Parlamentskorrespondenz Nr. 974 vom 02.12.2010

Was kann die österreichische Außenpolitik leisten?

Aktuelle Stunde im Bundesrat zu Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat

Wien (PK) – Die Sitzung des Bundesrats startete heute mit einer Aktuellen Stunde zum Thema "Österreichische Schwerpunkte während und nach der Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat". Der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, Michael Spindelegger, wies dabei insbesondere auf das erfolgreiche Engagement Österreichs für den Schutz von ZivilistInnen in bewaffneten Konflikten sowie für die Herrschaft des Rechts auf internationaler Ebene hin. Seitens der Mitglieder des Bundesrats wurde vor allem der Einsatz österreichischer SoldatInnen bei Friedensmissionen gewürdigt. Kritische Stimmen vermissten eine aktive Außenpolitik, wie sie in Zeiten Kreiskys geübt worden war, und forderten eine bessere Vermittlung außenpolitischer Tätigkeiten in der Öffentlichkeit.

Neue Bundesrätinnen und Bundesräte aus Wien und Tirol

Davor wurden die neuen Bundesrätinnen und Bundesräte, die der Wiener Landtag in seiner konstituierenden Sitzung gewählt hat, angelobt. Neu in den Bundesrat entsendet wurden Reinhard Pisec (S), Jennifer Kickert (G) und Hans-Jörg Jenewein (F). Wiedergewählt wurden Wolfgang Beer, Muna Duzdar, Elisabeth Grimling, Monika Kemperle, Stefan Schennach, Reinhard Todt (alle S), Harald Himmer (V) und Monika Mühlwerth (F).

Ein neuer Bundesrat kommt auch aus Tirol, nämlich Johann Schweigkofler (S), nachdem Bundesrat Hans-Peter Bock auf sein Mandat verzichtet hatte.  

Lob und Kritik für die österreichische Außenpolitik

Bundesrat Georg KEUSCHNIGG (V/T) statuierte, in der Außenpolitik regierten keine parteipolitischen, sondern allein die österreichischen Standpunkte. Man könne eine überaus positive Bilanz über Österreichs UN-Engagement ziehen, habe Österreich doch maßgebliche Beiträge zur Politik der Staatengemeinschaft geleistet und sich im internationalen Konzert hervorragend positioniert. Auch habe man an der Seite von Großbritannien und Frankreich eine ganz besondere Rolle als Vertreter der EU spielen können.

Der Redner nannte die von Österreich forcierten Schwerpunkte im Bereich der Menschenrechte und gratulierte dem Außenressort zu den auf diesem Gebiet erzielten Erfolgen. Schließlich ging der Redner auf Wien als UNO-Stadt ein und beleuchtete die Aktivitäten. Österreich sei im UN-Geschehen stark verankert, und Wien sei in dieser Hinsicht ein Kompetenzzentrum. Die österreichische Außenpolitik habe hier schöne Erfolge zu verzeichnen, die allerdings nicht von alleine entstanden seien, sondern durch die Verantwortlichen in verdienstvoller Weise herbeigeführt wurden. Dem Bundesminister und seinem Team müsse man zu dieser hervorragenden Performance gratulieren, schloss der Redner.

Bundesrätin Muna DUZDAR (S/W) zeigte sich sehr froh, über dieses Thema diskutieren zu können, denn medial sei über Österreichs Aktivitäten nicht allzu viel transportiert worden. Dies sei umso bedauerlicher, als der Sitz im UN-Sicherheitsrat eine gute Gelegenheit gewesen wäre, die Menschen für globale Politik zu interessieren. Es sei leider nicht gelungen, dieses Thema in die öffentliche Wahrnehmung zu rücken, womit eine wichtige Chance vergeben worden sei.

Auch seien die inhaltlichen Schwerpunkte Österreichs blass geblieben. Es hätte eines aktiven Engagements bedurft, so wie es seinerzeit während der aktiven Außenpolitik Bruno Kreiskys der Fall gewesen war. Österreich habe es in den letzten Jahren verabsäumt, sich entsprechende Betätigungsfelder zu suchen, stattdessen konzentriere man sich auf Vertretungsarbeit, und das sei zu wenig, beklagte die Rednerin. Es gebe im Außenressort falsche Prioritätensetzungen, man müsste sich jedoch wieder verstärkt der alten Kompetenzen auf dem Gebiet der aktiven Außenpolitik besinnen, etwa in den Bereichen der Friedenssicherung und –erhaltung sowie in der EZA.

Bundesrätin Monika MÜHLWERTH (F/W) hielt dem Minister zugute, in den wichtigen weltpolitischen Fragen die richtigen Maßnahmen gesetzt zu haben, doch handle es sich dabei eigentlich um Selbstverständlichkeiten. In diesem Lichte müsse man sich fragen, ob der Vorsitz im UN-Sicherheitsrat nicht eine etwas zu teure Angelegenheit gewesen sei, denn als Gegenleistung habe man sich im Tschad engagieren müssen und sehe einem neuerlichen Engagement im Libanon entgegen. Beim letzten Libanon-Einsatz habe es Tote gegeben, und da müsse man sich schon genau überlegen, ob solche Aktivitäten wirklich für Österreich erforderlich seien. Dies umso mehr, als die Einsätze der UNO-Truppen zuletzt nicht unbedingt eine Erfolgsgeschichte gewesen seien. Es sei falsch, geopolitisch eine Rolle spielen zu wollen, die weder aus sicherheits-, noch aus finanzpolitischer Sicht gerechtfertigt sei, stattdessen müsse man sich auf die eigenen Stärken besinnen und dementsprechend agieren.

Außenminister Michael SPINDELEGGER reagierte auf kritische Anmerkungen der Bundesräte zur österreichischen Außenpolitik, indem er zunächst daran erinnerte, dass sich Österreich mit der Absicht um eine Position im UN-Sicherheitsrat beworben hat, dort für die Herrschaft des Rechts auf internationaler Ebene einzutreten. "Das ist uns gelungen", hielt Bundesminister Spindelegger mit Stolz fest und berichtete den BundesrätInnen über das österreichische Engagement zur friedlichen Konfliktlösung, insbesondere auch in Afrika, wohin er demnächst wieder reisen werden, um im Sudan zwischen den Nord- und den Südprovinzen zu vermitteln. Dort gelte es ein weiteres "Darfour" zu verhindern.

Für die Herrschaft des Rechts habe sich Österreich nachdrücklich auch im Gaza-Krieg Israels eingesetzt und dabei erfolgreich starkem Einfluss widerstanden, wie er auf alle Sicherheitsratsmitglieder ausgeübt wurde. Weiters informierte Spindelegger darüber, dass Österreich als Vorsitzland im Sicherheitsrat den Schutz von ZivilistInnen in bewaffneten Konflikten auf die Tagesordnung gesetzt hat und ein entsprechendes Mandat für UN-Truppen erreichen konnte. Die engagierte Rolle Österreichs dabei sei ausdrücklich auch von US-Außenministerin Hillary Clinton öffentlich gelobt worden. Schließlich sei es auch gelungen, Wien zu einer Drehscheibe für Frieden und Dialog zu machen und ein vom jordanischen König und vom Papst initiiertes Dialogzentrum für Religionen nach Wien zu bekommen, schloss der Außenminister.

Bundesrat Efgani DÖNMEZ (G/O) kritisierte das Verhalten Österreichs gegenüber dem Iran und bezeichnete es als einen Fehler, sich auf die Verhandlungen über Atomfragen zu beschränken, aber auf eine entschiedene Solidarität mit der Reformbewegung im Iran zu verzichten und sich an den Wirtschaftssanktionen gegen den Iran so wenig wie möglich zu beteiligen. Dönmez machte auf Todesurteile und Exekutionen im Iran aufmerksam und forderte eine konsequente Politik gegenüber dem Regime in Teheran.

Bundesrätin Angelika WINZIG (V/O) würdigte demgegenüber das Engagement des Außenministers für Fortschritte beim Schutz von Frauen und Kindern in bewaffneten Konflikten und wies darauf hin, dass Österreich bei diesem Anliegen weltweit die Themenführerschaft übernommen hat. Lob spendete die Bundesrätin auch für neue Wege in der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, wo neue Kooperationsmodelle mit Schwellenländern Win-win-Situationen für heimische Betriebe und ihre Partner in den Kooperationsländern bringen. 

Bundesrat Stefan SCHENNACH (S/W) hielt es für notwendig, sich seitens einer kleinen neutralen Republik für das internationale Recht und die Menschenrechte zu engagieren. Zu einer starken Neutralitätspolitik in der Tradition Österreichs und Schwedens zähle auch der Einsatz österreichischer Soldatinnen und Soldaten bei Friedenseinsätzen der Vereinten Nationen. Bei diesen Missionen habe sich Österreich vor allem auch im Nahen Osten hohes internationales Ansehen erworben. Das gelte für die erfolgreiche österreichische Initiative zum Verbot von Streumunition, wobei Bundesrat Schennach verlangte, österreichischen SoldatInnen die Möglichkeit zu geben, Minen nicht nur aufzusuchen, sondern auch zu entschärfen.

Bundesrätin Cornelia MICHALKE (F/V) erinnerte ihren Vorredner daran, dass eine Abschaffung der Wehrpflicht Österreich die Möglichkeit nehmen würde, an UN-Missionen teilzunehmen. Beim Thema Schutz von Frauen und Kindern in bewaffneten Konflikten erkundigte sich die Rednerin nach tatsächlichen Fortschritten und mahnte eine stärkere Rolle von Frauen in der internationalen Friedensarbeit ein – das Abfassen und Beschließen von Resolutionen allein sei ihr zu wenig. Außerdem sollte die Bevölkerung stärker über die Außenpolitik informiert werden, verlangte Bundesrätin Michalke.

In seiner Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen erinnerte Außenminister Michael SPINDELEGGER zunächst daran, dass das Sanktionenregime gegen den Iran unter Mithilfe Österreichs geschaffen wurde. Österreich halte sich sowohl an das internationale als auch an das – noch strengere – europäische Sanktionenregime, was aber nicht bedeute, keinen Handel mit dem Iran zu treiben, denn das würde den Menschen dort schaden, sagte der Außenminister. Der Erfolg der Politik gegenüber dem Iran zeige sich an der Bereitschaft des Iran, die Gespräche demnächst wieder aufzunehmen.

Dem Lob für die Arbeit der österreichischen SoldatInnen im Rahmen von UN-Missionen schloss sich Minister Spindelegger gerne an. Seit dem von Österreich initiierten Verbot von Landminen leben die Menschen auf dieser Welt sicherer, sagte der Außenminister und informierte über das Inkrafttreten der diesbezüglichen Resolution. Die Leistungen der österreichischen Außenpolitik werden regelmäßig in der Öffentlichkeit dargestellt, hielt der Ressortleiter fest.

Infolge der Wiener Landtagswahl wählte der Bundesrat im Anschluss an die Aktuelle Stunde den Vizepräsidenten des Bundesrates Harald HIMMER und Ordner Ferdinand TIEFNIG - jeweils einstimmig – neu.

(Fortsetzung Bundesrat)


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