Parlamentskorrespondenz Nr. 658 vom 29.08.2012

Studie der Uni Wien empfiehlt Präzisierung des § 278a StGB

Karl für Einschränkung auf Kernbereich organisierter Kriminalität

Wien (PK) – Am 20. Oktober 2011 hatte der Nationalrat vor dem Hintergrund des sogenannten "Tierschützer-Prozesses" in einer Entschließung Justizministerin Beatrix Karl aufgefordert, eine wissenschaftliche Evaluierung des in der öffentlichen Diskussion als "Mafia-Paragraph" bezeichneten § 278a StGB in Auftrag zu geben. Ausgehend von einer Bewertung hinsichtlich der Reichweite und der Bestimmtheit der Tatbestandsmerkmale stand dabei die Frage im Mittelpunkt, ob und welche Beschränkungen des Tatbestandes im materiellen und formellen Recht möglich und sinnvoll sind. Die Studie, die das Forschungszentrum für Polizei- und Justizwissenschaften an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien erstellte, wird nun in einem Bericht des Justizministeriums (III-348 d.B.) präsentiert und liegt dem Parlament vor.

§ 278a nicht ersatzlos streichen

Univ.-Prof. Dr. Susanne Reindl-Krauskopf und Univ.-Ass. Dr. Farsam Salimi kommen in ihrer insgesamt 137 Seiten umfassenden Evaluierung zu dem Schluss, dass eine ersatzlose Streichung des § 278a nicht zu empfehlen sei. Zwar fielen kriminelle Zusammenschlüsse auch abseits des § 278a unter den Tatbestand der kriminellen Vereinigung des     § 278, der größere Unwert mafioser Strukturen, der in der Organisationsdichte, der Geheimhaltung und der Einflussnahme auf die Gesellschaft besteht, werde aber durch § 278 nicht abgedeckt, gibt die Studie zu bedenken. Überdies verweisen die beiden Autoren auf Einschränkungen strafprozessualer Ermittlungsbefugnisse zur Bekämpfung organisierter Kriminalität, die sich als Folge einer Streichung des § 278a ergeben würden.

Tatbestand auf Kern der organisierten Kriminalität reduzieren

Als möglich und sachgerecht erscheinen aus Sicht der Studie hingegen Präzisierungen und Beschränkungen des Tatbestandes. Reindl-Krauskopf und Salimi schlagen insbesondere eine Schärfung der Tatbestandsmerkmale vor, um den Anwendungsbereich des § 278a auf den Kernbereich der organisierten Kriminalität einzuschränken. In diesem Sinn wird etwa eine Streichung des Tatbestandsmerkmals des erheblichen Einflusses auf Politik und Wirtschaft empfohlen, größere Klarheit erwarten sich die beiden Verfasser auch durch das Abstellen des Gesetzes auf die Begehung von Verbrechen im Sinn des Strafgesetzbuches anstatt wie bisher schwerwiegender Straftaten.

Die Studie bietet als Ergebnis eine Textvariante an, die bei vollständiger Umsetzung ihrer Präzisierungsvorschläge wie folgt lauten könnte: " Wer eine unternehmensähnliche Verbindung einer größeren Zahl von Personen gründet oder sich an einer solchen Verbindung als Mitglied beteiligt, die überwiegend auf die wiederkehrende und geplante Begehung von Verbrechen ausgerichtet ist, die dadurch eine Bereicherung in großem Umfang anstrebt und die andere durch mit Strafe bedrohte Handlungen zu korrumpieren oder die andere einzuschüchtern oder sich auf besondere Weise gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen sucht, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen."

Tatbestandsausschließungsgrund würde Unsicherheit noch verschärfen

Die Evaluierung prüft aber auch noch weitere Alternativen, so etwa die Einführung eines Tatbestandsausschließungsgrundes. Als mögliches Vorbild wird dabei § 278c Abs. 3 zur Diskussion gestellt, dessen Wortlaut zufolge eine Tat dann nicht als terroristische Straftat gilt, wenn sie auf die Herstellung oder Wiederherstellung demokratischer und rechtsstaatlicher Verhältnisse oder die Ausübung oder Wahrung von Menschenrechten gerichtet ist. Eine Anwendung dieser Variante auf § 278a stößt allerdings auf Skepsis seitens der beiden Autoren der Studie. Es erscheine nicht zweckmäßig, die bisherigen Unsicherheiten im Umgang mit § 278a dadurch noch zu verschärfen, dass ein unbestimmter Tatbestandsausschließungsgrund eingeführt wird, dessen Vorbildregelung in § 278c Abs. 3 selbst Kritik auslöst, heißt es dazu.

Lauschangriff: Verwertungsverbot bei mitgliedschaftlicher Beteiligung möglich

Schließlich wird auch der Frage nachgegangen, ob Verwertungsverbote im Zusammenhang mit dem großen Lauschangriff ein probates Mittel sein können, um den Anwendungsbereich des § 278a sachgerecht zu beschränken. Für Fälle der bloß mitgliedschaftlichen Beteiligung ohne Einzeltatplanung oder Einzeltatbegehung verweist die Studie in diesem Sinn auf die Möglichkeit der Eingrenzung der Verwertbarkeit derartiger Beweisergebnisse durch Einschränkung bzw. Anpassung der entsprechenden Bestimmungen in der Strafprozessordnung.

Justizministerin will Tatbestand einschränken

In ihrem Begleitschreiben bekräftigt Justizministerin Beatrix Karl ihre Bereitschaft, dem Vorschlag aus der Evaluierung betreffend Eingrenzung des Tatbestandes zu entsprechen und § 278a auf den Kernbereich der organisierten Kriminalität – jene Formen, die auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind – zu beschränken. Konkret ist geplant, den Passus "Organisationen, die einen erheblichen Einfluss auf Politik und Wirtschaft anstreben" aus dem Gesetzestext zu streichen. Ein entsprechender Entwurf soll bereits in den nächsten Wochen in Begutachtung gehen, kündigt Karl an.  (Schluss)