Parlamentskorrespondenz Nr. 663 vom 13.06.2016

Neu im Sozialausschuss

Regierung schlägt Ausbildungspflicht für Jugendliche bis 18 vor

Wien (PK) – Rund 5.000 Jugendliche verlassen nach Schätzung des Sozialministeriums jedes Jahr das Bildungs- und Ausbildungssystem in Österreich ohne einen über die Pflichtschule hinausgehenden Abschluss. Sie haben ein besonders hohes Arbeitslosigkeitsrisiko und landen häufig in schlecht bezahlten Hilfsjobs, viele sind armutsgefährdet und von Sozialleistungen abhängig. Dem will die Regierung nun mit einer Ausbildungspflicht für Jugendliche bis 18 entgegenwirken. Ein entsprechendes Gesetzespaket (1178 d.B.) liegt dem Sozialausschuss zur Beratung vor.

Kernpunkt des Pakets ist ein neues Ausbildungspflichtgesetz, das Erziehungsberechtigte dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs entweder eine Schule besuchen, eine Lehre absolvieren oder eine sonstige Ausbildung machen. Dazu zählen etwa auch AMS-Kurse, Vorbereitungslehrgänge oder Praktika, wenn sie im Rahmen des vorgesehenen Perspektiven- und Betreuungsplans genehmigt wurden. Ausnahmen sind nur für Jugendliche vorgesehen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, ein Freiwilliges Jahr absolvieren, aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen keine qualifizierte Ausbildung machen können oder bereits eine weiterführende Ausbildung abgeschlossen haben.

Zur Sicherstellung der Ausbildungspflicht kann das Sozialministeriumservice (SMS) in jedem Bundesland eine Koordinierungsstelle einrichten, die die Jugendlichen bei der Berufsfindung und bei der Aufnahme von Ausbildungsmaßnahmen unterstützen soll. Dabei ist auf bestehende Beratungs- und Betreuungseinrichtungen zurückzugreifen. Dieser Stelle müssen die Eltern auch melden, wenn ihr Kind innerhalb von vier Monaten nach Abschluss der Pflichtschule bzw. nach einem Schul- oder Ausbildungsabbruch keine neue Ausbildung begonnen hat. Auch öffentliche Einrichtungen und Institutionen wie Schulen, Arbeitsmarktservice (AMS) und Sozialversicherung unterliegen der Meldepflicht. Für Jugendliche ohne Schul- bzw. Ausbildungsplatz hat das SMS bzw. das AMS einen Perspektiven- und Betreuungsplan zu erstellen. Bei Verstößen gegen die Ausbildungspflicht drohen dem Erziehungsberechtigten, ähnlich wie bei der Verletzung der Schulpflicht, Geldstrafen zwischen 100 € und 500 € bzw. im Wiederholungsfall bis zu 1.000 €.

Ausbildungsangebot für Jugendliche soll ausgeweitet werden

Begleitend zur Ausbildungspflicht ist auch eine Ausweitung des Ausbildungsangebots für Jugendliche geplant. So sind gemäß den Erläuterungen unter anderem Pilotprojekte beim AMS und ein Ausbau der überbetrieblichen Lehrausbildung vorgesehen. Zudem wird der Zugang zu Produktionsschulen und zum Jugendcoaching erleichtert. Künftig können auch benachteiligte Jugendliche ohne klassische Behinderung entsprechende SMS-Angebote nutzen. Ebenso soll das Jugendcoaching Jugendlichen bereits im letzten Pflichtschuljahr offenstehen. Gefordert sieht das Sozialministerium aber auch das Bildungsministerium, das Wirtschaftsministerium und das Familienministerium, wobei es auf zahlreiche bereits beschlossene bzw. in die Wege geleitete Maßnahmen wie etwa das Lehrlings- und Lehrbetriebscoaching zur Vermeidung von Lehrabbrüchen, die erweiterten Möglichkeiten zur Teilqualifizierung und Präventionsmaßnahmen an Schulen zur Senkung der Quote von SchulabbrecherInnen verweist.

Um die Finanzierung des vorgesehenen Maßnahmenpakets sicherzustellen, wird das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert: Demnach können künftig auch Aufwendungen zur Erfüllung der Ausbildungspflicht aus dem Budgettopf für Arbeitsmarktpolitik finanziert werden. Der Ausgabenrahmen soll entsprechend aufgestockt werden. Eine Steuerungsgruppe und ein Beirat sollen die Weiterentwicklung und die Qualitätssicherung der Ausbildungspflicht sicherstellen.

Ausbildungspflicht gilt ab Mitte 2017

Gelten soll die Ausbildungspflicht für alle Jugendlichen, die mit Ende des Schuljahrs 2016/17 bzw. danach ihre allgemeine Schulpflicht erfüllt haben. Gestraft werden soll allerdings erst ab Juli 2018. Bis dahin will das Sozialministerium ein ausreichendes Unterstützungsangebot für Jugendliche sicherstellen.

Die Kosten für den Bund werden auf 24,76 Mio. € im Jahr 2017 und rund 60 Mio. € im Vollausbau ab 2019 geschätzt. Erwartet werden im Gegenzug eine Steigerung der Beschäftigung sowie rund 1.000 arbeitslose Jugendliche weniger im Jahr 2020. Man wolle nicht nur problematische Dropouts von Jugendlichen aus Schule und Lehrberuf, sondern auch nachteilige Spätfolgen einer unzureichenden Berufsqualifikation auf dem Arbeitsmarkt vermeiden, heißt es dazu in den Erläuterungen.

Zur rechtlichen Absicherung der Ausbildungspflicht wird die Verfassung um einen neuen Kompetenztatbestand "Ausbildungspflicht für Jugendliche" erweitert. Sowohl die Gesetzgebung als auch die Vollziehung sollen demnach beim Bund liegen, wobei die Vollziehung in unmittelbarer Bundesverwaltung erfolgt. Aufgrund dieser Verfassungsänderung bedarf das Gesetzespaket einer Zweidrittelmehrheit im Nationalrat und einer ausdrücklichen Zustimmung des Bundesrats. (Schluss) gs