Parlamentskorrespondenz Nr. 1194 vom 09.11.2015

Abschaffung des Amtsgeheimnisses: In Regierungspläne kommt Bewegung

Verfassungsausschuss schickt Ausführungsgesetz in Begutachtung

Wien (PK) – Vor rund einem Jahr, im Dezember 2014, hat Kanzleramtsminister Josef Ostermayer dem Nationalrat einen Gesetzentwurf zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses vorgelegt. Durch die Verankerung einer Informationsverpflichtung für öffentliche Stellen in der Bundesverfassung soll staatliches Handeln transparenter gemacht und der Zugang von BürgerInnen zu Informationen erleichtert werden. Seither wird im Parlament und mit den Ländern über das Verfassungsgesetz und ein dazu notwendiges Ausführungsgesetz verhandelt. Nun scheint Bewegung in die Sache zu kommen. Der Verfassungsausschuss des Nationalrats hat heute auf Initiative der Koalitionsparteien einhellig beschlossen, einen von SPÖ und ÖVP vorgelegten Entwurf für ein Ausführungsgesetz, das so genannte "Informationsfreiheitsgesetz" (IFG), in Begutachtung zu schicken.

Wie Ausschussobmann Peter Wittmann berichtete, ist der Entwurf mit den Ländern abgestimmt. Durch bundeseinheitliche Regelungen wolle man neun verschiedene Ländergesetze vermeiden, betonte er. Parallel zum Begutachtungsverfahren soll Wittmann zufolge mit den Oppositionsparteien weiterverhandelt werden.

Dass noch einige Überzeugungsarbeit notwendig ist, zeigten die Stellungnahmen von Grün-Abgeordnetem Albert Steinhauser und FPÖ-Abgeordnetem Philipp Schrangl. Beide machten geltend, dass der nun in Begutachtung geschickte Gesetzentwurf nicht dem letzten Stand der Verhandlungen auf Parlamentsebene entspricht. Für Steinhauser ist es unter anderem problematisch, dass jedes einzelne Bundesland eine bundesweite Regelung blockieren könnte. Er plädierte in diesem Sinn dafür, in der Verfassung eine klare Bundeskompetenz zu verankern. Auch inhaltlich ortet Steinhauser noch etliche Differenzen. Schrangl hob vor allem die Notwendigkeit hervor, den Ausnahmekatalog im Verfassungsrecht abschließend zu regeln. Es werde keine Zustimmung der Freiheitlichen zu einer Öffnungsklausel geben, bekräftigte er. Im Bundesrat hat es zuletzt positive Signale gegeben (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 1155/2015).

Zur Abgabe einer Stellungnahme zum Informationsfreiheitsgesetz eingeladen sind neben Ministerien, Ländern und Interessenvertretungen u.a. auch diverse Universitätsinstitute, der Datenschutzrat, der Rechnungshof, die Volksanwaltschaft und zivilgesellschaftliche Initiativen wie der Verein "Mehr Demokratie!" und das Forum für Informationsfreiheit. Bis 17. Dezember können Anmerkungen zum Entwurf gemacht werden.

Öffentliche Stellen sollen innerhalb von acht Wochen Auskunft erteilen

Der von SPÖ-Verfassungssprecher Peter Wittmann und ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl heute eingebrachte Entwurf enthält detaillierte Ausführungsbestimmungen zur von der Regierung vor rund einem Jahr vorgelegten Verfassungsnovelle (395 d.B.). So werden etwa die Ausnahmetatbestände, also jene Fälle, wo Geheimhaltung weiter geboten ist, präzisiert. Demnach sind Auskünfte etwa dann unzulässig, wenn die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet wäre, es außenpolitische Gründe erfordern oder es im Interesse der nationalen Sicherheit liegt. Ebenso bleibt der Öffentlichkeit der Zugang zu Dokumenten, die der Vorbereitung von Entscheidungen dienen, grundsätzlich verwehrt. Auch Datenschutzbestimmungen und Geschäftsgeheimnisse sowie Urheberrechtsfragen sind zu berücksichtigen. Noch offen ist, ob zu den dezidiert aufgezählten Ausnahmetatbestände noch eine allgemeine Schutzklausel kommt.

Die vom Gesetz erfassten Stellen – neben den Ministerien und den Landesverwaltungen u.a. auch das Parlament, die Gerichte und weitere Organe des Bundes und der Länder – müssen Informationsansuchen laut Entwurf grundsätzlich innerhalb von acht Wochen nachkommen. In Ausnahmefällen kann diese Frist um weitere acht Wochen verlängert werden. Allerdings brauchen "offensichtlich schikanöse" Anfragen nicht beantwortet zu werden. Gleiches gilt für Anfragen, deren Beantwortung einen unverhältnismäßigen Aufwand verursachen würde. Werden durch die Informationserteilung Rechte dritter Personen berührt, sind diese "nach Tunlichkeit" anzuhören. Anfragen an die unrichtige Stelle sind grundsätzlich so schnell wie möglich weiterzuleiten.

Verweigert die Stelle eine Auskunft, etwa mit Berufung auf einen Ausnahmetatbestand, könnte sich der bzw. die Betroffene an das Verwaltungsgericht wenden. Für den dazu notwendigen Bescheid wird allerdings eine Gebühr von 30 € fällig. Der Bescheid ist binnen acht Wochen auszustellen, Ausnahmen gibt es für Akte der Gesetzgebung, für die kein Bescheid vorgesehen ist.

Teile des Informationsfreiheitsgesetzes werden, geht es nach dem in Begutachtung geschickten Entwurf, auch für staatsnahe Unternehmen gelten, die der Kontrolle des Rechnungshofs unterliegen. Anders als die öffentlichen Stellen werden diese aber nicht dazu verpflichtet sein, von sich aus Informationen von allgemeinem Interesse im Internet bereitzustellen. Auch müssen sie keine Auskünfte erteilen, wenn ihre Wettbewerbsfähigkeit oder ihre geschäftlichen Interessen beeinträchtigt wären. Gänzlich ausgenommen sind börsennotierte Gesellschaften bzw. Unternehmen, die unter dem beherrschenden Einfluss börsennotierter Gesellschaften stehen. Bei unzulässigen Auskunftsverweigerungen müsste der Zivilrechtsweg beschritten werden, erste Instanz soll jenes Landesgericht sein, in dessen Sprengel das informationspflichtige Unternehmen seinen Sitz hat.

Als Datum des Inkrafttretens des Informationsfreiheitsgesetzes ist der 1. Jänner 2018 vorgesehen. Durchführungsverordnungen sollen grundsätzlich dem Bundeskanzler vorbehalten bleiben.

Mitverhandelt mit der Regierungsvorlage und dem Ausführungsgesetz werden auch ein Antrag der NEOS (6/A) und ein Antrag der Grünen (18/A). Beide zielen auf eine grundsätzliche Auskunftspflicht der Behörden im Sinne einer umfassenden Informationsfreiheit ab und wurden wie die Verfassungsnovelle vorläufig vertagt. (Fortsetzung Verfassungsausschuss) gs