Parlamentskorrespondenz Nr. 836 vom 27.11.2013

Vorlagen: Verfassung

Dienstrechts-Novelle, Schutz gegen "Zwangsenteignungen", Haushaltsrecht, Nebenbeschäftigung von VfGH-RichterInnen, ORF-Gesetz

Öffentlicher Dienst: Koalition beantragt zahlreiche Detailänderungen

Wien (PK) – Eine von SPÖ und ÖVP vorgeschlagene Dienstrechts-Novelle hat zahlreiche Detailänderungen im Bereich des öffentlichen Dienstes zum Inhalt (41/A). Unter anderem geht es um die Verankerung von Pflegekarenz und Pflegeteilzeit im Beamten-Dienstrechtsgesetz und im Vertragsbedienstetengesetz analog zu den geltenden Bestimmungen in der Privatwirtschaft, eine Aufwertung des Verwaltungspraktikums, eine stärkere Beachtung psychisch belastender Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst, die unbefristete Verlängerung der Bestimmungen über das Sabbatical und diverse Anpassungen an die neue Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Zudem wird in Umsetzung eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs normiert, dass auch BeamtInnen unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf finanzielle Abgeltung für nicht verbrauchten Erholungsurlaub haben.

BeamtInnen erhalten Anspruch auf Urlaubsersatzleistung

Im Konkreten sehen die neuen Bestimmungen vor, dass Beamtinnen und Beamte, die in den Ruhestand treten bzw. aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden, nicht verbrauchten Urlaub abgegolten bekommen, wenn sie ihn krankheitsbedingt oder aus anderen von ihnen nicht zu vertretenden Gründen nicht konsumieren konnten. Die Urlaubsersatzleistung ist allerdings eingeschränkt: sie gebührt nur dann, wenn in einem Jahr weniger als vier Wochen Urlaub konsumiert wurden, darüber hinaus gehender Resturlaub bleibt unberücksichtigt. Auch bei vorzeitiger Ruhestandsversetzung auf eigene Initiative und selbst zu verantwortender Beendigung des Dienstverhältnisses entfällt der Anspruch.

Die Ersatzleistung pro Urlaubsstunde entspricht der Grundvergütung für eine Überstunde. Für LehrerInnen bilden die schulfreien Tage bzw. die Hauptferien anstelle des Urlaubs die Berechnungsgrundlage. Die Regelung tritt aus unionsrechtlichen Gründen rückwirkend mit 2. August 2004 in Kraft, allerdings sind Verjährungsfristen zu beachten.

Im Zusammenhang mit der Urlaubsersatzleistung wird auch die Verpflichtung von Vorgesetzten verankert, darauf hinzuwirken, dass ihre MitarbeiterInnen den ihnen zustehenden Erholungsurlaub in Anspruch nehmen können und auch in Anspruch nehmen.

Pflegeteilzeit: Arbeitszeit kann auf bis zu 10 Stunden reduziert werden

Die neuen Bestimmungen zur Pflegeteilzeit ermöglichen es Bundesbediensteten künftig, ihre Arbeitszeit in einem Zeitraum von einem bis drei Monate auf bis zu zehn Stunden herabzusetzen, um einen pflegebedürftigen Angehörigen zu betreuen. In Ausnahmefällen, wenn sich der Pflegebedarf abrupt erhöht, ist eine Erstreckung der Pflegeteilzeit um weitere drei Monate möglich. Pflegekarenz kann grundsätzlich auch über einen längeren Zeitraum in Anspruch genommen werden, analog zur Bestimmung für ASVG-Versicherte ist der Bezug von Pflegekarenzgeld aber auf die drei+drei-Monatsregel beschränkt. Für eine kurze Pflegekarenz unter drei Monaten entfällt die grundsätzliche Meldefrist zwei Monate vor dem geplanten Antritt.

VerwaltungspraktikantInnen sollen besser entlohnt werden

Geändert werden auch die gesetzlichen Bestimmungen über Verwaltungspraktika. Damit wollen die Koalitionsparteien den Zweck eines Verwaltungspraktikums, nämlich eine Schul- oder Berufsausbildung zu vertiefen und PraktikantInnen gleichzeitig die Gelegenheit zu bieten, Einsatzmöglichkeiten im Öffentlichen Dienst kennenzlernen, stärker unterstreichen. Derzeit könne nicht ausgeschlossen werden, dass Arbeitgeber durch die günstigeren Konditionen verleitet werden, VerwaltungspraktikantInnen statt Vertragsbediensteter aufzunehmen, heißt es dazu in den Erläuterungen. Zudem soll ein finanziell attraktives Verwaltungspraktikum dazu führen, hoch qualifizierte und gut ausgebildete Nachwuchskräfte für eine Verwendung in der Bundesverwaltung zu interessieren.

Konkret sieht der Antrag vor, den Ausbildungsbeitrag für VerwaltungspraktikantInnen nach drei Monaten von der Hälfte des Gehalts eines Vertragsbediensteten in der Ausbildungsphase auf das volle Monatsentgelt zu erhöhen. Außerdem wird der Dienstgeber angehalten, VerwaltungspraktikantInnen, die länger als drei Monate ein Praktikum absolvieren, möglichst auf mindestens zwei verschiedenen Arbeitsplätzen einzusetzen. Die maximale Gesamtdauer eines Verwaltungspraktikums bleibt bei 12 Monaten.

Fahrtkostenzuschuss wird an Pendlerpauschale angepasst

Weiters enthält die Dienstrechts-Novelle u.a. folgende Punkte: Verwaltungsbehörden und Gerichte müssen künftig begründen, wenn sie von Entscheidungen der Bundes-Gleichbehandlungskommission abgehen. Bei Beendigung eines Dienstverhältnisses erhalten auch BeamtInnen Anspruch auf ein Dienstzeugnis. In Anlehnung an die neuen Bestimmungen über das Pendlerpauschale wird der Anspruch auf Fahrkostenzuschuss auf jene Teilzeitbeschäftigte ausgedehnt, die nur an wenigen Tagen pro Monat zur Arbeit pendeln.

Bei angezeigten Dienstpflichtverletzungen von BeamtInnen, die ihren Dienst im Ausland versehen, können ZeugInnen im Wege einer audiovisuellen Vernehmung in einer österreichischen Botschaft befragt werden. Die für UniversitätslehrerInnen und für UniversitätsdozentInnen bereits geltende Bestimmung, dass der Übertritt in den Ruhestand mit Ablauf des Studienjahres erfolgt, wird auf UniversitätsassistentInnen ausgedehnt.

In Anlehnung an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach bei einem früheren Pensionsantrittsalter für weibliche Bedienstete eine frühere Kündigung durch den Dienstgeber unzulässig ist, wird das Vertragsbedienstetengesetz adaptiert: künftig gilt einheitlich die für männliche Bedienstete normierte Altersgrenze. SprengelrichterInnen werden auch bei übergeordneten Gerichten – also etwa bei Oberlandesgerichten – eingesetzt werden können.

Ziel der in der Dienstrechts-Novelle enthaltenen Änderung des Bundes-Bedienstetenschutzgesetzes ist es zum einen, den Einsatz von ArbeitspsychologInnen in den Dienststellen zu intensivieren und psychischen Belastungen im Öffentlichen Dienst insgesamt mehr  Augenmerk zu schenken. Zum anderen wird das Gesetz mit dem neuen Chemikaliengesetz und einschlägigen EU-Verordnungen, etwa was den Einsatz gefährlicher Arbeitsstoffe betrifft, in Einklang gebracht. Darüber hinaus werden Rechtsbereinigungen vorgenommen.

Team Stronach fordert Vereinheitlichung des Haushaltsrechts…

Das Team Stronach fordert in einem Entschließungsantrag die Vereinheitlichung des Haushaltsrechts in Österreichs unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Rechnungshofs (44/A[E]). Nur so wäre es nach Meinung von Klubobfrau Kathrin Nachbaur und Abgeordneter Martina Schenk möglich, die Haushaltsdaten von Bund, Ländern und Gemeinden zu vergleichen und einen vollständigen Überblick über die Vermögens- und Schuldenlage der jeweiligen Gebietskörperschaft zu gewinnen. Für notwendig halten sie unter anderem eine Abkehr von der Ein- und Ausgabenrechnung in der derzeitigen Form hin zu einer integrierten Ergebnis-, Finanz- und Vermögensrechnung nach Vorbild des Bundes, die Bewertung von Vermögen nach einheitlichen Grundsätzen sowie die Einbeziehung ausgegliederter Einheiten in das Budget.

…und verfassungsrechtlichen Schutz vor "Zwangsenteignungen"

Ein weiterer Entschließungsantrag des Team Stronach zielt darauf ab, die österreichischen BürgerInnen mit einem Verfassungsgesetz vor einer einmaligen Sondersteuer bzw. Zwangsabgabe auf Vermögen oder ähnlichen staatlichen "Enteignungsmaßnahmen" zu schützen (45/A[E]). Klubobfrau Kathrin Nachbaur und Abgeordnete Martina Schenk fürchten, dass auch in Österreich, ähnlich wie in Zypern, Spareinlagen der Bevölkerung zur Krisenbewältigung herangezogen werden könnten und verweisen auf entsprechende Gedankenspiele des Internationalen Währungsfonds. Mit einer Verfassungsschranke könnte man ihrer Meinung nach der Verunsicherung der ÖsterreicherInnen entgegenwirken.

VfGH: Grüne für Offenlegung von Nebenbeschäftigungen

Die Grünen sprechen sich in Form eines Entschließungsantrags dafür aus, die Mitglieder und Ersatzmitglieder des Verfassungsgerichtshofs zur Offenlegung von Nebenbeschäftigungen zu verpflichten (53/A). Konkret sollen die VfGH-RichterInnen nach Vorstellung von Abgeordneter Daniela Musiol sonstige Berufstätigkeiten, Beteiligungen an Rechtsanwalts- und Steuerberatungskanzleien, Beteiligungen an sonstigen Unternehmen, Aufsichtsratstätigkeiten, Gutachtertätigkeiten und Publikationen sowie maßgebliche ehrenamtliche Mitgliedschaften melden müssen. Die Angaben sollen im Internet veröffentlicht werden. Begründet wird die Initiative von Musiol damit, dass die für die Rechtsprechung notwendige Unbefangenheit der VfGH-RichterInnen für die Öffentlichkeit nachvollziehbar sein müsse.

Bereits in der letzten Gesetzgebungsperiode hatten die Grünen einen ähnlichen Antrag eingebracht, er war nach zweimaliger Beratung vertagt worden.

ORF: Grüne drängen auf mehr politische Unabhängigkeit

Die Grünen drängen darüber hinaus auf eine Novellierung des ORF-Gesetzes, um die politische Unabhängigkeit des ORF zu stärken (67/A[E]). Insbesondere geht es Abgeordnetem Dieter Brosz und seinen FraktionskollegInnen um eine neue Zusammensetzung des Stiftungsrats sowie um die ersatzlose Streichung der Bestimmung, dass vor Bestellung und Abberufung der ORF-LandesdirektorInnen eine Stellungnahme des jeweiligen Bundeslandes einzuholen ist.

Der Stiftungsrat soll nach Vorschlag von Brosz in ein sich selbst erneuerndes Gremium nach dem Vorbild des ÖIAG-Gesetzes umgewandelt werden und künftig nur noch aus 15 Mitgliedern bestehen. Zehn davon sollen von einem Gründungskonvent gewählt, die restlichen fünf als ArbeitnehmervertreterInnen vom Zentralbetriebsrat bestellt werden. Wer in den 50- bis 100-köpfigen Gründungskonvent entsendet wird, soll laut Antrag gesetzlich festgelegt werden, wobei Brosz das gesellschaftliche Spektrum möglichst breit abgebildet haben will und als Beispiel Arbeitgeber- und ArbeitnehmervertreterInnen, wissenschaftliche Institutionen, Interessenverbände und NGOs nennt. Politische Parteien und ihre Vorfeldorganisationen sollten hingegen nicht delegierungsberechtigt sein.

Um persönliche Interessen der Stiftungsratsmitglieder auszuschließen, soll es ihnen untersagt werden, während ihrer Funktionsperiode Geschäftsbeziehungen mit dem ORF einzugehen bzw. unmittelbar von der Funktion des Stiftungsrates in den ORF zu wechseln. (Schluss) gs