Parlamentskorrespondenz Nr. 256 vom 16.03.2016

Rupprechter: Europas Agrarmodell wird nicht am Altar des Freihandels geopfert

Umweltminister bricht im Ausschuss Lanze für EU-weite CO2-Steuer

Wien (PK) – Der Schwerpunkt der europäischen Agrarpolitik liegt im Jahr 2016 auf der Vereinfachung agrarpolitischer Verfahren, der Entwicklung einer europäischen Waldstrategie und auf dem Bemühen um Stabilisierung des Milch- und Schweinemarktes durch freiwillige Lieferreduktionen. Einen umweltpolitischen Meilenstein sieht Umweltminister Andrä Rupprechter im Klimaschutzvertrag von Paris, dessen rasche Umsetzung für ihn Priorität habe. Die EU-Kommission wird dazu Vorschläge bis zum Sommer unterbreiten, kündigte Rupprechter an. Da die Umsetzung des Klimaschutzvertrages ohne Atomrenaissance erfolgen soll, sei eine Energiewende-Strategie gefragt, zu der er mit Unterstützung seiner europäischen UmweltministerkollegInnen kürzlich eine Initiative in der EU gestartet habe. Zudem gehe es darum, die Konsequenzen aus dem VW-Skandal zu ziehen und für Schadstoffmessungen bei Fahrzeugen unter realistischen Fahrbedingungen zu sorgen. Er setze sich auch für eine Ökologisierung des Europäischen Semesters ein sowie für eine nachhaltige europäische Fischereiwirtschaft, sagte Landwirtschafts- und Umweltminister Andrä Rupprechter in der Debatte über den Bericht zur Jahresvorschau der Europäischen Kommission 2016 (III-240 d.B.), die dem Umweltausschuss heute Gelegenheit zu einer thematisch breit gefächerten Debatte über die aktuelle europäische und österreichische Agrar- und Umweltpolitik bot. Künftig sollte man diesen Bericht sowohl im Umwelt- als auch im Landwirtschaftsausschuss debattieren, schlug Ausschussvorsitzende Christiane Brunner in Übereinstimmung mit Abgeordneten vor. Der Bericht wurde mit SPÖ-ÖVP-Team Stronach-Mehrheit akzeptiert und vom Ausschuss enderledigt.

Konflikte zwischen Wirtschafts- und Umweltpolitik vermeiden

SPÖ-Umweltsprecher Hannes Weninger bezog sich auf Kritik der EU-Umweltminister an der starken Fokussierung der 2020 Strategie auf das Wirtschaftswachstum und forderte die Zusammenarbeit zwischen Umweltpolitik und Wirtschaftspolitik. Es ist für Europa und Österreich wichtig, Umweltstandards aufrechterhalten, zugleich aber auch den Industriestandort und die Beschäftigung zu sichern. Konflikte zwischen diesen beiden Zielsetzungen will Weninger vermeiden. Dieser Ansicht schloss sich auch Johann Höfinger von der ÖVP an. Es gehe um ein Umdenken in eine neue Richtung, wobei aber klar sein müsse, dass Umweltpolitik nur dann intensiv betrieben werden könne, wenn die Wirtschaft funktioniere. Neue Chancen ortete Höfinger bei einer Energiewende für umweltfreundliche Energieformen und durch ressourcenschonende Verfahren.

Rupprechter: Grünes Wachstum bringt Umsätze und Beschäftigung

Bundesminister Andrä Rupprechter wies beim Thema Umweltschutz und Wirtschaftswachstum darauf hin, dass das BIP-Wachstum mittlerweile auch stark vom "grünen Wachstum" abhänge. Von 2008 bis 2014 lag der Beschäftigungszuwachs durch umweltorientierte Produktionen und Dienstleistungen mit 8,4% über dem allgemeinen Zuwachs von 1,9%, auch das grüne Umsatzwachstum lag mit 14% über dem Durchschnitt des BIP.

Europäische Agrarmodell wird nicht am Altar des Freihandels geopfert

Walter Rauch (F) konzentrierte sich in der Debatte auf die Umsetzung von Klimavertrag und Donauraumstrategie und erkundigte sich nach dem Stand der transatlantischen Freihandels-Verhandlungen (TTIP) zum Agrarsektor. Günther Kumpitsch (F) wies kritisch darauf hin, dass 30% der elektrischen Energie in Europa nach wie vor aus Kernkraftwerken stammten und machte darauf aufmerksam, dass Europa Atomforschung mit Milliarden fördere, woran Österreich als Mitglied des EURATOM-Vertrags beteiligt sei.

Bei den Verhandlungen über ein transatlantisches Freihandelsabkommen (TTIP) geht es auf dem Lebensmittelsektor um die Erhaltung der europäischen Qualitätsstandards und um das Recht auf Selbstbestimmung jedes EU-Mitgliedslandes sowie um den Herkunftsschutz, führte Minister Rupprechter aus. Die USA verhielten sich in der Frage der Zollfreistellung sehr zurückhaltend, berichtete der Ressortchef weiter, er könne in den bisherigen Verhandlungsrunden keine wesentlichen Fortschritte in Agrarfragen sehen und erwarte keinen Abschluss von TTIP mit der Obama-Administration. Ein Ausverkauf der österreichischen Land- und Forstwirtschaft komme für ihn nicht in Frage komme. "Das europäische Agrarmodell wird nicht auf dem Altar des Freihandels geopfert", sagte Rupprechter.  

Umsetzung des Weltklimavertrages ohne Atomrenaissance

Christiane Brunner (G) vermisste Informationen über die österreichischen Positionen zu dem im Bericht dargestellten Vorhaben und regte an, Informationen über Vertragsverletzungsverfahren gegenüber Österreich in den Bericht aufzunehmen. Brunner drängte auch auf eine rasche Umsetzung des Weltklimavertrags und erkundigte sich nach Prozedere und Kriterien bei der Aufteilung der Klimaschutzziele auf die EU-Mitgliedstaaten. Kritisch brachte Brunner auch das Bemühen Österreichs um Abschwächung der Richtlinie zur Verringerung der nationalen Emissionen bestimmter Luftschadstoffe (NEC-RL) zur Sprache. – Zur NEC-Richtlinie liege eine allgemeine Ausrichtung des Rates vor, der Österreich nicht zugestimmt habe, weil die Werte unsachgemäß seien. Er werde sich in den Verhandlungen mit dem europäischen Parlament um praxisgerechte Grenzwerte bemühen, kündigte Rupprechter an.

Bei der Aufteilung der Klimaschutzziele auf die EU-Mitgliedsstaaten werde sowohl das Kriterium "BIP pro Kopf" als auch das Kriterium der Klimaeffizienz herangezogen werden, informierte Rupprechter - noch liege ein diesbezüglicher Vorschlag der EU Kommission aber nicht vor sagte er. Seine Initiative für einen Energiewendevertrag zielt auf ein zusätzliches primärrechtliches Protokoll zu den Europäischen Verträgen, wobei es darum gehe, den Einsatz erneuerbarer Energieträger und nachhaltige Energieforschung zu fördern und damit ein Gegengewicht zum EURATOM Vertrag zu schaffen. Der Weltklimavertag soll fair und praxisnahe umgesetzt werden. Vorschläge der Kommission dazu erwarte er im Jahr 2016; die Verhandlungen darüber werden 2017 zu führen sein. Einmal mehr hielt Bundesminister Rupprechter an dieser Stelle fest, dass er die Atomenergie für keine nachhaltige Form der Energieproduktion halte, sondern für eine Hochrisiko-Technologie. Dem Ersatz von Atomstrom durch Strom aus Kohlekraftwerken wiederum könne man nur durch Einführung einer EU-weiten CO2-Steuer entgegentreten, für die er sich einsetze, weil eine CO2-Steuer die österreichische Stromproduktion aus erneuerbaren Energieträgern unterstützen würde.  

Im weiteren Verlauf der Debatte setzte sich Ulrike Weigerstorfer (T) für Fortschritte in Richtung sichere Verwendung von Chemikalien in Europa ein und drängte insbesondere auf den Schutz vor Quecksilber, sei es bei der Entsorgung von Energiesparlampen, bei der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln oder bei Emissionen aus Kohlekraftwerken, Quecksilber sei auch bei den TTIP-Verhandlungen zu thematisieren, sagte Weigerstorfer. Fragen zur Wasserwirtschaft und zum  Hochwassermanagement bei der Umsetzung der Donauraumstrategie sprach Rudolf Plessl (S) an und erfuhr vom Minister, dass bei der Donauraumstrategie die Themen invasive Arten und umweltneutraler Rückbau auf der Tagesordnung stehen.

Die Sorgen der Milch- und Schweinebauern  

Angesichts der Probleme auf dem Milch- und Schweinmarkt plädierte Martina Diesner-Wais (V) für die Entlastung der Märkte und die Erschließung neuer Exportmöglichkeiten, während sich Wolfgang Pirklhuber (G) nach der österreichischen Position im Bemühen um eine neue Bio-Verordnung erkundigte. Das Natura 2000-Konzept Österreichs sollte weiterentwickelt werden, sagte Pirklhuber. Dazu sowie an die Adresse Michael Pocks (N), der sich für eine Naturschutzkompetenz des Bundes aussprach, sagte der Umweltminister, der Naturschutz liege in der Kompetenz der Länder, er könne die Bundesländer nicht in die Pflicht nehmen. Bei den Bemühungen um eine neue Bio-Verordnung hofft Bundesminister Rupprechter auf eine Einigung im Trilogverfahren.

Auch Erwin Preiner (S) befasste sich mit der Milchmarktkrise und mit Vorschlägen zur Produktionseinschränkung sowie mit der Möglichkeit, Betriebe finanziell zu unterstützen. Auch Preiner ging auf die Exportoffensive ein und setzte sich mit den Russlandsanktionen auseinander. Zudem thematisierte Preiner Finanzierungsprobleme bei EU-Schulprogrammen über Milch und Obst sowie die geplante Änderung der Bio-Verordnung.

Im agrarpolitischen Teil der Debatte begrüßte Josef Lettenbichler (V) das Bemühen um Vereinfachung und Entbürokratisierung der gemeinsamen Agrarpolitik, insbesondere bei den Direktzahlungen und bei der Kontrolle der Betriebe.

Zur Milderung der Milch und Schweinekrise hat Österreich in der EU ein Modell für einen freiwilligen Lieferverzicht eingebracht. Die europäische Investitionsbank werde Angebote zur Finanzierung des Lieferverzichts machen, teilte Minister Rupprechter in Beantwortung der Abgeordnetenfragen mit. 

Zur Unterstützung der Exportoffensive bei Milch ist an die Einrichtung einer Agentur gedacht, führte Rupprechter aus und berichtete über Bemühungen, die Exporte nach China, Südkorea, Japan und Taiwan zu steigern und den Rinderexport in den Iran zu intensivieren. Er habe auch großes Interesse, das Russlandembargo aufzuheben und werde sich dafür bei seiner Reise nach Moskau im April 2016 bemühen.

Die Wälder stehen derzeit unter Borkenkäferstress, berichtete der Landwirtschaftsminister schließlich und kündigte an, die Holzernte um 15% zu steigern. (Schluss) fru