Parlamentskorrespondenz Nr. 486 vom 05.06.2013

EU-Ausschuss des Bundesrats überlegt weitere Subsidiaritätsrügen

Allzu weitreichende inhaltliche Kompetenzen der EU-Kommission demokratiepolitisch bedenklich

Wien (PK) – Auch wenn der Schutz vor Pflanzenschädlingen, die Tiergesundheit und amtliche Kontrollen auf den ersten Blick nichts mit demokratischer Legitimation zu tun haben, so waren die betreffenden drei Verordnungsvorschläge der EU-Kommission für den EU-Ausschuss des Bundesrats Anlass, massive Kritik an der EU-Kommission zu äußern. Die Kommission maße sich zunehmend an, mittels sogenannter delegierter Rechtsakte für sich die Möglichkeit zu schaffen, ohne Mitspracherecht der Mitgliedstaaten wesentliche inhaltliche Weichenstellungen vorzunehmen. Das betreffe die geplante Saatgutverordnung, zu der auch eine Subsidiaritätsrüge beschlossen wurde, ebenso wie die drei weiteren auf der heutigen Tagesordnung des Ausschusses stehenden Materien.

Dies sei demokratiepolitisch äußerst bedenklich, so der allgemeine Tenor. Man kam daher nach einer ersten Diskussion überein, die genannten Verordnungsvorschläge auch auf die Tagesordnung des nächsten Ausschusses am 2. Juli zu setzen und in der Zwischenzeit dazu ebenfalls Anträge auf begründete Stellungnahme (Subsidiaritätsrügen) vorzubereiten.

Hat die EU einen zunehmenden Regelungswahn?

Zunächst stand ein im Mai dieses Jahres übermittelter Verordnungsvorschlag im Hinblick auf Maßnahmen zum Schutz vor Pflanzenschädlingen zur Debatte. Ziel ist es, zeitgemäße Regelungen zur EU-weiten einheitlichen Bekämpfung von gefährlichen Schädlingen und Krankheiten von Pflanzen (Quarantäneschadorganismen) zu erlassen.

Wie der Vertreter des Lebensministeriums hervorhob, sollen die Schädlinge in Zukunft in drei Arten unterteilt werden: sogenannte Qualitätsschädlinge, normale Quarantäneschädlinge und prioritäre Quarantäneschädlinge, für letztere soll es verstärkte Ausrottungspflichten geben. Fraglich ist jedoch, ob für derartige Pflichten ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt werden oder ob die Mitgliedsstaaten auf den Kosten sitzen bleiben. Da durch den Reiseverkehr immer mehr Schädlinge eingeschleppt werden, sieht der Entwurf eine Einschränkung der Ausnahmen vor. Trotz der zunehmend importierten Schädlinge plant die Kommission Erleichterungen für die Einfuhr, was sich als kontraproduktiv herausstellen könnte.

Laut Vorschlag werden sich in Hinkunft Unternehmen registrieren lassen müssen, deren Tätigkeit Auswirkungen auf den Schutz von Pflanzen hat. Zu diesem Zweck soll auch ein zentrales elektronisches Meldesystem eingerichtet werden. Ferner sind verpflichtende Krisen- und Notfallpläne sowie jährliche Übungen vorgesehen. Der Experte wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass bei den Bekämpfungsmaßnahmen viele nationale Kompetenzen betroffen sind und die Kommission eine Harmonisierung mittels zahlreicher delegierter Rechtsakte herbeiführen möchte, was auf massive innerstaatliche Bedenken stoße. Damit sei auch das Subsidiaritätsprinzip betroffen.

Bundesratspräsident Edgar Mayer (V/V) reagierte darauf mit dem Ausdruck "Regelungswahn der EU" und wies auf die kritische Stellungnahme des Landes Niederösterreich hin. Seitens der Bundesländer überlegt man sich, eine gemeinsame Subsidiaritätsrüge zu verfassen, da man die Regelungen, insbesondere was die Meldepflichten betrifft, als überschießend erachtet. Der Vertreter aus Niederösterreich machte insbesondere geltend, dass bei Schädlingen, die immer wieder nachkommen, keine Ausrottung möglich sei, sondern nur Eindämmungsmaßnahmen. Er wandte sich auch dezidiert gegen Erleichterungen bei der Einfuhr, und nannte solche als widersinnig, weil erwiesenermaßen viele Schädlinge im Zuge von Importwaren ins Land kommen.

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (V/O) bekräftigte in diesem Zusammenhang den regionalen Aspekt, da Schädlinge oft nur in bestimmten Gebieten auftreten, weshalb es effizienter sei, die Bekämpfung seitens der Bezirkshauptmannschaft zu steuern und nicht zentral. Allgemein befürworteten die Ausschussmitglieder (Bundesrat Stefan Schennach  - S/W) und Bundesrätin Cornelia Michalke - F/V) den Vorschlag von Bundesrat Edgar Mayer (V/V), für den nächsten Ausschuss eine Subsidiaritätsrüge vorzubereiten.

Regelungen müssen verhältnismäßig sein

Auch Tiergesundheit ist Thema in der EU. Zu diesem Zweck schlägt die Kommission in einem umfangreichen Verordnungsentwurf einen  Rechtsrahmen für die 2007 veröffentlichte EU-Tiergesundheitsstrategie vor. Das Gesundheitsministerium unterstreicht die Bedeutung der Tiergesundheit für die Bürgerinnen und Bürger und erinnert in seiner Information daran, dass Aspekte der Tiergesundheit mit der öffentlichen Gesundheit, der Lebensmittelsicherheit und der Ernährungssicherung zusammenhängen, zum anderen aber auch die Kosten, die Ausbrüche von Tierseuchen für die Wirtschaft und die öffentlichen Haushalte bedeuten können, berücksichtigt werden müssen. Schließlich nimmt in der modernen Gesellschaft das Tierwohl einen großen Stellenwert ein.

Laut Vorschlag will man den bestehenden Rechtsrahmen vereinfachen und transparenter gestalten. Der Schwerpunkt liegt auf langfristigen Präventionsmaßnahmen, um übertragbare Krankheiten in den Griff zu bekommen, und auf der Zusammenarbeit aller interessierten Parteien. Insbesondere zielt die Kommission darauf ab, übergreifende allgemeine Grundsätze einzuführen und eine Basis dafür zu schaffen, rasch auf neu auftretende Seuchen reagieren zu können, während gleichzeitig die Qualität der betreffenden Maßnahmen garantiert wird.

Zu diesem Zweck beabsichtigt die Kommission unter anderem ein präventionsbasiertes und anreizorientiertes Konzept in die Tiergesundheitspolitik einzubeziehen, die Zuständigkeiten klar zu regeln und die Verfahren zu vereinfachen, wo immer dies machbar ist. Außerdem ist die Einführung einer Liste von Seuchen geplant, die in verschiedene Kategorien unterteilt werden, sowie die Schaffung eines wirksamen Mechanismus und einer Notfallbereitschaft für schnelle Reaktionen im Falle einer Seuche. 

Der Experte des Gesundheitsministeriums äußerte seitens seines Ressorts große Bedenken gegenüber diesem Vorhaben, zumal auch in diesem Fall die Kommission wesentliche Fragen mit delegierten Rechtsakten regeln möchte. Das betrifft beispielsweise den Kriterienkatalog für die Aufnahme von Seuchen sowie die Hereinnahme neuer Bereiche. Insgesamt seien rund 50 verschiedene derartiger delegierter Rechtsakte geplant, erfuhren die Bundesrätinnen und Bundesräte. Als positiv bewertete es der Ressortvertreter, dass bei neu auftretenden Erkrankungen ein Prozedere zur Risikobewertung vorgeschlagen wird.

Die Reaktionen auf diese Ausführungen fielen ähnlich wie beim vorhergehenden Tagesordnungspunkt aus. Die BundesrätInnen Edgar Mayer (V/V), Stefan Schennach (S/W), Eduard Köck (V/N) und Cornelia Michalke (F/V) unterstrichen abermals ihre demokratiepolitischen Bedenken gegenüber den Versuchen der Kommission, mittels exzessiver Ausweitung der delegierten Rechtsakte selbst einen möglichst großen Handelsspielraum zu gewinnen. Damit könne die Kommission machen, was sie will, bemerkte Mayer kritisch.

Qualitätssicherung ja, aber keine unverhältnismäßige EU-Zuständigkeit

Geht es nach einem weiteren Vorschlag der EU-Kommission sollen im Bereich des Lebens- und Futtermittelrechts und der Vorschriften über Tiergesundheit und Tierschutz, Pflanzengesundheit, Pflanzenvermehrungsmaterial und Pflanzenschutzmittel die amtlichen Kontrollen verschärft und effizienter gestaltet werden. Gleichzeitig soll der diesbezügliche Vorschlag dazu beitragen, den Rechtsrahmen zu vereinfachen und seine Anwendung zu erleichtern. Vertrauenswürdige amtliche Kontrollen, die dafür sorgen, dass die Sicherheits- und Qualitätsstandards entlang der EU-Lebensmittelkette konsequent eingehalten und die entsprechenden Erwartungen der Handelspartner erfüllt werden, seien wichtig für die Einfuhren in die EU sowie die Ausfuhren aus der EU, heißt es dazu seitens des Gesundheitsressorts. Bezüglich der Einfuhren sei es von zentraler Bedeutung, dass alle Lebensmittel auf dem EU-Markt sicher sind. Die von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten durchgeführten Kontrollen böten die Gewähr dafür, dass Waren aus Drittländern gleichwertige Sicherheitsanforderungen erfüllen.

Trotz der positiven Bewertung der Ziele fielen auch zu dieser Vorlage die Beurteilungen seitens des Lebensministeriums und des Gesundheitsressorts zurückhaltend aus. Gegen hohe Standards der Qualitätssicherung sei nichts einzuwenden, meinten die dem Ausschuss zur Verfügung stehenden Experten, aber der neue Rechtsakt führe zu einer drastischen Ausweitung und ermögliche es einmal mehr der Kommission, durch delegierte Rechtsakte für die neuen Bereiche inhaltliche Vorgaben zu geben, ohne die Mitgliedsstaaten zu befassen. Man habe mit der bisherigen Regelung keineswegs schlechte Erfahrungen gemacht, wurde ins Treffen geführt, außerdem würden die Ausnahmebestimmungen hinsichtlich der zu entrichtenden Gebühren dazu führen, dass 87 % der österreichischen Unternehmen von den Gebühren befreit sind und die Belastung dem allgemeinen Haushalt auferlegt wird. Das habe auch Relevanz im Hinblick auf die Subsidiarität, denn in Österreich könnten damit keine kostendeckenden Gebühren eingehoben werden. Man müsse daher auf die unterschiedliche betriebliche Struktur in den einzelnen Mitgliedsstaaten Rücksicht nehmen, monierte der Vertreter des Landes Niederösterreich. (Schluss EU-Ausschuss des Bundesrats) jan


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