Parlamentskorrespondenz Nr. 41 vom 27.01.2016

FPÖ ruft nach Stopptaste in der Flüchtlingspolitik

Nationalrat debattiert in Aktueller Europastunde über das Thema Asyl

Wien (PK) – Richtwert, Obergrenze oder Stopptaste? – Das war heute die Frage in der Aktuellen Europastunde des Nationalrats, zu der die FPÖ mit dem Titel "Sicherheit statt Asylchaos" das Thema – und den Ton – vorgab. Die Zahl von 37.500 Asylwerbern pro Jahr, die die Regierung in den Raum gestellt hatte, wurde dabei einer kritischen Prüfung unterzogen, wobei die Opposition schwere Bedenken hinsichtlich Sinnhaftigkeit und Praktikabilität anmeldete. Freiheitliche und Team Stronach forderten in einer sehr kontroversiell geführten Debatte nationalstaatliche Maßnahmen zum Stopp der Migrationsströme, während Bundeskanzler Werner Faymann ebenso wie die Regierungsparteien, aber auch Grüne und NEOS vor allem an die europäische Solidarität appellierten und eine gemeinsame Politik der Union einmahnten.

FPÖ: Schluss mit der Masseneinwanderung!

FPÖ-Klubobmann Heinz Christian Strache sprach von einer neuen Völkerwanderung, auf die Österreich nicht adäquat reagiert habe. Faktum sein, dass 80% der Personen, die ohne Kontrolle ins Land kommen, aus bloß wirtschaftlichen Gründen einreisen. Statt die nationale Grenze vor illegaler Einwanderung zu schützen, habe die Regierung nun mit der Obergrenze eine Placebo-Maßnahme beschlossen, die nicht dazu beitragen werde, den Flüchtlingsstrom einzudämmen. Die Bevölkerung erwarte vielmehr, dass endlich die Stopptaste gedrückt und Schluss mit dieser Masseneinwanderung gemacht werde. "Es reicht, die Obergrenze der Verträglichkeit ist längst erreicht", brachte der freiheitliche Europa-Abgeordnete Harald Vilimsky den Standpunkt seiner Fraktion auf den Punkt. Es gehe nun darum, die Grenzen dicht zu machen und Personen ohne Flüchtlingsstatus in ihre Heimatländer zurückzubringen. In Anspielung an die Vorfälle von Köln bemerke Vilimsky überdies, Gutmenschlichkeit dürfe nicht dazu führen, "dass unsere Kultur den Bach hinab geht".

Seine Fraktionskollegin Carmen Schimanek hakte bei den Übergriffen gegen Frauen in der Silvesternacht ein und vermisste einen frauenpolitischen Aufschrei. Sie übte dabei heftige Kritik an den Medien, denen sie vorwarf, die Vorfälle bewusst verschwiegen zu haben. Grenzschutz, Verhinderung von Asylmissbrauch und Abschiebung von Wirtschaftsflüchtlingen seien die Taten, die die Bevölkerung nun erwartet, meinte auch Gernot Darmann (F). Die Zumutbarkeitsgrenzen seien schon weit überschritten, die Migration müsse gestoppt werden. Hoffnungen auf europäische Lösungen dämpfte Darmann mit der Bemerkung, die Union habe gezeigt, dass sie zu gemeinsamem Handeln nicht fähig sei.

Faymann mahnt europäische Solidarität ein

Bundeskanzler Werner Faymann bekannte sich zur Grenzsicherung und stellte klar, an den Grenzen würde so kontrolliert, "dass man weiß, wer ins Land kommt". Österreich könne aber nicht das Asylrecht für ganz Europa wahrnehmen, deshalb gelte es, Richtwerte zu schaffen. Der Kanzler sieht jedenfalls auch die anderen europäischen Staaten aufgefordert, ihren Anteil in der Asylpolitik zu leisten, und betonte mit Nachdruck, nur durch eine gemeinsame europäische Politik könne man die Flüchtlingskrise meistern. Die österreichischen Schritte interpretierte Faymann dabei als bloße Notmaßnahmen. Wichtig sei es, in Griechenland ausreichend Quartiere zu schaffen sowie Abkommen mit den Herkunftsländern abzuschließen, um die Rückführung jener Menschen, die in Österreich kein Asyl erhalten haben, zu ermöglichen.

SPÖ drängt auf europäische Lösung

So lange die Kontrolle der EU-Außengrenze nicht funktioniert, müssen die nationalen Grenzen kontrolliert werden, stand auch für SPÖ-Sicherheitssprecher Otto Pendl fest. Wer Recht auf Asyl hat, wird dieses Recht bei uns bekommen, unterstrich er, spielte gleichzeitig den Ball an die EU weiter, wenn es darum geht, die Hilfe in den Krisengebieten zu verstärken. Die Herausforderung könne Europa nur gemeinsam auf Basis von Menschenrechten und Rechtsstaat lösen, betonte SPÖ-Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig und wies auf die Notwendigkeit von Hotspots und Rückführungsabkommen hin. Für ihre Fraktionskollegin aus dem Europäischen Parlament Evelyn Regner ist die Einhaltung des Asylrechts ein absolutes Gebot, für das es keine Obergrenzen geben kann. Auch sie sprach von einer europäischen Herausforderung bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme und bemerkte, hier sei noch viel Kleinarbeit zu leisten. Mit Nachdruck warnte Regner vor einer Aussetzung des Schengen-Vertrags.

ÖVP: Die Last kann nicht von einigen wenigen Staaten geschultert werden

Österreich habe immer Schutzwürdigen und Verfolgten geholfen, erinnerte Werner Amon namens der ÖVP. Die Aufnahmefähigkeit sei nun aber begrenzt, daher war es richtig, eine Obergrenze festzulegen. Für jene, die tatsächlichen einen Asylgrund vorweisen können, müsse aber Platz bleiben. Auch Amon appellierte an die europäische Solidarität und gab zu bedenken, die Last könne nicht von einigen wenigen Staaten geschultert werden. Diesen Standpunkt vertrat auch seine Fraktionskollegin Kathrin Nachbaur, die überdies Handlungsbedarf am Arbeitsmarkt ortete. So gehe es nicht an, dass gut ausgebildete AusländerInnen nicht in Österreich bleiben dürfen, während Analphabeten willkommen geheißen werden. Schockiert zeigte sich Nachbaur über die sexuellen Übergriffe gegen Frauen in deutschen Städten und sprach in diesem Zusammenhang von einer "hässlichen Fratze der Willkommenskultur". Aufhorchen ließ sie mit ihrem Vorschlag auf Errichtung von militärisch geschützten Sonderwirtschaftszonen in Afrika, die ihrer Meinung nach zu einer gewissen Entspannung in der Flüchtlingskrise beitragen könnten. Ein Lanze für die EU brach EP-Abgeordneter Heinz Kurt Becker (V), der die derzeitige Krise auch auf die fehlende Umsetzung von Unionsbeschlüssen durch die nationalen Regierungen zurückführte. Es müsste mehr Druck auf jene Staaten gemacht werden, die ihre Hausaufgaben nicht erledigen, forderte er.

Grüne kritisieren Obergrenze als Scheinlösung

Grünen-Menschenrechtssprecherin Alex Korun mahnte gemeinsam getragene Verantwortung der EU im Sinne einer solidarischen Flüchtlingspolitik ein, die es ermöglicht, die Schutzsuchenden fair und gleichmäßig auf alle Mitgliedstaaten aufzuteilen. Jene Länder, die sich an der gemeinsamen Flüchtlingspolitik nicht beteiligen wollen, sollten auch weniger Geld aus den EU-Töpfen erhalten, "denn Solidarität ist keine Einbahnstraße". Es könne nicht sein, dass drei Staaten – unter ihnen Österreich – bei der Flüchtlingspolitik "übrig bleiben", während 25 Staaten jegliche Solidarität verweigern, pflichtete ihr auch Michel Reimon bei. Der Grüne Europa-Abgeordnete warf in diesem Zusammenhang Russland vor, die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU zu hintertreiben. Für Albert Steinhauser (G) wiederum stellt die von der Regierung propagierte Obergrenze bloß eine Scheinlösung dar, durch die die Flüchtlinge in die Illegalität abgedrängt werden. Zu den Übergriffen von Köln bemerkte er überdies, die Verletzung der sexuellen Integrität sei inakzeptabel, wandte sich aber gegen Pauschalverurteilungen und Sippenhaftung. Die FPÖ bezichtigte der Justizsprecher der Grünen bei diesem Thema der Doppelmoral, wobei er erinnerte, dass gerade die Freiheitlichen im Parlament gegen die Verschärfung des Sexstrafrechts gestimmt hatten.

NEOS: Bei Menschenrechten kann es keine Obergrenze geben

Ordnung der Flüchtlingsströme im Sinne einer Unterscheidung zwischen Kriegsflüchtlingen und Wirtschaftsimmigration lautet die Forderung von NEOS-Klubobmann Matthias Strolz, der zudem ebenso wie EP-Mitglied Angelika Mlinar (N) den europäischen Aspekt ansprach. Die Krise verlange nach mehr EU. Europa brauche eine gemeinsame Asylpolitik sowie eine Migrationspolitik mit einer legalen Möglichkeit der Zuwanderung, eine Aufteilung nach Quoten, funktionierende Hotspots sowie Rückführungsabkommen mit den Staaten Nordafrikas, betonten Strolz und Mlinar übereinstimmend. NEOS-Justizsprecher Nikolaus Scherak wiederum hält nichts von einer zahlenmäßigen Beschränkung der Flüchtlinge und argumentierte, bei Menschenrechten könne es keine Obergrenzen geben. Die Lösung lieg seiner Meinung auch nicht bei 28 nationalen Grenzzäunen. Vielmehr gelte es, die EU-Außengrenze gemeinsam zu sichern.

Team Stronach für sofortigen Aufnahmestopp

Robert Lugar vom Team Stronach drängte auf eine sofortigen Aufnahmestopp und führte ins Treffen, es gebe kein Recht für die Flüchtlinge, gerade in Österreich zu leben. Österreich sei nicht verpflichtet, alle Menschen aufzunehmen, meinte er unisono mit seinem Fraktionskollegen Christoph Hagen, der wiederum auf Schätzungen verwies, wonach mehr als 60% der MigrantInnen Wirtschaftsflüchtlinge sind. Die Zuwanderer würden am österreichischen Arbeitsmarkt nicht gebraucht und werden in das heimische Sozialsystem einwandern, warnte Lugar und schlug statt dessen vor, den Flüchtlingen vor Ort Hilfe anzubieten. Hagen sah sich in seinen Vorbehalten gegen die Flüchtlingspolitik auch durch die Vorfälle von Köln bestätigt, die er als Alarmsignal wertete. Für die fraktionslose Abgeordnete Susanne Winter schließlich zeigt die Krise, dass Österreich das Flüchtlingsproblem nicht allein lösen kann. (Fortsetzung Nationalrat) hof