Parlamentskorrespondenz Nr. 59 vom 31.01.2013

Vorratsdatenspeicherung: Abgeordnete wollen Rechtslage prüfen

Nationalrat debattiert Initiative von 100.000 BürgerInnen

Wien (PK) – Die Bürgerinitiative "Stoppt die Vorratsdatenspeicherung", zeigt Wirkung. In einer Entschließung bekräftigen die Abgeordneten in der heutigen Sitzung des Nationalrats, die geltenden gesetzlichen Bestimmungen überprüfen zu wollen.

Vom Justizausschuss lag ein Bericht über ein Expertenhearing zur genannten Bürgerinitiative vor. Die Abgeordneten folgten mehrheitlich der Empfehlung des Justizausschusses und verabschiedeten eine Entschließung zur Überprüfung bestehender gesetzlicher Bestimmungen nach Vorliegen der Ergebnisse der beim EuGH und VfGH anhängigen Verfahren. Wert legen die Abgeordneten einmal mehr auf Datensicherheit.

Im letzten Jahr haben über 100.000 Personen die Bürgerinitiative "Stoppt die Vorratsdatenspeicherung" unterschrieben, hob Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) hervor, der die RednerInnenliste zu diesem Punkt eröffnete. Damit handle es sich um die am stärksten unterstützte Bürgerinitiative, die je ans Parlament gerichtet wurde. Seiner Meinung nach sei dies auch kein Zufall, da die Vorratsdatenspeicherung als Überwachungsmaßnahme aus berechtigten Gründen auf massiven Widerstand stoße. Auch bei einem Hearing im Justizausschuss hätten viele Experten die verdachtsunabhängige Speicherung von Handy-,  Internet- und Standortdaten kritisiert, weil damit unbescholtene Bürger überwacht werden, während die Kriminellen diese Kontrollen sicher umgehen werden. Die einzigen wirklichen Befürworter der Vorratsdatenspeicherung waren nur die Vertreter des Ministeriums, gab Steinhauser zu bedenken. Die Regierungsvertreter sollten die Anliegen der Unterzeichner ernst nehmen und sich auf EU-Ebene für eine Änderung der Richtlinie einsetzen sowie die nationalen Terrorgesetze evaluieren, forderte der Mandatar der Grünen, zumal auch der Verfassungsgerichtshof schwere grundrechtliche Bedenken angemeldet habe.

Für Abgeordneten Peter Michael IKRATH (V) verdeutlichte die Diskussion über die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung den klassischen Gegensatz in einer demokratischen Gesellschaft zwischen dem Recht auf Freiheit beziehungsweise der geschützten Privatsphäre und dem Bedürfnis nach Sicherheit. Dieses Spannungsverhältnis gelte es immer wieder erneut auszubalancieren, so der Justizsprecher der ÖVP. Daher sei zu prüfen, erklärte er, ob die gegenständliche Richtlinie ihrem eigentlichen Anspruch, der Terrorbekämpfung, gerecht werde und nicht in überschießendem Maß in die Grundrechte der Menschen eingreife. Man solle nun die Erkenntnisse des vom VfGH dazu angerufenen Europäischen Gerichtshofes abwarten und diese dann im Parlament umfassend diskutieren, empfahl Ikrath.

Diese Empfehlung des Abwartens konnte Abgeordneter Wolfgang PIRKLHUBER (G) nicht nachvollziehen, immerhin würden durch die Richtlinie alle EU-BürgerInnen, also 500 Millionen Menschen, zu "Überwachungsobjekten" gemacht. Verfassungsgerichte zahlreicher EU-Länder hätten bereits die Umsetzung der Richtlinie für verfassungswidrig erklärt, erinnerte der Grün-Mandatar und folgerte, daher habe die österreichische Regierung auf EU-Ebene einen guten Rückhalt, um gegen die Bestimmungen vorzugehen. Aus der Sicht Pirklhubers hätte es noch vor der Verhandlung der Richtlinie im Fachausschuss eines öffentlichen Hearings im Parlament bedurft, schon um der Unterstützung jener Personen Rechnung zu tragen, die sich mit ihrer Unterschrift in der Bürgerinitiative gegen die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen hatten.

Abgeordneter Johann MAIER (S) hielt fest, die Vorratsdatenspeicherung sei europäisches Recht, dem Österreich unter der Schwarz-Orangen Regierung zugestimmt habe und wogegen auch in Folge kein Einspruch erhoben wurde. Die Verfassungsgerichte in der EU, so Maier weiter, hätten lediglich die Umsetzung der Richtlinie in Frage gestellt, nicht den Legislativakt zur Vorratsdatenspeicherung an sich. Eine Änderung oder Beseitigung der Richtlinie sei letztlich nur durch den EuGH möglich, der zu prüfen habe, ob sie mit der Grundrechtecharta der EU vereinbar ist. In den Augen Maiers ist die österreichische Umsetzung der EU-Bestimmungen derzeit "überzogen" und er befand, gerade im Bereich des Internets müsse Strafverfolgung mit minimalen Eingriffen in die Grundrechte der Bevölkerung - etwa durch das Quick Freeze Verfahren - möglich sein.

Abgeordneter Harald STEFAN (F) ortete nicht nur in der EU-Regelung zur Vorratsdatenspeicherung Einschränkungen der Grundrechte, sondern auch bei anderen Vorschriften der Europäischen Union, beispielweise jener zur Speicherung von Fluggastdaten. Stefan hinterfragte, wofür die Bestimmungen, die der Terrorismusbekämpfung gewidmet seien, tatsächlich eingesetzt würden und kam zu dem Schluss, dass sie lediglich einen Vorwand für Überwachungsmaßnahmen darstellten. Außerdem greife die Polizei bei ihren Ermittlungen immer noch vorrangig auf Verkehrsdaten zu, deswegen vermisste der Redner auch die Sinnhaftigkeit der Vorratsdatenspeicherung. Der FPÖ-Politiker sah durch die EU-Richtlinie sämtliche BürgerInnen unter Generalverdacht und forderte alle Eingriffe in Grund- und Freiheitsrechte einer klaren Kontrolle zu unterziehen.

Abgeordneter Gerald GROSZ (B) befand, das eigentliche Problem bei der Vorratsdatenspeicherung, die ursächlich zur Verfolgung von Straftaten gedacht sei, stelle die Umsetzung der Bestimmungen durch die österreichische Bundesregierung dar. Nun würden nicht Kriminelle ins "Fadenkreuz" der Ermittler genommen, sondern alle StaatsbürgerInnen. Im Plenum hatte man schon vor dem Inkrafttreten der Richtlinie in Österreich Bedenken zur überschießenden Art der Umsetzung geäußert, dennoch hätten die Regierungsfraktionen nicht dagegen gestimmt, kritisierte Grosz. Er verlange von den Regierungsmitgliedern, so der Justizsprecher des BZÖ, den Behörden endlich wirksame Instrumente zur Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität in die Hand zu geben, aber nicht einen "Überwachungsstaat" zu schaffen.

Abgeordnetem Christoph HAGEN (T) stellte sich die Situation klar dar: es gehe darum, zu entscheiden, ob Österreich demokratische Strukturen mit frei handelnden Unternehmen und BürgerInnen wolle oder einen generellen Verdacht gegen alle. Die Speicherung sensibler persönlicher Daten über das Telefon oder per E-Mail erachtete der Stronach-Mandatar für untragbar, widerspreche dies doch dem Artikel 8 der Menschenrechtskonvention. Aus diesem Grund seien die in der Bürgerinitiative geäußerten Befürchtungen verständlich, es dürfe keine gläsernen Menschen ohne Wenn und Aber geben, bekräftigte Hagen.

Karl: Maßvoller Umgang mit Datenmaterial

Die EU sei ein Raum der Sicherheit, der Freiheit und der Rechte, betonte Justizministerin Beatrix KARL, die Gewährleistung der Grundrechte und der Rechtssicherheit hätten daher oberste Priorität. Als Justizministerin sei sie natürlich darauf bedacht, dass die BürgerInnen nicht um die Sicherheit ihrer Privatsphäre fürchten müssten, daher nehme sie die in der Bürgerinitiative geäußerte Skepsis zur Vorratsdatenspeicherung ernst und verfolge aufmerksam die Entwicklung des Verfahrens gegen die diesbezügliche EU-Richtlinie. Die Frage zur Grundrechtskonformität der Richtlinie sei unbedingt vom EuGH zu klären, unterstrich Karl.

Allerdings, gab die Justizministerin zu bedenken, seien Datenzugriffe schon vor der EU-Regelung zulässig gewesen, wenn Strafverfolgungsbehörden Auskunft für Ermittlungen benötigten, um wirksam gegen schwere Kriminalität vorzugehen. Die aktuelle Umsetzung der Vorratsdatenspeicherungs-Richtlinie erfolge mit großer Bedachtnahme auf die Datensicherheit bei allen Datenübertragungen und bei der Strafverfolgung werde maßvoll mit dem Datenmaterial umgegangen, so Karl. Generell würden bei schweren Delikten kaum Informationen Unbeteiligter abgerufen, da die ermittelten Daten sich vor allem auf die Kommunikation zwischen Komplizen bezögen, beruhigte sie. Die Vorratsdatenspeicherung bilde Karl zufolge daher ein notwendiges Instrument zur Bekämpfung schwerer Kriminalität, sie signalisierte jedoch Bereitschaft zur Diskussion über die Ausgewogenheit der Bestimmungen, da die Wahrung der Menschenrechte immer der Maßstab für die Justiz sein müsse.

Abgeordnete Eva-Maria HIMMELBAUER (V) äußerte Verständnis für den Unmut vieler BürgerInnen über die Vorratsdatenspeicherung, da sowohl analog als auch digital ein sorgsamer Umgang mit privaten Daten nötig sei. Im Hearing des Parlaments letztes Jahr habe der Rechtsschutzbeauftrage des Justizministeriums berichtet, dass die neuen Ermittlungsmaßnahmen bei schweren Straftaten bereits Wirkung zeigten, dennoch sei es gerade im digitalen Bereich angeraten, meinte Himmelbauer, abzuklären, welche Daten tatsächliche verwendet werden dürfen.

Abgeordneter Johannes JAROLIM (S) wandte sich gegen Äußerungen, die Umsetzung der EU-Regelungen sei überschießend, liege doch das "Grundübel" im Zustandekommen der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung an sich. Er griff die Bemerkung seines Parteikollegen Maier zum Quick Freeze-Verfahren auf und befürwortete, dass bei dieser Methode Daten nur nach Gerichtsanordnung zu speichern wären. Jedenfalls, machte der SPÖ-Justizsprecher klar, ginge es nicht an, dass auch bei der Verfolgung urheberrechtlicher Eingriffe die Bestimmungen der Vorratsdatenspeicherung zur Anwendung kämen. Jarolim zitierte zudem aus der entsprechenden Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, um dessen Bedenken zum Eingriff in die Privatsphäre durch die Richtlinie zu verdeutlichen.

Abgeordnete Martina SCHENK (B) rief ihren Vorredner auf, nicht in der Vergangenheit zu verweilen, vielmehr sei es notwendig, die Richtlinie außer Kraft zu setzen, ohne auf die Entscheidung des EuGH zu warten. Mit der Vorratsdatenspeicherung würde nicht die Kriminalität bekämpft, sondern man greife direkt in das Grundrecht der Menschen auf Schutz ihrer privaten Daten ein, zeigte sich Schenk erbost. Die Bürgerinitiative gegen die EU-Richtlinie sowie die Klage von mehr als 11.000 BürgerInnen gegen eben diesen Legislativakt sei als Beweis dafür zu werten, analysierte die BZÖ-Mandatarin, dass die Bevölkerung angesichts einer untätigen Regierung selbst für ihre Rechte einstehen müsse.

Abgeordnete Karin HAKL (V) kalmierte daraufhin, die BürgerInnen würden durch die neue Regelung keineswegs bespitzelt. Nicht der Staat speichere ihre Daten, sondern die jeweiligen Telefon- oder Internetdienstleister, wie es schon vor der EU-Richtlinie der Fall war. Im Unterschied zu früher, erläuterte die ÖVP-Mandatarin, dürften jetzt die Daten nur mehr für sechs Monate und nicht mehr ewig gespeichert werden. Außerdem würden die Inhalte der Kommunikationen nicht festgehalten und die Freigabe der Daten für polizeiliche Ermittlungen geschähe nur in geprüften Einzelfällen, wobei es bei der Staatsanwaltschaft dafür ein Vier-Augen-Prinzip gebe. Überbordend wäre die Umsetzung der Richtlinie allerdings, räumte Hakl ein, wenn Daten auch bei Urheberrechtsverletzungen wie illegalen Downloads verfügbar gemacht würden.

Abgeordnete Elisabeth HAKEL (S) gab den zum einen den DatenschützerInnen und BürgerInnen, die sich gegen die Vorratsdatenspeicherung stellen, Recht, zum anderen erinnerte sie, Österreich hätte eine Millionenklage der EU gedroht, wäre die Richtlinie nicht umgesetzt worden. Jeder Missbrauch von Daten sei abzulehnen, daher solle es zum Schutz der Bevölkerung nur anlassbezogene Überprüfungen geben, sagte die SPÖ-Mandatarin und sprach sich dabei für verstärkte Zusammenarbeit zwischen Justiz und Politik aus. Nicht vergessen werden solle, dass die EU-Richtlinie vor allem im Sinne der Terrorismusbekämpfung zu verwenden sei, die aktuellen Regelungen verpflichteten jedoch alle Kommunikationsdienstleister ohne Anlass die Daten ihrer KundInnen zu speichern, wie Hakel anmerkte.

Abgeordneter Werner HERBERT (F) hielt die negative Beurteilung der Regierungsvorlage durch Abgeordneten Jarolim für bemerkenswert und fügte seine Kritik an einem überschießenden Gesetz hinzu, das die Rechte der österreichischen Staatsbürger beeinträchtige und der Bespitzelung der BürgerInnen den Weg ebne. Die EU wolle Daten sammeln, um sie an die USA weiterzugeben, die Terrorbekämpfung diene dabei lediglich als Vorwand. Systematische Datenerfassung ohne konkrete Verdachtsmomente seien kategorisch abzulehnen, führte Herbert aus.

Abgeordneter Hannes FAZEKAS (S) hielt es für wichtig, sich mit den Grundsätzen zu befassen, die eine freie Gesellschaft für ihre Entwicklung brauche. Daher zeigte sich der Abgeordnete erfreut über den Widerstand, den Österreich gemeinsam mit Schweden gegen die Umsetzung der Datenschutzrichtlinie geleistet habe. Europa müsse sich gegen die Verlockung auflehnen, den Menschen die Vorratsdatenspeicherung mit der Terrorbekämpfung schmackhaft zu machen und ein klares Bekenntnis zum Datenschutz abgeben. Fazekas setzte seine Hoffnungen dabei auf das Instrument der europäischen Bürgerinitiative. (Fortsetzung Nationalrat) jan/hlf