Das Thema der Debatte war von der Fraktion der Grünen gewählt worden.

Dementsprechend trat G-Klubobfrau Eva GLAWISCHNIG-PIESCZEK zur Begründung als erste ans Rednerpult. Sie nannte die Bilanz der Klimaschutzpolitik in Österreich "verheerend". Die Bundesregierungen der letzen beiden Jahrzehnte hätten es geschafft, ein Land mit hohem Umweltbewusstsein, das ehemals eine Vorreiterrolle inne hatte, zum Schlusslicht Europas zu machen. Als einziges Land innerhalb von 15 EU-Staaten habe Österreich seine Kyoto-Ziele nicht erreicht, kritisierte Glawischnig-Piesczek und ließ das Argument, Österreich habe sich zu hohe Ziele gesetzt, nicht gelten. Man müsse nun die Konsequenzen dieser Politik ehrlich diskutieren, sagte sie und prognostizierte, dass Österreich 1,5 Mrd. € an Strafzahlungen werde leisten müssen. Hätte man das Geld in Ökoarbeitsplätze gesteckt, stünde man heute wesentlich besser da, so Glawischnig-Piesczek. Verantwortlich für das aus ihrer Sicht katastrophale Ergebnis ist für sie die ÖVP, die ausnahmslos die Umwelt- und WirtschaftsministerInnen gestellt hat. Glawischnig-Piesczek forderte daher, der ÖVP das Umweltressort wegzunehmen. Sie verlangte, an die Spitze des Umweltministeriums eine unabhängige Person zu setzen, die sich nicht von der Industriellenvereinigung und der Wirtschaftskammer eine Eisenkugel anhängen lässt.

Bundesminister Nikolaus BERLAKOVICH räumte ein, der Bericht sei nicht erfreulich. Österreich habe aber, vielleicht im Gegensatz zu anderen Ländern, ehrliche Zahlen geliefert, fügte er hinzu. Er wolle daher auch gar nichts beschönigen, zumal Österreich über 800 Mio. Tonnen über dem Emissionsziel liegt. Manche Staaten in Osteuropa hätten die Reduktion der Treibhausgas-Emissionen deshalb erreicht, weil dort die Schwer- und Stahlindustrie zusammengebrochen ist, erklärte er und verwies auch auf die USA und China, die die größten Emittenten seien und niemals Verpflichtungen eingegangen seien.

Der Minister verteidigte die österreichische Position insofern, als er eine Statistik präsentierte, wonach Österreich bei den Pro-Kopf-Emissionen im Durchschnitt aller europäischen Staaten liegt. Österreich erreiche die Kyoto-Ziele sowohl in der Landwirtschaft als auch in der Abfallwirtschaft, bekräftigte er, nicht jedoch im Verkehrsbereich, dem Hauptemittenten mit weiterhin steigender Tendenz. Dort sei zu wenig passiert, bemerkte Berlakovich, dies liege aber nicht im Kompetenzbereich des Umweltministers. Berlakovich warf den Grünen vor, Horrorszenarien zu zeichnen, die einfach nicht stimmen. Die 1,5 Mrd. €, von denen Glawischnig-Piesczek gesprochen hatte, sind dem Umweltminister zufolge reine Spekulation. Dennoch sei eine nationale Kraftanstrengung nötig, betonte er, zumal in einigen Bereichen der 2007 beschlossenen Klimastrategie nichts umgesetzt worden sei. Das betrifft laut Berlakovich den Verkehr, wobei er insbesondere die Pläne der ÖBB scharf kritisierte, Transporte von der Schiene auf die Straße zurückzuverlagern.

Berlakovich rief daher zum gemeinsamen Bemühen aller auf, das seit langem geplante Klimaschutzgesetz zu beschließen. Klimaschutz biete die Chance, Ökonomie und Ökologie miteinander zu verbinden, was beim Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz gelungen sei. Er arbeite mit Hochdruck an einer Energiestrategie mit dem Ziel einer Energieautarkie. Es sei im Umweltschutz bereits viel geschehen, bemerkte der Minister und verwies beispielsweise auf den Verzicht auf Kernenergie und Gentechnik. Darüber hinaus belege Österreich den ersten Platz bei der biologischen Landwirtschaft und liege bei einer umweltfreundlichen Agrarbewirtschaftung von 90 %. Spitzenplätze gebe es auch bei der Abwasserentsorgung, bei der Verwendung erneuerbarer Energieträger und bei der Biobeimischung in Kraftstoffe. Die EU habe als einzige Region ein klares Angebot zur Reduktion der Treibhausgase bis 2020 gemacht, unterstrich Berlakovich abschließend und zeigte sich zuversichtlich, dass Österreich das Kyoto-Ziel erreichen wird.

Abgeordnete Petra BAYR (S) warf BZÖ und FPÖ vor, unseriöse Umweltpolitik zu machen. Sie seien gegen einen internationalen Lastenausgleich und würden die Menschen auch international gegeneinander ausspielen. Die SPÖ befürworte einen internationalen Lastenausgleich sowie ein Klimaschutzgesetz mit einem klaren Zeitplan, mit konkreten Maßnahmen und mit einer klaren Rollenverteilung. In Österreich müssten die Energieeffizienz gesteigert, die Treibhausgase gesenkt und erneuerbare Energie noch mehr gefördert werden. Bayr erinnerte in diesem Zusammenhang an das Regierungsübereinkommen und forderte den Finanzminister auf, die entsprechenden Mittel für die dort in Aussicht gestellten Maßnahmen zur Verfügung zu stellen.

Abgeordneter Hermann SCHULTES (V) hob den Ernst der Lage hervor und wiederholte die Notwendigkeit, aus Öl und Gas auszusteigen und mehr erneuerbare Energieträger einzusetzen. Er machte sich vor allem für den Ausbau der Wasserkraft stark, bedauerte aber, dass die Grünen jedes Mal dagegen seien. Offensichtlich wollten diese nur ein Spektakel, aber keine Lösung, merkte er an. Ebenso seien die Grünen sowie der Konsumentenschutz gegen den Biodiesel, obwohl man hier die Problematik im Verkehr mildern könne. Die Grünen hätten auch gegen das Ökostromgesetz gestimmt, so die Liste der Vorwürfe von Schultes. Seiner Meinung nach habe man genug Möglichkeiten, mit Hilfe erneuerbarer Energien Einsparungen zu erzielen, gleichzeitig schaffe eine Umstellung auch neue Arbeitsplätze.

Abgeordneter Norbert HOFER (F) sah die Ursache für die schlechte Klimaschutzbilanz in der Verflechtung zwischen SPÖ und Energieversorgungsunternehmen, etwa mit der OMV. Er befürchtete, dass Kopenhagen bereits heute gescheitert ist. Schuld dafür gab er in erster Linie US-Präsident Barack Obama, der für ihn eine große Enttäuschung darstellt. Der gesamte Kyoto-Prozess habe bislang 600 Mrd. € gekostet und nun bleibe man auf halbem Wege stehen, bedauerte Hofer. Österreich müsse selbst entscheiden, ob es die heimischen Ressourcen, die ohne CO2 auskommen, auch ausnützt. Den Weg der Grünen, eine CO2-Steuer einzuführen, hielt er für falsch. Vielmehr zieht die FPÖ eine Änderung bei der Mehrwertssteuer vor, wonach Energie aus heimischen erneuerbaren Ressourcen niedriger besteuert wird als Gas, Öl und Kernkraft.

Abgeordneter Robert LUGAR (B) berief sich auf die rund 2.500 WissenschafterInnen, die in sechs Jahre dauernden wissenschaftlichen Studien bewiesen haben, dass die Welt vor gewaltigen Klimaproblemen steht. Während dies die Menschen bereits begriffen hätten, handelten die PolitikerInnen nicht danach, bemängelte Lugar. Wäre es anders, hätte man längst die Hausaufgaben gemacht, sagte er. Man könne sich auch nicht, wie der Umweltminister, auf China ausreden, denn dort würden pro Kopf 3,5 Tonnen emittiert, in Österreich liege der Wert drei Mal so hoch. Lugar hielt es durchaus für realistisch, engergieautark zu werden, gleichzeitig bezweifelte er, dass der Umweltminister dieses Ziel auch erreicht, da die ÖVP seiner Meinung nach am Gängelband der Energiekonzerne hängt. Das BZÖ sei jedenfalls zu einem nationalen Schulterschluss bereit, stellte Lugar fest.

Abgeordnete Christiane BRUNNER (G) hielt ebenfalls der ÖVP entgegen, sämtliche Landwirtschafts- und Umweltminister hätten ihre Politik im Sinne der fossilen Wirtschaft ausgerichtet. Das sehe man beim Umweltverträglichkeits- und Ökostromgesetz genauso wie in der Klimapolitik. Auch habe nunmehr der Minister die Position für Kopenhagen mit der fossilen Wirtschaft ausgehandelt und sei nicht bereit, dieses Papier dem Parlament vorzulegen. Man könne sich auch nicht auf die USA und China ausreden, sondern müsse selbst etwas tun, betonte Brunner. Da nichts geschehen ist, werde Österreich im Jahr 2012 statt einer Reduktion von 13 % der Emissionen gegenüber 1990 wahrscheinlich sogar bei einer Steigerung von 13 % liegen. Vergleicht man die neuen Zielsetzungen für 2020 mit jenen aus 1990, so komme man auf ein sehr dürftiges Ergebnis von minus 3 % in drei Jahrzehnten, kritisierte Brunner. Der Minister habe die Chancen erneuerbarer Energie nicht erkannt, sagte sie, und wenn er nun behaupte, das Kyoto-Ziel doch zu erreichen, dann werde das Milliarden kosten.

Abgeordneter Josef AUER (S) hielt fest, Klimaschutz sei eine Frage der Energie und der Energieerzeugung und der Wohlstand hänge sehr eng mit der Energieversorgung zusammen. Die Zukunft von Klima und Wirtschaft sei daher sehr eng mit der Lösung der Energiefrage verknüpft. Auer unterstützte das bereits vom damaligen Umweltminister Pröll angestrebte Klimaschutzgesetz und propagierte zur Verbesserung der Situation einen Mix aus verschiedensten Maßnahmen. Dazu gehören laut Auer eine intelligente und sparsame Nutzung von Energie im Privatbereich und in der Wirtschaft, eine deutliche Verbesserung der Energieeffizienz, der Ausbau erneuerbarer Energien sowie Schritte in der Verkehrspolitik und der Ausbau von Wasserkraft. Vor allem aber sei es erforderlich, das naturwissenschaftliche Denken in der Bevölkerung zu stärken, sagte Auer.

Abgeordneter Peter MAYER (V) sah großen Handlungsbedarf bei den erneuerbaren Energieträgern im Heizungsbereich und rief vor allem dazu auf, das Potential in der Wasserkraft auszuschöpfen. Wichtig war für den Redner überdies die Unterstützung von Windkraft- und Photovoltaikprojekten im ländlichen Raum.

Abgeordneter Werner NEUBAUER (F) warf der Regierung vor, das Klimathema immer nur parteipolitisch zu besetzen. Solange der zuständige Minister bloß am Gängelband der Wirtschaft und der Industriellenvereinigung hänge, könne in der Klimapolitik ja nichts weitergehen, meinte er.

Abgeordneter Rainer WIDMANN (B) kritisierte die Abhängigkeit Österreichs von fossilen Energieträgern und plädierte für ein nachhaltiges Energiekonzept, das die Weichen in Richtung Energieautarkie stellt. Er erinnerte die Regierung weiters daran, ihre Hausaufgaben in Sachen thermischer Sanierung zu machen. Schwere Bedenken äußerte Widmann schließlich gegen den Kauf von Energiezertifikaten mit österreichischen Steuergeldern.

Abgeordnete Judith SCHWENTNER (G) machte auf den Zusammenhang von Klimaschutz und Entwicklungszusammenarbeit aufmerksam und appellierte an die Bundesregierung, Mittel für Klimaschutzmaßnahmen an die Länder der dritten Welt zusätzlich zur Entwicklungshilfe zu leisten.

Abgeordneter Gerhard HUBER (o.F.) forderte mehr Investitionen in die Photovoltaik und schlug entsprechende Änderungen im Ökostromgesetz nach dem Vorbild Deutschlands vor. (Schluss Aktuelle/Forts. NR)