Vorlagen: Verfassung
Dienstrechts-Novelle, Bundesverwaltungsgericht, Verwaltungsstrafen
Öffentlicher Dienst: Sexualstraftäter werden automatisch entlassen
Wien (PK) – Wer rechtskräftig wegen sexuellen Missbrauchs, Vergewaltigung oder einer anderen Sexualstraftat verurteilt wird, soll künftig automatisch aus dem öffentlichen Dienst entlassen werden. Das sieht die von der Regierung dem Nationalrat vorgelegte Dienstrechts-Novelle 2012 vor (2003 d.B.). Konkret festgeschrieben wird eine automatische Auflösung des Dienstverhältnisses, und zwar unabhängig vom Strafausmaß. Gleiches gilt für Verurteilungen wegen des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger und wehrloser Personen oder eines Gefangenen. Begründet wird die rigorose Vorgangsweise damit, dass dem Ansehen der Verwaltung durch öffentlich diskutierte Fälle immer wieder enormer Schaden zugefügt wird und das Disziplinarrecht nicht greift. Im Falle einer Anklage wegen eines der genannten Delikten ist eine zwingende Suspendierung vorgesehen.
Darüber hinaus wird mit der Dienstrechts-Novelle ein neuer Paragraph zur Ahndung von Folter in das Strafgesetzbuch aufgenommen (§ 312a) und damit einer Empfehlung des UN-Ausschusses gegen Folter Folge geleistet. Zudem werden dutzende Detailänderungen in 19 weiteren Gesetzen vorgenommen und das alte Karenzurlaubsgeldgesetz aufgehoben.
Um gänzlich auszuschließen, dass verurteilte Sexualstraftäter in Schulen unterrichten oder in anderer Form Jugendliche betreuen, etwa in Jugendstrafanstalten, sind die zuständigen Personalstellen und Dienstbehörden künftig auch dazu verpflichtet, bei Neuaufnahmen Auskünfte aus der Sexualstraftäterdatei einzuholen. Für den übrigen öffentlichen Dienst reicht bei Personaleinstellungen eine einfache Strafregister-Auskunft, wobei diese nach Prüfung der Dienstbehörde sofort zu löschen ist und nicht dem Personalakt beigegeben werden darf.
Inanspruchnahme des "Papamonats" wird erleichtert
Erleichtert wird die Inanspruchnahme des Frühkarenzurlaubs für Väter. Der so genannte "Papamonat", der nach der Geburt eines Kindes einen bis zu vierwöchigen unbezahlten Karenzurlaub ermöglicht, kann in Hinkunft nicht mehr aufgrund von wichtigen dienstlichen Interessen untersagt werden. Zudem muss er nicht mehr zwei Monate vor dem voraussichtlichen Geburtstermin beantragt werden, eine Meldung spätestens eine Woche vor Antritt reicht.
Eine Reihe weiterer dienstrechtlicher Änderungen ist durch die geplante Einrichtung von Verwaltungsgerichten erster Instanz sowie die Zusammenlegung von Sicherheitsbehörden bedingt. So ist etwa vorgesehen, die Disziplinaroberkommission und die Berufungskommission aufzulösen. Außerdem wird Vorsorge für den Fall getroffen, dass ein österreichischer Bundesheer-Offizier ab Ende Mai 2013 Leiter des Militärstabs der EU wird. Durch die neue Form der Reifeprüfung müssen die Abgeltungen für LehrerInnen neu festgelegt werden, wobei es dadurch zu keinen wesentlichen budgetären Auswirkungen kommen soll.
Zusätzlich zum neuen Folter-Paragraphen wird im Strafgesetzbuch verankert, dass Folter zu jenen strafbaren Handlungen gehört, die ohne Rücksicht auf die Gesetzeslage am Tatort bestraft werden.
Weiters enthält der Gesetzentwurf dutzende Detailänderungen: Bei unentschuldigter Abwesenheit vom Dienst und bei einer Haftstrafe wird die dienstrechtliche Vorrückung in Hinkunft gehemmt. Vertragsbedienstete, die unmittelbar nach Dienstantritt krank werden, müssen nicht mehr um ihre Entgeltfortzahlung bangen. RichterInnen können zur Betreuung eines schulpflichtigen Kindes ihre Dienstzeit flexibel bis zur halben Auslastung herabsetzen lassen. Für BeamtInnen, die wegen Dienstunfähigkeit frühzeitig in den Ruhestand versetzt werden und zuvor mindestens 120 Schwerarbeitsmonate geleistet haben, reduziert sich – analog zum ASVG – der Pensionsabschlag von 15 % auf maximal 11 %. Die fünfjährige Befristung für Spitzenpositionen im öffentlichen Dienst beginnt mit dem Tag der Funktionsbetrauung zu laufen, auch wenn die offizielle Ernennung erst später erfolgt. Für Klassenzimmer gibt es keine Ausnahme aus dem Anwendungsbereich des Bundes-Bedienstetenschutzgesetzes mehr. Ausgegliederte Rechtsträger erhalten mehr Flexibilität in Bezug auf die Wahl der Pensionskasse.
Verwaltungsgerichte: Organisations-, Verfahrens- und Übergangsregeln
Der Nationalrat hat bereits im Mai beschlossen, die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu reformieren und ab dem Jahr 2014 anstelle der Unabhängigen Verwaltungssenate, des Unabhängigen Finanzsenats, des Bundesvergabeamtes sowie zahlreicher weiterer weisungsfreier Sonderbehörden elf neue Verwaltungsgerichte erster Instanz – neun in den Ländern, ein Bundesverwaltungsgericht und ein Bundesfinanzgericht – einzurichten. Nun liegen drei Gesetzentwürfe der Regierung mit ausführenden Organisations- und Verfahrensbestimmungen sowie notwendige Überleitungsregelungen vor. Neben dem Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz (siehe PK-Nr. 914/2012) ist die Erlassung eines Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes vorgesehen (2008 d.B.). Dazu kommen ein eigenes Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, ein Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz und ein Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz (2009 d.B.).
Laut Gesetzentwurf wird das Bundesverwaltungsgericht, das auch die Aufgaben des Asylgerichtshofs übernimmt, seinen Sitz in Wien haben sowie über Außenstellen in Graz, Innsbruck und Linz verfügen. Der Präsident, der Vizepräsident und die übrigen RichterInnen werden vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Regierung ernannt, wobei im Falle des Präsidenten und des Vizepräsidenten ein zwingendes Hearing vor einer Kommission, der unter anderem auch die PräsidentInnen der Höchstgerichte angehören, vorgesehen ist. Für die sonstigen Mitglieder muss die Regierung einen Dreiervorschlag des Personalsenats des Gerichts einholen. Die Mitglieder des Asylgerichtshofs werden mit 1. Jänner 2014 automatisch zu Mitgliedern des Bundesverwaltungsgerichts. Weitere Sonderbestimmungen gibt es für die Mitglieder des Bundesvergabeamtes.
Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in der Regel durch EinzelrichterInnen. Für bestimmte Materien können aber auch Senatsentscheidungen vorgesehen werden. Ebenso ist die Einbeziehung fachkundiger LaienrichterInnen – sie werden für jeweils sechs Jahre bestellt und üben ihr Amt ehrenamtlich aus –, sowie der Einsatz von Rechtspflegern gestattet. Erkenntnisse und Beschlüsse, die nicht bloß verfahrensleitend sind, sind in anonymisierter Form im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) zu veröffentlichen.
Die Regierung geht laut Erläuterungen von einem jährlichen Anfall von rund 33.000 Rechtssachen beim Bundesverwaltungsgericht aus, darunter 10.000 aus dem Bereich Asyl und 8.000 aus dem Bereich Fremdenwesen. Basierend auf diesen Annahmen ist ein Personalstand von 450 Personen vorgesehen. Gleichzeitig werden bei den aufgelösten unabhängigen Bundesbehörden 144 Personen eingespart. Als einmalige "Anstoßfinanzierung" für das Bundesverwaltungsgericht sind 4 Mio. € eingeplant.
Das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten – mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts – wird in einem eigenen Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt, wobei dessen Bestimmungen eng an die Verfahrensbestimmungen, die derzeit für die Unabhängigen Verwaltungssenate gelten, angelehnt sind. Im Detail geht es etwa um die örtliche Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte, die Voraussetzungen zur Einbringung einer Beschwerde, Fragen der Parteienstellung und der Akteneinsicht, Verfahrenshilfe, Verhandlungsgrundsätze, Kostentragungen, die aufschiebende Wirkung von Beschwerden, Fristsetzungsanträge und Berufungsmöglichkeiten, wobei sich die Möglichkeit einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen an der Revision nach der Zivilprozessordnung orientiert. Der Verwaltungsgerichtshof ist an den Ausspruch des jeweiligen Verwaltungsgerichts über die Zulässigkeit der Revision nicht gebunden.
Die erforderlichen Übergangsbestimmungen, die unter anderem durch die Auflösung der Unabhängigen Verwaltungssenate und zahlreicher Sonderbehörden notwendig werden, wurden in einem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Überleitungsgesetz zusammengefasst. Zudem müssen das Verwaltungsgerichtshofgesetz, das Verfassungsgerichtshofgesetz und weitere Gesetze adaptiert werden. Im Zuge dieser Gesetzesänderungen soll auch der elektronische Rechtsverkehr beim Verfassungsgerichtshof eingeführt und in den Verwaltungsverfahrensgesetzen einige, wie es in den Erläuterungen heißt, "zweckmäßige Änderungen" vorgenommen werden.
So ist unter anderem im Hinblick auf den Anwendungsbereich der Verwaltungsverfahrensgesetze geplant, die taxative Aufzählung im Einführungsgesetze zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen (EGVG) durch eine Generalklausel zu ersetzen und den Katalog der sachlichen Ausnahmen um Patentverfahren und Angelegenheiten der Bodenreform auszuweiten. Zudem wird festgelegt, dass einzelne Verfahrensentscheidungen wie die Verweigerung der Akteneinsicht als Verfahrensanordnung zu erfolgen hat.
Obergrenze für Strafverfügungen und Organmandate wird hinaufgesetzt
Im Verwaltungsstrafgesetz wird präzisiert, dass subjektive Gesichtspunkte wie das Ausmaß des Verschuldens des Beschuldigten oder dessen Einkommensverhältnisse bei Strafverfügungen und anderen abgekürzten Strafverfahren nicht zu berücksichtigen sind, sondern die Strafbemessung ausschließlich am Tatbild und an der Bedeutung der übertretenen Rechtsnorm auszurichten ist. Außerdem werden die betraglichen Obergrenzen von Strafverfügungen, Anonymverfügungen und Organmandaten deutlich angehoben. Für Strafverfügungen gilt demnach künftig ein Limit von 600 € (bisher 365 €), für Anonymverfügungen eines von 365 € (bisher 200 €) und für Organmandate eines von 90 € (bisher 36 €). Allerdings erlauben einzelne Materiengesetze (z.B. die Straßenverkehrsordnung oder das Immissionsschutzgesetz Luft) schon jetzt deutlich höhere Strafen.
Ebenso hinaufgesetzt wird der pauschalierte Verfahrenskostenbeitrag. Demnach sind künftig zumindest 10 €, im Falle der Verhängung einer Freiheitsstrafe 10 € pro Tag Freiheitsstrafe, zu bezahlen. Die maximale Höhe der einbehaltenen Sicherheitsleistung orientiert sich in Hinkunft am Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe.
Weitere Änderungen im Verwaltungsstrafgesetz dienen der effizienteren Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren mit Auslandsbezug. Dabei geht es insbesondere um die Erlaubnis zur Einstellung oder zum Aufschub eines Verfahrens, wenn eine Strafverfolgung, etwa durch ein fehlendes Rechtshilfeabkommen, aktuell nicht möglich ist oder einen unverhältnismäßig hohen Aufwand verursachen würde. Weiters wird die örtliche Zuständigkeit zur Ahndung von im Ausland begangenen Verwaltungsübertretungen einheitlich geregelt. Vorgesehen ist schließlich auch, dass Strafverfügungen nicht mehr zwingend zu eigenen Handen zugestellt werden müssen.
Die Eingabegebühr für Beschwerden beim Verwaltungsgerichtshof und für Anträge beim Verfassungsgerichtshof wird von 220 € auf 240 € erhöht. Im Verwaltungsvollstreckungsgesetz wird klar normiert, in welchen Fällen ein Vollstreckungsverfahren von Amts wegen einzuleiten ist. Für das Bundesfinanzgericht wird das Finanzministerium zuständig sein und nicht das Bundeskanzleramt, in dessen Kompetenzbereich "Angelegenheiten der Verwaltungsgerichtsbarkeit" ansonsten grundsätzlich fallen. (Schluss)