Parlamentskorrespondenz Nr. 1177 vom 01.12.2011

Bundesrat beschließt Subsidiaritätsrüge zu europäischem Kaufrecht

Enquete zu EZA, Dringliche Anfrage zum Fall Kampusch

Wien (PK) - Der Bundesrat folgte heute einstimmig der Empfehlung seines EU-Ausschusses, gegen den Vorschlag zu einem europäischen Kaufrecht eine Subsidiaritätsrüge nach Brüssel zu schicken. Die Länderkammer stellt dazu dezidiert fest, dass das gegenständliche Vorhaben nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar ist. Das Nebeneinander unterschiedlicher Regelungssysteme führe nicht zu jenem Grad an Rechtssicherheit, der im österreichischen Privatrecht seit Schaffung des ABGB vor genau 200 Jahren gewährleistet ist. Durch die Schaffung einer 28. Vertragsrechtsordnung werde kein Mehrwert erzielt, da die RechtsanwenderInnen in Hinkunft nicht nur mit zwei Rechtsordnungen, also der des Vertragspartners und seiner eigenen, sondern mit einer dritten konfrontiert seien. Man befürchtet, dass das optionale Instrument als alternatives Vertragsregime Teile der nationalen Rechtsordnungen verdrängen soll.

Außerdem, so die Begründung des Antrags, enthalte der Vorschlag auch zahlreiche unbestimmte Begriffe, die erst durch den EuGH in letzter Instanz ausgelegt werden müssen, was lange Zeit in Anspruch nehmen würde und zudem mit einem erhöhten Prozesskostenrisiko verbunden wäre. Die Bundesrätinnen und Bundesräte kritisieren zudem, dass in dem Verordnungsvorschlag Bereiche aus der ursprünglichen Fassung der Verbraucherrechte-Richtlinie aufgenommen werden sollen, die jedoch in dieser wegen massiver Widerstände in den Mitgliedstaaten bereits wieder eliminiert worden seien.

Die Länderkammer sieht ferner eine große Gefahr darin, dass strukturell unterlegene VerbraucherInnen oder KMU in der Praxis keine Einflussmöglichkeit auf die Wahl der Vertragsmodalität haben und damit der Verbraucherschutz generell geschwächt wird.

Parlamentarische Enquete zur Entwicklungszusammenarbeit

Die Länderkammer beschloss weiters einstimmig, am Mittwoch, dem 14. Dezember 2011, in der Zeit von 10.00 bis 14.00 Uhr eine parlamentarische Enquete zum Thema "Föderalistische Aspekte in der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit" abzuhalten. Konkret soll es um die Entwicklungszusammenarbeit als gesamtstaatliche Aufgabe, um entwicklungspolitische Kohärenz und um Best-Practice-Modelle lokaler/regionaler EZA gehen.

Dringliche Anfrage der FPÖ zum Fall Kampusch

Im Rahmen der Debatte brachte der F-Bundesrat Hans-Jörg Jenewein eine Dringliche Anfrage betreffend "mysteriöse Pannenserie bei den Tatortermittlungen im Fall Kampusch" ein.

Die F-Bundesrätinnen und –Bundesräte argumentieren, dass im Jahr 2008 vom damaligen Innenminister Günther Platter eine Evaluierungskommission zur Überprüfung der Ermittlungen im Entführungsfall Natascha Kampusch eingesetzt wurde. Neben dem Vorsitzenden dieser Kommission Dr. Adamovich, habe auch der ehemalige Präsident des obersten Gerichtshofs Dr. Rzeszut die Arbeit von Justiz und Innenministerium scharf kritisiert und die offizielle Version der "Ein-Täter-Theorie" immer abgelehnt. Nun sei auch ein Aktenvermerk von Oberst Dr. Rudolf Keplinger des Bundeskriminalamts Oberösterreich medial verbreitet worden, der ebenfalls die offiziell vertretene Linie als nicht schlüssig bezeichnet. Dr. Keplinger verweise in seinem Aktenvermerk vom 4. August 2009 überdies auf fehlerhafte Ermittlungen und Tatortsicherungen. Die F-MandatarInnen verlangten daher mittels 36 detaillierten Fragen Auskunft von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner.

In einer Wortmeldung zur Geschäftsordnung wandte sich Bundesrat Gottfried Kneifel (V/O) gegen die gegenständliche Anfrage. Er appellierte, dem Opfer und seiner persönlichen Sphäre gegenüber Respekt walten zu lassen und kündigte an, dass sich aus diesem Grund die BundesrätInnen von SPÖ, ÖVP und Grünen nicht an der Debatte beteiligen werden. Außerdem wies er auf den Ständigen Unterausschuss des Innenausschusses hin, in dem die Causa untersucht wird.

Bundesministerin Johanna Mikl-Leitner sprach von einer überaus heiklen Causa, die mit entsprechender Sensibilität behandelt werden müsse. Sie verwies auf die Arbeit des Evaluierungsausschusses, der sich damit zu befassen hatte, ob die Ermittlungsarbeit entsprechend sorgsam geleistet wurde. In der Tat ortete der Ausschuss Defizite und gab diesbezügliche Empfehlungen ab. Später habe es auch die Kommission von Präsident Adamovich gegeben, beide Kommissionen hätten entsprechende Berichte gelegt, sodass die ganze Angelegenheit klar dokumentiert sei.

Von Vertuschung könne also in keiner Weise die Rede sein, vielmehr habe man durch Befolgen der gemachten Empfehlungen die nötigen Schlüsse gezogen, und selbst jetzt arbeite man immer noch daran, die polizeiliche Tätigkeit in dieser Angelegenheit weiter zu optimieren.

Gerade in einer solch sensiblen Causa stehe sie für vollkommene Transparenz und Aufklärung, so die Ministerin. Es gebe eine Vereinbarung aller Parteien, die Angelegenheit im zuständigen Unterausschuss zu behandeln, deshalb könne sie es nicht nachvollziehen, weshalb die FPÖ das Thema nun zum Gegenstand einer Dringlichen Anfrage gemacht hat. Sie müsse daher um Verständnis dafür ersuchen, dass sie an dieser Stelle keine weiteren Aussagen machen könne, sie werde aber alle Fragen im zuständigen Unterausschuss beantworten, kündigte die Rednerin an.

Emissionszertifikategesetz

Die weitere Debatte betraf das Emissionszertifikategesetz 2011, mit dem die Emissionshandels-Richtlinie der EU in nationales Recht umgesetzt wird. Damit soll ein maßgeblicher Beitrag zur Verringerung von Treibhausgasemissionen in Österreich und in der EU erreicht und die Emissionen bis 2020 (im Vergleich zu 2005) um 21% gesenkt werden. Die Länderkammer erhob dagegen mit Stimmenmehrheit keinen Einspruch.

Waren Zertifikate bisher weitgehend gratis zu haben, müssen sie nunmehr ab 2013 bei Versteigerungen erworben werden. Stromerzeuger sind dann verpflichtet, 100% ihrer Zertifikate zu ersteigern. Andere Anlagen erhalten zunächst weiterhin Gratiszertifikate, die nach den Bestimmungen des "Benchmark-Beschlusses" von 2011 zugeteilt werden. Dazu zählen jene Betriebe, die über die effizientesten Anlagen verfügen und bei denen die Gefahr besteht abzuwandern ("carbon leakage"): Verlagerungsgefährdete Anlagen können Gratiszertifikate im Ausmaß von 100% erhalten, nicht verlagerungsgefährdete Sektoren hingegen nur 80%. Bis 2020 wird dieser Anteil schließlich auf 30% verringert, 2027 endet die kostenlose Zuteilung von EU-Emissionszertifikaten insgesamt.

Budgetbegleitgesetz

Ebenfalls mehrheitlich passierte das Budgetbegleitgesetz 2012 das Plenum des Bundesrats.

Das Budgetbegleitgesetz dient unter anderem der Umsetzung einer EU-Richtlinie, erhöht die Basiszuwendung der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), sichert dem Austria Wirtschaftsservice (AWS) die Refundierung von Kosten zu, die ihr bei der Erfüllung gesetzlicher Aufgaben entstehen, widmet ein Sondervermögen der Energie-Control der Förderung von Wärme- und Kälteleitungen und erhöht die jährliche Basisabgeltung der Bundesmuseen. In mehreren Steuernormen wird höchstgerichtlichen Entscheidungen entsprochen. Auch wird der Alleinverdienerabsetzbetrag für PensionistInnen mit einem steuerpflichtigen Einkommen unter 19.930 € pro Jahr wieder eingeführt. Andererseits soll das Wirtschaftsministerium den Kauf eines österreichischen Unternehmens unter bestimmten Voraussetzungen untersagen können, um zu verhindern, dass dadurch grundlegende Interessen Österreichs gefährdet werden.

EU-Informationsgesetz

Auch das EU-Informationsgesetz kann nun zügig umgesetzt werden, der Bundesrat erhob dagegen keinen Einspruch. Das Votum erfolgte mehrheitlich.

Das EU-Informationsgesetz stellt einen weiteren Schritt zu einer besseren Einbindung des österreichischen Parlaments in die EU-Gesetzgebung dar. Zu den zentralen Neuerungen gehört eine detailliertere Festlegung der Informationspflichten der Regierung gegenüber dem Parlament.

Bericht der Volksanwaltschaft

Der nächste Tagesordnungspunkt betraf den 34. Bericht der Volksanwaltschaft, den die Bundesrätinnen und Bundesräte einstimmig zur Kenntnis nahmen. Darin wird aufgelistet, dass 15.265 Bürgeranliegen bearbeitet, 6.613 Prüfverfahren eingeleitet und 273 Sprechtage abgehalten wurden.

Luftraumblock Zentraleuropa

Schließlich stimmte die Länderkammer auch der Errichtung eines

Funktionalen Luftraumblocks "Zentraleuropa" und der damit in Zusammenhang stehenden Beendigung der CEATS-Vereinbarung einstimmig zu. (Schluss Bundesrat)

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