Parlamentskorrespondenz Nr. 905 vom 13.11.2012

TOP-Jugendticket soll Appetit auf Öffis machen und Mobilität fördern

Steiermark hat nur mehr vier Regionalwahlkreise

Wien (PK) – Nach der Debatte um die Gefahren der Atomkraft wandte sich der Nationalrat der aufgrund der Zusammenlegungen von Gemeinden und Bezirken in der Steiermark notwendig gewordenen Wahlrechtsanpassungen zu. Auch eine Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes zur Einführung des "TOP-Jugendtickets" stand auf dem Plan.

Wahlrecht berücksichtigt Gemeindezusammenlegungen in Steiermark

Nachdem in der Steiermark mehrere Bezirke zusammengelegt worden sind bzw. noch werden, die zum Teil verschiedenen Regionalwahlkreisen angehören, muss nun auch die Nationalrats-Wahlordnung angepasst werden. So wird es in der Steiermark nur noch vier statt acht Regionalwahlkreise geben: Graz und Umgebung (6A), Oststeiermark (6B), Weststeiermark (6C) und Obersteiermark (6D).

Überdies trägt das Wahlrechtsanpassungsgesetz dem Umstand Rechnung, dass die neue Bezirkseinteilung voraussichtlich genau zwischen dem Stichtag und dem Wahltag der Wehrpflicht-Volksbefragung wirksam wird. Um Kosten zu sparen, werden die Gemeinden überdies von der Pflicht befreit, die Fragestellung einer Volksbefragung durchgehend 10 Tage vor dem Wahltag, also auch am Samstag und Sonntag, zur Einsicht aufzulegen. Stattdessen reicht ein Anschlag an der – zu Amtsstunden zugänglichen – Amtstafel. Das Wahlrechtsanpassungsgesetz wurde einstimmig angenommen.

Abgeordnete Sonja STESSL-MÜHLBACHER (S) erinnerte an die Gemeindezusammenlegungen in der Steiermark, durch die die vorliegenden Änderungen notwendig wurden, und erläuterte die einzelnen Punkte der Novelle, wobei sie vor allem die Bestimmungen über die Kundmachung bei Volksbefragungen hervorhob.

Abgeordneter Karl DONABAUER (V) begrüßte ausdrücklich die Strukturreformen in der Steiermark und sah wie seine Vorrednerin die neuen Kundmachungsvorschriften in Bezug auf die Volksbefragungen in den Gemeinden als Ausdruck von Transparenz.

Abgeordneter Harald STEFAN (F) unterstützte ebenfalls die Vorlage namens seiner Fraktion, konnte jedoch, wie er sagte, in den Volksbefragungen keine Weiterentwicklung der direkten Demokratie erkennen. Handlungsbedarf ortete der F-Mandatar vor allem hinsichtlich eines echten Initiativrechts der Bevölkerung.

Abgeordnete Daniela MUSIOL (G) drängte auf eine Reform des Parlamentarismus und sprach kritisch von einem Stillstand der diesbezüglichen Arbeitsgruppe im Parlament. Sie schlug insbesondere einen BürgerInnen-Konvent nach isländischem Vorbild vor, der sich mit wesentlichen demokratiepolitischen Fragen befassen sollte.

Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) sprach den Grünen unter Hinweis auf deren Haltung in der Frage des Wiener Parkpickerls jegliche Glaubwürdigkeit in Sachen direkte Demokratie ab. Er bedauerte insgesamt, dass man bei der Weiterentwicklung der Demokratie nicht mehr zusammengebracht habe als die gegenständliche Vorlage.

Abgeordneter Christoph HAGEN (T) plädierte, ausgehend vom Vorbild der Steiermark, für Zusammenlegungen von Gemeinden in dünn besiedelten Gebieten auch in Vorarlberg und nahm seine Wortmeldung überdies zum Anlass, weitere Schritte der Verwaltungsreform, so etwa die Zusammenlegung der Sozialversicherungsanstalten, zu fordern.

Abgeordneter Wolfgang GERSTL (V) kündigte noch für dieses Jahr eine Vorlage zur direkten Demokratie an, die unter anderem die Möglichkeit der Einbringung von Volksbegehren, Bürgeranfragen und Bürgerinitiativen online im Parlament enthält. Geplant sei weiters auch, die erforderliche Anzahl der Vorzugsstimmen für den Einzug ins Parlament zu senken, um das Wahlrecht direkter zu gestalten, teilte er mit.

Abgeordneter Jochen PACK (V) unterstützte die Strukturänderungen bei den steirischen Gemeinden und begrüßte die vorliegenden Anpassungen.

Abgeordneter Josef CAP (S) warnte davor, das Kind mit dem Bade auszuschütten, und meinte, das politische System in Österreich funktioniere und sei hinsichtlich der direkten Demokratie weiter entwickelt als etwa in Deutschland. Man müsse sich nicht wie in der Endphase der DDR nun an einen runden Tisch setzen und ein neues System erfinden. Das Spannungsverhältnis zwischen den staatlichen, demokratisch legitimierten Strukturen und den Partikularinteressen dürfe jedenfalls nicht dazu führen, dass der Staat am Ende des Tages handlungsunfähig wird, gab Cap zu bedenken.

Abgeordneter Harald STEFAN (F) deponierte in einer zweiten Wortmeldung seine Forderung nach einer direkten Gesetzesinitiative der Bevölkerung und sprach sich vehement dagegen aus, in Sachen direkter Demokratie "den Deckel jetzt zuzumachen". Mit Nachdruck wies er dabei die Bedenken Caps zurück und betonte, es gehe um eine Ergänzung und nicht um eine Ausschaltung des parlamentarischen Prozesses.

Abgeordneter Gerald GROSZ (B) stellte pointiert die Frage an Cap, was denn die Art der Behandlung des Bildungsvolksbegehrens, das "Abwürgen" des Untersuchungsausschusses, die Erhöhung der Politikergehälter in Zeiten der Wirtschaftskrise, aber auch die Gründung eines noch nie vom Volk gewählten Klubs mit Demokratie zu tun haben.

Bei der Abstimmung wurde die Vorlage einstimmig angenommen.

Ebenfalls einstimmig passierte der Fünf-Parteien-Antrag zum Bundesbezügegesetz das Plenum, mit dem rechtliche Unklarheiten in Bezug auf die korrekte Zuweisung von Anrechnungsbeträgen im Rahmen der Pensionsversicherung für PolitikerInnen ausgeräumt werden.

Bundesweites TOP-Jugendticket – Knackpunkt Finanzierung

Um die Jugendlichen zu motivieren, die öffentlichen Verkehrsmittel in einem stärkeren Ausmaß als bisher zu nützen, bietet der der Verkehrsverbund Ostregion (VOR) seit September 2012 ein sogenanntes TOP-Jugendticket an. Es kostet 60 € und ermöglicht eine uneingeschränkte Mobilität mit öffentlichen Verkehrsmitteln in der VOR-Region ein ganzes Jahr lang (auch in den Ferien). Da diese Umsetzung auf vertraglicher Basis ausgehandelt wurde und eine Ausweitung dieses Projekts auf das gesamte Bundesgebiet geplant ist, soll diese Beförderungsvariante nun auch auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden. Die entsprechende Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes wurden einstimmig begrüßt.

Abgeordnete Ridi Maria STEIBL (V) erklärte das Pilotprojekt "TOP-Jugendticket" in der Ostregion, das künftig auf gesetzlicher Basis auf das gesamte Bundesgebiet ausgedehnt werden soll. Außerdem wird der Kreis der Begünstigten auf Auszubildende in medizinischen Assistenzberufen ausgedehnt. Die Rednerin sprach von einem wichtigen Meilenstein zur Förderung der Familien und unterstützte darüber hinaus die aktuellen Vorschläge des Familienministers zur Weiterentwicklung der Familienförderung in Österreich.

Auch Abgeordnete Gabriele BINDER-MAIER (S) bewertete die vorliegende Novelle positiv und zeigte sich erfreut darüber, dass auch Kinder von Patchworkfamilien von der Neuerung profitieren können, wenn sie zwischen den Wohnorten ihrer Eltern pendeln. Binder-Maier brach auch eine Lanze für Jugendliche in überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen und begrüßte die Bereitschaft des Familienministers, auch diese Gruppe beim "TOP-Jugendticket" zu berücksichtigen.

Abgeordnete Anneliese KITZMÜLLER (F) kündigte ebenfalls die Zustimmung ihrer Fraktion an, gab ihrer Genugtuung über die Einbeziehung Auszubildender in medizinisch-technischen Berufen Ausdruck und sprach die Hoffnung auf weitere Verbesserungen bei der Familienförderung aus.

Abgeordnete Tanja WINDBÜCHLER-SOUSCHILL (G) gab ebenfalls eine positive Wortmeldung ab und bekannte sich zur beabsichtigten Ausweitung des Pilotprojekts auf andere Bundesländer. Jugendliche brauchen die Möglichkeit zu selbstbestimmter Mobilität. Da viele Jugendliche über die Grenzen von Bundesländern hinweg Schulen besuchen oder Ausbildungen absolvieren, hielt es die Rednerin für unverständlich, wenn Jugendschutzgesetze in den Bundesländern unterschiedlich ausgestaltet werden und hielt eine Harmonisierung für dringend notwendig. Auch eine Ausweitung des Jugendtickets auf die Studierenden wäre zu begrüßen.

Abgeordnete Ursula HAUBNER (B) unterstrich das Bedürfnis vieler Jugendlicher, mobil zu sein, sprach der Weiterentwicklung der Schülerfreifahrt große Bedeutung zu, stimmte dem neuen Projekt "TOP-Jugendticket" zu und fand auch lobende Worte für die Verringerung von Verwaltungskosten. "Das ist ein guter und unterstützungswürdiger Weg", schloss Abgeordnete Haubner.

Abgeordneter Stefan MARKOWITZ (T) unterstützte das TOP-Jugendticket seinerseits und sprach die Hoffnung aus, dass die Verhandlungen des Familienministers zur Ausweitung dieses Pilotprojekts auf ganz Österreich erfolgreich verlaufen. Die jungen Menschen brauchen Mobilität, um Ausbildungsplätze außerhalb ihres Wohnorts erreichen zu können.

Mitterlehner: Mobilität ist wichtig, um Ausbildungschancen nützen zu können

Familienminister Reinhold MITTERLEHNER schloss sich den Ausführungen an und dankte für die Unterstützung, denn die Mobilität der Jugendlichen sei wichtig, um Ausbildungschancen nutzen zu können. Bei der Ausweitung des Jugendtickets auf Bundesländer außerhalb der Ostregion werde es notwendig sein, zusätzliche Finanzquellen zu erschließen, sagte der Minister und bat auch bei seinen diesbezüglichen Bemühungen um die Unterstützung der Abgeordneten. Positiv äußerte sich der Minister auch zum Vorschlag eines bundeseinheitlichen Jugendschutzes.

Abgeordnete Silvia FUHRMANN (V) forderte die Opposition auf, Debatten über wichtige Fortschritte zugunsten von Jugendlichen konsensual zu führen und hielt fest, dass es nun darum gehen müsse, das Jugendticket auf alle anderen Bundesländer auszudehnen. Dem Familienminister sei bei den Verhandlungen mit den Bundesländern alles Gute zu wünschen.

Abgeordnete Angela LUEGER (S) unterstrich die Bedeutung der Mobilität junger Menschen. Das gut vorbereitete Pilotprojekt "TOP-Jugendticket" habe gezeigt, wie gerne Jugendliche dieses Angebot annehmen. Die Rednerin begrüßte auch die Ausdehnung des Begünstigtenkreises und äußerte den Wunsch, auch behinderte Jugendliche zu berücksichtigen, weil es sonst schwierig sein werde, das Behinderteneinstellungsgesetz für Jugendliche umzusetzen.

Abgeordneter Franz HÖRL (V) sprach ebenfalls den Wunsch aus, dass TOP-Jugendticket auch in den westlichen Bundesländern umzusetzen, machte allerdings auf finanzielle Probleme aufmerksam. Bundesminister Mitterlehner sei in der Familienpolitik jedenfalls auf dem richtigen Weg.

Abgeordneter Franz RIEPL (S) berichtete von Vorteilen des TOP-Jugendtickets in der Ostregion, das von den Jugendlichen sowohl für die Berufsausbildung außerhalb ihres Wohnorts als auch für die persönliche Mobilität und für den Besuch kultureller Veranstaltungen genutzt werden kann.

Abgeordnete Rosemarie SCHÖNPASS (S) begrüßte die Vereinfachung der Abläufe bei der Zuerkennung begünstigter Tarife für Jugendliche im öffentlichen Verkehr. Aus oberösterreichischer Sicht bestehen aber zwei Problemfelder: Mehrkosten für das Land in Millionenhöhe und Verzögerungen wegen öffentlicher Ausschreibung der Leistungsverträge. Statt dessen sollten die Verträge mit den bisherigen Unternehmen abgeschlossen werden, regte die Abgeordnete an.  

Abgeordneter Hermann LIPITSCH (S) unterstützte das TOP-Jugendticket und gab seiner Freude über die einstimmige Beschlussfassung Ausdruck. Der öffentliche Verkehr trage zur Sicherheit der jungen Menschen bei und überdies lernten junge Menschen, öffentliche Verkehrsmittel für ihre Mobilitätsbedürfnisse zu nützen. Bei der Ausweitung des TOP-Jugendtickets sollte auch die besondere Situation der BerufsschülerInnen berücksichtigt werden, schlug der Redner vor.

Debatte über Familienbeihilfe für Drogenabhängige

Keine Zustimmung fand der Antrag der Abgeordneten Anneliese Kitzmüller (F), in dem sie sich dagegen ausspricht, dass drogenabhängige Menschen Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe sowie auf deren rückwirkende Auszahlung von der öffentlichen Hand haben.

Abgeordnete Anneliese KITZMÜLLER (F) berichtete von der Inanspruchnahme der erhöhten Familienbeihilfe durch Drogensüchtige in Tirol und begründete damit den Antrag ihrer Fraktion, Süchtigen statt Geldleistungen Sachleistungen wie etwa Therapien anzubieten. Es gelte, süchtigen Jugendlichen zu helfen, sich von ihrer Sucht zu befreien und den Missbrauch von Familiengeldern zu verhindern.

Familienminister Reinhold MITTERLEHNER erinnerte daran, dass die Behauptungen der Abgeordneten nicht verifiziert wurden und der Sachverhalt im Familienausschuss restlos klargestellt worden sei: Eine rückwirkende Auszahlung der Familienbeihilfe, wie Medien behauptet haben, sei rechtlich nicht möglich und tatsächlich auch nicht erfolgt.

Abgeordnete Christine MAREK (V) verlangte von der Antragstellerin, die Diskussion durch Fakten zu versachlichen. Die erhöhte Kinderbeihilfe stehe bei Erwerbsunfähigkeit zu, was auch im Falle einer Drogenabhängigkeit zu akzeptieren sei, da Drogenabhängigkeit als eine psychiatrische Erkrankung zu betrachten sei. Der Antrag der FPÖ sei faktisch falsch und daher abzulehnen.

Abgeordnete Elisabeth KAUFMANN-BRUCKBERGER (T) bedauerte, dass die Mehrheit des Hauses darauf verzichte, eine Gesetzeslücke zu schließen, um zu verhindern, dass Süchtigen Geld gegeben statt eine Therapie angeboten werde. Die Rednerin warf der Regierung Versagen im Kampf gegen Sozialmissbrauch und gegen den Drogenmissbrauch vor.

Familienminister Reinhold MITTERLEHNER klärte einmal mehr darüber auf, dass es rechtlich nicht möglich sei, rückwirkend erhöhte Familienbeihilfe an Süchtige auszubezahlen. 

Abgeordnete Gisela WURM (S) kritisierte den Titel des FPÖ-Entschließungsantrags als diskriminierend und faktisch falsch. Eine Bestätigung der Drogenambulanz reiche nicht aus, um erhöhte Familienbeihilfe zu bekommen. Vier Parteien konnten dem Anliegen Kitzmüllers nicht folgen, weil die Vorwürfe nicht den Tatsachen entsprechen. Dies hindere die Antragstellerin aber nicht daran, ihre längst als falsch erwiesenen Behauptungen im Plenum zu wiederholen, kritisierte Wurm.

Abgeordnete Tanja WINDBÜCHLER-SOUSCHILL (G) erinnerte an den Zusammenhang zwischen Drogentherapie und Suizidvermeidung und sprach sich für den Ausbau der Therapiemöglichkeiten für Süchtige aus. Die Rednerin verlangte mehr Beratung und Präventionsmaßnahmen für Betroffene und deren Angehörige. Außerdem sei der Drogenhandel und die Drogenproduktion zu bekämpfen - reine Schlagzeilenpolitik reiche bei dieser Problematik nicht aus.

Abgeordnete Ursula HAUBNER (B) warf der Antragstellerin vor, nicht gut recherchiert zu haben und machte darauf aufmerksam, dass die erhöhte Familienbeihilfe nur an die Eltern und nur bei einer mehr als 50-prozentigen Erwerbsminderung ausbezahlt wird. Jeder Missbrauch der Familienbeihilfe sei allerdings abzulehnen, unterstrich die Rednerin und verlangte mehr Prävention gegen Drogengefahren und mehr Therapieangebote, um süchtigen Jugendlichen zu helfen, aus dem Teufelskreis Droge auszubrechen. (Fortsetzung Nationalrat)