Parlamentskorrespondenz Nr. 38 vom 21.01.2015

Nationalrat beschließt neues Besoldungsschema für öffentlichen Dienst

Steßl will weitere Verhandlungen mit Beamten-Gewerkschaft führen

Wien (PK) – Die massiven Proteste der Beamten-Gewerkschaft und die Einwände der Opposition haben nichts genutzt. Zwei Tage nach dem Verfassungsausschuss segnete auch der Nationalrat das neue Besoldungsschema für den öffentlichen Dienst ab. SPÖ und ÖVP stimmten im Plenum für das von der Regierung vorgeschlagene umfangreiche Gesetzespaket, das insbesondere in Bezug auf Gehaltseinstufungen und Vorrückungen etliche Neuerungen für BeamtInnen und Vertragsbedienstete bringt. Gibt auch der Bundesrat rechtzeitig grünes Licht, können die Bestimmungen wie geplant noch im Februar in Kraft treten.

Anlass für den Gesetzesbeschluss ist ein Urteil des EuGH, der die geltenden Gehaltsregeln für Bundesbedienstete im Herbst bereits zum zweiten Mal als altersdiskriminierend gewertet hat. Um finanzielle Mehrkosten für den Staat zu vermeiden, wird das Einstufungs- und Vorrückungssystem komplett neu gestaltet und gleichzeitig wesentlich vereinfacht. Als Vordienstzeit anerkannt wird künftig im Wesentlichen nur noch eine einschlägige Berufserfahrung von bis zu zehn Jahren, im Gegenzug werden die Gehaltsansätze erhöht.

Besonders umstritten ist die Überleitung bestehender Dienstverhältnisse in das neue Gehaltsschema. Die Beamten-Gewerkschaft fürchtet, dass es dadurch bei manchen Berufsgruppen zu einer deutlich niedrigeren Lebensverdienstsumme kommt. Nach den Berechnungen des Bundeskanzleramtes sollte dies zwar nicht eintreten, Beamten-Staatssekretärin Sonja Steßl sagte in der Sitzung aber erneut zu, die Bedenken zu prüfen und das Gesetz gegebenenfalls nachzubessern. Ein entsprechender Auftrag wurde ihr in Form einer mehrheitlich angenommenen Entschließung auch von den MandatarInnen erteilt.

Einigen Einwänden trugen die Abgeordneten bereits heute durch einen von den Regierungsparteien vorgelegten und bei der Abstimmung mitberücksichtigten Abänderungsantrag Rechnung. So wurden zur Vermeidung von Einkommenseinbußen die Gehaltstabellen für bestimmte Lehrergruppen neu berechnet und der künftig für Zulagen maßgebliche Referenzwert geringfügig angehoben. Außerdem stellt der Abänderungsantrag sicher, dass Amtstitel und Funktionsstufen sowie andere einstufungsabhängige Ansprüche wie Jubiläumszuwendungen und Reisegebührensätze im Zuge der Überleitung unberührt bleiben. Neu ist auch, dass die Beamten-Gehälter bei der bevorstehenden Gehaltsanpassung im März nicht wie ursprünglich vorgesehen kaufmännisch auf eine Nachkommastelle gerundet, sondern auf ganze Euro aufgerundet werden.

Unabhängig von der Besoldungsreform wird die mit Ende 2014 ausgelaufene Opt-Out-Regelung für Bedienstete mit pauschalierten All-In-Gehältern um ein Jahr verlängert.

SPÖ und ÖVP drängen auf umfassende Dienst- und Besoldungsreform

Die enorme Eile, mit der das Gesetz durch den Nationalrat geschleust wurde, begründeten sowohl Steßl als auch die Abgeordneten der Koalitionsparteien damit, dass es notwendig sei, nach dem EuGH-Urteil so rasch wie möglich Rechtssicherheit zu schaffen und eine zusätzliche Budgetbelastung zu vermeiden. Es dürfe im Zuge der Umstellung aber zu keinen Gehaltseinbußen für die Betroffenen kommen, stellten SPÖ und ÖVP im von ihnen vorgelegten Entschließungsantrag klar.

Mit dem Antrag wird die Bundesregierung auch aufgefordert, noch im März Verhandlungen mit der Beamten-Gewerkschaft über eine umfassende Dienst- und Besoldungsreform zu beginnen, mit dem Ziel, diese bis Ende 2016 abzuschließen.

Opposition hält Vorgangsweise der Regierung für unzumutbar

Die Opposition ließ sich durch den Abänderungsantrag und die Entschließung allerdings nicht besänftigen. Sowohl die FPÖ als auch die Grünen forderten eine Rückverweisung des Gesetzespakets an den Verfassungsausschuss, um ihn dort nochmals eingehend zu beraten. Die Vorgangsweise der Regierung, in aller Eile sowohl den eigentlichen Gesetzestext als auch einen weiteren Abänderungsantrag vorzulegen, sei unzumutbar und untragbar, hielt FPÖ-Abgeordneter Harald Stefan dazu fest. Seiner Ansicht nach kann man nicht wirklich durchblicken, was im Gesetz tatsächlich steht.

Ähnlich argumentierten auch die Abgeordneten Albert Steinhauser (G) und Nikolaus Scherak (N). Die Opposition habe keine Möglichkeit gehabt zu prüfen, ob die vorgelegte Lösung tatsächlich europarechtskonform und finanziell kostenneutral sei, machten sie geltend. "So kann Parlamentarismus nicht funktionieren", bekräftigte Steinhauser und kündigte an, in Hinkunft ohne Kenntnis eines Gesetzentwurfs keinem kurzfristigen Ausschusstermin mehr zuzustimmen. Scherak sprach von einer Zumutung für den Parlamentarismus und einer Verhöhnung des parlamentarischen Prozesses. Steinhausers Fraktionskollege Dieter Brosz bedauerte, dass die Koalitionsparteien durch "die Vorspiegelung falscher Tatsachen" den traditionellen Konsens in der Präsidiale aufs Spiel gesetzt haben.

Nach Meinung von Team-Stronach-Abgeordnetem Robert Lugar (T) ist die vorliegende Lösung keine Lösung. Es gehe der Regierung lediglich darum, Zeit zu gewinnen, um zusätzliche Kosten für den Staat zu vermeiden, glaubt er. Lugar prophezeite, dass auch die Neuregelung vom EuGH aufgehoben werden wird. Scharfe Kritik an der Vorgangsweise übte auch FPÖ-Abgeordneter Christian Lausch.

Steßl: Ohne Gesetzesbeschluss droht SteuerzahlerInnen Kostenlawine

Seitens der Koalitionsparteien hielten die Abgeordneten Otto Pendl (S), Beatrix Karl (V) und Wolfgang Gerstl (V) der Opposition entgegen, dass durch den Entschließungsantrag sichergestellt sei, dass es zu keinen Einbußen bei der Lebensverdienstsumme kommen werde. Es könne durchaus sein, dass bei den Berechnungen aufgrund der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit der eine oder andere Fehler passiert sei, räumte Gerstl ein, er versicherte aber, dass letzten Endes bei keinem Beamten ein Minus, sei es noch so ein geringes, am Gehaltszettel stehen werde.

Was die Konformität mit EU-Recht betrifft, wies Abgeordnete Karl darauf hin, dass sich die nunmehrige Gehaltssystematik am deutschen Modell orientiere und dieses bereits vom Europäischen Gerichtshof geprüft worden sei. Abgeordneter Pendl meinte, auch den Beamten sei Rechtssicherheit ein wichtiges Anliegen.

Die Dringlichkeit des Beschlusses hob SPÖ-Verfassungssprecher Abgeordneter Peter Wittmann hervor. Würde das Parlament keine rasche Entscheidung treffen, käme eine massive finanzielle Belastung auf den Staatshaushalt zu, machte er geltend. Es gebe bereits 6.000 Anträge auf Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags. Seine Fraktionskollegin Angela Lueger bekräftigte, dass mit dem Abänderungs- und dem Entschließungsantrag der Resolution der Beamten-Gewerkschaft Rechnung getragen wurde.

In dieselbe Kerbe wie Wittmann stieß Beamten-Staatssekretärin Sonja Steßl. Ohne einen raschen Parlamentsbeschluss drohe eine Kostenlawine für die SteuerzahlerInnen, zudem würde die bestehende Rechtsunsicherheit prolongiert, mahnte sie. Durch das EuGH-Urteil gebe es derzeit keine klare Rechtslage, ein einheitlicher Vollzug durch die jeweiligen Dienstbehörden sei daher nicht gewährleistet. Steßl wies überdies darauf hin, dass es intensive Gespräche mit der Gewerkschaft gegeben habe. Sie habe bis zuletzt eine Einigung mit der GÖD angestrebt, das sei auch der Grund für die späte Vorlage des Gesetzestextes gewesen.

Bei der namentlichen Abstimmung votierten von 149 Abgeordneten 90 für und 59 gegen das Gesetzespaket. (Fortsetzung Nationalrat) gs