Parlamentskorrespondenz Nr. 99 vom 18.02.2010

Wahlrecht, Umwelt, Landwirtschaft

Die Themen der 781. Sitzung des Bundesrats

Wien (PK) – Nach der Erklärung der neuen Wissenschaftsministerin Karl und der Debatte darüber befasste sich der Bundesrat mit vier Gesetzesbeschlüssen des Nationalrats aus dessen Jännersitzung. Die Vorlagen blieben sämtlich unbeeinsprucht. Außerdem standen der Grüne Bericht 2009 und der Bericht über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft auf der Tagesordnung der Länderkammer.

Wahlrechtsänderungsgesetz 2009 passiert den Bundesrat

Bundesrat Johann ERTL (F/N) erläuterte die Inhalte der gegenständlichen Vorlage und setzte sich sodann mit der Briefwahl auseinander. Hier habe seine Fraktion weiterhin Bedenken, da nicht gewährleistet sei, dass diese Stimme wirklich frei, unbeeinflusst und persönlich abgegeben werden könne. Da dies den Prinzipien des Wahlrechts widerspreche, sei seine Fraktion gegen diese Vorlage.

Bundesrat Reinhard TODT (S/W) hielt die Bedenken seines Vorredners für unbegründet. Seine Fraktion begrüße die Briefwahl, die sich ja auch bereits in der Praxis bewährt habe. Man übertrage daher die Modalitäten, die es bereits bei der Europawahl gegeben habe, auf alle anderen Wahlgänge und schaffe somit wieder ein einheitliches und bürgernahes Wahlrecht. Damit solle es erleichtert werden, wählen zu gehen, und das sei ja wohl im Interesse der Demokratie. Insgesamt bedeute die Vorlage einen großen Fortschritt im Wahlrecht.

Bundesrat Edgar MAYER (V/V) schloss an seinen Vorredner an. Man setze mit dem Entwurf viele sinnvolle Schritte um und schaffe so mehr Bürgernähe. Den Bürgern biete man so mehr Möglichkeiten, die Vorlage sei daher zu begrüßen. Die Bedenken der FPÖ, die Briefwahl betreffend, konnte der Redner nicht nachvollziehen.

Bundesrat Stefan SCHENNACH (G/W) begrüßte die Wahlrechtsänderung. Sie sei bürgerfreundlich und bringe den WählerInnen, zum Beispiel durch das Wahlkartenabo, wesentliche Vereinfachungen. Er hielt es auch für richtig, die zwingende Übermittlung per Post vorzusehen. Als bedauerlich fand Schennach die Tatsache, dass man sich nicht durchringen konnte, den Parteibegriff zu definieren. Er regte weiter an, in den Gesetzen durchgängig entweder den Begriff "Familienname" oder "Nachname" zu verwenden. Denn in einigen Gesetzen finde man nur den Begriff "Nachname" bei der Wahlrechtsänderung werde zwischen "Familienname" und "Nachname" unterschieden, kritisierte er.

Bundesrat Franz Eduard KÜHNEL (V/W) schloss sich der positiven Beurteilung seines Vorredners an und sprach von massiven Verbesserungen. Das Wahlkartenabo ist für ihn ein Beitrag zur Entbürokratisierung. Die Bedenken von Bundesrat Ertl in Hinblick auf die Verletzung des Wahlgeheimnisses bei der Briefwahl teilte Kühnel nicht. Der ÖVP-Bundesrat befürchtete aber im Gegensatz dazu eine Gefährdung des Wahlgeheimnisses beim E-Voting und zeigte sich zufrieden, dass dieses in nächster Zeit nicht kommen wird.

Bundesrat Kühnel kam im Rahmen seiner Rede auch auf den heutigen Auftritt von Landeshauptmann Dörfler zu sprechen und kritisierte dessen Verhalten scharf. Die längste Zeit selbst zu reden und sich dann nicht die Argumente der anderen anzuhören, sei ein schlechter Stil, sagte Kühnel.

Die Wahlrechtsänderung passierte den Bundesrat schließlich mit Stimmenmehrheit.

Geodateninfrastrukturgesetz unbeeinsprucht

Bundesrätin Elisabeth GREIDERER (V/T) nannte das gegenständliche Gesetz einen "Meilenstein für grenzüberschreitende Geodateninfrastruktur". Wie wichtig Geodaten sind, zeige bereits der Umstand, dass 80 % der Bescheide einen Raumbezug haben. Durch das Gesetz würden Zugang und Nutzung zu Geodaten für die BürgerInnen vereinfacht. Außerdem würden Schnittstellen für die länderübergreifende Nutzung ermöglicht. In Österreich habe man gemeinsam mit den Bundesländern auf nationaler Ebene umgesetzt, was nun auch international erfolgen soll. Greiderer wünschte sich über die vorliegenden Bestimmungen hinaus auch den Zugang von Daten Privater, etwa von Zivilingenieuren.

Bundesrat Albrecht KONECNY (S/W) thematisierte die Schwierigkeit der Materie und somit die schwer verständliche sprachliche Fassung des Gesetzes. Er teilte die Auffassung seiner Vorrednerin inhaltlich und begrüßte die Erleichterung des Zugangs zu Geodaten und der Nutzung für Verwaltung, Wirtschaft und BürgerInnen. Damit leiste man auch einen wichtigen Beitrag zum E-Government, sagte Konecny. Die Materie sei aber auch für die politische Planung wichtig und erleichtere persönliche Lebensentscheidungen. Dabei werde durch gesetzliche Bestimmungen der Datenschutz gewahrt, die Nutzung an Bedingungen geknüpft und die Möglichkeit eröffnet, Entgelte zu fordern.

Bundesminister Nikolaus BERLAKOVICH erhoffte sich durch das Gesetz eine bessere Qualität und Nutzung der Daten. Ziel sei es, die Situation der Umwelt zu verbessern und in die Entscheidungsfindung der EU einfließen zu lassen, betonte er. Der Minister machte darauf aufmerksam, dass der Bund nur für die Daten der Bundesstellen zuständig ist. Die Länder müssten daher für ihren Bereich ebenfalls entsprechende Regelungen treffen.

Die BundesrätInnen erhoben mit Stimmeneinhelligkeit keinen Einspruch gegen die Vorlage.

Grenzüberschreitende UVP und Schadstoff-Verbringungsregister

Bundesrat Johann ERTL (F/N) lehnte das Protokoll über die strategische Umweltprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen ab. Ihm fehlte in der österreichischen Praxis eine umfassende Berücksichtigung der Umwelt bei der Ausarbeitung von Plänen und die Integration von Umweltaspekten bei Entscheidungen. Die geplante Erweiterung von Temelin und die Anhörung zu Mochovce hätten gezeigt, dass dieses Protokoll nicht praktikabel ist, merkte er an. Die Anhörung sei eine Farce gewesen, da Österreich beim grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren nicht als Partei anerkannt werde. Die Freiheitlichen hätten daher gegen die Tschechische Republik und die Slowakei beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geklagt.

Bundesrat Hans-Peter BOCK (S/T) begrüßte im Gegensatz dazu das gegenständliche Protokoll. Es biete die Grundlage, um eine hohes Niveau für Umwelt und Gesundheit zu gewährleisten und stelle die Beteiligung der Öffentlichkeit sicher. Durch das Protokoll werde auch für Transparenz gesorgt, denn bei allen strategischen Umweltprüfungen sei ein Umweltbericht zu erstellen, der dann öffentlich zugänglich sein muss. Die Entscheidungen müssten begründet werden und auch diese seien zu veröffentlichen. Ausgenommen vom Protokoll sind laut Bock Katastrophenschutz und Landesverteidigung.

Bundesrätin Elisabeth KERSCHBAUM (G/N) lehnte seitens der Grünen das  Protokoll ab. Seit Jahren verabsäume es die Bundesregierung, ein ausreichendes Gesetz zur strategischen Umweltprüfung vorzulegen, bemängelte sie. So sei beispielsweise die strategische Prüfung im Bereich Verkehr eine Farce. Man baue Straßen in die Tschechische Republik, ohne sich mit dem Nachbarn abzusprechen, kritisierte Kerschbaum. Die strategische Prüfung dürfe sich auch nicht auf den Verkehr beschränken, stellte sie fest.

Bundesrat Efgani DÖNMEZ (G/O) übte allgemeine Kritik an der Umweltpolitik der ÖVP. Diese versuche im Bereich der Umwelt eine Deregulierung durchzusetzen und betreibe Umweltpolitik unter der Schirmherrschaft der Landwirtschaft. Die ÖVP mache Klientelpolitik und verhindere Transparenz. Dönmez forderte unter anderem den Zugang zu den Gerichten für BürgerInnen bei Umweltverstößen. Er vermisste auch längerfristige, gesetzlich verankerte und verbindliche Strategien und führte in diesem Zusammenhang das Fehlen eines Gesamtverkehrsplans an.

Gegen diese Vorwürfe wehrte sich Bundesminister Nikolaus BERLAKOVICH mit Vehemenz. Die Anschuldigungen von Bundesrat Dönmez seien ungeheuerlich und kämen einer Skandalisierungspolitik gleich. Berlakovich führte als Gegenargument an, dass Österreich atomfrei sei, keine Gentechnik zulasse, über die meisten biologisch bewirtschafteten Flächen verfüge und eine hohe Trinkwasserqualität aufweise.

Was die Kritik an der Anhörung zum Kraftwerk Mochovce betrifft, so unterwerfe sich Österreich als souveräner Staat nicht dem Verwaltungsverfahren eines anderen Staates, sagte der Umweltminister. Österreich habe aber die Beteiligung der BürgerInnen ermöglicht, und es sei Aufgabe der EU-Kommission als Hüterin der Verträge, ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, sollten die Tschechische Republik und die Slowakei die Vereinbarungen nicht einhalten. Er, Berlakovich, dränge auf alle Fälle darauf, dass die noch offenen Fragen beantwortet werden.

Hinsichtlich des Protokolls über die strategische Umweltprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen betonte er nochmals die Einbindung der Öffentlichkeit und die Erstellung eines Umweltberichts. Der Kritik von Bundesrätin Kerschbaum hielt er entgegen, dass es in Österreich über 500 strategische Umweltprüfungen gebe. Was das Protokoll über das Schadstofffreisetzungs- und -verbringungsregister betrifft, so bringt dieses laut Minister Berlakovich einen verbesserten Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen.

Beide Protokolle erfordern die Zustimmung des Bundesrats. Das Protokoll über die strategische Umweltprüfung zum Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen erhielt die mehrheitliche Zustimmung der BundesrätInnen. Das Protokoll über Schadstofffreisetzungs- und –verbringungsregister passierte die Länderkammer einstimmig.

Grüner Bericht und Bericht zu Fördermaßnahmen in der Landwirtschaft

Bundesrätin Elisabeth KERSCHBAUM (G/N) vermisste im Bericht die Feststellung, dass die Landwirtschaft den Klimawandel nicht nur stoppen, sondern auch zum Klimawandel beitragen kann; man sollte sich schon Gedanken machen, wie man den CO2-Austausch, den die Landwirtschaft verursacht, in den Griff bekommen kann. Kritisch äußerte sie sich auch dazu, dass man den Fleischkonsum, der weiter zunimmt, bewirbt, wisse man doch, dass ein hoher Fleischkonsum ein Klimakiller und zudem ungesund sei. Weiters hielt sie es für notwendig, sich Gedanken über das heuer auslaufende Aktionsprogramm, die Umstellung auf Biolandbau betreffend, zu machen.

Bundesrat Georg KEUSCHNIGG (V/T) bezog sich eingangs auf die Ausführungen seiner Vorrednerin zur AMA-Rindfleischwerbung und wies darauf hin, dass die AMA quer durch die Produktpalette für heimische Produktion und für zertifizierte sicherheitsüberprüfte Waren werbe. Man wolle eine Grundsicherung der österreichischen Ernährungssicherheit vornehmen, und man sei auf diesem Weg sehr erfolgreich unterwegs, meinte er. Im Großen und Ganzen herrsche bei den Grundzielen der Agrarpolitik Grundkonsens, betonte der Redner und merkte an, Österreich brauche bei der Erreichung dieser Ziele zumindest in Europa keinen Vergleich zu scheuen.

Bundesrat Josef KALINA (S/W) regte an, Maßnahmen zu setzen, damit die Bauern mit der größten Erschwernis keine Einkommenseinbußen von 5 % hinnehmen müssen. Der Anteil der öffentlichen Gelder am Einkommen der Landwirtschaft betrage im Durchschnitt aller Betriebe 66 %, so Kalina, umso mehr sollte man überlegen, wie man die Steuermittel sinnvoll umverteilen könne, denn es gehe nicht an, dass eine Handvoll Betriebe einen großen Teil des Förderungskuchens erhalte und eine große Zahl von Betrieben eine sehr kleine Förderung. Im Zusammenhang mit dem derzeitigen Käseskandal forderte der Bundesrat eine Neuregelung der Kennzeichnung. Dass ausländische Milch in Hartberg verarbeitet wird und man das unter "Hartberger Bauernquargel" auf den Markt bringen kann, ist aus Sicht des Redners ein Betrug am Konsumenten.

Bundesrat Friedrich HENSLER (V/N) wies auf die ernste Lage der Landwirtschaft sowie auf den dramatischen Preisverfall in allen Sparten der Landwirtschaft hin. Daher seien die Ausgleichszahlungen besonders wichtig. Wenn man die ÖsterreicherInnen fragt, dann sagen über 90 %, man sei stolz auf die Bauern, man brauche sie. Politik könne nicht alles machen, aber sie könne die Rahmenbedingungen schaffen. Auch die Maschinenringe in Niederösterreich mit ihren fast 90.000 Mitgliedern werden vom Ressort unterstützt. Helfen Sie mit, sagte er abschließend, dass die Bauern auch in Zukunft den Stellenwert haben, den sie gerne haben möchten: für die Bürger da zu sein.

Bundesrat Martin PREINEDER (V/N) wies darauf hin, dass sich seit dem Bestehen des Grünen Berichts die Strukturen der Landwirtschaft grundlegend geändert haben: Die Zahl der Betriebe sank von 400.000 auf unter 200.000, die Zahl der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft verringerte sich von 30 % auf 5 %, und die Zahl der Vollerwerbsbetriebe ging auf ein Drittel zurück. Die Einkommen sind laut Bericht von 2007 auf 2008 um 3,7 % gesunken, die Zahl von 2009 werde ein Minus von 20 % aufweisen; damit sei die allgemeine Wirtschaftskrise auch im landwirtschaftlichen Bereich angekommen, aber die Landwirtschaft habe nicht wie andere Industriebetriebe die Möglichkeit, die Produktion ins Ausland zu verlagern, so Preineder.

Bundesrat Stefan SCHENNACH (G/W) hob positiv hervor, dass laut Grünem Bericht 31 % der Betriebe Betriebsleiterinnen haben und ungefähr 16 % der Betriebe gemeinsame Betriebe sind. Die Mehrheit der Betriebsleiterinnen sei zwischen 35 und 60 Jahren alt, fügte er hinzu. In Oberösterreich und Salzburg ist das Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Betriebsleiterinnen nahezu ausgeglichen, nicht in Vorarlberg, Tirol, aber auch in Wien, teilte er weiters mit.

Bundesminister Nikolaus BERLAKOVICH bezeichnete den Grünen Bericht, der heuer zum 50. Mal vorliegt, als Erfolgsgeschichte, da es sich dabei um das umfangreichste Nachschlagewerk für den Agrarsektor handelt. Was den von Schennach angesprochenen Anteil der Frauen angeht, so leisteten sie einen sehr bedeutsamen Beitrag, unterstrich Berlakovich, mittlerweile werden z.B. 41 % der Betriebe von Frauen geführt. Da sie daneben aber oft auch die Hauptlast der Familienversorgung, der Betreuung von älteren Menschen etc., zu tragen haben, habe sein Ressort verstärkte Anstrengungen in diesem Bereich unternommen. Als Beispiel nannte der Minister den Wettbewerb "Bäuerin des Jahres", wodurch die Leistungen der Frauen in besonderer Form gewürdigt werden sollen.

Im Zusammenhang mit dem Thema Klimaschutz wies Berlakovich darauf hin, dass die Landwirtschaft vom Klimawandel massiv betroffen sei. Andererseits stehe dieser Sektor aber auch an vorderster Stelle, wenn es darum geht, Lösungen zu entwickeln, wie etwa die forcierte Nutzung von erneuerbaren Energien. Man dürfe auch nicht vergessen, dass gerade in der Landwirtschaft die Kyoto-Ziele erreicht werden, während in vielen anderen Bereichen noch großer Nachholbedarf besteht. Aus diesem Grund stehe er auch zur Beibehaltung des bisherigen Systems der Direktzahlungen, weil man darauf achten müsse, dass größere Betriebe nicht aus dem ÖPUL-Programm aussteigen.

Zum Thema Bioförderung merkte der Landwirtschaftsminister an, dass – entgegen anders lautenden Meldungen - die Zahlungen bis 2013 gesichert sind. Richtig sei nur, dass ein Einstieg für jene Bauern, die bis dato noch nicht am Umweltprogramm teilgenommen haben, aus Zeitgründen nicht mehr möglich ist, weil damit eine fünfjährige Verpflichtung verbunden wäre. Aus aktuellem Anlass sprach Berlakovich auch noch den mit Listeria-Bakterien verseuchten Käse aus einem Betrieb in der Steiermark an, wo offensichtlich unhygienisch gearbeitet wurde. Dabei habe es sich allerdings um ein Produkt gehandelt, das nicht mit dem AMA-Gütesiegel, das zu 100 % österreichische Qualität garantiert, ausgezeichnet war. Auf EU-Ebene werde er sich weiterhin für die Erhaltung einer flächendeckenden und nachhaltigen Landwirtschaft sowie für den Weiterbestand der kleinstrukturierten österreichischen Agrarwirtschaft einsetzen, versprach der Minister abschließend. (Schluss)


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