Parlamentskorrespondenz Nr. 488 vom 11.05.2016

Umweltausschuss setzt Zeichen für gentechnikfreien Anbau

Sechs-Parteien-Entschließung gegen Zulassung jeglicher gentechnisch veränderter Pflanzen in Österreich

Wien (PK) – Gentechnisch verändertes Saatgut hat in der heimischen Landwirtschaft nichts verloren – darüber herrscht im Umweltausschuss des Nationalrats Einigkeit. Alle sechs Parlamentsparteien gaben heute der Bundesregierung den Auftrag, im Fall einer EU-Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen deren Anbau in Österreich mit den bestehenden gesetzlichen Mitteln zu verhindern. Grundlage der Ausschussentschließung war ein Antrag der Freiheitlichen gegen Anbau und Einfuhr der genmodifizierten Maissorte 1507, die laut Umweltminister Andrä Rupprechter noch keine Genehmigung in der Europäischen Union erhalten hat. Dennoch wertet er den Aufruf der Abgeordneten als sinnvoll, bestehe zu diesem Thema doch breiter Konsens hierzulande.

Die übrigen Oppositionsforderungen schickten SPÖ und ÖVP zur weiteren Behandlung in die Vertagung. Von der FPÖ wurde eine Lockerung der strengen Regeln in der Baustoff-Recycling-Verordnung verlangt, die Grünen urgierten gezielte Abfallvermeidung bei Kaffeekapseln und Lebensmitteln und traten für die Unterstützung von kleinen Wasserkraftwerken bei der ökologischen Gewässersanierung ein. Die NEOS forderten mehr Hilfestellungen für Umwelttechnologien sowie Konsequenzen aus dem Hexachlorbenzol-Skandal eines Kärntner Zementwerks und das Team Stronach warb für zuverlässigere Energiebedarfskennzeichnungen auf elektrischen Geräten.

Signal des Parlaments: Österreich gegen Gentechnik-Anbau

Auf EU-Ebene war 2015 nach jahrelanger Diskussion beschlossen worden, den EU-Mitgliedsländern das Recht einzuräumen, selbst zu entscheiden, ob sie den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen auf ihrem Staatsgebiet zulassen oder nicht. Zur Umsetzung dieses Selbstbestimmungsrechts verabschiedete der Nationalrat das Gentechnikgesetz und das Gentechnikanbauverbots-Rahmengesetz. Der frühere Umweltsprecher der Freiheitlichen Norbert Hofer hatte schon vor zwei Jahren in einem Antrag gedrängt, Anbau und Einfuhr von genetisch veränderten Maissorten zu untersagen (257/A(E)). Hintergrund dieser Initiative war eine mögliche Zulassung des Gen-Mais 1507 der Firma DuPont Pioneer in der EU, vor der in wissenschaftlichen Studien aufgrund von nicht absehbaren ökologischen und gesundheitlichen Folgen gewarnt wurde.

FPÖ-Landwirtschaftssprecher Harald Jannach betrachtet gerade vor dem Hintergrund der Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP die Bedenken weiterhin als relevant, Stichwort Futtermittelhandel. Er stimmte mit seiner Fraktion und den Grünen daher ungeachtet seiner Zustimmung für den Allparteienantrag auch für Hofers Initiative. Abgeordnete Martina Diesner-Wais (V) schränkte allerdings ein, ein Einfuhrverbot von Waren aus anderen EU-Staaten sei rechtlich problematisch und brachte als Kompromisslösung einen weiteren Antrag ein, der sich nur gegen den Anbau der fraglichen Maisart richtet. Wolfgang Pirklhuber (G) wiederum äußerte Bedenken über den Nutzen beider Vorstöße, sei doch aufgrund der gültigen Gesetze die Gefahr vor dem 1507-Mais mittlerweile abgewendet. Vielmehr brauche man zur Risikobewertung und für die Strategie zur Gentechnikfreiheit umfassenden Einblick in die Tätigkeit des Beirats zur Gentechnik-Vorsorge, wie er in einem eigenen Antrag an die Bundesregierung festhielt. Sowohl Diesner-Wais als auch Pirklhuber zogen ihre jeweiligen Anträge aber zurück, als nach intensiver Debatte eine gemeinsame Lösung gefunden wurde: Der gemeinsame Antrag auf gentechnikfreien Anbau in Österreich, den der Ausschuss einhellig annahm. Hannes Weninger (S) und Michael Pock (N) bewog dies zum Lob, das Parlament sende ein starkes Signal in Richtung Markt und EU.

Wert von Nahrung ins Bewusstsein rücken

Das Thema Lebensmittel beschäftigte den Ausschuss nicht nur in Zusammenhang mit Gentechnik. Die Grünen forderten einen "Stopp der Lebensmittelverschwendung" mittels einer Halbierung der österreichischen Lebensmittelabfälle bis 2020. Jedes Jahr würden unzählige Tonnen an Nahrungsmitteln weggeworfen, heißt es in einem Antrag (1217/A(E)) von Klubobfrau Eva Glawischnig-Piesczek, in dem unter anderem vorgeschlagen wird, bei Lebensmitteln, die eigentlich kein Mindesthaltbarkeitsdatum brauchen, ein Herstellungsdatum anzugeben. Außerdem soll der Wert von Nahrung im Schulunterricht thematisiert werden. Sein Ressort sei bereits sehr aktiv in diesem Feld, wandte Bundesminister Rupprechter ein, als er die Maßnahmen des Projekts "Lebensmittel sind kostbar" skizzierte. Neben dem Bereitstellen von Unterrichtsmaterialien und laufender Studien zum Umfang von Lebensmittelabfall suche das Umweltministerium auch das Gespräch mit allen Stakeholdern der Wertschöpfungskette, um der Lebensmittelverschwendung Einhalt zu gebieten. Letztlich sei aber Bewusstseinsbildung bei den VerbraucherInnen der beste Ansatzpunkt, kommentierte er den Grünen-Vorstoß, der mit Stimmen der Regierungsparteien vertagt wurde.

Kosten-Nutzen-Rechnung zum Recycling

Der Umgang mit Müll beschäftigte den Ausschuss ebenfalls anhand anhand eines Grünen-Antrags, der den vermehrten Trend zu Kapselkaffee aufzeigt. Dieser sei ökologisch sehr fragwürdig, so der Tenor. Um den durch Kaffetabs entstehenden Metallabfall zu reduzieren, machte sich etwa Hannes Weninger (S) für Sammelstellen in den Kommunen stark, auch auf den Handel solle die Politik hier mehr Einfluss nehmen. Günther Kumpitsch (F) baut vor allem auf Bewusstseinsstärkung. Rückhalt erhielt Christiane Brunner (G) bei SPÖ, FPÖ und Team Stronach auch in ihrer Kritik am Fehlen von Informationen über Qualität und Quantität von tatsächlich nach Verwendung recycelter Kapseln, da diese gesetzlich nicht als Verpackung definiert sind. Ihrem Anliegen, als Anreiz zur Abfallvermeidung bei Kaffeekapseln ein Pfandsystem oder eine Umweltabgabe prüfen zu lassen (1654/A(E)), verschloss sich die Mehrheit im Ausschuss jedoch. In Umweltminister Rupprechters Augen sollte der vergleichsweise hohe Preis vom Konsum des Kapselkaffees abhalten. Außerdem warnte er vor übermäßigem Verwaltungsaufwand bei einer Erfassung von diesbezüglichen Recyclingdaten oder der Implementierung einer entsprechenden Abgabe. Die Grünen-Forderung vertagte die SPÖ-ÖVP-Mehrheit schließlich.

Die FPÖ drängt in puncto Recycling den Umweltminister, mit einer praxistauglichen Novellierung der Recycling-Baustoff-Verordnung dafür zu sorgen, dass Kreislaufwirtschaft und Materialeffizienz damit wirklich gefördert werden (1615/A(E)). Aufgrund der bürokratischen und kostentreibenden Bestimmungen in der geltenden Verordnung, so der Freiheitliche Walter Rauch, würden Wirtschaft und Bauherren oftmals auf die langwierige Trennung, Säuberung und Sammlung des Abbruchmaterials verzichten. Stattdessen werde der Bauschutt für hohe Gebühren ungetrennt auf einer Deponie entsorgt - nach dem Dafürhalten der Antragsteller eine nur scheinbar billigere, ökologisch und wirtschaftlich aber kontraproduktive Vorgangsweise. Bei Georg Strasser (V) und Erwin Preiner (S) lief Rauch mit seiner Argumentation offene Türen ein: sowohl für Gemeinden als auch für Betriebe und Haushalte stelle die Verordnung ein Problem dar, nicht zuletzt aufgrund der steigenden Kosten bei der Bauschutt-Entsorgung. Strassers Vertagungs-Erklärung, das Umweltressort habe eine Novellierung der kritischen Bestimmungen bereits in Begutachtung geschickt, präzisierte Minister Rupprechter. Die Mengenschwelle werde beispielsweise angehoben, diverse Dokumentationspflichten würden fallen. Ungeachtet dessen seien Qualität von recycelten Baustoffen und der Schutz vor Umweltbeeinträchtigungen gewährleistet, versicherte der Ressortchef. Grünen-Umweltsprecherin Christiane Brunner hatte Zweifel angemeldet, ob die Ziele der Verordnung nach deren Abänderung noch einzuhalten wären.

Ökologische Gewässersanierung als finanzielle Herausforderung

Der Gewässerbewirtschaftungsplan in Österreich ließ im Ausschusslokal nochmals die Wogen hochgehen. Aus Sicht der Grünen ist die ökologische Sanierung von heimischen Gewässern mit einer Novelle zum Umweltförderungsgesetz zu forcieren, denn erst 37% der heimischen Flüsse und Seen entsprächen der EU-Wasserrahmenrichtlinie (1337/A(E)). Demnach sollten spätestens 2027 alle Gewässer der Union zumindest in "gutem" ökologischen Zustand sein. In ihrem Antrag richtet Christiane Brunner (G) an Minister Rupprechter zudem den Appell, die Einhebung von Gebühren für Wasserdienstleistungen zu prüfen. Diese Forderung könne aber fallengelassen werden, wenn dafür Kleinwasserkraftbetreiber Unterstützung erhalten bei Maßnahmen zur ökologischen Gewässerbewirtschaftung. Derzeit stünden diese Energieerzeugungsanlagen nämlich angesichts der niedrigen Strompreise am Markt vor großen Herausforderungen. Abgewendet wurde die Vertagung von Brunners Anliegen dennoch nicht, zumal Österreich nach den Worten von Johann Rädler bei der Wasserqualität im europäischen Spitzenfeld liege.

Wirtschaft im Klimaschutz gefragt

Dem Klimaschutz, eingangs der Sitzung Debattengegenstand (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 482), widmete sich das Team Stronach erneut in einem Teilbereich. Konkret ortet Umweltsprecherin Ulrike Weigerstorfer Mängel bei der Energiebedarfskennzeichnung von Haushaltsgeräten. Die Angaben würden häufig nicht mit dem tatsächlichen Stromverbrauch der Geräte übereinstimmen, denn durch das Ausnützen von Fehler- und Messtoleranzen betrieben viele Hersteller einen "Etikettenschwindel", beruft sie sich auf das Ergebnis des EU-Projekts MarketWatch. Jedes fünfte Gerät entspreche nicht den EU-Effizienzvorgaben. Die Bundesregierung solle deswegen diesbezügliche Daten für Österreich erheben lassen und auf EU-Ebene eine Überarbeitung der Ökodesign-Richtlinie und der Energielabel-Richtlinie anregen (1678/A(E)). ÖVP, FPÖ und NEOS meinten unisono, das sei eine Sache des Wirtschaftsressorts. Überdies werde in EU-Kreisen derzeit eine neue Skalierung der Energieeffizienzkennzeichnung besprochen, wie Michael Pock (N) ausführte, ehe der Antrag vertagt wurde. Christiane Brunner (G) nutzte die Gelegenheit, auf Änderungsbedarf beim Energieeffizienzgesetz hinzuweisen, da es keine Vorkehrung gegen den steigenden Energieverbrauch in Österreich biete.

Für die NEOS ist die Wirtschaft maßgebliche Kraft im Klimaschutz. Die Politik habe daher Österreichs Umweltwirtschaft im internationalen Wettbewerb mit einem Maßnahmenpaket zu unterstützen, mahnt Abgeordneter Michael Pock (N). In seinem Antrag (1643/A(E)) beschreibt er mehrere Erfolge heimischer Umwelttechnologie-Unternehmen, beispielsweise im Bereich Energieeffizienz. Die Abgeordneten Harry Buchmayr (S) und Matthias Köchl (G) erinnerten daraufhin an das 2007 geschnürte Maßnahmenpaket der Regierung zur Förderung von Umwelttechnologie und wurden von Minister Rupprechter bestätigt. Dieser sehr exportorientierte Sektor sei äußerst dynamisch und werde in seiner Entwicklung weiter unterstützt – auch über Gelder aus dem Klima- und Energiefonds. Weil bis zum Herbst eine Datenerhebung zum Exportvolumen des Bereichs abgeschlossen sein soll, vertagten SPÖ und ÖVP den Antrag.

Lehren aus Hexachlorbenzol-Skandal gefordert

Einmal mehr trat Abgeordneter Michael Pock heute für eine lückenlose Aufklärung des Skandals um die nicht fachgerechte Entsorgung von Blaukalk in einem Kärntner Zementwerk und die dadurch ausgelöste Umweltbelastung im Görschitztal ein. Die Vorfälle dürften nicht ohne Folgen bleiben, fordert er die Politik auf, im Sinne der lokalen Bevölkerung Verantwortung zu übernehmen und darüber hinaus eine bundesweite Beschränkung der Zahl von Blaukalk-Entsorgungsanlagen zu veranlassen (1321/A(E)). Grünen-Mandatar Matthias Köchl erwiderte, die Schadstoffbelastung befinde sich dem Endbericht zur Hexachlorbenzol-Sanierung zufolge nun unter den Grenzwerten. Weitere Maßnahmen zur Belastungserhebung, etwa über eigens angesiedelte Bienenvölker, seien am Laufen. Umweltminister Rupprechter fügte in Bezug auf die Entsorgungsmodalitäten an, mit der Abfallverbrennungsverordnung habe Österreich im EU-Vergleich schon sehr strenge Regelungen. Das Ausschreibungsverfahren für die Entsorgung der Altlasten vor Ort sei derzeit im Gange, ebenso wie das Gerichtsverfahren zur Klärung der Schuldfrage. (Schluss Umweltausschuss) rei