Parlamentskorrespondenz Nr. 487 vom 11.05.2016

EU-Ausschuss des Bundesrats diskutiert Durchsetzung von Menschenrechtsstandards in der Wirtschaft

Keine Mehrheit für französische Initiative zu einer Green Card

Wien (PK) – Wie angekündigt, nahm der EU-Ausschuss des Bundesrats heute erneut die Debatte über die Durchsetzung von Menschenrechtsstandards in Unternehmen auf (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 307.). Der Schutz von ArbeitnehmerInnenrechten in globalen Lieferketten ist auch der Europäischen Kommission ein Anliegen, wie ihr diesbezügliches Arbeitspapier zeigt. In ihrer Analyse geht die Kommission der Frage nach, inwieweit in der Union die Menschenrechtsstandards der Vereinten Nationen als Leitprinzipien der Wirtschaft umgesetzt sind. Einig war man sich im Ausschuss darüber, dass menschenrechtliche Standards zu gewährleisten seien, über die Wege dazu gab es jedoch sehr unterschiedliche Auffassungen. Vor allem wehrt sich die Wirtschaft gegen verpflichtende Vorschriften, Freiwilligkeit führe zu besseren Ergebnissen, so die Argumentation.

Green Card für rechtliche Verankerung von UN-Wirtschaftsvorgaben

2011 hatten die Vereinten Nationen einstimmig beschlossen, menschenrechtliche Standards als Leitprinzipien für die Wirtschaft festzulegen. Nach dem verheerenden Unglück in einer bangladeschischen Textilfabrik mit zahlreichen Todesopfern vor drei Jahren entschloss sich die Französische Nationalversammlung zum Start einer "Green Card"-Initiative, mit der die Europäische Kommission aufgefordert werden soll, die menschenrechtliche Verantwortung von Unternehmen, gerade in Bezug auf Lieferketten, rechtlich zu verankern. Bis Ende Mai können die EU-Ausschüsse der Mitgliedsländer die Initiative unterstützen, um dafür die nötige Mehrheit zu gewährleisten.

Verpflichtung versus Freiwilligkeit

Im EU-Ausschuss fand sich jedoch keine Mehrheit dafür, die französische Initiative zu unterstützen, wie abschließend Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) feststellte. Sonja Zwazl (V/N) gab zu bedenken, dass die OECD-Leitlinien für die kleinen und mittleren Betriebe (KMU) nicht umsetzbar seien. Sie würden viel zu viel Bürokratie verursachen, war sie mit Edgar Mayer einer Meinung. Selbstverständlich seien alle für menschenwürdige Arbeitsbedingungen, die KMU seien aber überfordert, wenn sie verpflichtet sein würden zu überprüfen, unter welchen Bedingungen Produkte hergestellt werden. Sie forderte auch ein Umdenken der mündigen KonsumentInnen. Ins gleiche Horn stieß Ferdinand Tiefnig (V/O), der meinte, dem Vorschlag könne so lange nicht zugestimmt werden, solange Firmen wie Amazon mit ihrem wettbewerbsverzerrenden Praktiken österreichische KMU gefährden.

Die ÖVP-MandatarInnen wurden in ihrer Auffassung von den beiden Vertreterinnen der Wirtschaftskammer unterstützt. Die Leitsätze würden nämlich nicht nur die Tochterunternehmen in Drittstaaten erfassen, sondern alle Unternehmen, mit denen sie in Geschäftsbeziehungen stehen. Jede Firma, die aus einem Drittland etwas bezieht, falle unter diese Leitlinien - also nicht nur die Multis. Es sei illusorisch, diese Verpflichtungen jedem Zulieferer aufzubürden. Sie plädierten daher für das Prinzip der Freiwilligkeit. Wenn man Freiwilligkeit ernst nimmt, dann könnten Rankings Auswirkungen auf das Konsumverhalten haben, warf Martin Preineder (V/N) in die Diskussion ein.

Auch Monika Mühlwerth (F/W) sprach sich seitens der Freiheitlichen dagegen aus, dauernd etwas vorzuschreiben. Außerdem sei das Thema viel komplexer, sagte sie. Die Länder müssten ihrer Meinung nach selbst in der Lage sein, gegen Ausbeutung vorzugehen. Gefragt seien auch die KonsumentInnen.

Dem konnte sich Stefan Schennach (S/W) in keiner Weise anschließen. Es geht um die Verantwortung von multinationalen Unternehmen mit Standort im Ausland; es geht darum, europäische Konzerne in Verantwortung zu nehmen; und es geht darum, ökologische und soziale Risiken zu orten, so sein Plädoyer für die EU-Initiative. Menschenrechte seien überall einzuhalten, nicht nur in Europa. Bei der heutigen Diskussion gehe es lediglich um eine Unterschrift für eine französische Initiative, die die EU Kommission auffordert, Vorschläge zu erarbeiten. Er habe daher kein Verständnis für die "Totalblockade" der ÖVP. Ebenso unterstützte Heidelinde Reiter (G/S) den EU Vorstoß. Sie hält es für paradox zu bedauern, dass man als KMU in hoffnungslose Konkurrenz kommt, wenn andere unterhalb der Standards arbeiten. Die KonsumentInnen sollten mit gutem Gewissen darauf vertrauen können, dass Produkte unter menschenwürdigen Standards hergestellt werden. Auch das Sozialministerium sprach sich dezidiert für den EU Vorschlag aus.    

Mitgliedsländer sollen Menschenrechtsstandards durchsetzen

Generell regt die EU-Kommission gegenüber den Mitgliedsländern an, die UN-Leitprinzipien mittels Nationaler Aktionspläne (NAPs) umzusetzen. Ebenso versucht die Union, Menschenrechtsstandards in ihren wirtschaftlichen Außenkontakten mehr Gewicht zu verleihen, geht aus dem Kommissionsbericht hervor. Als Beispiel wird eine angestrebte Richtlinie zur Offenlegung der gesamten Lieferkette bei der Einfuhr von Mineralien aus Konfliktgebieten angeführt. Im Rahmen des Förderregimes für den Privatsektor und der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit soll gemäß CSR-Strategie die Unterstützung von Unternehmen mit EU-Geldern eng an deren menschenrechtskonformes Agieren geknüpft sein – in sozialer, umweltpolitischer und finanzieller Hinsicht.

Mehrfach verweist der Arbeitsbericht aus Brüssel auf die Sorgfaltspflicht bei Importen: Nicht nur die Transparenz der Lieferketten multinationaler Konzerne sei zu verbessern, sondern auch Hilfestellungen für jene, die unter unmenschlichen Bedingungen im Rahmen der Beschaffungsprozesse leiden. Dementsprechend soll die öffentliche Hand bei ihren Auftragsvergaben beispielgebend sein in Bezug auf die menschenrechtliche Prüfung der Unternehmen einer Lieferkette. Hingewiesen wird im Kommissionsbericht jedoch auf die eingeschränkte rechtliche Handhabe gegen Betriebe, die außerhalb der Europäischen Union angesiedelt sind. In der EU registrierte Betriebe könnten dagegen von den Mitgliedstaaten auch für Menschenrechtsverstöße belangt werden, wenn diese im Namen des Unternehmens in einem Drittstaat erfolgen. Weitere Initiativen auf EU-Ebene, um Menschenrechtsstandards in der Wirtschaft zu gewährleisten, umfassen verstärkte Offenlegungsverpflichtungen von Konzernen, Kooperationen zwischen Wirtschaft und zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie die Einbeziehung von CSR-Bestimmungen und Folgenabschätzungen in die Verhandlungen über Handelsabkommen mit Drittstaaten. (Schluss EU-Ausschuss des Bundesrats) jan


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