Parlamentskorrespondenz Nr. 1231 vom 14.12.2011

MR-Ausschuss für Anerkennung der deutschen Minderheit in Slowenien

Abgeordnete urgieren forcierten Kampf gegen Folter

Wien (PK) – Der Menschenrechtsausschuss des Nationalrats hat sich in seiner heutigen Sitzung mit einer ganzen Palette von Menschenrechtsfragen befasst. Unter anderem diskutierten die Abgeordneten über die Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien und im Kongo, den Kampf internationaler Organisationen zur Eindämmung von Folter, die Rechte der österreichischen Minderheit in Slowenien sowie die zunehmende Gefährdung von JournalistInnen und fassten in diesem Zusammenhang eine Reihe von Entschließungen.

So sprechen sich die fünf Fraktionen einhellig für eine offizielle Anerkennung der deutschsprachigen Minderheit in Slowenien aus und ersuchen die Bundesregierung, das Thema im Rahmen der bilateralen Beziehungen aufs Tapet zu bringen. Laut Antragsbegründung umfasst die altösterreichische deutschsprachige Volksgruppe in Slowenien rund 1.600 Personen, verteilt auf das ganze Land.

Weitere Anliegen sind dem Menschenrechtsausschuss die Unterstützung der Anti-Folter-Arbeit der Vereinten Nationen, aktive Hilfe für Folteropfer im Rahmen von EU-Missionen, die Umsetzung der an Österreich gerichteten Empfehlungen des UN-Menschenrechtsrats und ein besserer Schutz der Bevölkerung im Kongo im Zusammenhang mit dem Abbau und dem Handel von Mineralien. Außerdem soll sich Österreich während seiner dreijährigen Mitgliedschaft im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen für eine Stärkung der Mechanismen zum Schutz von JournalistInnen einsetzen, in diesem Bereich tätige internationale Organisationen unterstützen und sich generell für Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit stark machen.

Heftige Diskussionen im Ausschuss gab es über zwei Anträge der Grünen zur Menschenrechtslage in Saudi-Arabien. Die Grünen mahnten von der Regierung Proteste sowohl gegen die Hinrichtungspraxis in Saudi-Arabien als auch gegen ein geplantes Anti-Terror-Gesetz ein, das ihrer Ansicht nach in vielen Punkten menschenrechtswidrig ist, konnten sich damit aber nicht durchsetzen.

Österreich sei generell gegen die Todesstrafe und setze sich stets dafür ein, dass beim Kampf gegen den Terror die Menschenrechte nicht unter die Räder kommen, Anträge zu einzelnen Staaten seien wenig sinnvoll, lautete der Tenor der Koalitionsparteien. In diesem Sinn wurde, ergänzend zu einer bereits im Sommer gefassten Entschließung zum Thema Todesstrafe, ein allgemeiner Entschließungsantrag betreffend die Sicherung der Menschenrechte im Kampf gegen den Terrorismus angenommen. Die Ablehnung bzw. Vertagung der Grünen Anträge brachte SPÖ und ÖVP allerdings den Vorwurf der Opposition ein, sie würde zwar gegen Massentötungen von Hunden in der Ukraine eintreten, aber aus diplomatischen und wirtschaftlichen Gründen zu fragwürdigen Todesurteilen in Saudi-Arabien schweigen.

Waldner: Schutz der Menschenrechte ist Eckpfeiler der Außenpolitik

Staatssekretär Wolfgang Waldner betonte im Rahmen einer aktuellen Aussprache im Ausschuss, die Förderung und der Schutz der Menschenrechte seien ein Eckpfeiler der österreichischen Außenpolitik. Die Wahl Österreichs in den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen mit 177 von 181 Stimmen wertete er in diesem Sinn als Zeichen der internationalen Anerkennung der Arbeit Österreichs und als einen Auftrag, das Engagement fortzusetzen.

Österreich verfolgt Waldner zufolge drei Schwerpunkte im UN-Menschenrechtsrat: den Schutz der Religionsfreiheit und der Gewissensfreiheit und den Schutz der Rechte religiöser Minderheiten, die Förderung der Medienfreiheit und den Schutz von JournalistInnen sowie die Förderung der Rechte von Kindern und den Schutz von Kindern vor Gewalt und Ausbeutung. Österreich habe bereits erste Initiativen gestartet, erklärte er und verwies unter anderem auf Expertengespräche im Außenministerium zum besseren Schutz von JournalistInnen. Es gehe etwa darum, dass Attacken gegen JournalistInnen nicht straflos blieben und vorbeugende Maßnahmen zur Vermeidung von Übergriffen gesetzt würden.

Was die Empfehlungen des UN-Menschenrechtsrats an Österreich im Rahmen der "Universellen Länderprüfung" betrifft, seien von Österreich 131 der 161 ausgesprochenen Empfehlungen angenommen worden, skizzierte Waldner. Österreich nehme die Umsetzung der Empfehlungen sehr ernst und habe sich freiwillig dazu verpflichtet, 2013 einen Zwischenbericht über den Umsetzungsstand vorzulegen.

In der Debatte hob Abgeordneter Wolfgang Großruck (V) die Bedeutung der OSZE zum Schutz von Menschenrechten hervor. Überdies wies er darauf hin, dass jährlich 200 Millionen Christen verfolgt würden. Abgeordneter Franz Kirchgatterer (S) betonte, Österreichs Einsatz gegen Streubomben habe sich gelohnt. Abgeordneter Albert Steinhauser (G) schnitt den Umstand an, dass JournalistInnen, Intellektuelle und WissenschafterInnen in der Türkei oft jahrelang ohne Anklageschrift festgehalten würden. Abgeordneter Josef A. Riemer (F) meinte, im 21. Jahrhundert sei es an der Zeit, eine Lösung in Bezug auf Teile der Avnoj-Bestimmungen und der Benes-Dekrete zu finden.

Abgeordneter Gerald Grosz (B) äußerte Zweifel daran, dass Österreich am internationalen Parkett Menschenrechtsfragen mit ausreichendem Nachdruck anspreche. So vermisst er etwa öffentliche Stellungnahmen von Außenminister Michael Spindelegger und Staatssekretär Wolfgang Waldner zu den Problemen der Kopten in Ägypten, dem "Abschlachten" von 2.000 Christen im Irak, der Situation der religiösen Minderheiten in China und der seiner Ansicht nach äußerst prekären Menschenrechtslage in Libyen. Österreich verzichte aus diplomatischen Erwägungen auf klare Protestnoten, klagte er. Grosz drängte überdies darauf, dass die Menschenrechtsverletzungen nach dem Zweiten Weltkrieg im slowenisch-österreichischen Grenzgebiet aufgeklärt würden.  

Angesprochen von den Abgeordneten wurden auch die Kinderrechte (Abgeordnete Anna Franz, V), die Situation in Weißrussland (Abgeordneter Karl Öllinger, G) der arabische Frühling (Abgeordneter Ewald Sacher, S, Abgeordneter Bernhard Vock, F), Menschenrechtsverletzungen in Syrien, Saudi-Arabien und im Iran (Ausschussvorsitzende Alev Korun, G, Abgeordneter Rudolf Plessl, S) und das Verfahren gegen Julia Timoschenko in der Ukraine (Abgeordneter Harry Buchmayr, S).

Staatssekretär Waldner machte in Beantwortung der Anfragen geltend, dass die EU laufend Druck auf Weißrußland ausübe, um die Freilassung und Rehabilitierung von politischen Gefangenen zu erwirken. Zuletzt seien Reisebeschränkungen, ein Einfrieren von Vermögenswerten und ein Waffenembargo vereinbart worden. Es sei auch eine Antrag im UN-Menschenrechtsrat geplant.

Österreich unterstütze auch verschiedene Programme zur Demokratisierung in den Ländern Nordafrikas, erklärte Waldner. Die Menschenrechtssituation in Libyen werde laufend beobachtet. In Bezug auf den Iran habe sich Österreich beharrlich dafür eingesetzt, dass ein Sonderberichterstatter einreisen dürfe, allerdings gebe es anhaltenden Widerstand des Iran.

Mängel bei der Einhaltung von Menschenrechten und der Garantie der Medienfreiheit sind Waldner zufolge ein Grund dafür, dass die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei derzeit stocken. Bezüglich Ungarn soll sich im nächsten Jahr entscheiden, ob das Land unter permanente Beobachtung des Europarats gestellt wird.

Zu Saudi-Arabien merkte Waldner an, die dortige Menschenrechtslage gebe Anlass zur Sorge. Das Thema werde immer wieder aufs Tapet gebracht. Waldner verteidigte in diesem Zusammenhang auch das von Ausschussvorsitzender Korun (G) kritisierte religiöse Dialogzentrum in Wien und meinte, er glaube nicht, dass dieses ein Propagandainstrument der Wahabiten sein werde. Korun hatte zuvor vor propagandistischen Aktivitäten des wahabitischen Islam, etwa in Bosnien-Herzegowina, gewarnt und auf die prekäre Menschenrechtslage in Saudi-Arabien aufmerksam gemacht.

Für nächste Woche ist laut Waldner ein Gipfel zwischen der EU und der Ukraine geplant. Österreich sei für die Einbildung der Ukraine in den Westen, EU-Standards müssten aber eingehalten werden, mahnte er.

Ausschuss fasst zahlreiche Entschließungen

Im Anschluss an die aktuelle Aussprache fasste der Ausschuss zahlreiche Entschließungen. Zunächst ging es um die Frage der Anerkennung der deutschsprachigen Minderheit in Slowenien. Die Abgeordneten nahmen dazu einen von den Koalitionsparteien im Rahmen der Ausschussberatungen eingebrachten Antrag einstimmig ein. Der von der FPÖ ursprünglich vorgelegte Antrag gilt damit als miterledigt.

In der Debatte betonte Abgeordneter Josef A. Riemer, der FPÖ gehe es darum, dass der deutschsprachigen Minderheit in Slowenien dieselben Rechte gewährt werden wie der italienischen und ungarischen Minderheit. Er schätzt, dass es bis zu 5.000 Betroffene gibt. Namens der Grünen bekannte sich Abgeordneter Albert Steinhauser (G) zur Forderung nach einer offiziellen Anerkennung, hielt aber gleichzeitig fest, man dürfe nicht den Eindruck erwecken, die deutschsprachige Minderheit hätte derzeit keine Rechte. Zum einen hätten alle ethnischen Gruppen in der Verfassung verankerte Schutzrechte, zum anderen gebe es auch eine Sprach- und Kulturförderung.

Die Abgeordneten August Wöginger (V) und Josef Muchitsch (S) wiesen darauf hin, dass die Anerkennungsfrage laufend bei bilateralen Gesprächen angeschnitten werde. Das hielt auch Staatssekretär Waldner fest. Slowenien sei sich bewusst, dass die Anerkennung der deutschsprachigen Minderheit ein offenes Thema sei, von dem Österreich nicht heruntersteigen werde.

Vom Menschenrechtsausschuss vertagt wurde hingegen ein Entschließungsantrag des BZÖ, in dem Abgeordneter Gerald Grosz und seine FraktionskollegInnen die Aufarbeitung von "Verbrechen wider die Menschlichkeit" in Slowenien nach dem Zweiten Weltkrieg einmahnen. Insbesondere wollen sie Aufklärung über die Verschleppung von Angehörigen der deutschsprachigen Minderheit.

Es sei höchste Zeit, dass Slowenien seine Vergangenheit ordentlich aufarbeite, betonte Grosz. Es dürfe nicht "Tote erster und zweiter Klasse" geben, nämlich solche, denen mit Kranzniederlegungen gedacht werden könne und andere, die vergessen worden seien.

Staatssekretär Wolfgang Waldner wies darauf hin, dass die alte slowenische Regierung eine Kommission zu dieser Frage eingesetzt habe. Man solle der neuen Regierung Zeit geben, sich zu organisieren und zum Versprechen, die Vorfälle aufzuklären, zu stehen, sagte er. Ähnlich argumentierte auch Abgeordneter Josef Muchitsch, er brachte daher den Vertagungsantrag ein.

Basis für die Entschließungen zum Thema Folter bildeten zwei Anträge der Koalitionsparteien (1789/A[E], 1790/A[E]), die beide einstimmig angenommen wurden, im Fall des Antrags 1790/A(E) unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrags der Grünen. Zum einen geht es den Abgeordneten darum, den internationalen Kampf gegen Folter zu forcieren und Folteropfer aktiv zu unterstützen, zum anderen soll Österreich seine eigenen Hausaufgaben machen und die Empfehlungen des UN-Menschenrechtsbeirats, wie es nun heißt, "schnellstmöglich" umsetzen. Damit wollen die Abgeordneten künftig ähnliche Vorfällen wie in der Vergangenheit vermeiden bzw. dafür sorgen, dass etwaige Fälle staatlicher Gewalt oder erniedrigender Behandlung unverzüglich aufgeklärt werden.

In der Debatte informierte Staatssekretär Wolfgang Waldner Abgeordneten Karl Öllinger (G) über das Engagement des Außenamts auf internationaler Ebene gegen Folter in Syrien.

Ebenfalls einhellig und auf Basis eines Antrags der Koalitionsparteien fasste der Menschenrechtsausschuss eine Entschließung zum besseren Schutz von JournalistInnen. Angesichts des dramatischen Anstiegs der Angriffe gegenüber BerichterstatterInnen und anderen MedienvertreterInnen in den vergangenen Jahren sprechen sich die Abgeordneten dafür aus, dass Österreich während seiner dreijährigen Mitgliedschaft im UN-Menschenrechtsbeirat einen besonderen Fokus auf dieses Thema richtet. Der Antrag wurde im Ausschuss noch durch einen Passus ergänzt, dem zufolge die Regierung auch für vollständige und unabhängige Untersuchungen von gezielten Tötungen und anderen Übergriffen auf Journalistinnen und Journalisten eintreten solle.

Saudi-Arabien: Anträge der Grünen abgelehnt bzw. vertagt

In Form von gleich zwei Entschließungsanträgen schnitten die Grünen die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien an. Zum einen erwarten sie sich von der Bundesregierung Proteste gegen ein geplantes Anti-Terror-Gesetz, das ihrer Ansicht nach in vielen Punkten menschenrechtswidrig ist (1764/A[E]), zum anderen üben sie scharfe Kritik an der Hinrichtungspraxis in Saudi-Arabien und drängen auf faire Verfahren (1766/A[E]). Konkret bringt Abgeordnete Alev Korun in ihrem Antrag etwa ein Todesurteil gegen eine Frau zur Sprache, die ihren Arbeitgeber bei der Abwehr eines Vergewaltigungsversuchs getötet hat.

Der Antrag betreffend Anti-Terror-Gesetz wurde mit den Stimmen der Koalitionsparteien abgelehnt, jener betreffend Hinrichtungen in Saudi-Arabien vertagt. Mit S-V-Mehrheit angenommen wurde hingegen ein im Rahmen der Ausschussberatungen von den Koalitionsparteien selbst vorgelegter Antrag. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, "sich weiterhin für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte im Zusammenhang mit nationalen, regionalen oder internationalen Anti-Terrorismusstrategien einzusetzen sowie den Dialog der Kulturen und Religionen und andere Projekte zur Stärkung der Menschenrechte und Grundfreiheiten weiterhin zu fördern und so zur Verhinderung von Radikalismus als Grundlage für Terrorismus beizutragen".

In der Debatte meinte Ausschussvorsitzende Korun, sie würde sich von Seiten der Regierungsfraktionen mehr Mut wünschen. In Saudi-Arabien würden Todesurteile auch dann vollstreckt, wenn die Verurteilten zum Zeitpunkt der Tat minderjährig gewesen seien, skizzierte sie. Jüngst sei überdies eine Frau wegen "Hexerei" hingerichtet worden. Korun machte außerdem auf die prekäre Lage von GastarbeiterInnen aufmerksam, die mehr oder weniger "Freiwild" seien.

Der Kritik von Korun schlossen sich auch die Abgeordneten Gerald Grosz (B), Albert Steinhauser (G) und Josef A. Riemer (F) an. Österreich solle mehr Profil zeigen, forderten Riemer und Grosz unisono. Kein Verständnis zeigte Grosz dafür, dass sich die Koalition im Nationalrat zwar ausdrücklich gegen Massentötungen von Hunden in der Ukraine ausgesprochen habe, zu den fragwürdigen Hinrichtungen in Saudi-Arabien aber schweigen wolle.

Die Kritik der Opposition wurde von den Abgeordneten Ewald Sacher, Andrea Gessl-Ranftl (beide S), Franz Eßl und Franz Glaser (beide V) zurückgewiesen. Man müsse generell darauf achten, dass der Kampf gegen den Terrorismus nicht als Vorwand genommen werde, die Regeln der Rechtsstaatlichkeit zu unterminieren, argumentierte Sacher, die Menschenrechte dürften nicht unter die Räder kommen. Die Abgeordneten Glaser und Gessl-Ranftl erinnerten daran, dass der Nationalrat bereits im Sommer eine Entschließung gefasst habe, die auf einen forcierten Kampf gegen die Todesstrafe abzielt. Staatssekretär Wolfgang Waldner bekräftigte, das Außenministerium trete immer wieder gegen die Todesstrafe im Allgemeinen und gegen die Vollstreckung von einzelnen Todesurteilen ein.

Goldminen im Kongo: Ausschuss für besseren Schutz der Bevölkerung

Schließlich fasste der Menschenrechtsausschuss einstimmig eine Entschließung betreffend den blutigen Abbau von "Konfliktmineralien" in der Demokratischen Republik Kongo. Angesichts der blutigen Umstände, unter denen dort der Abbau von wertvollen Metallen und Mineralien erfolgt, ersuchen die Abgeordneten die Regierung, auf einen besseren Schutz der lokalen Bevölkerung hinzuwirken und auf mehr Transparenz beim Mineralien-Abbau und beim Mineralien-Handel zu drängen. Basis für den Beschluss bildete ein Entschließungsantrag der Grünen, zu dem die Koalitionsparteien einen Abänderungsantrag vorgelegt hatten. (Schluss)