Parlamentskorrespondenz Nr. 1060 vom 15.11.2011

Nationalrat: FPÖ für härtere Strafen gegen Kinderschänder

Karl: Maßnahmen zum Schutz der Kinder demnächst im Justizausschuss

Wien (PK) – Der Nationalrat startete heute seine Plenarwoche mit einer Aktuellen Stunde zum Thema Schutz der Kinder vor sexuellem Missbrauch und Gewalt. "Kinderschutz statt Täterschutz, Frau Justizminister!", lautete die konkrete Forderung der FPÖ, mit der Klubobmann Heinz-Christian STRACHE die Themenauswahl durch seine Fraktion begründete.

Strache wies einleitend auf neue erschütternde Fälle von Kindesmissbrauch hin und brachte insbesondere den Fall eines Salzburger Kinderschänders zur Sprache, der für den Missbrauch seiner Tochter zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt wurde, kürzlich aber schon nach einem Jahr das Gefängnis verlassen konnte, um den Rest seiner Strafe und mit einer Fußfessel zu Hause zu verbüßen. An dieser Stelle erinnerte der FPÖ-Klubobmann an die Feststellung des Justizausschusses zum Thema Elektronisch unterstützter Hausarrest, dass diese Form der Strafe ausdrücklich nicht für Sexualstraftäter in Betracht komme. Strache appellierte an die Justizministerin, diese Fehlentscheidung per Ministerweisung zurückzunehmen.

Grundsätzlich kritisierte Strache, wie in Österreich mit Sexualstraftätern umgegangen werde. Der Abgeordnete warnte vor dem falschen Signal zu geringer Strafen für jene, die sich an den schwächsten Mitgliedern der Gesellschaft vergreifen. Sexualstraftäter müssen auch nach ihrer Entlassung unter Beobachtung stehen, zeigte sich Strache überzeugt, weil hinlänglich bekannt sei, dass diese Täter ein hohes Rückfallrisiko aufweisen. Die Forderung nach schärferen Strafen begründete der FPÖ-Klubobmann auch mit dem Leiden der Opfer, die jahrelang, oft ein Leben lang mit den Folgen sexuellen Missbrauchs zu kämpfen haben. Menschen, die solche Taten begehen, haben kein Recht, als Mitglieder der Gesellschaft anerkannt zu werden, sie gehören weggesperrt, sagte Strache. "Der Schutz der Kinder muss im Vordergrund stehen", das sei bislang nicht der Fall, klagte Strache und verlangte gesetzliche Verbesserungen zum Schutz der Kinder.

Justizministerin Beatrix KARL informierte die Abgeordneten über einen Beschluss im Ministerrat zur Verbesserung des Schutzes der Kinder. Die Ministerin bekannte sich nachdrücklich dazu, die Schwächsten der Gesellschaft vor Gewalt und sexuellem Missbrauch zu bewahren und unterstrich dabei auch die Notwendigkeit, die abschreckende Wirkung des Strafrechts zu verstärken. Die Abgeordneten erfuhren, dass im Vorjahr 522 Körperverletzungen an unmündigen Opfern – die Hälfte davon an Kindern unter zehn Jahren - zur Anzeige gelangt sind und 353 Anzeigen wegen sexueller Übergriffe registriert wurden.

Es sei aber auch notwendig, mehr Bewusstsein zu schaffen, sagte die Ministerin und warb um Unterstützung ihrer Vorschläge in der Sitzung des Justizausschusses am kommenden 22. November. Ihr gehe es darum, Mindeststrafen bei Gewalttätigkeit gegen Kinder zu erhöhen und dort einzuführen, wo sie noch nicht bestehen. Die Möglichkeit, Geldstrafen bei Gewalt- oder Missbrauchsdelikten bei Kindern zu verhängen, soll abgeschafft werden und der technischen Entwicklung - Stichwort Anbahnung von Kontakten mit Minderjährigen im Internet – im Strafrecht Rechnung getragen werden.

An die Adresse der FPÖ richtete die Ministerin die Feststellung, wer von Täterschutz im Bereich des Kinderschutzes spreche, habe entweder die Entwicklung der letzten Jahre verschlafen oder wolle Angst schüren. Die Ministerin listete Fortschritte beim Kinderschutz durch die Maßnahmen des letzten Gewaltschutzpakets auf und registrierte eine Tendenz zur Verschärfung des Strafausmaßes gegenüber Sexualstraftätern.

Der Einsatz der elektronischen Fußfessel hat sich bewährt, hielt Karl fest und führte zu dem vom FPÖ-Klubobmann genannten Fall aus, dass der Feststellung des Justizausschusses durch eine entsprechende Risikoabschätzung des Verurteilten Rechnung getragen wurde. Die Entscheidung für diese Vollzugsform sei nach einer strengen Prüfung seiner Lebensumstände getroffen worden. Es sei ihr nicht möglich, den betreffenden Bescheid abzuändern, auch nicht im Wege einer Ministerweisung, teilte die Ressortleiterin mit. Zur Frage von Ausnahmen bei der Verhängung des elektronisch unterstützten Hausarrests bei Sexualstraftätern und Tötungsdelikten habe sie ein Gutachten in Auftrag gegeben. Sie sei bereit zu Verbesserungen, aber dagegen, in diesem Bereich des Strafrechts Angst und Unsicherheit zu verbreiten, sagte die Ministerin.

Abgeordnete Gabriele BINDER-MAIER (S) wies die Behauptung zurück, dass irgendjemand, der in der Kinder- und Jugendarbeit tätig ist, bereit wäre, Täter zu schützen. Sie verstehe den Zorn, der entstehe, wenn unschuldige und wehrlose Menschen, wie es Kinder sind, sexuell missbraucht oder zu Opfern gewalttätiger Handlungen werden, sagte die Abgeordnete und merkte an, dass viele dieser Delikte im engeren familiären Umfeld gesetzt werden. Binder-Maier erinnerte an den Forderungskatalog des Bundesverbandes der Österreichischen Kinderschutzarbeit, der mehr Geld für Kinderschutzzentren verlangt. Es gebe auch keine Entschuldigung, wenn überforderte Eltern handgreiflich werden, Strafdrohungen alleine reichen aber meist nicht aus, Eltern brauchen in bestimmten Situationen eine Erziehungsbegleitung, sagte die Abgeordnete, die sich nachdrücklich zu weitergehenden Maßnahmen bekannte, um der Gewalt gegen Kinder ein Ende zu setzen. "Lassen sie uns gemeinsam und ohne Polemik daran arbeiten", schloss die Rednerin.

Auch Abgeordneter Heribert DONNERBAUER (V) gab seiner Abscheu gegenüber dem sexuellen Missbrauch von Kindern Ausdruck, weil dabei die Unschuld von Menschen ausgenutzt werde und ihnen seelische Verletzungen zugefügt werden, unter denen sie oft ein Leben lang leiden müssen. Daher gelte es alles zu tun, um solche Taten zu verhindern und den Opfern zu helfen. An dieser Stelle schloss sich der Redner den Ausführungen der Bundesministerin an und machte seinerseits auf die Fortschritte beim Schutz der Kinder durch Anhebung der Strafdrohungen, die Schaffung neuer Straftatbestände und umfangreiche Maßnahmen bei der Entlassung von Sexualstraftätern aufmerksam. Dennoch werden auch künftig Sexualdelikte und Gewalttaten gegen Kinder nicht durch strafrechtliche Maßnahmen alleine zu verhindern sein, merkte er an. Es seien die Bemühungen zu verstärken, Kinder auf die Gefahren hinzuweisen, ihre Fähigkeit, nein zu sagen, zu festigen und in der Gesellschaft die Bereitschaft zu erhöhen, hinzuschauen statt wegzuschauen, sagte Donnerbauer.

Abgeordneter Peter FICHTENBAUER (F) bezeichnete die Entlassung des genannten Straftäters in einen elektronisch unterstützten Hausarrest als einen Justizirrtum und wies die Aussage der Justizministerin, dagegen nichts tun zu können, entschieden zurück. Man müsse endlich zur Kenntnis nehmen, dass Sexualstraftäter nicht resozialisierbar seien, sagte Fichtenbauer. Für die FPÖ komme der Opferschutz vor dem Täterschutz. Sie trete daher dafür ein, auch die chemische Kastration bei Sexualstraftätern einzuführen, ein Mittel, das in anderen Ländern bereits angewendet wird. Hinsichtlich der jüngsten Beschlüsse der Regierung signalisierte Abgeordneter Fichtenbauer die Bereitschaft seiner Fraktion, über Verbesserungsvorschläge beim Kinderschutz zu diskutieren, unterstrich aber die Entschlossenheit seiner Fraktion, alles zu unternehmen, um zu verhindern, dass Sexualstraftäter nach einer gewissen Zeit wieder auf die Gesellschaft und die Kinder losgelassen werden.

Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) erinnerte die FPÖ daran, dass sie die Einführung des elektronisch unterstützten Hausarrests mitgetragen und dabei darauf verzichtet habe, eine Ausnahme für Sexualstraftäter zu beantragen. Die von ihr genannten Ausschussfeststellung erlaube die elektronische Fußfessel auch bei solchen Tätern "in seltenen Fällen". Für den genannten Einzelfall sei daher mit der zitierte Ausschussfeststellung nichts zu gewinnen, sagte Steinhauser. Die Freiheitlichen skandalisieren und polemisieren, lautete Steinhausers Befund. Andererseits mache es sich aber auch die Justizministerin zu leicht, von ihr sei im genannten Fall eine klare Stellungnahme zu verlangen. Das Hauptproblem beim Kampf gegen den sexuellen Missbrauch und Gewalt gegen Kinder ortete Steinhauser in der enormen Dunkelziffer von 90 Prozent bei diesen Delikten. Um Straftaten zu verhindern, sei es daher insbesondere auch notwendig, die Kinder aufzuklären und ihnen zu sagen, was sie tun können, wenn sie Opfer einer Sexualstraftat zu werden drohen. Der Justizsprecher der Grünen will vor allem die Prävention verbessern.

Abgeordneter Peter WESTENTHALER (B) zeigte sich "wütend" über aus seiner Sicht "skandalöse" Urteile bei Sexualdelikten gegen Kinder und berichtete von der bedingten Verurteilung eines Mannes, der neun Jahre lang drei Mädchen im Alter zwischen fünf und neun Jahren sexuell missbraucht hat. Es brauche Gesetze, die solche Urteile verhindern und dafür sorgen, dass der "Mord an Kinderseelen" ausgeschlossen und Rückfälle bei entlassenen Sexualstraftätern ausgeschlossen werden. Skandalös sieht Westenthaler auch die Unterscheidung zwischen leichtem und schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern. "Es gibt keinen leichten Missbrauch", hielt der Redner fest, der sich dafür aussprach, dem Wegschauen Einhalt zu gebieten und eine klare Anzeigepflicht zu normieren. Wer wegschaut, wenn Kinder sexuell missbraucht oder Opfer von Gewalt werden, soll künftig bestraft werden können, verlangte Westenthaler. Was von Seiten der Justizministerin an Vorschlägen vorliege, reiche nicht aus. "Es ist viel mehr zu tun", sagte Westenthaler.

Abgeordneter Johannes JAROLIM (S) stellte zunächst klar, dass in allen Fällen, in denen Kinder getötet werden, auf Mord angeklagt wird, wofür lebenslang als Strafrahmen gilt. Er wies ebenfalls auf die Fortschritte und Erfolge hin, die das letzte Gewaltschutzpaket beim Schutz der Kinder vor Gewalt und sexuellem Missbrauch gebracht hat und sprach sich dafür aus, diesen Weg fortzusetzen. Der Abgeordnete wies seinerseits auf die Notwendigkeit von Maßnahmen hin, die das "Wegschauen" einschränken und das Bewusstsein schärfen, dass die Grenzen der Privatheit dort aufhören, wo es um den Schutz von Kindern vor Gewalt und sexuellem Missbrauch gehe. "Wir müssen mehr Fälle zur Anzeige bringen", schloss Jarolim, der nachdrücklich auch dafür eintrat, das Cyber-Grooming, das sexuelle Ansprechen von Kindern im Internet, unter Strafe zu stellen.

Abgeordnete Ridi STEIBL (V) erinnerte gegenüber dem aus ihrer Sicht populistischen Vorschlag, die Anzeigepflicht zu verschärfen, an Expertenaussagen zu diesem Thema. Wichtig sei es, künftig für eine bessere Beweissicherung zu sorgen und die Angst der Opfer vor Auseinandersetzungen im familiären Bereich zu verringern. Die Rednerin plädierte für Verbesserungen bei der Prozessbegleitung, unterstrich das Eintreten ihrer Fraktion für den Opferschutz und bezeichnete das Wohl der Kinder als das Höchste Gut der Gesellschaft. "Wir werden Kinder schützen und nicht Täter", unterstrich die Rednerin.

Abgeordnete Dagmar BELAKOWITSCH-JENEWEIN (F) warf der Justizministern vor, beim genannten Fall eines Sexualstraftäters, der das Gefängnis schon nach einem Jahr Haft mit einer Fußfessel verließ, nicht die Wahrheit gesagt zu haben. Denn es habe Bedenken gegen diese Maßnahme gegeben, weil das Risiko eines Rückfalls hoch eingeschätzt worden sei. "Sie schützen die Täter und vergessen die Opfer", sagte die Rednerin in Richtung der Justizministerin.

Die Vorfälle im Kinderheim Wilhelminenberg und anderen Heimen lassen die Frage stellen, warum die Täter noch nicht in Haft genommen wurden, sagte die Abgeordnete und erinnerte an den von der SPÖ demontierten Stadtschulrat Kurt Scholz sowie an einen gekündigten Lehrer, weil sie aufklären wollten. Alles sei unter den Teppich gekehrt und niemand verurteilt worden, kritisierte die Abgeordnete. Sie machte auch auf den Fall eines im Linzer Wagner-Jauregg-Spital mit einer Überdosis eingeschläferten 16-jährigen Mädchens aufmerksam, weil sie einen Richter bezichtigte, er habe sie sexuell missbraucht. Auch dieser Fall sei vertuscht und die Täter freigelassen worden, sagte die Abgeordnete.    

Abgeordnete Tanja WINDBÜCHLER-SOUSCHILL (G) befasste sich mit der Arbeit der vielen Organisationen in Österreich im Rahmen des Kinderschutzes und beklagte, dass nach wie vor das von vielen Experten geforderte Gesamtpaket zum Kinderschutz immer noch fehle. Dazu gehöre eine Modernisierung der Jugendwohlfahrt, mehr Förderungen und höhere Qualitätsstandards. Ohne Fortschritte auf diesem Gebiet werde es nicht möglich sein, das kürzlich in der Verfassung verankerte Recht der Kinder auf umfassenden Schutz vor Gewalt und sexuellem Missbrauch umzusetzen und mit Leben zu erfüllen, sagte sie. Höhere Strafen würden dabei nicht ausreichen, es brauche Prävention, Vertrauen und die Einrichtung einer speziellen Schutzstelle für Kinder.

Abgeordnete Ursula HAUBNER (B) klagte zunächst darüber, dass das bereits für Mitte 2011 angekündigte Maßnahmenpaket für den Kinderschutz dem Parlament noch nicht einmal vorgelegt worden ist. Demgegenüber habe das BZÖ zahlreiche Anträge unterbreitet, die bislang alle vertagt wurden. Diese Vorschläge betreffen das Cyber-Grooming und das Verlangen, die Verjährung bei Sexualdelikten aufzuheben. Es sei unverständlich, dass Millionenbeträge für den Kinderschutz nicht aufzutreiben sein sollen, wenn gleichzeitig Milliardenbeträge nach Griechenland fließen, kritisierte Haubner und trat entschieden dafür ein, Kinderschutzorganisationen besser zu vernetzen, den Mutter-Kind-Pass weiter zu entwickeln und dem Schutz der Kinder vor Gewalt und sexuellem Missbrauch klare Priorität zu geben.

Abgeordneter Robert LUGAR (o.F.) verlangte härtere Strafen für Kinderschänder und forderte, dafür zu sorgen, dass solche "menschlichen Zeitbomben" nie mehr auf die Kinder losgelassen werden. Man müsse dafür sorgen, dass Menschen, von denen man wisse, dass sie ihre Triebe gegenüber Kindern nicht kontrollieren können, niemals mehr in Kontakt mit Kindern kommen können. Lugar bekannte sich auch dazu, Kinder vor Gewalt zu schützen, warnte aber zugleich davor, liebevolle und fürsorgliche Eltern zu kriminalisieren, nur weil sie ihrem Kind in einer bestimmten Situation einen "Klaps" gegeben haben. (Ende Aktuelle Stunde/Fortsetzung Nationalrat)