Parlamentskorrespondenz Nr. 635 vom 08.06.2016

Österreich-Tourismus 2015 trotz schwacher Konjunktur stark

Wirtschaftsausschuss: Neue Rekorde bei Nächtigungen, Sommerbuchungen besser als erwartet

Wien (PK) – Für gute Nachrichten sorgt die Tourismuswirtschaft: 2015 erreichten Österreichs Hoteliers und Gastronomen bei sonst lauer Konjunktur mit 135,2 Millionen Nächtigungen und einem Umsatz von 38,4 Mrd. € bei ausländischen TouristInnen neue Rekorde. Auch der österreichische Anteil am europäischen Tourismusmarkt und die Zahl der Beschäftigten im Tourismus stieg, und zwar um 2,6% auf 202.943 Menschen, 58% davon Frauen. 7% des heimischen BIP gehen derzeit auf touristische Nachfrageeffekte zurück.

In der Debatte im Tourismusausschuss, der den Bericht zur Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2015 (III-268 d.B.) mit der Mehrheit von SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS plenumsreif machte, wurden bei den VertreterInnen der Opposition aber auch Sorgen wegen steigender Arbeitslosigkeit im Tourismus, einer unterdurchschnittlichen Ertragslage der Betriebe, geringen Investitionen im Vorjahr und wegen sanktionsbedingten Problemen auf dem russischen Markt laut.

Aktuelle Zahlen lassen gute Tourismusentwicklung 2016 erwarten   

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner konnte mit aktuellen Zahlen aufwarten, die weitere Verbesserungen der Entwicklung der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich anzeigen, und zwar nicht nur besser als befürchtet, sondern teilweise sogar besser als erhofft. Die Gästeankünfte stiegen um 4,9%, die Nächtigungen um 2,5% auf 135,2 Miollionen und die Umsätze real um 3,7%. Seit Jahresanfang verbessere die Steuerreform die Kaufkraft heimischer Gäste und die Investitionskredite nahmen im ersten Jahresdrittel um 70% zu, teilte der Minister mit. Die Wintersaison brachte trotz schlechter Schneelage Rekordergebnisse und überdurchschnittliche Erfolge bei deutschen, niederländischen und osteuropäischen Gästen. Ausfälle bei russischen Gästen konnten kompensiert werden. Durch Marketing in Russland rechne er auch bei russischen Gästen mit einer positiven Trendwende, zeigte sich Mitterlehner zuversichtlich. Überdurchschnittlich positiv entwickeln sich auch die Buchungen für die Sommersaison, weil Österreich bei Gästen gefragt sei, die 2016 Destinationen mit Sicherheitsproblemen meiden und Erholung bei Kurzurlauben im europäischen Nahbereich suchen. 

Mittlehner räumte aber ein, dass die Rahmenbedingungen in der Tourismuswirtschaft zu verbessern seien und kündigte Initiativen bei den Themen Bestpreisklausel auf Online-Plattformen, Maßnahmen zum Bürokratieabbau und eine Lösung für das Problem "Familienaushilfe in der Gastronomie" an.

FPÖ: Russland-Sanktionen überdenken

In der Debatte beschrieb Harald Jannach (F) die Stimmung in der Tourismusbranche nicht so positiv wie der Minister, drängte auf Bürokratieabbau und forderte einmal mehr, die Wirtschaftssanktionen gegen die russische Föderation zu überdenken. Gerald Hauser (F) zeigte sich erfreut über die gute Entwicklung, merkte aber kritisch an, die Erträge in der Tourismusbranche seien nicht gut: "Jeder zweite Betrieb schreibt Verluste". Fortschritte bei der Erleichterung der Familienmithilfe und bei der Lösung der Probleme mit der Bestpreisklausel kommen laut Hauser wegen der Vertagung von Oppositionsanträgen viel zu langsam voran. Seine konkreten Vorschläge lauteten auf Bürokratieabbau, Rücknahme der verlängerten Abschreibungsdauer, Senkung von Umsatzsteuer und Lohnnebenkosten und Nichtbesteuerung von Gewinnen, die im Betrieb bleiben. Lösen will Hauser auch Probleme bei Betriebsübernahmen.

Grüne für Marketing auf Kernmärkten und Sanierung der Schutzhütten   

Georg Willi (G) klagte über die Verlängerung der Abschreibungsfrist bei Investitionen und über die Mehrwertsteuererhöhung seit Jahresbeginn. Angesichts der großen und wachsenden Bedeutung des europäischen Kernmarktes für Österreich problematisierte Willi den Marketingaufwand auf Fernmärkten, die seiner Ansicht nach weniger Wertschöpfung für Österreich erwarten lassen. Auch Willi drängte auf eine Lösung zur Erleichterung spontaner Hilfe in Familienbetrieben, riet dazu, Forststraßen verstärkt für Mountainbiker zu öffnen und verlangte, die Sanierung von Schutzhütten und alpinen Wegen nach 2017 fortzusetzen. Matthias Köchl (G) schlug vor Touristenvisa für Gäste aus fernen Ländern zu erleichtern. Lob für die Förderung von Innovation und Kreativität in Form von "Leuchtturmprojekten" spendete Ruperta Lichtenecker (G), die sich wegen des niedrigen Investitionsniveaus 2015 besorgt zeigte.

NEOS für Novellierung der Gewerbeordnung und flexible Arbeitszeiten

Die überraschend guten Ergebnisse des Tourismus führte Josef Schellhorn (N) auf den 2016 frühen Termin der Osterfeiertag zurück, zeigte sich aber dennoch besorgt wegen des Trends zu kurzen Gästeaufenthalten, die die Betriebe im Marketing vor völlig neue Aufgaben stellen. Schellhorn verlangte daher bei der Gewerbeordnungsnovelle sicherzustellen, dass Hoteliers künftig nur einen Gewerbeschein statt mehrere benötigen und verlangte Ungleichheiten im Wettbewerb zwischen Hoteliers und den Bauern beim "Urlaub am Bauernhof" zu beseitigen. Zustimmung vom Wirtschaftsminister erhielt Schellhorn bei seiner Kritik an Tourismuswerbern der Länder, die eigene Büros in China errichten, statt sich mit der Österreichwerbung abzustimmen. Fairplay verlangte Schellhorn für Gastronomen beim Thema Raucheremissionen und generell eine neue Praxis im Umgang mit Anträgen der Opposition.

SPÖ für Förderung von JungunternehmerInnen

Eine Lanze für die Förderung von JungunternehmerInnen brach Maximilian Unterrainer (S) und kritisierte unterschiedliche
Förderungsprogramme in einzelnen Bundesländern. Erwin Preiner (S) unterstrich die Bedeutung von Urlauben am Bauernhof für den ländlichen Raum, empfahl die Evaluierung des Forstgesetzes beim Thema Mountainbiking und erfuhr vom Wirtschaftsminister, dass derzeit 100 Jugendliche im neuen Lehrberuf Hotelkaufmann/-kauffrau ausgebildet werden.

Team Stronach: Schlechte Stimmung in der Branche

Auch Leopold Steinbichler (T) berichtete von einer schlechten Stimmung bei den Hoteliers, forderte Ergebnisse von der Regierung,  kritisierte die permanente Vertagung von Oppositionsanträgen und mahnte in der Politik mehr Hausverstand von Praktikern ein, etwa bei der familiären Mithilfe in der Gastronomie. Für logische und praxisnahe Lösung im Interesse der Tourismuswirtschaft trat auch Georg Willi (G) ein, der auf das Zukunftsthema Radtourismus und die kaufkräftige Gruppe der Mountainbiker aufmerksam machte. Willis Fraktionskollege Matthias Köchl wies in Übereinstimmung mit dem Minister darauf hin, dass das Niveau von Sozialabgaben und Steuern zwischen Österreich und der Schweiz wegen unterschiedlicher Berechnungen nicht vergleichbar sei.

Mitterlehner weist Polemik in der Tourismuspolitik zurück

Der Wirtschaftsminister sah keinen Anlass für Polemik in der Tourismuspolitik, auch wenn sie von Experten komme und in Studien zu lesen sei. Die Verlängerung der Abschreibungsdauer von Investitionen sei ein Wermutstropfen in der Steuerreform, räumte der Minister ein, habe aber eine Funktion in der Gegenfinanzierung. Die Umsatzsteuererhöhung gefährde den Tourismus nicht, hielt Mittlehner fest und wies Vergleiche mit der Schweiz zurück, deren Tourismuswirtschaft unter dem Frankenkurs leide und viel mehr  Werbeaufwand habe, um der Abwanderung von Gästen entgegenzuwirken.

Beim Thema Barrierefreiheit in der Tourismuswirtschaft wies der Tourismusminister auf geänderte gesellschaftliche Anforderungen im Umgang mit behinderten Menschen hin. Die Tourismusbetriebe seien gut beraten, sich an dieser Stelle auf neue Märkte einzustellen und informierte über Handbücher und Broschüren, mit denen das Wirtschaftsressorts die Unternehmen bei der Suche nach praktikablen Lösungen unterstützt.

Nächtigungsverluste bei russischen Gästen liegen insgesamt unter einem Prozent. Größer sei der Schaden durch Umsatzverluste von 150 Mio. € in dieser kaufkräftigen Gästegruppe. Österreich konzentriere sich im Marketing auf den europäischen Markt und verzeichne beachtliche Erfolge bei deutschen und niederländischen Gästen, lasse aber auch Dritt- und Fernmärkte nicht außer Acht. "Chinesische Gäste geben viel Geld in Österreich aus", berichtete der Minister. Für die Sanierung von Schutzhütten und alpinen Wegen werde viel Geld aufgewendet, sagte Mitterlehner, der eine Fortsetzung des Förderungsprogramms nach 2017 für möglich hielt.

Der Österreich Werbung, für die sich auch er mehr Geld wünsche, attestierte Mitterlehner gute Arbeit und Erfolge. Ein Schwerpunkt bei der Förderung von Innovationen sei die Digitalisierung. Die Investitionen erreichten 2015 einen Tiefpunkt, entwickeln sich seit Jahresbeginn aber wieder besser, sagte der Minister, der ungerechtfertigte Polemik bei Thema Betriebsübergaben zurückwies, weitere Lohnnebenkosten ankündigte und sein Bemühen unterstrich, die Erteilung von Visa für Gäste aus fernen Ländern zu erleichtern.

ÖVP sieht Tourismusbranche gut behauptet und will Probleme lösen

In einer weiteren Verhandlungsrunde wies Gabriel Obernosterer (V) die Behauptung der Opposition zurück, die Vertagung von Anträgen würde bedeuten, dass aufgezeigte Probleme ungelöst blieben. Sein Hauptaugenmerk galt dem Bürokratieabbau. Die Tourismusbranche habe sich gut behauptet, stellte Obernosterer fest, das zeigen die guten Fakten. Es gebe daher keinen Anlass, die Branche schlecht zu reden.

Josef Schellhorn (N) problematisierte Ausnahmen für Unternehmen in Wien bei den Bestimmungen für die Barrierefreiheit und setzte sich für die Förderung von Eigenkapital, die Erleichterung von Betriebsübergaben und flexiblere Arbeitszeiten ein.

Die Arbeitslosigkeit in der Tourismusbranche nahm 2015 um 3.157 Personen zu und stieg im Mai 2016 um 0,3% im Jahresabstand, teilte Wirtschaftsminister Mitterlehner den Abgeordneten schließlich mit. 

Bestpreisklausel: Hoteliers überlegen Weg zum Kartellgericht

Faire Wettbewerbsbedingungen für Hotels bei der Zimmerbuchung auf Internetplattformen forderten neuerlich Gerald Hauser (F), Georg Willi (G), Josef Schellhorn (N) und Leopold Steinbichler (T). Kritik übten die Abgeordneten an der Bestpreisklausel von Online-Plattformen wie booking.com, die günstige Preisangebote auf Hotel-Websites unterbindet, und verlangten eine rasche Entscheidung der Bundeswettbewerbsbehörde über eine diesbezügliche Beschwerde der Österreichischen Hoteliervereinigung. Außerdem sollten die heimischen Hotels mit nationalen Vertriebslösungen ihre Preishoheit zurückgewinnen, schlagen die AntragstellerInnen vor (1572/A(E)).

Die Initiative wurde mit Stimmenmehrheit vertagt, nachdem Bundesminister Reinhold Mitterlehner eine Regierungsvorlage mit entsprechenden Änderungen im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und im Preisauszeichnungsgesetz angekündigt hatte.

NEOS drängen auf bessere Koordinierung der Tourismuswerbung

Eine bessere Koordinierung der verschiedenen Marketingaktivitäten im österreichischen Tourismus verlangt Josef Schellhorn von den NEOS. Neben der Österreich Werbung starten auch neun Landestourismusorganisationen und regionale Tourismusverbände Werbekampagnen, ohne sich abzustimmen. Die Gesamtausgaben dafür betragen nach Schellhorns Berechnung jährlich 450 Mio. €. Zur Effizienzsteigerung fordert Schellhorn nun ein Konzept zur Umstrukturierung der Kompetenzen in der Tourismuswerbung  (1446/A(E)).

Der Vorstoß sei notwendig und begrüßenswert, der Ansatz liege aber bei den Landestourismusorganisationen, räumte Bundesminister Reinhold Mitterlehner ein, worauf auch diese Initiative mit den Stimmen der Regierungsparteien vertagt wurde.

Opposition für Zusammenarbeit zwischen Tourismusschulen und Landwirtschaftsschulen

Auf Erfahrungsaustausch über regionale Produkte und deren Qualität in der Gastronomie setzen Georg Willi (G), Harald Jannach (F), Sepp Schellhorn (N) und Leopold Steinbichler (T) bei ihrer neuerlichen Forderung nach Kooperation von Tourismus- und Landwirtschaftsschulen. Die AntragstellerInnen argumentierten mit den engen Zusammenhängen zwischen Landwirtschaft und Tourismus und warben mit Aussichten auf ein "Win-Win-Win-Projekt" für BäuerInnen und Tourismus-Fachkräfte für ihr Anliegen (1579/A(E)). Heimische Gastronomiebetriebe sollten heimische Produkte verarbeiten, brachte Georg Willi das Ziel des Antrags auf den Punkt.

Den Intentionen des Antrags konnten auch die Regierungsparteien einiges abgewinnen. ÖVP-Tourismussprecher Gabriel Obernosterer kündigte für 2017 den Start eines entsprechenden Pilotprojekts an, während SPÖ-Landwirtschaftssprecher Erwin Preiner vor allem im Rahmen der Ausweitung der Schulautonomie Chancen für eine Kooperation sah. Andreas Hanger (V) setzte ebenfalls auf die Eigenverantwortung und Autonomie der Schulen und gab zu bedenken, man solle nicht alles gesetzlich vorschreiben. Das Anliegen der Oppositionsparteien wurde letztlich in die Warteschleife verwiesen, zumal die Regierungsparteien noch die Evaluierung diesbezüglicher Schulprojekte abwarten wollen.

Team Stronach pocht auf einheitliches Qualitätsgütesiegel für heimische Nahrungsmittel

Auf der Tagesordnung des Ausschusses stand auch die schließlich vertagte Forderung von Leopold Steinbichler (T) nach einem einheitlichen Qualitätsgütesiegel für heimische Nahrungsmittel  (763/A(E)). Zu viele Lebensmittel-Kennzeichnungen verschleiern die Herkunft von Lebensmitteln und ihrer Ingredienzien. Österreich soll seinen Gästen heimische Qualitätsprodukte servieren statt Rindfleisch aus Argentinien oder Ungarn, Wild aus Neuseeland, Fische aus aller Welt und Speiseeis aus Öl von Palmen auf gerodeten Regenwaldflächen, schlägt Steinbichler vor. Das setze eine klare Kennzeichnung heimischer Lebensmittel voraus, sagte der Antragsteller.

Mit Skepsis reagierte Georg Vetter (V) auf Steinbichlers Vorstoß, wobei er einwandte, der Staat sollte sich nicht überall einmischen, inflationäre Qualitätszuschreibungen könnten sich als kontraproduktiv erweisen. (Schluss) fru/hof


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