Parlamentskorrespondenz Nr. 342 vom 09.04.2015

Von innerstaatlichen und europäischen Problemen der Wirtschaft

Novellen zur Gewerbeordnung und zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb passieren Bundesrat

Wien (PK) – Die Jahresvorschau 2015 über EU-Vorhaben im Bereich des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft gab den Bundesrätinnen und Bundesräten im heutigen Plenum Anlass, die unterschiedlichsten Aspekte dieser Themenbereiche anzusprechen. Der gegenständliche Bericht wurde mit Mehrheit zur Kenntnis genommen. Zudem passierten die Novelle zur Gewerbeordnung, die auch für Rauchfangkehrer mehr Wettbewerb bringen wird, und EU-Anpassungen im Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb die Länderkammer.

Mitterlehner: Die EU hat die Probleme erkannt

"Die EU hat die Probleme erkannt", stellte Bundesminister Reinhold Mitterlehner in seiner Stellungnahme zu den EU-Vorhaben fest. Man wolle die Wirtschaft forcieren und in einigen Bereichen einen Neuanfang machen. Dazu müsse die Wirtschaft umstrukturiert werden, aber auch in den Sozialsystemen, wie zum Beispiel bei den Pensionen, seien Reformen notwendig. Als europäische Ansatzpunkte zur Überwindung der Krise nannte der Vizekanzler unter anderem die EU-Investitionsoffensive, mit der er die Hoffnung verknüpfte, die Investitionsbremse zu lösen. Die Energieunion wiederum hat zum Ziel, die europäische Zusammenarbeit zu verbessern, wobei die Nuklearenergie ein Problem bleibt, gab er zu bedenken. Vom Digital-Binnenmarkt erwartet sich Mitterlehner die Erhöhung der Konkurrenzfähigkeit. In diesem Zusammenhang wies er darauf hin, dass Österreich beim E-Government an der Spitze liegt.

Die Bundesregierung habe bei der letzten Regierungsklausur in Krems auch 15 Maßnahmen beschlossen, die in Richtung jener Vorschläge gehen, die von den österreichischen Leitbetrieben in einem 70 Seiten umfassenden Papier vorgelegt worden sind. Mitterlehner reagierte damit auf die Wortmeldung von Bundesrat Reinhard Pisec (F/W), der die Forderungen der Leitbetriebe, etwa nach einer radikalen Senkung der Lohnnebenkosten und nach Erhöhung des Gewinnfreibetrags, vollinhaltlich unterstützt hat. Die Industrie brauche den Kapitalmarkt, sagte Pisec, die Erhöhung der Kapitalertragssteuer sei daher kontraproduktiv. Auch sollten Investitionen belohnt werden. Pisec wies darauf hin, dass jeder zweite Arbeitsplatz von der Industrie und den Klein- und Mittelbetrieben geschaffen wird. Aufgrund der hohen Belastungen verlagere die Industrie aber ihre Standorte ins Ausland, beklagte er.

In die gleich Kerbe schlug Gerald Zelina (T/N), der von einer "Rekordverschuldungspolitik" und einer "Rekordsteuerpolitik" sprach. Die Regierung verfolge eine Rezessionsstrategie anstelle einer Wachstumsstrategie durch Investitionen und Internationalisierung. Das würde Arbeitsplätze schaffen und zur Finanzierung der Sozialsysteme beitragen. Zelina zufolge muss man in Start-Up-Unternehmen, Innovation und Erfindergeist investieren. Statt dessen leide die österreichische Wirtschaft unter hohen steuerlichen Belastungen und unnötiger Bürokratie. Es fehle an Maßnahmen, das Unternehmertum attraktiver zu gestalten, so seine weitere Kritik. Schließlich forderte Zelina Reformen bei den Pensionen, im Gesundheitssystem und in der Verwaltung ein und drängte darauf, dass EU-Projekte nachhaltig und ökologisch sind.

Die Ablehnung des Berichts durch die FPÖ wurde von Gerd Krusche (F/St) auch mit dem Argument bekräftigt, dass die österreichische Position zu den EU-Vorhaben generell unkritisch ist. Er bezweifelte zudem, dass mit der geplanten EU-Investitionsoffensive tatsächlich 315 Mrd. € gehebelt werden können.

Positiv äußerte sich Stefan Schennach (S/W), der die Bedeutung der Energieunion hervorhob. Energieeffizienz und Maßnahmen gegen den Klimawandel seien ein Wachstumsmotor, schafften Arbeitsplätze und gewährleisteten Energiesicherheit, zeigte er sich überzeugt. Der Bau schneller Glasfasernetze und ein guter Datenschutz erhöhen zudem die europäische Wettbewerbsfähigkeit, sagte Schennach. Zuversichtlich äußerte sich der SPÖ-Mandatar zum geplanten "Small Business Act", mit dem umweltfreundliches Unternehmertum gefördert wird und darüber hinaus Klein– und Mittelbetriebe besser mit der europäischen Wirtschaft verbunden werden.

Mitterlehner: TTIP kann zur Überwindung der Krise beitragen

Kurz war in der Debatte auch das Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) Thema. Efgani Dönmez (G/O) kritisierte die mangelnde Transparenz und hielt es für unumgänglich, das fertige Abkommen von den nationalen Parlamenten ratifizieren zu lassen. Gerd Krusche (F/St) vermisste allgemein im Bericht des Ministers Aussagen zu TTIP.

Darauf reagierte Bundesminister Mitterlehner mit der Bemerkung, TTIP sei ein Ansatz, die Wirtschaftskrise zu bewältigen, und zwar, wenn es gut gemacht ist. Er räumte Fehler bei der Vorgangsweise, insbesondere in Bezug auf die nötige Transparenz, ein, wies aber die seiner Meinung oft unbegründeten Befürchtungen zurück. Durch das sogenannte "right to regulate" können die Länder ihre Standards festschreiben und dieses Recht werde im Vertrag auch konkreter formuliert, stellte er fest. Der Minister verteidigte auch die geplanten Schiedsgerichte, verband dies aber mit der Forderung, dass diese nach rechtstaatlichen Kriterien handeln und von RichterInnen geleitet werden. Für Klein- und Mittelbetriebe mache es einen Unterschied, ob sie zivilgerichtlich klagen müssen, was mit hohen Kosten verbunden sei, oder ob sie ein Schiedsgericht anrufen können, so der Ressortchef.

Mitterlehner wies auch den immer wieder an ihn gerichteten Vorwurf zurück, er halte sich nicht an die vom Nationalrat im Vorjahr angenommene Entschließung. Darin heiße es nämlich, der Nationalrat könne derzeit die geplanten ISDS-Klauseln noch nicht bewerten. Er untersage ihm jedoch nicht, weiter zu verhandeln.

Wissenschaftliche Vernetzung und hohe Mobilität bringen Vertiefung Europas

Nachdem der Bericht auch Wissenschaft und Forschung umfasst, gingen einige Redner auf diesen Bereich ein. Gerd Krusche (F/St) kritisierte, dass die Wissenschaft etwas zu kurz komme, ihm fehlen auch Aussagen zur Finanzierung von Wissenschaft und Forschung. Darüber hinaus forderte er eine Gegenstrategie zur Abwanderung von ForscherInnen ein.

Für Josef Saller (V/S) bietet der Bericht im Gegensatz dazu eine gute Information. Der Ausbau des europäischen Forschungsraums durch Prioritätensetzung sichert ihm zufolge die Zukunft in vielfältiger Weise. Vor allem für ein kleines Land wie Österreich, das sich von der globalen Forschung nicht abkoppeln könne, sei die internationale Vernetzung von enormer Bedeutung.

Auch Stefan Schennach (S/W) konnte die Kritik Krusches nicht nachvollziehen. Anhand eines umfassenden Zahlenmaterials illustrierte er die rege Mobilität im gesamten Bildungs- Wissenschafts- und Forschungsbereich. "Das ist die Vertiefung Europas", sagte er und wies darauf hin, dass die österreichischen Universitäten nach wie vor für ausländische Studierende außerordentlich attraktiv sind. Österreich nehme dabei den zweiten Platz nach Großbritannien ein. Außerdem betrage der brain drain maximal 20%, erwiderte er den Befürchtungen Krusches.

Das wurde auch von Bundesminister Reinhold Mitterlehner bestätigt. Österreich könne auf eine erfolgreiche Bilanz verweisen, so der Minister, und sei im Bereich der Forschung eine gute Drehscheibe. Die Forschungsfinanzierung über den FWF ist nach Angaben des Ministers ausreichend, bei der Einreichung von Projekten liegt Österreich an vierter Stelle innerhalb der EU.

Diskussion um Liberalisierung der Gewerbe

Liberalisierungsschritte und damit mehr Wettbewerb bringt die Novelle der Gewerbeordnung, die den Bundesrat mehrheitlich gegen die Stimmen der FPÖ und der Grünen passierte. Demnach sollen etwa bei Rauchfangkehrern das Erfordernis der Niederlassung in Österreich, die Bedarfsprüfung und die Beschränkung auf Kehrgebiete als Voraussetzung für die Ausübung des Gewerbes nur mehr für sicherheitsrelevante Tätigkeiten gelten. Andere Bestimmungen haben etwa Erleichterungen beim Handel mit kosmetischen Produkten oder die Gleichstellung von Schweizer Gewerbetreibenden mit EU-BürgerInnen bei der Ausübung eines Gewerbes in Österreich zum Inhalt.

Reinhard Pisec (F/W) begründete die Ablehnung der Vorlage mit der Feststellung, dass Rauchfangkehrer ein Anrecht auf Gebietsschutz haben. Die negative Haltung der Grünen wurde von Marco Schreuder (G/W) im Gegensatz dazu mit dem Argument erklärt, dass seine Fraktion für mehr Liberalisierung und gegen den Gebietsschutz eintritt, zumal die feuerpolizeilichen Vorgaben für alle Bundesländer gleich sind. Dementsprechend sah Schreuder einen dringenden Reformbedarf in Bezug auf die Gewerbeordnung und führte als absurde Beispiele etwa an, dass Reinigungskräfte für Privatwohnungen keine Büros reinigen dürfen, AbsolventInnen einer Modeschule nicht schneidern dürfen und FingernageldesignerInnen nicht befugt sind, auch Fußnägel zu behandeln. Dem hielt Anneliese Junker (V/T) entgegen, im Umgang mit Fußnägeln brauche man auch medizinische Kenntnisse.

Für sie ist es wichtig, das Sicherheitsniveau zu gewährleisten. Es gehe um den Schutz der Unternehmen, die wissen müssen, was sie tun dürfen, und um den Schutz der KonsumentInnen, die sich darauf verlassen können müssen, dass die Unternehmen die Dienstleistung auch können. Ähnlich reagierte Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, der Regelungen dort für notwendig erachtet, wo es etwa um Sicherheit, Gesundheit und Finanzen geht. Mit der Gewerbeordnung habe man gute Erfahrungen gemacht, stellte er fest, in der Praxis gebe es keine Probleme, mehr Gewerbe anzumelden.

Unterstützt wurde die Novelle auch von den Bundesräten Franz Perhab (V/St) und Hans-Peter Bock (S/T). Das Rauchfangkehrergewerbe müsse sich großen Herausforderungen stellen, und dabei gehe es um Sicherheit und Qualität, sagte Perhab. Im Hinblick auf die Diskussion um eine weitere Liberalisierung der Gewerbe wies er darauf hin, dass für Klein- und Kleinstgewerbe in Zukunft gewerberechtliche Genehmigungen entfallen sollen. Das bringe eine Erleichterung und sei der richtige Weg in die Zukunft. Heute sind bereits 65% der Gewerbe freie Gewerbe, ergänzte Bock, der wie andere RednerInnen die Wichtigkeit einer guten Ausbildung in den Unternehmen unterstrich.    

Wettbewerb muss fair sein

Ebenfalls ohne Einspruch blieb die formelle Anpassung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, durch die nun die EU-Konformität sichergestellt wird. Das Votum erfolgte mehrheitlich, da die FPÖ kein Verständnis dafür aufbrachte, dass der ursprüngliche verständliche Gesetzestext nun durch einen komplizierten und von der EU vorgegebenen Text ersetzt werde. Das sei kein Beitrag zur Rechtssicherheit, betont Gerd Krusche (F/St), der es grundsätzlich für bedenklich befand, gezwungen zu sein, einen Text aus einer Richtlinie zu übernehmen. "Das riecht nach Willkür der Brüsseler Bürokraten", so Krusche.

Klaus Fürlinger (V/O) konnte sich dieser Meinung nicht anschließen. Wie Hans-Peter Bock (S/T) unterstrich er die Notwendigkeit der vorgenommenen Klarstellungen vor allem hinsichtlich der aggressiven Praktiken und der Irreführung. Es gehe nämlich um einen fairen Wettbewerb sowie um den Schutz der KonsumentInnen und der Mitbewerber. Bock würde sogar über die vorgenommenen Konkretisierungen in der Novelle hinausgehen und regte an, auch Informationen zu geben, unter welchen Bedingungen Produkte erzeugt werden. Er würde es darüber hinaus auch als fair und gerecht betrachten, wenn die jeweiligen Sozialsysteme bewertet würden. Dem schloss sich Marco Schreuder (G/W) an. Bundesminister Reinhold Mitterlehner unterstrich in seiner Stellungnahme, dass die vorgenommenen Präzisierungen die Rechtssicherheit erhöhen. (Fortsetzung Bundesrat) jan


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