Parlamentskorrespondenz Nr. 280 vom 26.03.2015

Mitterlehner: Einhaltung nationaler Standards bei TTIP gewährleistet

Grüne kritisieren Vorgehen des Wirtschaftsministers hinsichtlich Investitionsschutzklauseln

Wien (PK) – Ein sogenanntes "right to regulate" soll beim umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP die Einhaltung nationaler Standards gewährleisten, wenn es etwa um den Lebensmittel-, Umwelt oder Arbeitnehmerschutz geht. Das habe EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström vor kurzem versichert, sagte Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner heute im Nationalrat. Beim Investitionsschutz, dem "Dreh- und Angelpunkt" des Abkommens, geht es nach den Grünen, will Mitterlehner eine "qualitative und hochwertige Lösung" finden. Nicht nachvollziehen konnten die Grünen, warum die Bundesregierung, insbesondere der Wirtschaftsminister, nicht im Sinne einer im vorigen Jahr im Nationalrat beschlossenen Entschließung etwa gegen entsprechende Klauseln zum Investorenschutz (ISDS-Klauseln) agiert. Anlass zur TTIP-Diskussion gab ein EU-Vorhabensbericht zu den Bereichen Wissenschaft und Wirtschaft, der schließlich mehrheitlich zur Kenntnis genommen wurde.

Thema sind im Bericht nicht nur europäische Programme zur Unterstützung von Forschung und Innovation, auch wirtschaftspolitische Pläne wie die Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada (CETA) und den USA (TTIP) werden darin behandelt. Kritische Töne kamen speziell zu den Investitionsschutzklauseln in diesen Handelsvereinbarungen, aber nicht nur seitens der Oppositionsparteien.

Investitionsschutz: Grüne fordern Einhaltung des Nationalratsbeschlusses

Vorwürfe gegenüber dem Vorgehen der Bundesregierung und insbesondere des Vizekanzlers und Wirtschaftsministers Reinhold Mitterlehner rund um die Investitionsschutzklauseln in den jüngsten TTIP-Verhandlungen kamen von den Grünen. Anlass dafür ist der bereits kontrovers diskutierte Investitionsschutz, der "Dreh- und Angelpunkt" im Abkommen, geht es nach Werner Kogler (G), der nicht nachvollziehen konnte, warum Österreich, und insbesondere Mitterlehner, bei den ISDS-Klauseln nicht im Sinne des im Vorjahr getätigten Nationalratsbeschlusses agiert und klar dagegen auftritt. Es gehe nicht an, dass das verhandelnde Wirtschaftsministerium in eine andere Richtung marschiert, machte Kogler geltend, die Regierung habe vom Parlament einen klaren Auftrag erhalten. Dieser werde laut Kogler nun de facto unelegant umgangen. "Halten sie sich daran, was hier beschlossen worden ist" mahnte Kogler ein.

Auch Ruperta Lichtenecker von den Grünen verwies auf den Beschluss des Parlaments, sie hoffe, dass er auch eingehalten werde. Widersprüchlich sei das unterschiedliche Auftreten der beiden Regierungsfraktionen, was es brauche sei eine geschlossene Vorgehensweise im Sinne des Nationalratsbeschlusses. Es gehe nun um Transparenz, um die Offenlegung der Verhandlungen sowie darum, dass Konzernen keine zusätzlichen Rechte zugestanden werden. Außerdem müssten die europäischen Standards in der Umwelt und im Konsumentenschutz aufrechterhalten bleiben. Es brauche eine konsequente und geradlinige Haltung Seites der österreichischen Regierung zusammen mit dem Parlament, für die BürgerInnen, sagte Lichtenecker.

Mitterlehner für qualitativ hochwertige Investitionsschutzlösung

Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner wandte sich entschieden gegen die Vorwürfe der Grünen. Geht es nach ihm, sei durch das "right to regulate" im Abkommen für jedes Land garantiert, seine Standards bei Lebensmitteln, im Konsumenten- und Arbeitnehmerschutz festzulegen. Das habe die EU-Handelskommissarin Malmström garantiert, aus seiner Sicht sei damit dieser Bereich, der auch aus verschiedenen Resolutionen von Gemeinden und Ländern und eben auch als Auftrag vom Parlament in die Diskussion miteingebracht wurde, in den Verhandlungstexten gut abgedeckt. Die Angst Österreichs vor gefährdeten Standards sei damit gebannt. Außerdem sei der Beschluss des Nationalrats "dynamisch interpretativ" zu sehen. Darin stehe auch nicht, dass das Thema nicht verhandelt oder beschlossen werden darf. Mitterlehner selbst sieht seine Aufgabe darin, einen qualitativen, hochwertigen Investitionsschutz vorzulegen. Ein "gemischtes Abkommen", wofür er eintrete, müsse dann vom Parlament ohnehin entweder ratifiziert oder abgelehnt werden. Ein Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada könnte überdies helfen, die siebenjährige Wirtschaftskrise zu überwinden. Österreich habe bereits "hunderte Freihandelsabkommen", die zu einer Exportquote von 60 % geführt hätten, meinte Mitterlehner. Würde man diese Chance mit den USA und Kanada nicht nutzen, würden sich diese Länder in Zukunft geopolitisch in Richtung China und Asien orientieren, prognostizierte er.

Von Seiten der ÖVP machten Eva-Maria Himmelbauer, Brigitte Jank und Fritz Grillitsch Stimmung für das Freihandelsabkommen, dieses sei positiv für Österreich als Exportnation, so der Tenor. Das "right to regulate" wurde von allen drei MandatarInnen begrüßt. Dass einzelne Staaten auch Regeln im Sinne der Allgemeinheit, des Umwelt- und Verbraucherschutzes aufstellen können, sei sinnvoll, sagte Himmelbauer. Es gehe darum, Chancen wahrzunehmen, um österreichische Exporte vorantreiben, Arbeit schaffen zu können und die Kaufkraft zu stärken, meinte Grillitsch, die europäische Union müsse in diesen Verhandlungen aber auch eine große Schutzfunktion wahrnehmen, damit die hohen Standards nicht ausgehöhlt werden. "Handelsabkommen mit Drittstaaten sind für unsere Exportwirtschaft ohne Alternative", so auch das Urteil von

Brigitte Jank (V). Österreich habe bereits 62 solcher Handelsabkommen mit anderen Staaten, daher sei das Abkommen zwischen der EU und den USA mit aller Klarheit zu begrüßen. "Wer Wirtschaft haben will, der muss auch dahinter stehen", sagte Jank.

TTIP sowie die damit verbundenen Investitionsschutzklauseln gaben im Nationalrat aber nicht nur der Opposition Anlass zur Kritik. Christine Muttonen von der SPÖ meinte etwa, dass intensive Handelsbeziehungen mit den USA weder per se gut noch schlecht seien, die Frage der Ausgestaltung hinsichtlich ArbeitnehmerInnen, VerbraucherInnen und der Umwelt sei aber zentral. Auch sie verwies auf die Entschließung des Parlaments, diese werde vom Bundeskanzler und von ihrer Fraktion in allen Verhandlungen deponiert, sagte sie. Die darin geforderte Einhaltung hoher sozialer, datenschutzrechtlicher und ökologischer Mindeststandards sei auch in der Erklärung Österreichs für das Protokoll des Europäischen Rates durch den Bundeskanzler festgehalten. "Eine Absenkung der europäischen Standards gilt es zu verhindern", sagte sie und wandte sich gegen ISDS-Klauseln im Abkommen. Geht es nach ihrem Fraktionskollegen Philip Kucher, wäre es widersprüchlich, mit Forschungsprogrammen auf europäischer Ebene zu versuchen, zentrale gesellschaftspolitische Herausforderungen wie den Umweltschutz oder den Kleinwandel lösen zu wollen, gleichzeitig aber einer Nivellierung von TTIP zuzustimmen. Das Parlament habe sich dazu bereits positioniert, man müsse weiterhin kritisch bleiben, was das Freihandelsabkommen anbelangt. Auch nach der Meinung Axel Kasseggers von der FPÖ seien Sonderklagsrechte für Konzerne mit einem entwickelten Rechtsstaat nicht vereinbar.

Nationalrat: EU-Vorhabensbericht zu Wissenschaft und Wirtschaft ambitioniert

Horizon 2020 und Erasmus+ sind jene beiden europäischen Projekte, die vom Nationalrat hinsichtlich der EU-Vorhaben in den Bereichen Wirtschaft und Wissenschaft ausschließlich positiv bewertet werden. Bei Horizon 2020 gehe es um die großen Fragen der Zukunft, die Sicherung des Wohlstandes, der Arbeit, der erneuerbare Energie, sagte etwa Philip Kucher (S). In dieses Projekt würden rund 80 Mrd. investiert, Österreich selbst habe dabei einen höheren Rückfluss, als es investiere.

"Wir leben in einer globalisierten Wirtschaft", machte Axel Kassegger für die FPÖ geltend, deshalb sei es auch Aufgabe der europäischen Politik, den Standort Europa für die Wirtschaft so attraktiv wie möglich zu machen, sagte er und ortete dementsprechenden Handlungsbedarf etwa in der Ausbildung der Menschen oder bei den sogenannten Inputkosten. "In Österreich ist im Bereich der Bildung eine Permanentbaustelle zu verzeichnen" kritisierte Kassegger zudem und sprach sich auch gegen zu hohe Lohn- und Nebenkosten aus, die sich negativ auf die Rahmenbedingungen auswirken würden. Europa befinde sich im globalen Wettbewerb der Standorte, er selbst habe den Eindruck, dass es sehr aufpassen müsse, seine Position zu halten. Das brennendste Problem für die Freiheitlichen sei aber die explodierende Arbeitslosigkeit. Deswegen brauche es eine Energiepolitik, deren oberstes Ziel die Schaffung von wertschöpfenden Arbeitsplätzen und der Erhalt einer sauberen Umwelt ist.

Karlheinz Töchterle (V) hob hervor, wie wichtig Wissenschaft, Forschung und internationale Vernetzung für die Weiterentwicklung des europäischen Raumes sind und begrüßte, dass diese Bereiche im EU-Vorhabensbericht zentralen Stellenwert einnehmen. Etwa durch die Projekte Horizon 2020 und Erasmus+ würden neben der bisherigen Studierendenmobilität weitere zusätzliche Möglichkeiten für internationale Vernetzungen und Kommunikation zwischen Studierenden und Forschenden geschaffen.

Für die NEOS beschäftigte sich Nikolaus Alm mit den Bereichen "Small Business Act", digitale Wirtschaft, digitaler Binnenmarkt und Start-Ups. Aufs Tapet brachte der Abgeordnete dabei drei Forderungen seiner Fraktion. Die erste betrifft die Förderung von unternehmerischem Handeln, das etwa dadurch gestärkt werden könne, dass man MitarbeiterInnen am Erfolg partizipieren lässt, wie Alm vorschlug. Ein weiteres Anliegen der NEOS zielt auf ein "Förderreform-Konzept" für KMUs und Start-Ups ab. Die beiden entsprechenden von Alm eingebrachten Anträge wurden im Plenum aber abgelehnt. Eine weitere Forderung der NEOS zielt auf einen besseren Zugang für Finanzmittel und Märkten für KMUs ab. "Wir haben eine hübsche Trägerrakete gebastelt" sagte Alm und machte auf einen Gesetzesentwurf zum Thema Crowdfunding aufmerksam. Ein dementsprechendes Gesetz sollte eigentlich seit über einem Jahr beschlossen sein, kritisierte Alm.

Eva-Maria Himmelbauer (V) meinte, dass das vorliegende Arbeitsprogramm versuche, bestimmten Handlungsfeldern als Staatengemeinschaft Rechnung zu tragen. In einem weltweiten Wettbewerb müsse die Politik Rahmenbedingungen schaffen, um Innovations-, Forscher- und Gründergeist zu wecken. Positiv strich die Mandatarin hier etwa Horizon 2020 oder Erasmus+ hervor, nicht zu vergessen sei aber auch der IKT-Sektor, in dem es gelte, Entwicklungen durch die Schaffung eines digitalen Binnenmarktes zu stärken.

Andrea Kuntzl (S) machte darauf aufmerksam, dass der Wissenschaftsfonds (FWF) die Overheadkosten bei der wissenschaftlichen Förderung in Österreich reduzieren muss. Ein Schritt, der die Universitäten und Forschungseinrichtungen schmerzhaft trifft, sagte sie und sprach sich dafür aus, eine Lösung im Sinne der Förderung wissenschaftlicher Forschung herbeizuführen.

Als eines der wichtigsten Projekte innerhalb der Europäischen Union wertete auch Wirtschaftsminister Mitterlehner Erasmus+, das nun neben der Forschung auch auf Lehrlinge und SportlerInnen erweitert wurde. "Für uns ist es wichtig, dass wir Europa mit Mobilität und Bewegung leben", sagte er. 5800 österreichische Studierende hätten 2013/2014 einen derartigen Aufenthalt im Ausland absolviert. Was die Wirtschaft betrifft, gebe es nach wie vor zu wenig Wachstum in Europa. Die notwendige, schnelle Strukturveränderung blleibe aus, außerdem sei man mit Sanierungsprogrammen im Bereich der Budgets konfrontiert. Daher sei Wachstum, Umstrukturierung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit auch bei allen EU- Einrichtungen zentrales Ziel. Hierfür soll etwa im Bereich des Binnenmarktes die Anerkennung von Berufsqualifikationen genutzt werden. (Fortsetzung Nationalrat) keg