Parlamentskorrespondenz Nr. 1436 vom 16.12.2015

Rufbereitschaft von FachärztInnen in Unikliniken wird ermöglicht

Gesundheitsausschuss: Vom Hausarzt bis zur adäquaten Versorgung von SchmerzpatientInnen

Wien (PK) -  Auch in Zentralkrankenanstalten muss künftig nicht mehr rund um die Uhr in jedem einzelnen Sonderfach ein Facharzt vor Ort anwesend sein. Vielmehr genügt es, wenn in den Nachtstunden bzw. vorübergehend auch im Wochenenddienst und an Feiertagen eine Rufbereitschaft eingerichtet ist. Das sieht eine Novelle zum Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz vor, die heute vom Gesundheitsausschuss des Nationalrats mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, NEOS und Team Stronach angenommen wurde. Damit werden für Zentralkrankenanstalten wie z.B. dem AKH künftig ähnliche Regelungen gelten wie jetzt schon für Schwerpunktkrankenhäuser. Zentrale Fachbereiche wie die Intensivmedizien, die Chirurgie, die Innere Medizin, die Anästhesiologie und die Kinder- und Jugendheilkunde müssen aber jedenfalls besetzt sein. Ministerin Sabine Oberhauser hielt den Kritikern an dieser Bestimmung entgegen, dass von einer generellen Rufbereitschaft keine Rede sein könne. Diese Klarstellung kam auch in einer entsprechenden Ausschussfeststellung zum Ausdruck, die mit S-V-N-T-Mehrheit angenommen wurde.

Zur Diskussion im Ausschuss standen zudem zwei Regierungsvorlagen, die EU-Anpassungen im Bereich der Berufsanerkennungsverfahren von Gesundheitsberufen zum Inhalt hatten sowie zahlreiche Oppositionsanträge, wobei die Themenpalette von der Schmerzmedizin, der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum, der ausreichenden medizinischen Behandlung von Kindern und Jugendlichen bis hin zum Umgang mit pflegebedürftigen Menschen reichte.

Gesundheitsausschuss stimmt gelockerten Anwesenheitspflichten in Zentralkrankenanstalten zu

Bislang war es in Zentralkrankenanstalten notwendig, dass uneingeschränkt eine Anwesenheit von FachärztInnen aller in Betracht kommenden Sonderfächer gegeben ist. Da diese Regelung als unpräzise und überschießend erachtet wurde, soll nunmehr die Möglichkeit geschaffen werden, in "nicht klinischen Sonderfächern" sowie jenen Fällen, in denen es nicht auf Grund akuten Komplikationsmanagements erforderlich ist, im Nacht- sowie vorübergehend im Wochenend- und Feiertagsdienst von einer ständigen Anwesenheit von Fachärzten abzusehen, wenn stattdessen eine Rufbereitschaft eingerichtet wird.

Diese Formulierungen im Gesetz seien viel zu vage und zu weit gefasst, bemängelte FPÖ-Mandatar Andreas Karlsböck, weshalb er die Vorlage ablehne. Auch Abgeordnete Eva Mückstein (G) meldete Bedenken an und wies auf den Umstand hin, dass die Nachtdienste in den Spitälern schon jetzt oft von TurnusärztInnen alleine aufrecht erhalten werden müssen, da keine FachärztInnen anwesend sind.

Um etwaige Missverständnisse auszuräumen, habe man eine Ausschussfeststellung vorbereitet, die u.a. festlegt, dass "nur solche Sonderfächer erfasst sind, in denen auch bei Rufbereitschaft keine Beeinträchtigung der PatientInnenversorgung erfolgen kann", betonte Erwin Spindelberger. Das Erfordernis der gebotenen Anzahl anwesender FachärztInnen schließe zudem aus, das Komplikationsmanagement und die Notfallversorgung an TurnusärztInnen zu übertragen.

Auch Bundesministerin Sabine Oberhauser stellte klar, dass die vorübergehende Rufbereitschaft im Wochenend- und Feiertagsdienst analog zur Regelung für die Schwerpunktkrankenanstalten zu verstehen ist. Dies heißt, dass die Abwesenheit aus dem Spital nur eine begrenzte Zeitspanne umfassen könne.  

Mitnahme von Assistenz- und Therapiehunden; keine gesonderte Bewilligung für Militärkrankenhäuser

Mit der Novelle zum Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz (912 d.B.) werden auch einige weitere Änderungen vorgenommen. So wird etwa der Betrieb von Einrichtungen zum Sammeln und zur Abgabe von Muttermilch auf Krankenanstalten beschränkt, an denen Abteilungen für Frauenheilkunde und Geburtshilfe betrieben werden.

Seitens der Spitäler ist künftig außerdem klar zu regeln, in welchen Bereichen des Krankenhauses die Mitnahme von Assistenzhunden aus hygienischen Gründen zulässig ist. Ein im Laufe der Sitzung eingebrachter S-V-G-Abänderungsantrag sieht zudem eine Ausweitung auf Therapiehunde vor. Dagegen sprach sich nur der Vertreter der NEOS, Gerald Loacker aus. Da Therapiehunde nicht ständig anwesend sein müssen, sollten sie aufgrund der möglichen Infektionsgefahr nicht ins Gesetz aufgenommen werden, meinte er. Der Abänderungsantrag fand die Zustimmung von SPÖ, ÖVP, Grünen und Team Stronach.

Im Zusammenhang mit der neuen Sanitätsorganisation im Bundesheer stellt die Gesetzesnovelle klar, dass militärische Krankenanstalten keiner gesonderten Bewilligung bedürfen. Ebenso wird ausdrücklich festgehalten, dass medizinische Versorgungeinrichtungen in Flüchtlingslagern keine Krankenanstalten im Sinne des Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetzes sind. Da militärische Spitäler kaum ausgelastet sind, sollte man sich der Empfehlung des Rechnungshofs anschließen und diese Relikte aus der K.u.K.-Zeit generell abschaffen, forderte Gabriela Moser (G).

Bundesministerin Sabine Oberhauser ging auf eine Kritik des FPÖ-Mandatars Andreas Karlsböck ein, der einen dramatischen Rückgang bei Kostenbewilligungen für Zahnspangen, die für leichtere Kieferprobleme verordnet werden, sah. Bei einem Gespräch mit VertreterInnen des Hauptverbands wurde ihr mitgeteilt, dass die bisherige Praxis nicht verändert wurde es daher zu keinen Verschlechterungen kommen sollte. Allerdings gab sie zu bedenken, dass die Wiener Gebietskrankenkasse in den angesprochenen Fällen schon bisher restriktiv vorgegangen ist.

EU-Anerkennungsverfahren von Berufsqualifikationen im Gesundheitsbereich werden umgesetzt

Die EU-Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen sowie die Verordnung über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems ("IMI-Verordnung") sind bis 18. Jänner 2016 in innerstaatliches Recht umzusetzen. Primäres Ziel der Bestimmungen ist es, derartige Anerkennungsverfahren zu verbessern, um die Mobilität der ArbeitnehmerInnen weiter zu erleichtern. Da diese Reform nun auch bei den Verfahren zur Anerkennung von EU/EWR-Berufsqualifikationen in Gesundheitsberufen anzuwenden ist, hat die Regierung zwei entsprechende Vorlagen dem Nationalrat zugeleitet (1. und 2. EU-Berufsanerkennungsgesetz Gesundheitsberufe 2016; 881 d.B. und 939 d.B.), die heute im Ausschuss jeweils mit S-V-G-N-T-Mehrheit angenommen wurden.

Bei beiden Gesetzesvorschlägen stehen u.a. folgende Maßnahmen im Mittelpunkt: Ermöglichung der Berufsanerkennung im Wege des Europäischen Berufsausweises; partieller Berufszugang nach Maßgabe der EU-rechtlichen Vorgaben sowie Umsetzung des Vorwarnmechanismus für Fälle von gefälschten Berufsqualifikationen und bei Entziehung der Berufsberechtigung bzw. Untersagung der Berufsausübung. Es wird darauf hingewiesen, dass die Aufgaben im Bereich der Berufsanerkennung für den Europäischen Berufsausweis, der für die betroffenen Personen lediglich eine Option zur herkömmlichen Anerkennung darstellt, keine zusätzlichen Kosten verursachen.

Ein von den Regierungsparteien eingebrachter Abänderungsantrag zum 1. EU-BAG-GB 2016, der sich auf das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz bezieht, bringt eine Lösung für jene österreichischen MedizinstudentInnen, die an eine deutsche Universität gehen, aber an einer österreichischen Krankenanstalt ihr verpflichtendes dreimonatiges Pflegepraktikum absolvieren wollen. Da dieses Praktikum laut deutschen Bestimmungen nicht ausschließlich Laientätigkeiten oder ein bloßes Mitgehen bzw. Zuschauen, sondern auch die Durchführung von Tätigkeiten am Krankenbett zu umfassen hat, musste eine gesetzliche Regelung gefunden werden: Studierende sind berechtigt unterstützende Tätigkeiten bei der Basisversorgung unter Anleitung eines Angehörigen des gehobenen Dienstes durchzuführen, sofern sie das Ausbildungsmodul "Unterstützung bei der Basisversorgung", eine gleichwertige theoretische Ausbildung oder eine Ausbildung in einem Gesundheitsberuf erfolgreich absolviert haben. Der zweite Abänderungsantrag (zum 2. EU-BAG-GB-2016) enthält nur eine redaktionelle Klarstellung.

Bundesministerin Sabine Oberhauser erläuterte noch einmal die Eckpunkte der Vorlagen und wies u.a. darauf hin, dass für Gesundheitsberufe, die es Inland nicht gibt, je nach vorhandenen Qualifikationen entsprechende Schulungsmaßnahmen vorgesehen sind, um einen partiellen Berufszugang zu erhalten. Im Sinne der Transparenz darf dann auch nur die im Herkunftsmitgliedstaat übliche Berufsbezeichnung angeführt werden. Beim Europäischen Berufsausweise handle es sich im Prinzip um ein Online-Tool. All jene, die ihren Beruf auch im Ausland ausüben wollen, können unter Vorlage ihrer Zeugnisse ihre Daten in eine internationale Datenbank einspeisen lassen.

Ablehnend äußerte sich der freiheitliche Gesundheitssprecher Andreas Karlsböck, der auf die zahlreichen negativen Stellungnahmen im Rahmen des Begutachtungsverfahrens verwies. Einen partiellen Berufszugang halte er im Sinne der Qualitätssicherung, die in Österreich immer so hoch gehalten wird, für bedenklich. Eva Mückstein von den Grünen hätte sich in dieser Frage eine bessere Einbindung der betroffenen Berufsgruppen gewünscht.

FPÖ will Förderprogramm zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Bereich

Da die LandärztInnen unter sehr schwierigen Arbeitsbedingungen leiden - bis zu 70 Wochenarbeitsstunden, Bereitschaftsdienst jede zweite Nacht, tausende Straßenkilometer jährlich unterwegs – gebe es bereits große Probleme, NachfolgerInnen für die Ordinationen zu finden, gibt FPÖ-Mandatarin Dagmar Belakowitsch-Jenewein zu bedenken (414/A(E)). Dringend notwendig ist ihrer Ansicht nach daher die Umsetzung eines Maßnahmen- und Förderprogramms, um eine qualitativ hochwertige und flächendeckende medizinische Versorgung der österreichischen Bevölkerung im ländlichen Bereich auch in Zukunft sicherzustellen. Wichtige Eckpunkte eines solchen Konzepts wären auf jeden Fall die Verbesserung der Arbeitsbedingungen als auch der Einkommenssituation der ÄrztInnen.

Eine Gesundheitspolitik mit Herz müsse auf die Bedürfnisse der Schwächsten schauen, mahnte Abgeordneter Erwin Rasinger (V) ein, und dies seien vor allem die älteren Frauen am Land, die mehrere chronische Erkrankungen haben und kein eigenes Auto besitzen. Dafür müssen Lösungen gefunden werden. Auch er war überzeugt davon, dass der Beruf des Hausarztes bzw. der Hausärztin attraktiver gestaltet werden müsse. In der Schweiz und in Deutschland habe man dieses Problem bereits erkannt und innovative Wege (z.B. spezielle Stipendien) beschritten.

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S) war der Auffassung, dass die Rolle der HausärztInnen durch die Einrichtung von Primärversorgungszentren, in denen multiprofessionale Teams arbeiten, aufgewertet wird. Wenn man sich einig darin ist, die Ambulanzen entlasten zu wollen, dann brauche es andere Öffnungszeiten bei den ÄrztInnen und auch den ApothekerInnen, argumentierte Erwin Spindelberger (S).

Die angesprochenen Probleme werde man nicht durch Primärversorgungszentren lösen können, wandte Eva Mückstein ein, weil am Land die verschiedenen Berufsgruppen in Netzwerken zusammenarbeiten sollten. Wenn es aber keine besseren Arbeitsbedingungen gibt, werden die jungen ÄrztInnen, nicht eine Landpraxis übernehmen wollen. Außerdem wandere schon jetzt jeder zweite Absolvent einer Medizin-Uni ins Ausland ab, gab sie zu bedenken. 

Bei den Primärversorgungszentren, für die man gerne einen besseren Begriff finden könne, handle es sich nicht um anonyme Netzwerke, entgegnete Bundesministerin Sabine Oberhauser. Dort arbeiten konkrete Personen, zu denen man Vertrauen aufbauen könne; kein Patient werde automatisch jemanden zugeteilt. Es sei richtig, dass es bei der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum Probleme gibt, dafür seien aber viele Faktoren verantwortlich und nicht nur etwa die Frage der Hausapotheken.

Grüne: Bessere Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit notwendigen Therapien

Gravierende Mängel bei der Gesundheitsversorgung von Kindern und Jugendlichen orten die Grünen, die im Rahmen eines Entschließungsantrags insgesamt sieben Forderungen an die zuständige Ministerin richteten (106/A(E)). Nach Auffassung von Abgeordneter Eva Mückstein (G) sollten jegliche Behandlungen in den Bereichen Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie sowie Psychotherapie für alle Kinder und Jugendlichen in Österreich kostenfrei angeboten werden. Als weitere Sofortmaßnahmen müsste das institutionelle Angebot deutlich verstärkt sowie die Refundierung durch die Krankenkassen bei Behandlung durch niedergelassene TherapeutInnen deutlich erhöht werden. Weiters plädierte sie für eine rasche Ausarbeitung eines gesamtösterreichischen Versorgungsplanes sowie für eine einheitliche Aufnahme von Regelungen in die Bundes- und Landes-Zielsteuerungsverträge. Durch Abschluss von Gesamtverträgen laut ASVG würde ein niederschwelliger Zugang zu Therapien geschaffen werden. Generell sah Mückstein einen dringenden Handlungsbedarf, da viele Kinder und Jugendliche oft monatelange Wartezeiten auf sich nehmen müssen, um einen Therapieplatz zu bekommen, zumal sich ihre Eltern private Behandlungen oft nicht leisten können. – Mit dem Hinweis, dass der Hauptverband die Versorgungssituation von Kindern und Jugendlichen gerade evaluiere, wurde ein Vertagungsantrag eingebracht, der die Mehrheit fand.  

Weitere Oppositionsanträge: Selbstbehalte bei Kindern, SchmerzpatientInnen, Umgang mit Pflegebedürftigen

Neuerlich zur Diskussion stand im Ausschuss die Forderung der FPÖ, den Selbstbehalt bei Spitalsaufenthalten von Kindern und Jugendlichen abzuschaffen (900/A(E)). Die zuständige Ministerin Sabine Oberhauser versprach, sich weiterhin für dieses Anliegen, das im Regierungsprogramm enthalten ist, einzusetzen und hoffte auf eine baldige Lösung. – Mehrheitlich vertagt.

Abgelehnt wurde ein Antrag der FPÖ, die den Fall einer pflegebedürftigen Wiener Spitalspatientin zum Anlass nahm, um einen humanen Umgang mit PatientInnen und Pflegebedürftigen einzumahnen (1363/A(E)). Der Sohn der mittlerweile verstorbenen Patientin bezweifelt massiv, dass Pflegeleistungen in der Höhe von mehr als 30.000 € korrekt in Rechnung gestellt wurden.

Zu einem Antrag des Team Stronach (1478/A(E)), der auf eine bessere gesundheitliche Versorgung von SchmerzpatientInnen abzielt, merkte Abgeordneter Marcus Franz (V) an, dass seiner Meinung nach nicht eigene Schmerzambulanzen errichtet werden sollten, weil dies zu einem enormen Zustrom von PatientInnen führen würde. Sinnvoller sei es, dafür zu sorgen, dass es in allen Abteilungen eigene SchmerzspezialistInnen gibt. Die Versorgung von SchmerzpatientInnen – ingesamt 1,5 Millionen Betroffene in Österreich – sei aufgrund mangelnder personeller und zeitlicher Ressourcen weder im niedergelassenen noch im stationären Bereich in erforderlicher Qualität verfügbar, bemängelte Ulrike Weigerstorfer. Dennoch werde das Angebot weiter massiv reduziert und Ambulanzen geschlossen.

Bundesministerin Oberhauser machte darauf aufmerksam, dass die Gesundheit Österreich GmbH derzeit an einer Studie zu diesem Thema arbeitet, die im Jahr 2016 präsentiert wird. – Der Antrag wurde sodann abgelehnt.  (Fortsetzung Gesundheitsausschuss) sue