Parlamentskorrespondenz Nr. 1154 vom 29.10.2015

Familienpolitik in Österreich: Bilanz und Ausblick

Aktuelle Stunde mit Familienministerin Sophie Karmasin im Bundesrat

Wien (PK) – Viel Lob für Familienministerin Sophie Karmasin gab es heute im Bundesrat im Rahmen der Aktuellen Stunde seitens der ÖVP und der SPÖ. Die Debatte stand unter dem Titel "Familie und Jugend: Weichen für die Zukunft"

Die RednerInnen beider Fraktionen hoben hervor, dass in den letzten zwei Jahren in der Familienpolitik viele positive Schritte gesetzt worden seien und die ÖsterreicherInnen ihr Land als familienfreundlich bewerten. Tenor war gleichzeitig, dass noch vieles zu tun sei. Anerkennung zollten der Ministerin auch die Grünen, Kritik äußerten sie aber daran, dass es bislang noch nicht gelungen sei, die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften abzuschaffen. Ein negatives Bild der Familienpolitik der letzten zwei Jahre zeichneten hingegen die Freiheitlichen und das Team Stronach. Ihnen zufolge sind Familien Verlierer der Steuerreform, im Vordergrund müsste stehen, dass Familien tatsächlich frei entscheiden können, ob sie ihr Kind selbst betreuen wollen oder in eine Kinderbetreuungseinrichtung geben.

Neue oberösterreichische BundesrätInnen, Grüne behalten Fraktionsstatus

Vor Beginn der Debatte wurden jedoch nach der Oberösterreichischen Landtagswahl die neuen BundesrätInnen angelobt. Neue MandatarInnen sind Michael Lindner (S/O), Michael Raml (F/O), Thomas Schererbauer (F/O), Rosa Ecker (F/O) und David Stögmüller (G/O). Wiedergewählt wurden Gottfried Kneifel (V/O), Klaus Fürlinger (V/O), Ferdinand Tiefnig (V/O), Peter Oberlehner (V/O) und Ewald Lindinger (S/O). Neues Mitglied in der Länderkammer aus Niederösterreich ist Sandra Kern (V/N).

Nach einem einstimmigen Beschluss behalten die Grünen auch weiterhin ihren Fraktionsstatus, obwohl sie nur über vier MandatarInnen verfügen.

Wirtschaft- und Familienpolitik sind kein Gegensatz

Sie wolle Österreich bis zum Jahr 2025 zum familienfreundlichsten Land machen, bekräftigte Familienministerin Sophie Karmasin in ihrer Stellungnahem vor dem Bundesrat und zeigte sich zuversichtlich, dass dies auch zu schaffen sei. Dass die Schritte, die seit 2014 gesetzt wurden, auch von den Menschen gespürt werden, untermauerte die Ministerin mit dem Hinweis auf den Familienfreundlichkeitsmonitor, wonach 63% der Bevölkerung Österreich als familienfreundlich einstuft. Der diesbezügliche Prozentsatz habe sich verdoppelt, damit liege man an zweiter Stelle in Europa, sagte Karmasin. Auch habe das Familienministerium die meisten zusätzlichen Mittel aus dem Budget erwirken können, konnte sie berichten.

Die Ressortchefin schlug aber auch einen Bogen zur Wirtschaftspolitik, indem sie die Bedeutung familienfreundlicher Rahmenbedingungen für die Wettbewerbsfähigkeit und den Standort hervorhob. Familienfreundliche Betriebe ziehen Familien an und halten Menschen länger im Betrieb, so Karmasin. Die von ihrem Ministerium im März diesen Jahres ins Leben gerufene Initiative für mehr Familienfreundlichkeit habe zum Ziel, familienfreundliche Arbeitsbedingungen und Lebensräume zu schaffen. Die dafür eigens eingerichtete Online-Plattform biete ein Netzwerk, um sich auszutauschen und Best-Practice-Modelle vorzustellen. Derzeit würden sich 138 Unternehmen daran beteiligen. Auch das staatlich Gütezeichen für familienfreundliche Unternehmen und Institutionen habe Wirkung gezeigt.

Noch ist viel zu tun

Karmasin räumte ein, dass man noch mit vielem nicht zufrieden sein könne, man arbeite aber mit Nachdruck daran, die gesetzten Ziele auch zu erreichen. So sei die die Geburtenrate mit 1,46 Kinder pro Frau zu gering, es sei aber ein leichter Anstieg zu verzeichnen. Auch bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei man noch nicht dort angelangt, wo man hinmüsse, aber es sei gelungen, die Kinderbildungs- und Kinderbetreuungsangebote auszubauen. Für die Beschleunigung des Ausbaus der institutionellen Angebote stelle der Bund in den Jahren 2014-2017 305 Mio. € zur Verfügung. Bisher seien 8.500 neue Plätze geschaffen worden. Auch die Verlängerung des verpflichtenden Gratiskindergartenjahres werde mit dem heutigen Beschluss des Bundesrats besiegelt, freute sich die Ministerin. Es hapere allerdings noch bei den Öffnungszeiten, stellte sie fest und unterstrich gegenüber kritischen Wortmeldungen, dass es keineswegs um eine Verpflichtung gehe, Kinder in Betreuungseinrichtungen zu geben, sondern um Optionen. Derzeit arbeite man an einem Qualitätskompass für Kindergärten. Die unter wissenschaftlicher Begleitung dafür maßgeblichen Parameter würden derzeit ausgearbeitet und Anfang nächsten Jahres vorgestellt, berichtete sie. 

Als viel zu gering stufte die Ministerin die Väterbeteiligung bei der Kindererziehung ein, was dramatische Konsequenzen für beide Elternteile habe. Partnerschaft schaffe einfach mehr Lebensoptionen, konstatierte sie und fügte mit Bedauern hinzu, dass der Anteil der Frauen in Führungspositionen nur im Schneckentempo steige.  

Karmasin zieht kurze Bilanz über Familienleistungen

Karmasin zog auch eine kurze Bilanz über die verbesserte monetäre Unterstützung der Familien und erinnerte an die Erhöhung der Familienbeihilfe in drei Schritten sowie an die Erhöhung des Zuschlags für erheblich behinderte Kinder. Das seien in Summe 827,8 Mio. € mehr Mittel für die Familien. Die Ministerin knüpfte an diese stufenweise Erhöhung die Hoffnung, dass man diesen Weg konsequent fortsetzen werde. Die Steuerreform mit der Verdoppelung des Kinderfreibetrags von 220 auf 440 € jährlich bringe den Familien eine Entlastung von rund 100 Mio. €, womit die steuerliche Entlastung für Familien rund 1.545 bis 1.630 € jährlich betrage. Durch die Familienleistungen habe sich auch das Risiko von 26% armutsgefährdeter Familien auf 14% verringert, hielt Karmasin fest, ohne dabei Zufriedenheit ausdrücken zu wollen.

Als eine wesentliche Erleichterung für Familien und Verwaltung bezeichnete sie die Einführung er antragslosen Familienbeihilfe und zeichnete damit ein Bild eines geglückten Schrittes zur Verwaltungsreform. Seit 1. Mai 2015 seien 32.000 Fälle ohne Fehler abgewickelt worden, die Durchlaufzeit bei der Erledigung im Finanzamt betrage rund 2,47 Tage, in 42% der Fälle weniger als einen Tag.

Karmasin kündigt Familienbetreuungsgeld-Konto an

Karmasin teilte die in der Diskussion vorgebrachten Einwände hinsichtlich der unterschiedlichen Kinderbetreuungsgeldvarianten. Sie kündigte daher die Einrichtung eines Kinderbetreuungsgeld-Kontos an, wodurch individuelle und flexible Entscheidungen der Eltern weiterhin gewährleistet bleiben, die derzeitigen Pauschalvarianten jedoch vereinfacht werden sollen. Ziel sei es vor allem, bei unterschiedlichen Varianten gleiche Beträge auszubezahlen. Es werde auch einen Partnerschaftsbonus geben, um die Väterbeteiligung anzuheben.

Neue Medien halten Einzug in die Familienpolitik

Abschließend wies die Ministerin auf das umfangreiche digitale Angebot für Familien hin. So können mit der "FamilienApp" Eltern interessante Tipps und Hinweise abrufen. Ein weiteres Angebot ist das Erziehungsmagazin "ElternTipps" sowie die Website www.eltern-bildung.at. Um die Medienkompetenz zu stärken, wurde das Konzept "digi4family" ins Leben gerufen, unter anderem können Eltern sogenannte Webinare nutzen. Auch werden ab nächstem Jahr E-Books zusätzlich zu den gedruckten Schulbüchern kommen.

Karmasin ging auch kurz auf die Beratungsstelle Extremismus ein, die bislang 790 Anrufe entgegengenommen hat. Das Konzept umfasst nicht nur die Hotline sondern auch Hilfe in Form von einem mobilen Beratungsteam sowie einem Angebot an Fort- und Weiterbildung.  

Bei Kinderbetreuung ist in Gemeinden noch viel Bewusstseinsbildung zu leisten

Seitens der ÖVP-RednerInnen wurden insbesondere die Fortschritte in der Familienpolitik unter der Ära Karmasin hervorgehoben. Die zusätzlichen Mittel für Familien in der Höhe von rund 828 Mio.€ seien eine große Leistung angesichts der schwierigen budgetären Situation, stellte Sonja Led-Rossmann (V/T) fest. Die Weichen für die Zukunft seien gestellt, meinte auch ihr Fraktionskollege Edgar Mayer (V/V). Es habe sich als zielführend erwiesen, ein eigenes Familienministerium zu installieren, sagte er und unterstrich, von der Steuerreform würden insbesondere die Familien des Mittelstands profitieren.

Die Tiroler Bundesrätin Ledl-Rossmann wies zudem auf die unterschiedlichen strukturellen Voraussetzungen der einzelnen Regionen hin, daher gelte es auch gerade beim Ausbau der Kinderbetreuung, für Kleinstgemeinden bis hin zu Ballungszentren individuelle Lösungen zu finden. Sie verhehlte auch nicht, dass in diesem Zusammenhang innerhalb der Gemeinden noch viel Bewusstseinsbildung zu leisten sei und unterstrich, dass sich Familien in erster Linie in kinderfreundlichen Gemeinden ansiedeln werden.

Wie auch später Marco Schreuder (G/W) sprach die ÖVP-Mandatarin das Thema Pflege an. Familienpolitik darf sich nach Meinung der beiden nicht nur auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf konzentrieren, sondern müsse auch die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege besonders im Auge behalten. Derzeit sei die Betreuung der Älteren sowohl beruflich als auch monetär schwer zu schaffen, sagte Schreuder.

Jahr der Jugendarbeit 2016

Edgar Mayer thematisierte zudem das geplante Jahr der Jugendarbeit 2016. Hier gehe es um Bildung und Beschäftigung, Lebensqualität und Jugendbeteiligung. Ziel sei die Stärkung der Jugendpolitik und die öffentliche Präsenz außerschulischer Jugendarbeit. Das Jahr der Jugendarbeit sei gemeinsam mit den LandesjugendrätInnen beschlossen worden, ergänzte Ministerin Karmasin. Einmal im Monat würden ausgezeichnete Jugendprojekte einzelner Bundesländer vorgestellt. Die Auftaktveranstaltung sei für den 15. November vorgesehen. 

Bildung ein Mittel gegen Kinderarmut

Das Thema Armut beschäftigte vor allem die Burgenländische Bundesräten Inge Posch-Gruska (S/B). 25% Prozent der Kinder und Jugendlichen, das seien rund 408.000, haben das Risiko, in die Armut abzurutschen. Das betreffe vor allem Alleinerziehende und Migrantenfamilien, sagte sie. Für Posch-Gruska ist in diesem Zusammenhang vor allem die soziale Integration, insbesondere durch Sprache, Sport, Umwelt und Kultur maßgeblich, was durch den frühen Besuch von Kinderbetreuungseinrichtungen geleistet werden könne. Hier habe die Ministerin viel beigetragen, zollte sie Karmasin Anerkennung und hoffte vor allem auf ganztägige Schulformen und ein Rahmengesetz für die Kindergärten, um tatsächlich gleiche Chancen bieten zu können. Als Bürgermeisterin einer Gemeinde ersuchte sie die Ministerin, die Gebietskörperschaften nicht nur bei der Finanzierung sondern auch bei den Konzepten zu unterstützen. Die Bedeutung der Elementarpädagogik hob auch ihre Fraktionskollegin Daniela Gruber-Pruner (S/W) hervor. Dabei gehe es nicht um Familie versus Elementarpädagogik, sondern um ein Miteinander, stellte sie klar. Die SPÖ-Politikerin sprach sich in diesem Zusammenhang für ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr, die Aufwertung der Elementarpädagoginnen und bessere Öffnungszeiten aus.

Sowohl Posch-Gruska als auch Gruber-Pruner wünschten sich einen Kinderrechtsausschuss im Bundesrat. Bei der Durchsetzung der Kinderrechte sei noch viel zu tun, meinte Gruber-Pruner mit Hinweis auf Kinderarmut, Gewalt und Flüchtlingskinder.

Politik den geänderten Lebensrealitäten anpassen

Mit einer positiven Bewertung der Arbeit der Familienministerin ließ auch Nicole Schreyer (G/T) von den Grünen aufhorchen. Es sei viel erreicht worden, viel gebe es aber noch zu tun, sagte auch sie. Schreyer thematisierte vor allem das geänderte Familienbild und forderte, die Familienpolitik müsse sich besser auf die geänderten Lebensrealitäten einstellen. Das betreffe vor allem die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, mit dem Ziel, die Väter mehr in die Kindererziehung miteinzubeziehen und die Kinderbetreuungsmöglichkeiten vor allem in den ländlichen Gebieten zu verbessern. Schreyer meinte damit konkret einen bezahlten Papa-Monat nicht nur im öffentlichen Dienst sondern auch in der Privatwirtschaft, sowie den Rechtsanspruch auf einen Platz in der Kindergrippe und flexible Öffnungszeiten. Wie die SPÖ-Bundesrätin Gruber-Pruner forderte sie eine Aufwertung der KindergartenpädagogInnen.

Karmasin will diskriminierende Aspekte bei gleichgeschlechtlichen Paaren wegbekommen

Nicole Schreyer und ihr Klubkollege Marco Schreuder machten sich besonders für Familien mit gleichgeschlechtlichen Elternteilen stark und forderten, bestehende Ungleichbehandlungen zu beseitigen. Das betrifft das Adoptionsrecht und die Öffnung der Ehe für alle. Daraufhin bekräftigte Ministerin Karmasin, sie wolle diskriminierende Aspekte bei gleichgeschlechtlichen Paaren wegbekommen.

Schreuder schlug in seiner Rede etwas kritischere Töne an, indem er der Ministerin vorwarf, sich nach Äußerungen der MinisterInnen Kurz und Mikl-Leitner nicht mehr für ausländische Familien und Kinder eingesetzt zu haben. Er bedauerte zudem, dass das Familienministerium zu wenig Kompetenzen hat.

Was heißt Wahlfreiheit in der Kinderbetreuung?

Eine ganz andere Sicht der Dinge zeichneten die RednerInnen von FPÖ und Team Stronach. "Geschehen ist nicht wahnsinnig viel", fasste Monika Mühlwert (F/W) ihre Beurteilung zusammen. Die Familien hätten lediglich 5,50 € mehr in der Tasche, die Steuerreform bringe für die Familien mehr Belastung, die Inflationsanpassung der Familienbeihilfe lasse weiter auf sich warten, die Armutsrate bei Kindern und Jugendlichen sei weiterhin hoch. Die Regierung habe etwa für Flüchtlinge viel Geld, nur für die eigenen Leute nicht, sagte sie, viele Familien wüssten nicht, wie sie über die Runden kommen sollen.

Wie auch Gerhard Dörfler (F/K) konnte sie sich nicht mit der Politik zur Ausweitung der Kindergartenplätze anfreunden. Nicht nur außerhäusliche Institutionen seien gut für die Kinder, meinte sie, die Politik schaffe nicht wirklich Wahlfreiheit. Wahlfreiheit bedeute vielmehr, es sich auch leisten zu können, zuhause zu bleiben oder Teilzeit zu arbeiten. Wir benötigen eine Basisstruktur, wie sie die Familien tatsächlich benötigen, assistierte ihr dazu Dörfler. Familienfreundlichkeit sei kein ausschließliches Thema der Kinderbetreuung, stellte er fest. Viel eher müssten die Arbeitszeiten so gestaltet sein, dass die Kinder auch zuhause betreuet werden können. Mama und Papa seien für Kleinkinder die besten Pädagogen. Freiwilligkeit heiße, ob die Familienarbeit finanziert werden kann oder nicht, so Dörfler.

Negativ fiel auch die Bilanz von Gerald Zelina (T/N) aus, der der Regierung eine unverantwortliche Wirtschaftspolitik auf Kosten der Kinder vorwarf. Jedes Kind komme mit 36.000 € Schulden auf die Welt, man stehe einer hohen Arbeitslosenrate gegenüber, die durch unkontrollierte Masseneinwanderung verschärft werde. Eine alternde Bevölkerung mit zu geringer Geburtenrate habe negative Auswirkungen auf Wirtschaft und Pensionen, skizzierte Zelina seine Auffassung. Er forderte daher Investitionen in Kinder, Familie und Bildung, damit Kinder auch leistbar seien. Das Team Stronach trete daher für eine automatische wertgesicherte Inflationsanpassung der Familienbeihilfe und ein günstigeres Familienbesteuerungsmodell ab dem zweiten Kind ein. (Ende Aktuelle Stunde/Fortsetzung Bundesrat) jan


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