Parlamentskorrespondenz Nr. 774 vom 30.06.2016

Saller: Politik muss zu einem generationsübergreifenden Prozess gemacht werden

Bundesratspräsident appelliert, das Joch alter und verstaubter Ideologien von den Schultern des Bildungssystems zu nehmen

Wien (PK) – Als ein eindringliches Plädoyer für ein durchlässiges und modernes Bildungssystem für alle Generationen und sozialen Gruppierungen als unabdingbare Voraussetzung dafür, dass Österreich ein starkes, freies und zukunftsfittes Land bleibt, war heute die Abschiedsrede von Bundesratspräsident Josef Saller (V/S) zu verstehen. Politik müsse "zu einem generationsübergreifenden Prozess zur gemeinsamen Gestaltung unseres Landes" gemacht werden, sagte Saller, der im ersten Halbjahr 2016 den Vorsitz in der Länderkammer führte.

Gemeinsam haben wir den Bundesrat zu einer Denkwerkstätte der Bildung gemacht

Saller – selbst von Beruf ehemaliger Lehrer und Hauptschuldirektor – setzte in diesem Sinne während seiner Amtszeit auch ein Zeichen, als er am 25. Mai dieses Jahres zum ersten Seniorenparlament einlud. Nachdem sich die Demokratiewerkstatt, das Jugendparlament und das Lehrlingsparlament an Kinder und Jugendliche richtet, sollte das Seniorenparlament dazu beitragen, auch der älteren Generation einen Blick hinter die Kulissen der österreichischen Innenpolitik zu ermöglichen und ihr somit auch das Politikverständnis zu vermitteln. Damit, so Saller, sei es auch gelungen, die österreichische Innenpolitik greifbar, erlebbar und bürgernah zu machen. Damit habe aber auch die Arbeit seiner Vorgänger erfolgreich weitergeführt werden können: Bundesratspräsident Gottfried Kneifel (V/O) hatte das Thema "Digitaler Wandel und Politik" zu seinem Schwerpunkt gemacht, Bundesratspräsidentin Sonja Zwazl (V/N) setzte auf bessere Berufs- und Bildungsorientierung und initiierte eine "Zukunftskonferenz".

"Gemeinsam haben wir den Bundesrat zu einer Denkwerkstätte der Bildungspolitik gemacht. Dabei ist es auch wichtig, alle Menschen in den politischen Prozess einzubinden", betonte Saller. "Denn letzten Endes ist es ein wesentlicher Aspekt der Bildung und der Allgemeinbildung, das politische System und seine Funktionalität zu verstehen und Politikverständnis zu entwickeln". Nur damit sei es möglich, sich am Meinungs- und Willensbildungsprozess zu beteiligen.

Menschen in die digitale Zukunft mitnehmen

Saller spannte den bildungspolitischen Bogen weiter, denn "Bildung ist mehr als nur Vermittlung und Förderung von Politikverständnis". Er appellierte in diesem Zusammenhang, "das Joch alter und verstaubter Ideologien von den Schultern unseres Bildungssystems zu nehmen", um Kinder sowie alle Bürgerinnen und Bürger auf die Zukunft vorzubereiten. Jeder und jede müsse jederzeit die persönlichen Kompetenzen und das individuelle Wissen bestmöglich einsetzen können. Denn die Stärke einer Gesellschaft erwachse aus der Stärke der einzelnen Individuen und ihrer Möglichkeiten.

Der Bundesratspräsident wies in diesem Zusammenhang auch auf die Notwendigkeit hin, alle Menschen in die digitale Zukunft mitzunehmen, wobei die Medienpädagogik gefordert sei, Modelle zu entwickeln. Die Digitalisierung biete viele Chancen, durch sie werde es möglich, Bildung immer und überall anbieten zu können. Dringlichste Aufgabe sei daher die Vernetzung von Wissen und Integration im täglichen Leben aller.

Bildung fördere vor allem Verständnis füreinander, sie ermögliche Respekt und Toleranz, und das seien die elementaren Werte, die ein friedliches und demokratisches Österreich gewährleisten, umschrieb Saller den Wert der Bildung für Gesellschaft und Politik. Damit könne man auch die Rolle als starkes und unabhängiges Österreich fortsetzen, die unter anderem darin besteht, den internationalen Dialog diplomatisch voranzutreiben. Denn angesichts der zahlreichen kriegerischen Konflikte, des Terrorismus, der Naturkatastrophen und des daraus entstehenden Leids müsse es vorrangiges und primäres Ziel der Politiker und Politikerinnen aller Länder sein, gegen Hass, Rassismus und Gewalt vorzugehen. "Egoismus muss der Solidarität, politische Alleingänge müssen dem Dialog und Allmachtfantasien müssen Visionen einer funktionierenden internationalen Gemeinschaft weichen", bekräftigte der Bundesratspräsident.

Internationale Kontakte auf allen Ebenen stärken und Brücken bauen

Damit sprach er auch die Bedeutung der EU-Politik und der internationalen Kontakte an und hob insbesondere hervor, dass es der Bundesrat geschafft habe, das Bindeglied zwischen der Europäischen Union, dem österreichischen Parlament und den Regionen zu sein aber auch zunehmend zu einem Bindeglied der österreichischen Regionen mit der ganzen Welt zu werden. Er selbst habe Gespräche mit Delegationen aus Russland und Tatarstan geführt und sei mit einer Delegation in Kanada gewesen. Dabei habe man vereinbart, die Zusammenarbeit auf wirtschaftlicher und schulischer bzw. universitärer Ebene weiter zu vertiefen, damit man einerseits heimische Unternehmen ermutige, international zu expandieren, und andererseits den kulturellen Austausch zu fördern. Gespräche mit der Kongregation für das katholische Bildungswesen im Vorfeld einer Generalaudienz bei Papst Franziskus sei genutzt worden, um Wege für ein ganzheitliches Bildungssystem zu diskutieren, das lebenslanges Lernen ermögliche.

Besondere Bedeutung maß er dem Grenzlandtreffen in Slavonice bei. "Wir müssen Brücken bauen und die Grenzen in unseren Köpfen abbauen", und dabei sollte man bei den Nachbarn beginnen. So sei es etwa notwendig, die Städte Wien und Brünn sowie Linz und Prag besser zu verbinden, nannte Saller konkrete Beispiele. Der Austausch sei auf allen Ebenen zu pflegen und vor allem auch zu fördern, sagte er – sei es im Bereich Bildung, Wissenschaft und Kultur, sei es im Bereich Wirtschaft oder sei es im Bereich Politik. Nur der Austausch schaffe Verständnis füreinander und stärke das Miteinander, unterstrich Saller. "Das Kennenlernen anderer Kulturen fördert das Kulturverständnis und das stärkt Österreich in seiner Gesamtheit". (Schluss) jan

HINWEIS: Fotos von dieser Rede finden Sie im Fotoalbum auf www.parlament.gv.at .


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