Parlamentskorrespondenz Nr. 965 vom 30.11.2010

Von Familienbesteuerung über Wohnbau bis hin zu Verbraucherkrediten

Erste Lesung von Anträgen der Opposition

Wien (PK) - Die Sitzung des Nationalrats wurde heute mit Diskussionen über oppositionelle Anliegen beendet. Die AntragstellerInnen hatten dabei ein Erste Lesung im Plenum verlangt, bevor die Anträge den entsprechenden Ausschüssen zur Beratung zugewiesen werden.

F-Initiative für neues Modell der Familienbesteuerung

Zunächst stand der F-Antrag zur Einführung eines neuen Modells zur Familienbesteuerung zur Debatte.

Abgeordnete Anneliese KITZMÜLLER (F) konstatierte zu Beginn ihrer Rede, die steuerlichen Belastungen der Familien seien nicht weniger geworden. Die FPÖ sei die einzige Familienpartei, die sich für eine steuerliche Entlastung der Familien einsetze. Der vorliegende Antrag der FPÖ wolle dies bewerkstelligen. Das Prinzip der Besteuerung solle nach Leistungsfähigkeit erfolgen. Unterhaltspflichten stellten für viele Familien eine große Belastung dar, Familien mit mehreren Kindern würden derzeit steuerlich benachteiligt, obwohl sie in jene zukünftigen Pensions- und SteuerzahlerInnen investierten, die auch jene, die keine Kinder haben, einmal erhalten werden. Hier sehe der Antrag des FPÖ ein System vor, das eine gerechte Besteuerung gewährleiste und jedem Steuerzahler ermögliche, einerseits zu sehen, was er an Steuern bezahle und dann für eines der Steuermodelle zu optieren. Das sei im Sinne der Wahlfreiheit, das die FPÖ vertrete.

Abgeordnete Laura RUDAS (S) meinte, die FPÖ beabsichtige durch die Hintertür das Modell des Familiensplittings einzuführen, während die SPÖ die Vereinbarkeit von Beruf und Familien gewährleisten wolle. Die SPÖ setze sich daher für ausreichend Kinderbetreuungsplätze ein und wolle nicht Frauen "zurück an den Herd" schicken, wie die FPÖ.

Abgeordnete Gabriele TAMANDL (V) kritisierte den Antrag der FPÖ ebenfalls. In Österreich habe man sich ganz bewusst für eine moderne Familienbesteuerung entschieden. Man werde daher die Individualbesteuerung nicht in Frage stellen und das System, das jetzt bestehe, beibehalten. Wie man hingegen das Modell, das die FPÖ vorschlage, für Geschiedene und getrennte Paare umsetzen wolle, sei völlig unerfindlich. Eine Wahlmöglichkeit zwischen Familienbesteuerung und Individualbesteuerung wäre ebenfalls nicht praktikabel, hielt sie abschließend fest.

Abgeordneter Christian HÖBART (F) verwies darauf, dass viele Eltern mehr Zeit für die Erziehung ihrer Kindern aufwenden wollten. Es sei jedenfalls nicht der richtige Weg, Kinder ganz früh in Kinderbetreuungsrichtungen "abzuschieben". Die Perspektivengruppe der ÖVP habe durchaus der Familienbesteuerung viel abgewinnen können, nun spreche man sich dagegen aus. Ein wichtiger Punkt des FPÖ-Vorschlags sei, dass er auf die Hebung der Geburtenrate abziele. Zuwanderung sei keine Lösung für fehlende Geburten, denn handle sich oft um eine Zuwanderung am Arbeitsmarkt vorbei direkt in die Sozialsysteme. In Frankreich sei ein dem FPÖ-Vorschlag sehr ähnliches System eingeführt worden und habe vor allem die Mittelschicht dazu gebracht, wieder mehr Kinder zu haben. Im Antrag der FPÖ liege die Zukunft, war Höbart überzeugt.

Abgeordneter Werner KOGLER (G) meinte, man könne der FPÖ nicht vorwerfen, dass sie mit ihrer Absicht, das steuerliche Familiensplitting einzuführen, hinter dem Berg halte. Die Konsequenz davon wäre, dass eine Verschiebung der Steuerlast weg von den Alleinverdienerhaushalten erfolgen würde. Es gehe damit aber auch um Lebensmodelle und um den steuerlichen Umgang damit. Man solle über das Steuersystem nicht Gesellschaftspolitik betreiben, sagte Kogler. Die Höhe der Geburtenrate sei mit höheren Sachleistungen und einer Erleichterung der Rückkehr von Frauen in den Beruf besser zu erreichen, das zeige das System der skandinavischen Länder.

Abgeordneter Robert LUGAR (B) stellte fest, mit der derzeitigen Geburtenrate sei das Sozialsystem und das Umlageprinzip auf Dauer nicht zu erhalten. Die Frage der Geburtenrate stelle sich in Bezug auf viele "Double Income, No Kids"-Paare und unter welchen Bedingungen diese einen Kinderwunsch realisieren wollten. Es sei mit dieser Entscheidung immer ein Einkommensverlust verbunden, der Gesetzgeber sei gefordert, diesen so abfedern, dass Paare sich für Kinder entscheiden. Kinder zu haben, sei ein wertvoller Dienst an unserer Gesellschaft, genauso wie die Pflege, und sei auch finanziell abzugelten. Es dürfe hier keine ideologischen Scheuklappen geben, forderte Lugar.

Der Antrag wurde dem Sozialausschuss zugewiesen.

FPÖ will strengere Prüfung gemeinnütziger Wohnbaugenossenschaften

Die FPÖ spricht sich für eine Ausdehnung der Prüfbefugnis des Rechnungshofs auf die Gebarung sämtlicher gemeinnütziger Bauvereinigungen, unabhängig von deren Eigentumsverhältnissen, aus. In diesem Sinn beantragt sie eine Änderung der Bundesverfassung, eine Änderung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes und eine Änderung des Rechnungshofgesetzes.

Abgeordneter Bernhard VOCK (F) erläuterte, dass ein Bündel von Anträgen zum Thema "leistbares Wohnen" vorgelegt werde. Das grundsätzliche Problem sei, dass im urbanen Gebiet zur Beschaffung von Wohnungsraum oft ein monatliches Durchschnittseinkommen aufgewendet werden müsse, gleich ob es sich dabei um eine Eigentumswohnung oder um eine Wohnung im gemeinnützigen Wohnbau handle. Das bringe vor allem junge Paare oft an die finanziellen Grenzen. Die Initiative ziele daher darauf ab, Wohnen im gemeinnützigen Wohnbau wieder leistbar zu machen.

Abgeordnete Ruth BECHER (S) meinte, die Anträge zielten auf die Prüfung gemeinnütziger Wohnbauunternehmen durch den Rechnungshof ab. Diese Unternehmen gehörten aber jetzt schon zu den bestgeprüften Unternehmen überhaupt. Es sei auch die Frage, warum nicht alle Wohnbauvereinigungen geprüft werden sollten. Es gebe schließlich im privaten Wohnbau Vorgänge, die im gemeinnützigen Wohnbau nicht möglich seien, sagte die Rednerin. Sie verteidigte auch die bestehende Fixpreisregelung bei der Übertragung von Wohnungen aus gemeinnützigem Wohnbau ins Eigentum. Die SPÖ werde einer Schwächung des gemeinnützigen Wohnbaus ganz sicher nicht zustimmen, bekräftigte sie abschließend.

Abgeordneter Johann SINGER (V) bezog sich in seiner Wortmeldung auf die Forderung, die Prüfung von gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften dem Rechnungshof zu übertragen, und wies darauf hin, dass es hier bereits umfangreiche Bestimmungen zur Prüfung gebe. Die Gemeinnützigen seien ein wichtiger Faktor in Österreichs Wohnbaulandschaft und damit auch ein erstrangiger Wirtschaftsfaktor.

Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) meinte, die Grünen stünden dem Antrag skeptisch gegenüber. Natürlich seien gemeinnützige Wohnbaugenossenschaften dem öffentlichen Bereich ähnlich, doch bestünden bereits genaue Prüfvorschriften. Es müsste konkrete Missstände geben, um hier eine Gesetzesänderung zu rechtfertigen.

Abgeordneter Gerald GROSZ (B) zitierte aus einem Bericht des Rechnungshofs aus dem Jahr 2009, der festgestellt hatte, dass der Revisionsverband gleichzeitig Prüforgan und Interessensvertreter der gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften sei. Es stünden in diesem Bereich die Profitinteressen der beteiligten Kreditgeber, nicht die Interessen der Mieter im Vordergrund. Die Wohnbaugenossenschaften seien nicht mehr gemeinnützig, sondern stellten die Erwirtschaftung der Rendite in den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit und würden zudem keine Ertragssteuer bezahlen. Man werde den Antrag deshalb unterstützen.

Die Anträge wurden dem Verfassungsausschuss zugewiesen.

Des weiteren wurde der Antrag der FPÖ, in dem sie sich für eine Neuregelung der Bedarfsprüfung bei den gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften ausspricht, ohne Debatte dem Bautenausschuss zugewiesen.

BZÖ will Generationengerechtigkeit in der Verfassung verankern

Das BZÖ wiederum will Generationengerechtigkeit in der Verfassung verankern. Bund, Länder und Gemeinden sollen durch eine Ergänzung der Verfassung dazu verpflichtet werden, in ihrem Handeln das Prinzip der Nachhaltigkeit zu beachten und die Interessen künftiger Generationen zu schützen.

Abgeordnete Ursula HAUBNER (B) meinte, das Wort "Generationengerechtigkeit" sei vom Finanzminister in der Budgetrede viel strapaziert worden. Die Realität sehe aber anders aus. Man reagiere nur auf Anlässe, blicke aber nicht in die Zukunft. Es gebe einen Reformstau im Gesundheitssystem, die Bildungsreform liege auf Eis. Auch die Pensionskosten und die Bürokratie würden immer mehr anwachsen. Hier sei es an der Zeit, im Sinne der kommenden Generationen Lösungen zu finden. Das BZÖ schlage daher vor, die Weichen für echte Generationengerechtigkeit zu stellen. Dazu brauche es ein wirksames Instrument für die Politik, indem man die Generationengerechtigkeit als Prinzip in die Verfassung aufnehme. Andere Länder hätten ähnliche Regelungen bereits eingeführt, hielt sie fest.

Abgeordnete Angela LUEGER (S) war der Meinung, der Antrag werfe einige Probleme auf. Vor allem dürfe man nicht Jung gegen Alt ausspielen. Es könne nicht das Ziel der Politik sein, den Generationenkonflikt oder andere Konflikte zu schüren. Es gehe vielmehr um den Ausbau des Sozialstaats und seine Sicherung.     

Abgeordneter August WÖGINGER (V) betonte, Generationengerechtigkeit sei ein wichtiges Thema. Er könne in diesem Sinn dem Antrag des BZÖ viel abgewinnen, meinte er. Wöginger wies darauf hin, dass sich die Zahl der über 75-Jährigen bis zum Jahr 2040 verdoppeln werde, die Politik müsse auf diese demographische Entwicklung entsprechend reagieren.

Abgeordneter Christian HÖBART (F) äußerte sich zum Antrag des BZÖ hingegen skeptisch und erklärte, die FPÖ werde diesem nicht zustimmen. Seine Fraktion sei dagegen, das Sozialversicherungssystem in Verfassungsrang zu heben, argumentierte er.

Abgeordneter Karl ÖLLINGER (G) führte aus, er könne dem Antrag des BZÖ nur teilweise folgen. Die Grünen würden sich schon seit jeher dafür einsetzen, die Erde den Nachkommen so zu übergeben, wie sie übernommen wurde, meinte er. Dabei gehe es aber um viel mehr als um Gerechtigkeit im Pensionssystem.

Abgeordneter Sigisbert DOLINSCHEK (B) unterstrich, es sei zu wenig, sich das Stichwort Nachhaltigkeit auf die Fahnen zu heften. Man müsse Bund, Länder und Gemeinden konkret dazu verpflichten, in ihrem Handeln stets auch die Interessen der zukünftigen Generationen zu schützen, warb er für den Antrag seiner Fraktion.

Der gegenständliche Antrag wurde schließlich dem Verfassungsausschuss zugewiesen.

   

Grüne für Änderungen im Verbraucherkreditgesetz

Die Grünen plädieren in einem Antrag für eine Änderung des Verbraucherkreditgesetzes, in dem ein Rücktrittsrecht auch für Hypothekarkredite vorgesehen ist. In einer weiteren Initiative zur Änderung des Verbraucherkreditgesetzes fordern die Grünen, die statuierte Informationspflicht unabhängig vom Kontoeröffnungsvertrag bei Einräumung der Überschreitungsmöglichkeit zu gewähren. Außerdem sollen nach Ansicht der Grünen Kleinkrediten unter 200 € in den Anwendungsbereich des Verbraucherkreditgesetzes fallen, wofür sie ebenfalls einen Antrag eingebracht haben.

Abgeordnete Birgit SCHATZ (G) wies darauf hin, dass die Grünen drei Anträge zur Verbesserung des Verbraucherkreditgesetzes eingebracht hätten. Damit sollen ihr zufolge gesetzliche Lücken geschlossen werden. Anliegen der Grünen ist es unter anderem, auch Kleinkredite unter 200 € und Pfandleihverträge zu erfassen sowie das Rücktrittsrecht auf Hypothekarkredite auszudehnen.

Abgeordneter Johann MAIER (S) sprach sich dafür aus, vor einer etwaigen Novellierung des Verbraucherkreditgesetzes Erfahrungswerte mit den bestehenden gesetzlichen Regelungen abzuwarten. Wenig abgewinnen kann Maier der Forderung, auch "Bagatellkredite" bis 200 € allen Schutzmechanismen des Verbraucherkreditgesetzes zu unterwerfen. Das würde ihm zufolge etwa auch eine Bonitätsprüfung einschließen.

Abgeordneter Heribert DONNERBAUER (V) sprach sich für konstruktive Verhandlungen über die drei vorliegenden Anträge aus. Allerdings gab er zu bedenken, dass das Verbraucherkreditgesetz vor nicht einmal einem halben Jahr in Kraft getreten sei, und äußerte Zweifel, ob Änderungen nach so kurzer Zeit sinnvoll seien. Generell warnte Donnerbauer, Konsumentenschutz dürfe nicht dazu führen, VerbraucherInnen zu entmündigen.

Abgeordneter Gerhard DEIMEK (F) unterstrich, grundsätzlich spreche nichts dagegen, ein erst vor kurzem in Kraft getretenes Gesetz zu ändern, wenn Änderungsbedarf bestehe. Er bezweifelte allerdings, ob ein solcher im konkreten Fall gegeben sei. Die Anträge seien jedenfalls diskussionswürdig, sagte Deimek.

Abgeordneter Sigisbert DOLINSCHEK (B) kritisierte allgemein die Vorgangsweise der Regierung, Anträge der Opposition ständig zu vertagen. Er appellierte an die Koalition, in Zukunft von dieser Praxis abzugehen.

Der Anträge wurden schließlich dem Justizausschuss zugewiesen.

Eine weitere (87.) Sitzung des Nationalrats diente in der Geschäftsordnung vorgesehenen Mitteilungen und Zuweisungen.

(Schluss Nationalrat)