Parlamentskorrespondenz Nr. 583 vom 07.07.2010

Bedarfsorientierte Mindestsicherung fix

Regierungsfraktionen sprechen von sozialpolitischem Meilenstein

Wien (PK) – Mehr als 30 RednerInnen hatten sich in die Liste eingetragen, als zu Mittag die Debatte über die Mindestsicherung begann. Folgende Punkte der Tagesordnung wurden unter einem in Verhandlung genommen: Das Sozialversicherungs-Änderungsgesetz zusammen mit einem thematisch zugehörigen G-Antrag, die Vereinbarung mit den Ländern zur Mindestsicherung, je ein Antrag der Grünen, der FPÖ und des BZÖ sowie das Stenographische Protokoll der Enquete zum Thema "Verteilungs- und Leistungsgerechtigkeit in Österreich: Transparenz und Fairness".

Abgeordneter Heinz-Christian STRACHE (F) bekannte sich mit Nachdruck zu Maßnahmen gegen die Armut und auch zu mehr Transparenz bei Transferleistungen, kritisierte aber mit heftigen Worten, was die Bundesregierung zur bedarfsorientierten Mindestsicherung und zur Einführung einer Transparenzdatenbank dem Nationalrat vorgelegt hat. Strache sprach von einem "Bauchfleck" der Regierungsparteien. Der Mindestsicherung fehle es an sozialer Treffsicherheit, sie lade zu Missbrauch ein. Die geringe Differenz zwischen Mindestsicherung und Mindestlöhnen biete keinerlei Anreiz, etwa die Arbeit an einer Supermarktkasse oder eine Halbtagsbeschäftigung aufzunehmen. Zu den Konstruktionsfehlern der Mindestsicherung gehöre auch, dass jemand, der fleißig gearbeitet und gespart habe, zuerst auf sein Vermögen zugreifen müsse, bevor er die Mindestsicherung in Anspruch nehmen könne. Benachteiligt werde auch, wer eine Eigentumswohnung besitze. Zudem sprach der FP-Klubobmann die Befürchtung aus, die Einführung der Mindestsicherung werde beim AMS zu mehr Bürokratie führen, weil diese nun wieder für die Feststellung der Arbeitsfähigkeit zuständig gemacht werden solle. Gegenüber dem und von "Pfusch", der beim Streit zwischen den Koalitionsparteien herausgekommen sei, schlage die FPÖ eine Politik vor, die sichere Arbeitsplätze schaffe und für Gehälter sorge, von denen man leben könne.

Transparenz bei den Transfers sei notwendig, weil das derzeitige System nicht jene fördere, die bedürftig sind, sondern jene, die geschickt genug seien, um das komplizierte Förderungssystem für sich auszunützen - der einfache Bürger wisse oft gar nicht über die Förderungsmöglichkeiten Bescheid, klagte Strache.

Abgeordnete Renate CSÖRGITS (S) sprach von einem "historischen Tag" und einem "Meilenstein" in der österreichischen Sozialpolitik, vergleichbar nur mit der Einführung des Pflegegeldes im Jahr 1993. Die bedarfsorientierte Mindestsicherung bringe eine Vereinheitlichung der Sozialhilfe und ein engmaschiges Sicherheitsnetz für alle von Armut betroffenen Menschen. Man dürfe nicht vergessen, dass 13 % der ÖsterreicherInnen armutsgefährdet seien, sagte Csörgits, ohne sozialstaatliche Leistungen wären es sogar 43 %. Nur 17.000 der 165.000 SozialhilfebezieherInnen jährlich seien aber Dauerbezieher, alle anderen kehren nach Überwindung einer schwierigen Lebensphase wieder in den Arbeitsmarkt zurück. Daher begrüßte Csörgits die Anhebung der Nettoersatzrate, die Verbesserungen beim Partnereinkommen und die Besserstellung der AlleinerzieherInnen. Dem Vorwurf, MigrantInnen würden das österreichische Sozialsystem ausnützen, trat Csörgits mit dem Hinweis auf den deutlich unterdurchschnittlichen Anteil entgegen, den die die in Österreich lebenden Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft an den Sozialleistungen haben.

Die bedarfsorientierte Mindestsicherung sei kein bedingungsloses Grundeinkommen, sondern setze Arbeitswillen voraus. Ziel der Mindestsicherung ist es, die Menschen so rasch wie möglich wieder in den Arbeitsmarkt zurückkehren zu lassen. Die Differenz zwischen bedarfsorientierter Mindestsicherung und einem Mindest-Arbeitseinkommen betrage 105 € monatlich und 2.964 € jährlich.

Die Transparenzdatenbank soll sicherstellen, dass Förderungen und Steuerersparnisse transparent werden, sagte Csörgits, wobei sie Nachholbedarf bei der Transparenz von Wirtschafts- und Agrarförderungen registrierte.

Abgeordneter Werner KOGLER (G) stellte Zusammenhänge zwischen Budgetpolitik und Sozialpolitik her und warf sowohl der SPÖ als auch der ÖVP "Scheinheiligkeit" vor, weil die Regierungsparteien genau wüssten, dass sie die Kosten für die Mindestsicherung und die Transparenzdatenbank beim Sparpaket, das im Herbst geschnürt werde, wieder hereinbringen müssen. Scheinheiligkeit registrierte Kogler auch in der Debatte über die Finanzierung sozialer Maßnahmen und schlug einmal mehr vor, Steuern nicht zu tabuisieren, etwa die von IWF verlangten Grundsteuern, bei denen man "Häuselbauer" und Bauern schonen, Wohlhabende aber durchaus stärker besteuern könnte. Die bedarfsorientierte Mindestsicherung sei keine soziale Hängematte, sagte Kogler, das Problem seien niedrige Mindestlöhne und die Reallohnverluste der untersten zehn Prozent der EinkommensbezieherInnen in den letzten Jahren. Diese Problematik werde man nur durch eine gerechtere Einkommensverteilung lösen können.

Die wichtigste Frage, die eine Transparenzdatenbank für die Demokratie beantworten müsste, nämlich die nach den Finanziers der Parteien, etwa Banken, bleibe bei der von der Regierung vorgeschlagenen Lösung unbeantwortet. ÖVP und SPÖ sollten darauf verzichten, Transparenz bei Sozialhilfeempfängern herstellen zu wollen, solange sie nicht bereit seien, Geldflüsse in die eigenen Parteikassen transparent zu machen.

Abgeordneter August WÖGINGER (V) definierte "sozial" mit der Bereitschaft, Menschen zu unterstützen, die sich selber helfen wollen, es aber nicht können. "Unsozial" sei es aber, Menschen zu helfen, die sich selber helfen könnten, es aber nicht wollten. Die ÖVP bekenne sich zur sozialen Absicherung und zur bedarfsorientierten Mindestsicherung, die im Wesentlichen eine Vereinheitlichung der Sozialhilfeleistungen der Bundesländer darstelle. Sie bringe mehr Rechtssicherheit und die E-Card für alle, sie sei aber keine "Hängematte", sondern vielmehr ein "Sprungbrett zurück in die Arbeitswelt". Anhand detaillierter Fallbeispiele bemühte sich der Abgeordnete nachzuweisen, dass klare Unterschiede zwischen der Höhe von Erwerbseinkommen und der Mindestsicherung bestehen.

Da die Mindestsicherung 160 Mio. € an Mehrkosten für den Bund und bis zu 50 Mio. € für die Länder bringe, die die SteuerzahlerInnen aufbringen müssen, sei es nur konsequent, die Transparenz bei allen staatlichen Transferleistungen und Förderungen durch Einführung einer Transparenzdatenbank zu verbessern. Es gelte, Missbrauch und Doppelgleisigkeiten zu vermeiden, sagte Abgeordneter Wöginger und appellierte an den Sozialminister, sicherzustellen, dass die Transparenzdatenbank Anfang 2011 eingerichtet werden könne.

Abgeordneter Josef BUCHER (B) erinnerte an den Tauschhandel zwischen den Regierungsparteien bei den Verhandlungen über die Mindestsicherung und die Transparenzdatenbank, wobei Bucher kritisierte, dass letztere heute nicht beschlossen werde, denn was dazu vorliege, sei lediglich ein Entschließungsantrag, der die Regierung auffordere, über eine Transparenzdatenbank nachzudenken. Kritik übte Bucher auch an der Absicht der Regierung, Transparenz bei den BürgerInnen, nicht aber bei sich selbst, bei den Zuwendungen an die Parteien, einführen zu wollen.

Auch von einer bedarfsorientierten Mindestsicherung könne keine Rede sein. ÖVP und SPÖ wollten vielmehr ein bedingungsloses Grundeinkommen schaffen, obwohl die ÖVP immer wieder den Grundsatz der Leistungsgerechtigkeit beteuere. Tatsächlich gehe laut Bucher von der Mindestsicherung ein fatales Signal aus: Wer 744 € für das Nichtstun bekomme, habe keinen Anreiz, eine Beschäftigung aufzunehmen, die ihm gerade einmal 74 € mehr pro Monat bringe. Noch krasser sei das Missverhältnis zwischen Mindestsicherung und Arbeitseinkommen im Falle einer vierköpfigen Familie mit 60 Stunden Arbeit zum Mindestlohn, weil sie nur zwei Euro monatlich mehr Einkommen habe als eine Familie, die ohne Arbeit von der Mindestsicherung lebe. Derartige Verhältnisse widersprechen dem Prinzip der Leistungsgerechtigkeit, klagte der BZÖ-Klubobmann. Bucher warnte davor, Österreich mit einer Politik, die an das untergegangene System der DDR erinnere, um seine internationale Wettbewerbsfähigkeit zu bringen.

Bundesminister Rudolf HUNDSTORFER hielt fest, dass man mit dem Gesetz über die Mindestsicherung eine Vereinheitlichung aller Sozialhilfegesetze in Österreich durchführe. Die 15a-Vereinbarung dazu sei bereits von allen Bundesländern beschlossen worden. Man schaffe damit ein soziales Auffangnetz, das vor Missbrauch sicherer sei als die heutige Sozialhilfe. Im Mittelpunkt der Neuregelung stehe der Arbeitsmarkt, es handle sich also nicht darum, ein arbeitsloses Grundeinkommen zu schaffen. Vielmehr wolle man Menschen, die die Mindestsicherung in Anspruch nehmen, so schnell wie möglich in den Arbeitsmarkt zurückführen. Deshalb sei darauf geachtet worden, dass ein wesentlicher Unterschied zu Einkommen durch Erwerbsarbeit bestehen bleibt. Der Minister verwies auf Verbesserungen des Sozialsystems durch die Mindestsicherung. So gäbe es für BezieherInnen auch erstmals eine E-Card. Es gehe darum, jene 17.000 Menschen, die in diesem Land ausschließlich auf Sozialhilfe angewiesen sind, abzusichern. Ein klares Ja sagte Hundstorfer zur Transparenzdatenbank. Diese solle einen Überblick über alle staatlichen Leistungen bieten, aber kein "Schnüffel- oder Neidkonto" darstellen.

Abgeordneter Herbert KICKL (F) bezeichnete die Mindestsicherung als einen "Schlag ins Gesicht der arbeitenden Bevölkerung", sie produziere neue Ungerechtigkeiten. Das Gesetz sei nicht gut sondern dessen Gegenteil, nur "gut gemeint". Kickl vermutete einen "Kuhhandel der Koalitionsparteien" um Mindestsicherung und Transparenzdatenbank. Bei letzterer seien die Parteiförderungen aber ausgeklammert geblieben, kritisierte der Abgeordnete, obwohl gerade hier die PolitikerInnen mit gutem Beispiel vorangehen sollten. Effektive Armutsbekämpfung könne nur darin bestehen, dass man Arbeitsplätze schaffe, die ein ausreichendes Einkommen sichern. Ein weiteres Problem sah Kickl durch die bevorstehende Öffnung der Arbeitsmärkte für Arbeitskräfte aus dem Osten auf Österreich zukommen.

Abgeordneter Günther KRÄUTER (S) bezeichnete das Gesetz zur Mindestsicherung als einen Meilenstein der Sozialpolitik. Die Kritik seines Vorredners wies er mit dem Hinweis zurück, dass die SPÖ schon seit längerem Transparenz im Förderungsbereich gefordert habe. Kräuter verwies auf drei Bereiche, welche die Transparenzdatenbank abdecken müsse: die Transparenz des Förderungssystems in der Landwirtschaft, die verbesserte Effizienz der Wirtschaftsförderungen, was auch eine Verwaltungsreform der Länder erfordere, und drittens die Armutsbekämpfung durch ein optimal funktionierendes Sozialsystem. Selbstverständlich werde sich die Transparenz auch auf die Parteien erstrecken, sagte Kräuter und verwies darauf, dass in Zukunft private Parteispenden ab 7000 € auf den Homepages von Parlament und Rechnungshof ausgewiesen werden müssen. Mehr Transparenz sei gut für die politische Kultur dieses Landes, schloss der Abgeordnete.

Abgeordneter Karl ÖLLINGER (G) wies für die Grünen den Vorwurf zurück, die Opposition übe "hemmungslose Kritik" an dem Gesetz zur Mindestsicherung. Er räumte ein, dass es gewisse, wenn auch nur minimale, Verbesserungen enthalte. Dem stehen aber nach Ansicht der Grünen viel zu viele Repressionsmaßnahmen gegenüber, die ebenfalls Teil des Gesetzes seien. Öllinger wiederholte daher die Forderung seiner Partei nach einem angemessenen Mindestlohn. Die vorgesehene Mindestsicherung sei jedenfalls nicht ausreichend, um davon menschenwürdig leben zu können, war der Abgeordnete überzeugt.

Abgeordneter Fritz GRILLITSCH (V) meinte, Österreich habe sich dank guter Politik zu einem guten Wirtschaftsstandort entwickelt. Jetzt verlange die Krise Antworten, diese könnten aber nicht in Rezepten der Vergangenheit bestehen. Anhand von statistischen Daten argumentierte er, Österreich sei ein Land sehr hoher Transferleistungen. Wichtig sei es deshalb, die Verteilungs- und Leistungsgerechtigkeit sicherzustellen. Dem diene die Einrichtung der Transparenzdatenbank. Seine Partei sage Ja zur Mindestsicherung unter der Voraussetzung, dass diese Transparenzdatenbank verlässlich komme. Die österreichischen Bäuerinnen und Bauern hätten hierbei nichts zu verbergen, jeder Euro, den sie erhalten, sei redlich verdient.

Abgeordneter Gerald GROSZ (B) verwies auf die zahlreichen Bezieher und Bezieherinnen von niedrigen Pensionen und Arbeitseinkommen in Österreich. Für diese Menschen, die ihr Leben lang hart gearbeitet hätten, sei es "ein Schlag ins Gesicht", wenn nun durch ein Gesetz Leistungsunwilligen der Weg in die "soziale Hängematte" geöffnet werde. Im Unterschied zu SPÖ und ÖVP wolle das BZÖ mündige und leistungswillige BürgerInnen fördern.

Staatssekretär Reinhold LOPATKA bekannte sich zur Auffassung, man solle in Österreich, als dem viertreichsten Land der Welt, nicht auf Kosten der Ärmsten Politik machen. Der Ausgleich der Unterschiede im Sozialhilfesystem der Bundesländer sei ein Fortschritt und bedeute eine wesentliche Verbesserung für viele Menschen im untersten Einkommensdrittel. Durch die Verknüpfung von Mindestsicherung und Transparenzdatenbank habe man einen Weg gefunden, sozialem Missbrauch einen Riegel vorzuschieben. Er bekannte sich zu dieser Verbindung, durch die sichergestellt werde, dass die Mindestsicherung keinen Anreiz schaffe, sich aus der Erwerbsarbeit zurückzuziehen.

Abgeordnete Dagmar BELAKOWITSCH-JENEWEIN (F) sah im Gesetz über die Mindestsicherung das Problem, dass hier arbeitsunwilligen Menschen ein Einkommen garantiert werde. Das sei ein Schlag gegen alle, die arbeiten, vor allem für Frauen, die niedrige Einkommen haben. Es sei auch eine Einladung für Menschen in den östlichen Nachbarländern, unser Sozialsystem auszunutzen, hingegen würden jene, die es tatsächlich brauchten, bestraft. So müsse jemand, der nach der Notstandshilfe in die Mindestsicherung falle, erarbeitetes Vermögen aufgeben, kritisierte die Abgeordnete. Das Gesetz ziele daher in die falsche Richtung und unterstütze den falschen Personenkreis.

Abgeordnete Sabine OBERHAUSER (S) bezeichnete die Argumentation von FPÖ und BZÖ als "menschenverachtendes Auseinanderdividieren von Arbeitslosen und Sozialhilfebeziehern". Die Reform der Sozialhilfe werde seit fünfzehn Jahren diskutiert, insbesondere Kärnten habe hier lange blockiert. Seit 2006 habe man die Verhandlungen wieder aufgenommen und bringe das Gesetz jetzt auf Schiene. In der Frage der Transparenzdatenbank werde man von Seiten der SPÖ darauf drängen, dass Bezieher von Einkommen aus Vermögen darin genauso erfasst werden, wie es für alle Haushalte, die Sozialleistungen in Anspruch nehmen, gilt.

Abgeordnete Birgit SCHATZ (G) erinnerte an Versprechen der Bundesregierung, offensiv gegen Armut vorzugehen. Eine Mindestsicherung von 744 € im Monat sei aber weit von dieser Vorgabe entfernt. Selbst der Sozialminister habe eingestanden, dass es Familien geben werde, die durch diese Mindestsicherung nun weniger erhalten würden als bisher. Die Grünen stehen auf dem Standpunkt, dass jeder Mensch ein Recht auf ein Leben in Würde habe, sagte Schatz, und forderte daher eine Grundsicherung, die tatsächlich vor Armut schützt. Die Abgeordnete warf der ÖVP vor, sich der Transparenz im Bereich der Parteispenden zu widersetzen.

Abgeordneter Peter HAUBNER (V) zeigte sich überzeugt, dass die Transparenzdatenbank die Treffsicherheit im Förderbereich entscheidend erhöhen werde.  Auch das Sozialsystem werde dadurch vereinfacht werden. Österreich habe eine hohe Sozialquote, deshalb sei es wichtig, dass es in Zukunft eine soziale Kostenwahrheit gäbe. Nur über soziale Transparenz könne auch die Leistungsgerechtigkeit gesichert werden.

Abgeordneter Peter WESTENTHALER (B) meinte, Kärnten habe gute Gründe gehabt, dem vorliegenden Vorschlag zur Mindestsicherung lange seine Zustimmung zu verweigern, da es bereits ein weit besseres System hatte. Nun werde in Österreich zwar nicht Hartz IV, aber ein System "Hundstorfer 1" eingeführt, welches Missbrauch Tür und Tor öffne. Man schaffe eine Prämie für Nichtstuer und Arbeitsverweigerer und benachteilige niedrige Einkommen.

Abgeordneter Andreas KARLSBÖCK (F) bezeichnete die bedarfsorientierte Mindestsicherung als "Arbeitsloseneinkommen". Das sei ein Paket zum Sozialmissbrauch und führe zu Egoismus, sagte er, außerdem wecke es falsche Erwartungen. Karlsböck sah darin auch einen Anschlag auf Familien und Lebensgemeinschaften, womit man an den Grundpfeilern der Gesellschaft rüttle, und man betreibe damit auch eine kalte Enteignung der Ärmsten. Durch die Mindestsicherung würden Menschen in die Abhängigkeit vom Staat und in die illegale Schwarzarbeit gedrängt. Das Gesetz sei unbrauchbar und unfinanzierbar, lautete das Resümee des F-Abgeordneten. Karlsböck forderte abschließend, die Armut der Arbeitenden und Arbeitsunfähigen zu bekämpfen und statt Lohnersatzleistungen Lohnergänzungsleistungen auszubezahlen.

Abgeordneter Franz RIEPL (S) wies darauf hin, dass es in Österreich immer mehr Millionäre, aber auch immer mehr Arme gibt. Über eine Viertel Million Menschen brauche staatliche Unterstützung, bemerkte er, mit der heutigen Beschlussfassung setze man einen wichtigen Schritt in Richtung Armutsbekämpfung. Die bedarfsorientierte Mindestsicherung fördere die Rückkehr ins Arbeitsleben, gegen den Missbrauch seien zahlreiche Hürden eingebaut, erklärte er abschließend.

Bundesminister Alois STÖGER unterstrich, dass mit der Vorlage erstmals in Österreich alle Personen krankenversichert sind. Man schaffe den Lückenschluss für eine Gruppe von rund 17.000 Menschen. Bisher hätten die SozialhilfebezieherInnen keinen Rechtsanspruch auf die soziale Krankenversicherung gehabt und es sei von ihrem Sachbearbeiter abhängig gewesen, ob sie versichert werden oder nicht.

Abgeordneter Robert LUGAR (B) zeigte kein Verständnis für eine Sozialreform, die 200 bis 500 Millionen Euro mehr kostet, während man gezwungen sei, das Budget zu konsolidieren. Damit würde man die SteuerzahlerInnen noch mehr belasten, kritisierte er. Der ÖVP warf er vor, sich die Mindestsicherung mit der Transparenzdatenbank abkaufen zu lassen, obwohl sie doch wissen müsse, dass man mit der SPÖ niemals budgetschonende Sozialreformen zustande bringen kann.

Abgeordnete Gabriele TAMANDL (V) konterte, eine reiche Gesellschaft könne es sich leisten, ärmeren Menschen Hilfe anzubieten. Selbstverständlich müsse man alles daran setzten, um Missbrauch zu verhindern und den Menschen Arbeit zu geben. Tamandl befürwortete die Einrichtung einer Transparenzdatenbank, um Doppelgleisigkeiten zu orten und zu prüfen, wohin die Transferzahlungen gehen. Außerdem sollte jeder sehen, welche Unterstützung er oder sie vom Staat erhält. Es gehe um Treffsicherheit und um die Verhinderung von Missbrauch, sagte sie.

Abgeordneter Johannes HÜBNER (F) vertrat die Ansicht, es handle sich nicht um eine bedarfsorientierte Mindestsicherung, sondern um einen Grundlohn bzw. um eine unabhängige Grundsicherung. Er kritisierte auch, dass der Abstand zum Arbeitseinkommen in vielen Fällen nicht gewahrt ist und wies auf die niedrigen Lehrlingsentschädigungen sowie auf niedrige Einkommen von Frauen nach der Karenz hin. Hübner hielt es daher für angebracht, das Entlohnungssystem grundlegend zu überdenken und ein vernünftiges Mindestlohnsystem einzuführen. Was heute passiert, das sei die Einladung zum Sozialtourismus, mutmaßte er, insbesondere auch im Hinblick auf die baldige Öffnung der Grenzen für den Arbeitsmarkt.

Abgeordnete Laura RUDAS (S) entgegnete, die Menschen brauchten Vertrauen in den Staat. Die Mindestsicherung stelle einen sozialpolitischen Meilenstein dar und gerade in der Krise müsse man Instrumente zur Armutsbekämpfung schaffen, die eng mit dem Arbeitsmarkt verknüpft sind. Menschen, die arbeitslos geworden sind, hätten es nicht notwendig, als Sozialschmarotzer tituliert zu werden, appellierte sie gegenüber FPÖ und BZÖ. Sie unterstützte auch die Einführung einer Transparenzdatenbank, denn diese werde offenlegen, was jemand für Leistungen in der Familie erhält gegenüber jenen, die Geld in Stiftungen geparkt haben. Sie wünsche sich eine Leistungsdiskussion, wobei sie darunter einen Mehrwert für die Gesellschaft verstehe. Wenn man so Leistung definiere, dann sei man in Österreich weit von der Leistungsgerechtigkeit entfernt.

Abgeordneter Gerhard HUBER (B) stellte aus seiner Sicht fest, Österreich führe nun Hartz IV ein, während man in Deutschland davon abgehe. Das sei eine Ungerechtigkeit gegenüber Arbeitenden, die die Zeche zahlen müssten. Viele ArbeitnehmerInnen erhielten einen sehr geringen Lohn, weshalb diese dann nach Einführung der Mindestsicherung in die Arbeitslosigkeit gehen werden. Damit fördere man auch den Schwarzmarkt, meinte Huber, denn das AMS werde nicht in der Lage sein, alles zu kontrollieren. Huber trat daher für eine Anhebung des Mindestlohns auf 1.300 € ein, womit man auch die Kaufkraft stärken würde. Er erinnerte weiters an den Vorschlag des BZÖ, ein leistungsgerechtes Bürgergeld einzuführen.

Abgeordneter Oswald KLIKOVITS (V) begann seine Rede mit der Feststellung, eines der reichsten Länder nehme seine soziale Verantwortung wahr. Die bedarfsorientierte Mindestsicherung sei eine Gleichstellung der bisherigen Sozialhilferichtsätze. Es sei notwendig, in der Krise nicht auf jene zu vergessen, die es schwer haben. Klikovits begrüßte auch die Transparenzdatenbank, denn damit wisse jeder, welche staatlichen Förderungen er bekommt.

Abgeordnete Carmen GARTELGRUBER (F) wies auf die steigende Zahl der armutsgefährdeten Familien und alleinerziehenden Mütter hin. Die Mindestsicherung werde deren Problem nicht lösen, bedauerte sie und propagierte ihren Antrag, Eltern am Arbeitsmarkt zu bevorzugen. Eine positive Diskriminierung sei nichts Neues, ergänzte sie, und man würde damit einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen die Kinderarmut leisten. Gartelgruber brachte schließlich einen Entschließungsantrag betreffend Anhebung der Nettoersatzrate in der Arbeitslosenversicherung ein.

Abgeordneter Dietmar KECK (S) unterstrich, die Regierung beweise mit der Einführung der bedarfsorientierten Mindestsicherung, dass ihr der Kampf gegen die Armut ein Anliegen ist. Er begrüßte in weiterer Folge die Einbeziehung aller in die gesetzliche Krankenversicherung.

Abgeordneter Karl ÖLLINGER (G) bekräftigte, die Mindestsicherung stelle eine Vereinheitlichung der Sozialhilfe auf Mindestniveau dar. Er befürchtete gleichzeitig die Tendenz der Länder, auf dieses Niveau herunterzugehen, auch wenn ihre Sozialhilfe früher höher war. Öllinger brachte schließlich einen Abänderungsantrag ein, in dem die Grünen fordern, den Mindestsicherungssatz für Kinder bei 141,12 € zu belassen.

Abgeordneter Franz EßL (V) meinte, mit der Mindestsicherung schaffe man ein soziales Auffangnetz. Die Transparenzdatenbank werde sicherstellen, dass möglichst wenig Missbrauch betrieben wird. Eßl merkte an, nirgends herrsche so viel Transparenz wie im Agrarbereich, obwohl diese Zahlungen keine Sozialleistungen darstellten, da die Bauern und Bäuerinnen dafür etwas leisten. Es werde aber nicht angehen, sagte er, dass bei den Bauern und Bäuerinnen Name und Adresse aufscheinen, bei den anderen aber nicht. Eßl sprach sich auch vehement gegen eine Erhöhung der Grundsteuer aus.

Abgeordneter Nikolaus PRINZ (V) hielt fest, der ÖVP sei es gelungen, Verteilungs- und Leistungsgerechtigkeit unter einen Hut zu bringen. Die Tranzparenzdatenbank diene dazu, Missbrauch und Doppelgleisigkeiten zu verhindern und entsprechende Informationen zu bieten. Die 3,6 Millionen Steuerpflichtigen hätten ein Recht zu wissen, wohin ihr Geld geht. Selbstverständlich müsse man nach Einführung der Mindestsicherung deren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt beobachten, denn sie dürfe keinesfalls zur sozialen Hängematte für Arbeitsunwillige werden. Leistung und Leistungsbereitschaft müssten sich lohnen. Prinz trat dezidiert gegen eine Anhebung der Einheitswerte auf.

Abgeordneter Johannes SCHMUCKENSCHLAGER (V) bekräftigte ebenfalls, Ausgleichszahlungen im Agrarbereich seien keine Sozialleistungen, denn die Bauern und Bäuerinnen erbringen Leistungen für den Staat. Er forderte, der bäuerlichen Bevölkerung entsprechenden Respekt gegenüberzubringen, da sie ja auch die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sicherstellt. Schmuckenschlager begrüßte die Transparenzdatenbank, da diese Klarheit schaffen wird, und forderte den Sozialminister auf, diese auch in der geforderten Zeit einzurichten. Die Mindestsicherung sieht er als Netz für die Schwachen, die aber kein Auffangbett für Faule werden dürfe.

Abgeordneter Jochen PACK (V) nannte die Vermeidung von Armut und Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt als Ziel der bedarfsorientierten Mindestsicherung. Diese stelle kein Grundeinkommen dar, betonte er, da sie Arbeitswilligkeit voraussetze. Pack wies auch auf die im Gesetz vorgesehen Sanktionsmöglichkeiten hin.

Abgeordneter Martin STRUTZ (o.F.) warnte vor Missbrauch der Mindestsicherung. Selbstverständlich habe man die Pflicht, Armut zu bekämpfen sagte er, Übertreibungen im Sozialsystem seien aber unangebracht. Der SPÖ-Kärnten warf er vor, 120 Beschäftigte der Kärntner Druckerei, die sich im Eigentum der SPÖ befindet, zu entlassen, ohne einen Sozialplan zu erstellen. Die bedarfsorientierte Mindestsicherung sowie die geplante Transparenzdatenbank hält Strutz für eine Alibiaktion. Man wolle damit verschleiern, dass weder Arbeitsplatzsicherung noch die Schaffung von Arbeitsplätzen gelungen sei. Die Tranzparenzdatenbank werde darüber hinaus einen enormen zusätzlichen Verwaltungsaufwand verursachen, befürchtete er.

Bundesminister Rudolf HUNDSTORFER wies den Vorwurf der Leistungsfeindlichkeit zurück und stellte überdies klar, dass der Bezug der Mindestsicherung ein Beschäftigungsverhältnis im Inland voraussetzt. Ein Missbrauch durch AusländerInnen, die nicht in Österreich gearbeitet haben, sei dadurch ausgeschlossen.

Bei der Abstimmung wurde das Sozialrechtsänderungsgesetz in Dritter Lesung mit S-V-F-G-Mehrheit angenommen. Der F-Entschließungsantrag fand keine Mehrheit. Mit S-V-G-Mehrheit genehmigt wurde die 15a-Vereinbarung. (Schluss Mindestsicherung/Forts. NR)


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