Parlamentskorrespondenz Nr. 311 vom 19.04.2012

Nationalrat: Diskussion über Steuerabkommen mit der Schweiz

Großer Erfolg versus Ungleichbehandlung der SteuerzahlerInnen

Wien (PK) – Die unterschiedliche Sichtweise zum Abkommen mit der Schweiz und zum Budgetkonsolidierungskurs beherrschten heute den Beginn der Plenarsitzung des Nationalrats. Die ÖVP hatte im Vorfeld das Verlangen gestellt, zum Thema "Abgeltungssteuer für österreichische Vermögen in der Schweiz kommt: Der Finanzrahmen hält" eine Aktuelle Stunde abzuhalten.

Mit der Unterzeichnung des österreichisch-schweizerischen Abkommens vorige Woche in Bern sei eine Hauptargumentationslinie der Opposition gegen das Stabilitätspaket der Regierung zusammengebrochen, leitete Abgeordneter Günter STUMMVOLL (V) seine Wortmeldung ein. Nur kurze Zeit nach den Unheilsprophezeiungen sehe die Welt nämlich ganz anders aus, unterstrich der VP-Mandatar. In einem unheimlichen Rekordtempo und dank des Verhandlungsgeschicks von Finanzministerin Fekter sei es gelungen, das Steuerabkommen mit der Schweiz, das bis zu 38% Pauschalabgaben beinhaltet, zu realisieren. Er stimme mit Staatssekretär Schieder darin überein, dass es sich dabei nur um die "zweitbeste Lösung" handelt. Die beste Lösung bestünde nämlich darin, dass sich alle Staaten der Welt zusammentun, um Steuerflucht zu verhindern. Wer allerdings glaube, dass dies möglich sein wird, ist wirklich blauäugig, urteilte Stummvoll. Der Erfolg der Regierung sei auch von den internationalen Beobachtern und Finanzmärkten gesehen und anerkannt worden. Bereits vorgestern sei Österreich nämlich von der Ratingagentur Fitch wieder das Triple A verliehen worden. Stummvoll war überzeugt davon, dass nun auch der zweite wichtige Punkt, nämlich die Finanztransaktionssteuer, in irgendeiner Form kommen wird.

Das Steuerabkommen zwischen Österreich und der Schweiz ist unterzeichnet und wird am 1. Jänner 2013 in Kraft treten, erklärte eingangs Finanzministerin Maria Theresia FEKTER. Dieser gemeinsame Erfolg soll nicht klein geredet werden, denn damit habe man erreicht, dass Steuerflüchtlinge wieder zurückgeholt werden.

Sie war auch überzeugt davon, dass damit eine gute Alternative zu dem von der EU gewünschten automatischen Datenaustausch, der mit einem Verlust des Bankgeheimnisses verbunden gewesen wäre, gefunden wurde. Die jetzige Lösung ermöglicht nun den Steuerflüchtlingen, die vielleicht schon während des Zweiten Weltkriegs ihr Geld in die Schweiz gebracht haben, eine Legalisierung ihrer Ersparnisse. Nicht vergessen solle man auch, dass die Steuer nur für die letzten zehn Jahre zurückgefordert werden kann. Die konkrete Ausgestaltung des Abkommens sehe eine sehr komplexe Formel vor, die sich nicht nur an der Höhe der Beträge orientiere, sondern auch daran, wie lange die Gelder schon in der Schweiz liegen. Der Steuersatz betrage dann zwischen 15% und 38%, informierte Fekter, das Geld werde von der Schweizer Bank dem jeweiligen Konto sofort abgebucht. Dies gelte dann nicht nur für dieses Jahr, sondern auch für die folgenden. Die Schweiz habe zudem zugesagt, dass Österreich darüber informiert wird, falls Personen ihr Geld noch schnell in eine andere Steueroase transferieren wollen. Eine weitere Möglichkeit sei auch die Selbstanzeige des Steuerpflichtigen, der dann sein Geld wieder nach Österreich bringen kann.

Dank der intensiven Verhandlungen mit den Schweizer Partnern sei es Österreich – ebenso wie Deutschland und Großbritannien – gelungen, ein international anerkanntes Abkommen abzuschließen, durch das bereits im nächsten Jahr erhebliche Beträge ins Budget fließen werden und das dazu beiträgt, dass in Zukunft Anreize für die Steuerflucht wesentlich reduziert werden, zeigte sich die Finanzministerin erfreut. Auch sie wies wie ihr Vorredner darauf hin, dass die Ratingagentur Fitch das Triple A bestätigt habe und von einer stabilen Weiterentwicklung des Landes ausgehe. Österreich werde um die positiven Wirtschaftsdaten beneidet und sie werde immer wieder gefragt, so Fekter, wie man ein Milliardensparpaket ohne soziale Spannungen durchbringt. Dies sollte man einmal anerkennen und sich über den Erfolg freuen, wünschte sich die Finanzministerin.

Steuerflüchtlinge begehen einen Betrug an uns allen, meinte Abgeordneter Kai Jan KRAINER (S), und dies müsse so gut wie möglich verhindert werden. Seiner Meinung nach war es eine Pflicht, die Gunst der Stunde zu nutzen, um im Windschatten der Deutschen und Briten das Abkommen rasch abzuschließen, wodurch es möglich wird, dass ein Teil des Geldes, das Steuerflüchtlinge dort angelegt haben, wieder zurückzuholen. Er könne daher auch die Kritik der Opposition nicht ganz nachvollziehen, die von einem Schlag ins Gesicht der ehrlichen SteuerzahlerInnen spreche. Vielmehr sei das Gegenteil der Fall, argumentierte Krainer. Es wäre unverantwortlich, die vorliegende Lösung abzulehnen, die dazu führt, dass nun die Gelder mit einem Prozentsatz zwischen 15% bis 38% versteuert werden können. Generell sei er aber für den automatischen Datenaustausch zwischen den Ländern, damit in Zukunft alle Steuersümpfe trocken gelegt werden können.

Abgeordneter Jakob AUER (V) zeigte Verständnis für die Aufregung in den Oppositionsreihen, da sich deren Vertreter mit ihren falschen Prognosen total blamiert haben. Die Bundesregierung stehe hingegen für eine hervorragende Wirtschafts- und eine klare Budgetpolitik, die bereits bessere Ergebnisse zeitige als im vorigen Jahr und auch im nächsten Jahr wesentlich besser abschließen werde. Wenig Verständnis äußerte Auer für den Vorschlag der Grünen, das österreichische Bankgeheimnis aufzugeben, weil damit nichts erreicht wird. Schließlich gratulierte der Redner noch der Finanzministerin und ihrem Team sowie der Regierung für das tolle Ergebnis, über das man sich wirklich freuen könne.

Abgeordneter Heinz-Christian STRACHE (F) beharrte auf seiner Ansicht, wonach das Abkommen ein gewaltiges Problem darstellt, da es nicht rechtstreue BürgerInnen besser stellt als rechtstreue. Auch anerkannte Verfassungsrechtler sprächen von einem eklatanten Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, gab Strache zu bedenken. Professor Doralt habe zudem darauf hingewiesen, dass einerseits bereits kleinste Übertretungen in Österreich geahndet werden, SteuerhinterzieherInnen und –flüchtlinge, die oft riesige Millionenbeträge im Ausland geparkt haben, aber nun amnestiert werden. Und je mehr Steuern jemand hinterzogen hat, desto mehr profitiere er von dieser Regelung. Angesichts dieser Bankrotterklärung des Rechtsstaates könne er sich der Jubelstimmung der Regierung sicher nicht anschließen, stellte Strache kritisch fest.

Abgeordnete Eva GLAWISCHNIG-PIESCZEK (G) trat mit Nachdruck im Namen ihrer Fraktion für ein europaweites Vorgehen gegen Steuersünder ein. Die scheinheilige Ausrede, es gebe keine bessere Lösung, schreie ihrer Ansicht nach wirklich zum Himmel, da genau mit diesen bilateralen Abkommen ein gemeinsames Bekämpfen von Steueroasen verhindert wird. Die EU könnte ganz anders auftreten, wenn Österreich und Luxemburg ihren Widerstand gegen die Aufhebung des Bankgeheimnisses aufgäben. In Richtung der SPÖ wies Glawischnig-Piesczek darauf hin, dass die deutsche Sozialdemokratie das Abkommen mit der Schweiz massiv bekämpfe. Die G-Klubobfrau bezeichnete das Steuerabkommen als höchst ungerecht, das alle ehrlichen BürgerInnen vor den Kopf stoße und ihr Vertrauen in die Politik weiter erschüttere. Sie forderte die Finanzministerin auf, die europaweite Bewegung, die gegen die Finanzmärkte, die Steueroasen und die Steuerhinterziehung kämpft, zu unterstützen. 

Die ÖVP will heute mit dieser aktuellen Stunde den Vertrag mit der Schweiz abfeiern, stellte Abgeordneter Josef BUCHER (B) einleitend mit kritischem Unterton fest. Nur gebe es leider keinen Grund für eine Feierstunde, da sich die anständigen und braven SteuerzahlerInnen "für das schämen, was diese Finanzministerin aufführt", so Bucher. Während ein österreichischer Steuersünder 50% Einkommens- oder Lohnsteuer plus einem Strafzuschlag von 40% zahlen müsse, kämen die großen Betrüger, die ihr Geld schon vor Jahren illegal in Steueroasen verfrachtet haben, nur mit 15% bis 38% Steuerbelastung davon. Weiters war Bucher der Ansicht, dass das Steuerabkommen zu einer legalisierten Geldwäsche aufrufe. Das BZÖ werde aufgrund der Ungleichbehandlung der SteuerzahlerInnen eine Verfassungsklage einbringen, kündigte der Redner an. Er frage sich auch, wie die Finanzministerin da von einer Gleichbehandlung reden kann und forderte Fekter auf, dass auch die ÖsterreicherInnen in Zukunft nur 15% bis 38% Steuer zahlen müssen.

Abgeordneter Christoph MATZNETTER (S) gab gegenüber seinem Vorredner zu bedenken, dass das Steuerabkommen ermögliche, von jenen TäterInnen, die Millionen in den Steueroasen gebunkert haben,

einen wesentlichen Beitrag zu erhalten. Die Freiheitlichen seien überhaupt die Schützer und Anwälte der ausländischen SteuerhinterzieherInnen, meinte Matznetter, da sie in den vergangenen Jahren immer gegen eine Ausweitung des Informationsaustausches zwischen den Staaten gestimmt haben. Auffällig sei zudem, dass kein einziger Redner der Opposition einen vernünftigen Alternativvorschlag vorlegt hat. Angesichts dessen sei es absurd, dass die von der Finanzministerin geschickt verhandelte Lösung, durch die "ein Teil der Beute" wieder zurückkommt, abgelehnt wird.

Abgeordnete Gabriele TAMANDL (V) widersprach der Ansicht der Opposition, dieses Abkommen sei ein Angriff auf die SteuerzahlerInnen. Vielmehr habe man einen wichtigen Schritt im Interesse der SteuerzahlerInnen gesetzt, sagte sie. Die ÖVP sei mit ihrer Politik glaubwürdig, ihre Finanzministerin habe ein bedeutendes Abkommen abschließen können, von dem das Land profitiere.

Abgeordneter Elmar PODGORSCHEK (F) befürchtete hingegen, das Abkommen werde dem Land noch auf den Kopf fallen, und von Gerechtigkeit könne man in diesem Zusammenhang schon überhaupt nicht sprechen. Auch ExpertInnen bezeichneten dieses Abkommen als verfassungsrechtlich problematisch, da es rechtstreue BürgerInnen schlechter stelle gegenüber jenen, die sich eben nicht ans Recht hielten. Dies sei ein fatales Signal an die Ehrlichkeit der BürgerInnen, so Podgorschek. Dies umso mehr, als BürgerInnen das halbe Monat nur für die Steuern arbeiteten, während SteuersünderInnen hier mit einem geringen Obolus davonkämen.

Abgeordneter Werner KOGLER (G) erinnerte daran, dass sich die Vorlage ja noch gar nicht im Hause befinde, sodass man noch ausführlich Gelegenheit haben werde, zu diesem Abkommen Stellung zu nehmen. Man dürfe allerdings nicht vergessen, dass es sich hier um Betrug in Milliardenhöhe handle. Es könne nicht angehen, dass dieser Milliardenbetrug mit einem Abkommen pardoniert werden soll. Dies sei also nichts anderes als ein Schutzabkommen für MillionenbetrügerInnen. In Summe sei dies ein Abdankungsprogramm dieser Bundesregierung.

Abgeordneter Rainer WIDMANN (B) zeigte sich überzeugt davon, dass dies ein schlechtes Abkommen ist, da es die Antithese zu Steuergerechtigkeit darstelle. Auch müsse bezweifelt werden, dass der Finanzrahmen halten werde. Dies sei nichts anderes als ein billiger PR-Gag, denn substantiell bringe dieses Abkommen kaum etwas. SteuersünderInnen könnten ihr Schwarzgeld jetzt weißwaschen, der einfache Bürger und die einfache Bürgerin könne es sich hingegen nicht richten. Diese Politik sei ergo abzulehnen. Stattdessen brauche es endlich eine Entlastung des Mittelstandes. (Ende Aktuelle Stunde/Fortsetzung Nationalrat)