Parlamentskorrespondenz Nr. 569 vom 01.07.2010

Gesundheitsausschuss macht Weg für Ärztegesellschaften frei

Kauf von Medikamenten im Internet künftig ausdrücklich verboten

Wien (PK) – Der Gesundheitsausschuss des Nationalrats hat den Weg für die Einrichtung von ärztlichen Gruppenpraxen in Form von Gesellschaften geebnet. In der heutigen Sitzung stimmten SPÖ, ÖVP und Grüne der von der Regierung vorgeschlagenen Novellierung des Ärztegesetzes und weiterer damit in Zusammenhang stehender Gesetze zu. Damit ist eine Beschlussfassung des Gesetzes bei den Plenarberatungen in der kommenden Woche möglich.

Bundesminister Alois Stöger bezeichnete das Gesetzespaket als eine zentrale Gesundheitsreform, die wesentlich zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung beitragen wird. Es würden damit die Organisationsformen im ambulanten und niedergelassenen Bereich gestärkt und die Versorgungsqualität erhöht, erläuterte er. Darüber hinaus sei mit den Neuregelungen eine bessere Verfügbarkeit ambulanter Leistungen durch kürzere Wartezeiten und längere Öffnungszeiten gewährleistet. Die Neuerungen seien bedarfsorientiert, es gebe klare Kriterien für die Gründung von Gruppenpraxen. Erstmals werde eine verpflichtende Haftpflichtversicherung im Medizinbereich aufgenommen. Sie gelte für Ärzte und private Krankenanstalten mit einer Haftungssumme von zumindest 3 Mio. € im Einzelfall.

Es sind auch neue Bestimmungen in Bezug auf die ärztliche Qualitätssicherung sowie, um "unbillige Härten" zu vermeiden, eine Ausdehnung der Bemessungsgrundlage freier DienstnehmerInnen beim Bezug von Krankengeld vorgesehen. AllgemeinmedizinerInnen können in Hinkunft eine Zusatzausbildung in einem Additivfach erwerben, TurnusärztInnen vor allem im Rahmen von Nacht- und Wochenenddiensten vorübergehend auch ohne Aufsicht tätig sein.

Stöger betonte, in schwierigen Verhandlungen sei es auch gelungen, eine Einigung mit den Berufsgruppen zu erzielen. Der Minister betonte überdies die strikte Unterscheidung zwischen Gruppenpraxen einerseits, in denen ÄrztInnen selbst arbeiten, aber keine anderen ÄrztInnen anstellen dürfen, und Ambulatorien andererseits.

Ein von den Koalitionsparteien eingebrachter und bei der Abstimmung mitberücksichtigter Abänderungsantrag sieht darüber hinaus die Einbeziehung jener Kinder in die Unfallversicherung vor, die im Rahmen des verpflichtenden Kindergartenjahrs vor Schuleintritt eine Kinderbetreuungseinrichtung im Ausmaß von mindestens 16 Wochenstunden besuchen. Sie werden damit SchülerInnen gleichgestellt. Die Versicherung gilt auch für Wegunfälle.

Diese Änderung wurde von allen uneingeschränkt unterstützt. Abgeordneter Karl Öllinger (G) wies in diesem Zusammenhang auf das deutsche Modell hin, das für Kinder ab dem dritten Lebensjahr generell eine Unfallversicherung vorsieht.

Um einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Rechnung zu tragen und neuerliche europarechtswidrige Bestimmungen zu vermeiden, ist für die neuen Ärztegesellschaften ein ähnliches Zulassungsverfahren vorgesehen wie für selbständige Ambulatorien, wobei das Verfahren auch eine Bedarfsprüfung umfasst. Zuständig dafür ist der jeweilige Landeshauptmann. Er muss seiner Entscheidung ein neutrales Gutachten zugrunde legen und kann den Ärzte-GmbHs auch ein bestimmtes Leistungsspektrum und bestimmte Öffnungszeiten, etwa am Abend oder am Wochenende, vorschreiben. Die betroffenen Sozialversicherungsträger, die örtliche zuständige Landesärztekammer und die Wirtschaftskammer haben im Verfahren Parteienstellung.

Das Zulassungsverfahren entfällt nur in Ausnahmefällen, etwa wenn alle betroffenen Ärzte einen Kassenvertrag haben oder die Ärztegesellschaft nur Leistungen anbietet, für die es, wie etwa bei der plastischen Schönheitschirurgie, keine Kostenerstattung der Krankenkassen gibt. An diesen Zulassungsbedingungen stießen sich die Oppositionsabgeordneten, die die Auffassung vertraten, damit schieße man über das Ziel hinaus und gebe den Landeshauptleuten zu viel Einflussmöglichkeiten.

Welche ÄrztInnen sich zu Gesellschaften zusammenschließen, bleibt grundsätzlich ihnen selbst überlassen. So können etwa mehrere AllgemeinmedizinerInnen ebenso eine gemeinsame Praxis betreiben wie Haus- und FachärztInnen oder verschiedene FacharztspezialistInnen.

Auch ZahnärztInnen steht es offen, eine gemeinsame GmBH zu gründen. Jeder in der Gruppenpraxis tätige Arzt bzw. jede Ärztin muss allerdings selbst GesellschafterIn sein, eine Anstellung von ÄrztInnen ist untersagt. Außerdem ist die Zahl der angestellten Personen aus anderen Gesundheitsberufen, etwa medizinisch-technische AssistentInnen, beschränkt. Damit wird eine klare Unterscheidung zu den selbständigen Ambulatorien getroffen.

Um unnötige wechselseitige Zuweisungen von PatientInnen in Gruppenpraxen zu vermeiden, kann künftig von der bisherigen Form der Vergütung ärztlicher Leistungen (Einzelleistungshonorierung) abgegangen werden, wobei bei fächerübergreifenden Gruppenpraxen die Leistungshonorierung jedenfalls nach Pauschalmodellen (z.B. Fallpauschalen, Deckelungen, Kopfpauschalen) zu erfolgen hat. Gleichzeitig wird den Gruppenpraxen eine elektronische Dokumentation ihrer Diagnosen und Leistungen vorgeschrieben.

Im Zuge der geplanten Verbesserung der Qualitätskontrolle wird unter anderem auch die Zusammensetzung des Wissenschaftlichen Beirats der für Qualitätssicherheit und Qualitätsmanagement zuständigen ÖQMed geändert und zusätzlich ein eigener Evaluierungsbeirat mit regionalen Ausschüssen etabliert.

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage wird darauf verwiesen, dass eine Neuregelung des vom EuGH gekippten Systems der Bedarfsprüfung für selbständige Ambulatorien notwendig sei, da sonst AntragstellerInnen aus anderen EU-Staaten ohne entsprechende Prüfung Ambulatorien in Österreich eröffnen könnten.

Die Ermöglichung von Gruppenpraxen wurde grundsätzlich von allen Fraktionen begrüßt. Dennoch orteten die Oppositionsparteien Mängel in den vorgeschlagenen gesetzlichen Bestimmungen. So kritisierte etwa Abgeordneter Andreas Karlsböck (F) das seiner Meinung nach viel zu komplizierte Zulassungsverfahren und das Kündigungsrecht. Weiters meinte er, die Bestimmungen hinsichtlich der Haftpflichtversicherung seien nicht nachvollziehbar und würden eine immense Erhöhung der derzeit gängigen Versicherungssummen für ÄrztInnen bedingen. Er brachte in diesem Sinne auch einen Abänderungsantrag ein, der jedoch nicht ausreichend unterstützt wurde. Außerdem befürchtete er, dass in Hinkunft durch das direkte Klagsrecht viel eher geklagt werde als sich an die Schiedsstellen zu wenden, die außerordentlich gute Arbeit leisteten. Das könne man daran erkennen, dass mit deren Hilfe mehr als 55 % der Schadensfälle unbürokratisch abgehandelt werden.

Karlsböck hielt insgesamt die verbindlichen Rahmenbedingungen betreffend Versicherungen für EU-widrig. Dem widersprach Bundesminister Stöger heftig. Mit dem Gesetz sei es gelungen, EU-Recht, Verfassungsrecht und Berufsrecht in Einklang zu bringen, hielt er fest.

Ebenso skeptisch hinsichtlich der Bürokratie äußerte sich Abgeordneter Wolfgang Spadiut (B). Er stieß sich insbesondere am Verbot für Gruppenpraxen, ÄrztInnen einzustellen sowie daran, dass die Abrechnungen nach Pauschalmodellen und nicht nach Einzelleistungen zu erfolgen haben. Völlig unverständlich ist für ihn die Zulassung durch die Landeshauptleute. Die zusätzlich zu schaffenden Gremien hielt er für unnötig. Auch Abgeordnete Ursula Haubner (B) sprach in diesem Zusammenhang von einer Aufblähung der Verwaltung, wodurch keiner mehr wüsste, wer wen kontrolliert. Sie hegte den Verdacht, dass man mit den Voraussetzungen für die Errichtung einer Gruppenpraxis den Ambulatorien so wenig wie möglich schaden wollte. Haubner begrüßte jedoch den Abänderungsantrag der Koalition.

Seitens der Grünen unterstützte Abgeordneter Kurt Grünewald die Intention des Gesetzes, bezweifelte aber, dass durch die komplizierte Bedarfsprüfung die Schaffung von Ärzte-GesmbHs tatsächlich beflügelt wird. Außerdem befürchtete er, der Einfluss der Landeshauptleute werde dem Objektivitätsanspruch nicht gut tun. Er bedauerte weiter, dass Personen, die keine ÄrztInnen sind, wie zum Beispiel PhysiotherapeutInnen oder LogotherapeutInnen, nicht zu GesellschafterInnen bestellt werden können. Was die Versicherungsfrage betrifft, trat Grünewald grundsätzlich dafür ein, über eine verschuldensunabhängige Medizinhaftung nachzudenken. Dieser Idee konnte der Minister einiges abgewinnen. Er meinte jedoch, es sei nun ein erster Schritt gesetzt, der nächste könnte dann eine derartige verschuldensunabhängige Haftung sein.

Abgeordnete Sabine Oberhauser (S) verteidigte die Regierungsvorlage hinsichtlich der Versicherungsbestimmungen und machte darauf aufmerksam, dass die Ärztekammer bemüht gewesen sei, mit der Versicherungswirtschaft einen guten Tarif auszuverhandeln. Die Bestimmungen, wonach keine ÄrztInnen von ÄrztInnen angestellt werden dürfen, erklärte sie mit dem Hinweis, man wolle verhindern, dass eine Person mehrere junge ÄrztInnen mit geringem Gehalt und wenig Eigenleistung beschäftigt und damit Gewinnmaximierung betreiben kann.

Abgeordneter Erwin Rasinger (V) erwartete sich vom Gesetz eine wesentliche Verbesserung des ambulanten Bereichs und eine Entlastung der Spitäler.

Das Bundesgesetz zur Stärkung der ambulanten öffentlichen Gesundheitsversorgung wurde schließlich mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Grünen mehrheitlich angenommen, wobei der S-V-Abänderungsantrag zur Einbeziehung von Kindern in die Unfallversicherung in einer getrennten Abstimmung die Zustimmung aller Fraktionen erhielt. Der Abänderungsantrag des Abgeordneten Karlsböck blieb demgegenüber in der Minderheit und wurde von allen anderen Fraktionen abgelehnt.

FPÖ für flexiblere Arbeitszeitmodelle für SpitalsärztInnen

Mitverhandelt mit der Regierungsvorlage wurden drei Entschließungsanträge der FPÖ. Ein Antrag des Abgeordneten Andreas Karlsböck (F) betraf flexiblere Arbeitszeitmodelle vor allem für SpitalsärztInnen (999/A[E] ), der von den beiden Koalitionsparteien mehrheitlich abgelehnt wurde. Abgeordnete Sabine Oberhauser (S) argumentierte, Teilzeit zu arbeiten sei bereits jetzt im Rahmen der Elternkarenz möglich, sie führe aber zu einer deutlichen Verlängerung der Ausbildung, was auch auf das Einkommen negative Auswirkungen habe. Dazu bemerkte Abgeordneter Karl Öllinger (G), das sei kein Grund dafür, flexiblere Arbeitszeiten abzulehnen, vielmehr sollte man eine Lösung finden.

Ein weiterer Antrag des Abgeordneten Karlsböck (F) betrifft die Sicherstellung der Finanzierung von Lehrpraxen für AllgemeinmedizinerInnen (1082/A[E] ). Abgeordnete Sabine Oberhauser (S) räumte Schwierigkeiten in diesem Bereich ein, aber das sei eine Frage der Kollektivverträge, die man nicht dem Bund überantworten sollte. Der Antrag wurde ebenfalls von SPÖ und ÖVP abgelehnt.

Der Antrag der Abgeordneten Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) hinsichtlich einer geänderten Berechnung der Rezeptgebührenobergrenze zugunsten von PatientInnen (1114/A[E] ) wurde mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP mehrheitlich vertagt. Der Gesundheitssprecherin der FPÖ zufolge sollen bei der Berechnung auch Kosten für jene Medikamente berücksichtigt werden, die selbst getragen werden, weil sie weniger als die gesetzliche Rezeptgebühr kosten. Für diese Problematik zeigten die Abgeordneten Csörgits (S) und Öllinger (G) Verständnis. Csörgits machte jedoch geltend, dass es mit der Erfassung noch Probleme gebe, weshalb man den Abschluss eines diesbezüglichen Projekts abwarten sollte. Abgeordneter Öllinger regte prinzipiell an zu überlegen, ob man dafür nicht ein anderes System schaffen könnte.

Bezug von Medikamenten über das Internet wird ausdrücklich verboten

Ausdrücklich verboten ist in Hinkunft der Bezug von Medikamenten über das Internet. Das legt ein neues Bundesgesetz über die Einfuhr und das Verbringen von Arzneiwaren, Blutprodukten und Produkten natürlicher Heilvorkommen (773 d.B. ) fest, das vom Gesundheitsausschuss einstimmig gebilligt wurde.

Demnach können im Fernabsatz bestellte Arzneiwaren künftig vom Zoll bzw. dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen wieder an den Absender zurückgeschickt oder, falls das nicht möglich ist, vernichtet werden. Die Kosten dafür hat der jeweilige Besteller zu tragen. Ausnahmen gibt es aufgrund von EU-Vorgaben lediglich für in Österreich zugelassene und nicht rezeptpflichtige Medikamente, deren Bezug über im EWR-Raum ansässige und zum Versand befugte Apotheken für den persönlichen Bedarf (höchstens drei Handelspackungen) weiter erlaubt ist.

Mit dem Fernabsatz-Verbot sowie einer insgesamt effizienteren Überwachung der Einfuhr und des Verbringens von Arzneimitteln in Österreich wollen die Abgeordneten das Risiko reduzieren, das mit dem illegalen Bezug von minderwertigen, gefälschten oder gesundheitsschädlichen Produkten verbunden ist. Außerdem soll der von der Regierung vorgelegte Gesetzentwurf Probleme beseitigen, die im Rahmen der bisherigen Vollzugspraxis aufgetreten sind.

Gesundheitsminister Alois Stöger wies darauf hin, dass es in Österreich einen sehr hohen Standard bei der Arzneimittelsicherheit gebe. Allerdings komme es dort zu Problemen, wo Personen über Bestellungen im Internet Arzneimittel nach Österreich einführten. Durch die Gesetzesnovelle werden ihm zufolge außerdem Begriffe präzisiert, Meldefristen verkürzt, Verfahren optimiert und die Kontrollzuständigkeit konzentriert. In diesem Sinn leiste man mit der Novelle auch einen Beitrag zur Verwaltungsreform, unterstrich Stöger.

Abgeordneter Johann Maier (S) qualifizierte die Gesetzesnovelle als "absolut notwendig". Er gab zu bedenken, dass Internet-Bestellungen im Arzneisektor massiv zugenommen hätten und man gefährlichen Produkten einen Riegel vorschieben müsse. Vom Verbot betroffen sind laut Maier auch Nahrungsergänzungsmittel mit pharmakologischer Wirkung und Schlankheitsmittel, welche in Europa bereits zu Todesfällen geführt hätten.

Ausdrücklich begrüßt wurde das Gesetz auch von den Abgeordneten Ursula Haubner (B) und Kurt Grünewald (G), die unter anderem die Konzentration der Zuständigkeit bei einer zentralen Bundesstelle hervorhoben.

Novellierung des Apothekerkammergesetzes 2001

Ebenfalls einhellig stimmten die Mitglieder des Gesundheitsausschusses einer Novelle des Apothekerkammergesetzes zu. Mit dieser Novelle werden die Berechnungsmodi für die Mandatszahlen von Abteilungsausschuss und Abteilungsversammlung der Österreichischen Apothekerkammer angeglichen. Außerdem werden Änderungen hinsichtlich des Beginns der allgemeinen Funktionsperioden vorgenommen, da so die jeweiligen Fristen und Termine des Wahlverfahrens im Jahresablauf besser unterzubringen sind.

Wie Abgeordneter Johann Hechtl (S) erklärte, folgt man damit Vorschlägen der Apothekerkammer. Bei der Abstimmung berücksichtigt wurde auch ein S-V-Abänderungsantrag, mit dem lediglich ein Redaktionsversehen im geltenden Gesetz beseitigt wird.

Nicht anschließen wollte sich die Mehrheit im Gesundheitsausschuss hingegen einem Entschließungsantrag des BZÖ , in dem Abgeordneter Wolfgang Spadiut dafür eintritt, die Wahl des Präsidenten und des Vizepräsidenten der Landesgeschäftsstellen der Kammer analog zu jener des Präsidenten und Vizepräsidenten zur Apothekerkammer zu gestalten. (Fortsetzung)