Parlamentskorrespondenz Nr. 335 vom 23.04.2014

Bures: Trotz Budgetkonsolidierung keine Kürzungen bei Forschung

Diskussion im Forschungsausschuss mit Experten über Innovationsklima in Österreich

Wien (PK) – Mit einem Referat des Wifo-Experten Jürgen Janger zum Thema "Österreichs Position in internationalen Innovationsrankings" begann die heutige Sitzung des Forschungsausschusses. Die Analyse der Stärken und Schwächen Österreichs im globalen Wettbewerb waren Ausgangspunkt für eine breite Debatte über die Schwerpunkte der Politik in den Bereichen Forschung, Innovation und Technologie, wobei Bundesministerin Doris Bures den Abgeordneten Rede und Antwort stand. Die Ministerin hob positiv hervor, dass es trotz der notwendigen Budgetkonsolidierung gelungen sei, die Mittel in ihrem Ressort stabil zu halten. Gerade Länder wie Österreich müssten verstärkt auf Innovation und Forschung setzen, da man mit Niedrigstlohnländern nicht konkurrieren könne und vor allem nicht wolle, betonte sie.

Wie kann Österreich bei Innovationen vom Follower zum Leader werden?

Wifo-Experte Jürgen Janger legte in seinem Vortrag zunächst ein grundsätzliches Bekenntnis zur Bedeutung von Forschung, Innovation und Technologie für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung eines Landes ab. Dass dies in den EU-Spitzenländern sehr wohl erkannt wurde, lasse sich allein an der Tatsache ablesen, dass 50 % der in diesen Staaten ansässigen Unternehmen auf Innovation und Technologie als Wettbewerbsstrategie setzen; in den sogenannten EU-Nachzügler-Ländern (z.B. Rumänien und Bulgarien) beträgt dieser Anteil nur 5 %. Auch angesichts der großen globalen Herausforderungen – Klimawandel, Ressourcenknappheit, demographische Entwicklung etc. – stellen die Bereiche Forschung, Technologie und Innovation (FTI) zentrale Politikfelder dar, unterstrich Janger.

Was die Beurteilung der Performance in diesen Sektoren in Form von Rankings betrifft, so hielt es der Ökonom  generell für wichtig, dass systematische und informative Vergleiche zur Verfügung stehen. Die Problematik dabei ist allerdings, dass die Qualität der Einstufungen oft sehr unterschiedlich ist und sie manchmal als Marketinginstrumente missbraucht werden. Erschwerend komme auch hinzu, dass hinsichtlich der Bemessung der ökonomischen Effekte von Innovation vor allem der High-Tech-Bereich im Mittelpunkt steht und die Entwicklung innerhalb der Sektoren ("Qualitätsleiter"), wo Österreich sehr gut abschneidet, in den Bewertungen kaum zum Ausdruck kommt.

Als wichtigsten Index bezeichnete Janger den "Innovation Union Scoreboard" (IUS), der auch als Basis für Politikempfehlungen von Seiten der EU hergenommen wird. Laut diesem Ranking rangiert Österreich hinter der Gruppe der Spitzenländer (Finnland, Deutschland, Dänemark und Schweden) und kann somit als "Innovation Follower" eingestuft werden. Wenn man sich die Werte aber genauer anschaut, dann sind diese seit 2009 stabil geblieben bzw. leicht steigend; die anderen Länder verbessern sich aber schneller. Wenn man eine Neuberechnung mit umfassenderen Indikatoren anstellt, dann komme man jedenfalls zu einer positiveren Beurteilung der Leistung Österreichs. Generell sei er der Ansicht, dass Österreich besser dastehe als in den Rankings zum Ausdruck komme und auch besser als oft medial berichtet wird.

Eine genauere Analyse ergebe, dass Österreich vor allem Schwächen im Bereich des Risikokapitals, der niedrigen Akademikerquote sowie hinsichtlich der ökonomischen Effekte von Innovation aufweise, erklärte Janger. Als Stärken führte er die Innovationsfreudigkeit der KMUs, die wirtschaftliche Vorherrschaft in Nischensektoren, die gute Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft (v.a. Großunternehmen), die internationale Verflechtung im Bereich der Wissenschaft sowie die hohen F&E-Ausgaben an. Aus seiner Sicht sollten in Zukunft nicht nur Reformen zur Erreichung einer technologischen Frontrunner-Position gesetzt, sondern vor allem die Kernprobleme angegangen werden. Die von der Regierung vorgelegte FTI-Strategie halte er für gut und sollte auch weiter umgesetzt werden. Handlungsbedarf sah er im Bildungssystem und hinsichtlich des Ausbaus der Attraktivität des Standortes für hochqualifiziertes Personal. Ein Augenmerk sollte man zudem auf die Tatsache lenken, dass sinkende Investitionen von Seiten ausländischer Unternehmen zu beobachten sind. Ohne eine gute Politik im Bereich Forschung, Innovation und Technologie gebe es keine nachhaltige wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung, unterstrich Janger abschließend, dies sollte im Rahmen der Budgetkonsolidierung bedacht werden.

Bures: Spitzenpositionen in klassischen Branchen erhalten und High-Tech-Sektor weiter stärken

In den zahlreichen Fragen der Abgeordneten wurde eine breite Palette an Themen angesprochen, die vom Erreichen der angepeilten Forschungsquote, den Rahmenbedingungen für junge Wissenschaftler, der Teilnahme an EU-Programmen bis hin zur Förderung der Technikaffinität der jungen Menschen reichte. Abgeordneter Markus Vogl (S) gab zu bedenken, dass im Ausland wenig bekannt sei, dass die Rahmenbedingungen für Forschungsaktivitäten in Österreich sehr gut sind. Eva-Maria Himmelbauer (V) trat dafür ein, dass der Staat nicht nur als Financier, sondern verstärkt auch als Innovator auftreten soll. Das Regierungsprogramm enthalte einige gute Ansätze, er vermisse aber konkrete Ansagen, erklärte wiederum Abgeordneter Gerhard Deimek von der FPÖ. Außerdem wünschte er sich eine zentrale Ansprechstelle für Unternehmen für das Horizon 2020-Programm der EU. Abgeordnete Sigrid Maurer (G) sprach von realen Kürzungen beim FWF; viele förderungswürdige Anträge müssen aus Budgetgründen abgelehnt werden. Besonders besorgt zeigte sie sich über die prekäre Situation von jungen Wissenschaftlern, was bereits zu einem massiven Brain Drain geführt habe. Dieser Meinung schloss sich auch Nikolaus Scherak von den NEOS an, der bezweifelte, dass die für 2020 festgelegte Forschungsquote erreicht werden kann. Rouven Ertlschweiger vom Team Stronach plädierte für eine Verbesserung der (steuerrechtlichen) Rahmenbedingungen, damit mehr Private dazu motiviert werden, in Österreich zu investieren.

Im Bereich der Grundlagenforschung konnte sich d er Wifo-Experte Jürgen Janger vorstellen, dass ähnlich wie bei der Forschungsprämie ein Automatismus eingeführt wird, um mehr Planungssicherheit zu gewährleisten. Österreich sei im Bereich der Unternehmensförderung gut aufgestellt, meinte er, ähnlich wie in Amerika, wo es viele Top-Unis gibt, müsse man jedoch mehr darauf schauen, gute und qualifizierte Menschen ins Land zu holen. Entscheidend sei für ihn auch nicht, ob die Forschungsquote ganz genau erreicht werde, sondern ob das Hauptproblem – nämliche die mangelnde Finanzierung von privater Seite – gelöst wird.

Bundesministerin Doris Bures hob die Bedeutung von Forschung, Innovation und Technologie vor allem im Hinblick auf die Schaffung von qualitativ hochwertigen Arbeitsplätzen hervor. Klar sei jedoch auch, dass Österreich nicht mit Niedrigstlohnländern konkurrieren wolle und im Gegenzug mit sozialer Sicherheit, hoher Lebensqualität und gut ausgebildeten Menschen punkte. Die Ministerin wies einleitend darauf hin, dass die gesamten Ausgaben für Forschung und Entwicklung in Österreich etwa 8,9 Mrd. € betragen, wobei das Verhältnis zwischen öffentlicher und privater Hand bei 41 % zu 59 % liege. Der Bund sei bewusst antizyklisch vorgegangen und habe gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Forschungsinvestitionen erhöht. Erfreut zeigte sie sich darüber, dass es in dieser Legislaturperiode trotz der notwendigen Budgetkonsolidierung zu keinen Kürzungen kommen wird. Sie informierte die Mandatare auch darüber, dass 20 % der Förderungen von Seiten des BMVIT in den universitären Bereich fließen. Daraus hervorgegangen sind so tolle Ergebnisse wie die Entwicklung des ersten österreichischen Satelliten oder der erste Preis für den Prototypen eines energieproduzierenden Hauses, rief sie in Erinnerung.

Nach Ansicht von Bures sei es eine wichtige staatliche Aufgabe, langfristige Projekte im Bereich der Technologieentwicklung, die teilweise ein sehr hohes Risiko aufweisen, ausreichend zu unterstützen. Konkret setze ihre Ressort, das für die angewandte wirtschaftsnahe Forschung sowie die außeruniversitären Einrichtungen zuständig ist, auf vier Schwerpunkte, nämlich die Mobilität, die Produktionstechnologien, die Informations- und Kommunikationstechnologien sowie den Energie- und Umweltsektor. Diese Akzente sind auch vor dem Hintergrund der großen globalen Herausforderungen - wie Klimawandel, Energieressourcenknappheit, alternde Gesellschaft etc. - zu sehen. Was die einzelnen Maßnahmen betrifft, so hielt es Bures für wichtig, dass einerseits die Spitzenpositionen in den traditionellen österreichischen Branchen (z.B. Maschinenbau, Motoren) gehalten werden und andererseits der High-Tech-Sektor weiter ausgebaut wird. Als Beispiel führte sie die Luftfahrt- und Weltraumforschung an, wo die Mittel um 15 % erhöht werden. Ein wichtiges Anliegen war es ihr auch, mehr junge Menschen für technische Berufe zu begeistern, weshalb in den nächsten fünf Jahren insgesamt 10.000 Praktikumsplätze in innovativen Betrieben und Forschungseinrichtungen angeboten werden sollen. Weiters sollen im Rahmen von Stiftungsprofessuren an heimischen Unis insgesamt zehn internationale Spitzenwissenschaftler ins Land geholt werden, kündigte Bures an.

Weiters im Brennpunkt: Vorratsdatenspeicherung, Frauen in der Forschung, Standort Österreich

In einer zweiten Runde sprach Abgeordneter Albert Steinhauser (G) das Thema Vorratsdatenspeicherung im Licht der jüngsten Entscheidung des EuGH an und meinte, der Umsetzungszwang falle nun weg, Österreich könnte die Speicherung sofort zurücknehmen. Auf die Frage, ob sie sich über die Entscheidung freue, betonte Doris Bures, sie fühle sich durch das Urteil in ihrer Kritik an der automatischen Abspeicherung von Daten unbescholtener Bürger bestätigt. Hinsichtlich der Auswirkungen auf die österreichische Gesetzeslage sei zunächst aber der Verfassungsgerichtshof am Zug.

Einer Meinung war die Ministerin mit der SPÖ-Mandatarin Nurten Yilmaz in Bezug auf die Notwendigkeit, den Anteil der Frauen in der Forschung weiter anzuheben. Wenn es nicht gelingt, Frauen stärker für die Forschung zu begeistern, dann werden auch alle anderen Maßnahmen nicht greifen, war für Bures klar. Wichtig sei es deshalb, schon möglichst früh entsprechende Anreize zu schaffen – von der Forschungsecke im Kindergarten bis zu Praktika in der Schule. Darüber hinaus sollten auch die Gender-Kriterien bei der Forschungsförderung stärker berücksichtigt werden. Insgesamt gebe es aber schon positive Entwicklungen, stellte Bures mit einem Blick auf den Anstieg des Anteils von Frauen bei den technischen Studien fest.

Die vom FPÖ-Abgeordneten Andreas Karlsböck anlässlich von Berichten über Abwanderungspläne einzelner Firmen geäußerten Sorgen um den Standort Österreich begegnete Bures mit dem Hinweis auf den Schwerpunkt der heimischen Forschungs- und Wirtschaftspolitik, intelligente Produktionstechnologien zu forcieren. Es komme nicht in Frage, Kostenvorteile durch niedrige Löhne oder Unterschreitung der hohen Umweltstandards zu schaffen. Österreich habe andere Assets – seine gut ausgebildeten Menschen und die dank der hervorragenden Infrastruktur hohe Qualität des Standorts, unterstrich Bures mit Nachdruck. Kritik an der Bankenabgabe als Standortnachteil ließ die Ministerin in diesem Zusammenhang nicht gelten.

Mit auf den Weg in die bevorstehende Budgetdebatte gab Ausschussobfrau Ruperta Lichtenecker (G) der Ressortleiterin schließlich noch die Forderungen nach regelmäßiger Evaluierung der indirekten Forschungsförderung sowie nach einer Erhöhung der Forschungsprämie für die KMU.

Netzneutralität, Open Data, Anhebung der F&E-Quote: Anträge der Opposition bleiben in der Warteschleife

Nicht durchsetzen konnten sich die Oppositionsparteien mit ihren Forderungen nach Netzneutralität, Open Data sowie Erhöhung der Mittel für die Forschung. Entsprechende Anträge wurden mit Stimmenmehrheit vertagt.

So mahnten die Grünen in einem Entschließungsantrag (130/A(E)) die Gleichbehandlung von Datenpaketen im Internet durch die Anbieter von Telekommunikationsdiensten – die sogenannte Netzneutralität – ein. Abgeordneter Albert Steinhauser warnte vor Bestrebungen auf EU-Ebene, die auf eine völlige Abschaffung der Netzneutralität hinauslaufen, wertete aber die Entschärfung eines diesbezüglichen EU-Verordnungsentwurfs durch das Europäische Parlament als erfreuliche Entwicklung. Von einem tatsächlichen Beschluss in Richtung Netzneutralität sei man aber noch weit entfernt, gab er zu bedenken und sah die Bundesregierung aufgefordert, dem EU-Parlament durch entsprechendes Engagement in Brüssel Rückenwind zu geben. Keinen sofortigen Handlungsbedarf sahen hingegen die Regierungsparteien, die der Empfehlung des SPÖ-Abgeordneten Konrad Antoni folgten, erst einmal die EU-Vorgaben abzuwarten.

Daten in öffentlicher Hand, durch die kein Personenbezug hergestellt werden kann und deren Offenlegung nicht der nationalen Sicherheit schadet, sollten der Bevölkerung über Standard-Schnittstellen maschinenlesbar, kostenlos, unbürokratisch und unter freien Lizenzen zugänglich gemacht werden, forderte wiederum NEOS-Mandatar Nikolaus Scherak und schlug in einem Entschließungsantrag (358/A(E)) die Ausarbeitung eines Open Data Konzepts für Österreich vor. Auch in diesem Fall entschied die Ausschussmehrheit auf Vertagung, nachdem Abgeordnete Eva Maria Himmelbauer (V) u.a. an die Arbeiten an einem Informationsfreiheitsgesetz erinnert hatte und daraus den Schluss zog, der Open Data-Prozess sei bereits angestoßen.

Auf die Umsetzung der von der Bundesregierung definierten Strategieziele in den Bereichen Forschung, Technologie und Innovation (FTI) pochten Grüne und NEOS in zwei weiteren Anträgen. Die FTI-Sprecherin der Grünen Ruperta Lichtenecker sprach in ihrem Vorstoß (338/A/E)) von einer Finanzierungslücke und mahnte ein Forschungsfinanzierungsgesetz zur verbindlichen Erreichung der Strategieziele bis 2020 ein. Nikolaus Scherak erinnerte namens der NEOS an den Ruf des Rates für Forschung und Technologieentwicklung nach einem "Jahrzehnt der Priorität für Universitäten und Forschung" und verlangte in seinem Antrag (357/A(E)) eine Anhebung der F&E-Quote bis zum Jahr 2020 auf 3,76 % des BIP. Die beiden Initiativen fanden Unterstützung bei FPÖ und Team Stronach, während die Regierungsparteien vor allem noch den Entwurf für ein Forschungsfinanzierungsgesetz abwarten wollten und auf Vertagung entschieden. (Schluss) sue/hof