Parlamentskorrespondenz Nr. 1025 vom 04.10.2016

Weltklimavertrag in Kraft, Umweltausschuss debattiert Umsetzung

Opposition vermisst Tempo in der Klimaschutzpolitik der Regierung

Wien (PK) – Bei den Verhandlungen über einen Weltklimavertrag im Dezember 2015 in Paris spielte Österreich eine wichtige Rolle und zählte auch bei der Ratifizierung des Vertrags durch Nationalrat und Bundesrat im vergangenen Juli weltweit zu den Vorreitern. Nun gilt es die Vereinbarungen zu realisieren und die Erderwärmung deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen. Voraussetzung dafür ist die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft und die Absenkung der Emission klimaschädlicher Gase auf netto Null bis 2050.

Über den Weg der EU und Österreichs, geeignete Rahmenbedingungen für Industrie, Energiewirtschaft, Verkehr, Gebäudesanierung und Kleinverbraucher waren das Thema einer Parlamentarischen Enquete am 23. Juni 2016 mit Umweltminister Andrä Rupprechter, Verkehrsminister Jörg Leichtfried, internationalen und heimischen ExpertInnen sowie ParlamenterierInnen. Politische Schlüsse aus dieser Tagung zogen anhand des Stenographischen Protokolls (III-286 d.B.) der Enquete die Mitglieder des Umweltausschusses gemeinsam mit dem Umweltminister und verabschiedeten das Protokoll mehrheitlich zur weiteren Debatte an das Nationalratsplenum.

Anträge der Grünen für ein Sofortprogramm zur Umsetzung des Weltklimavertrags (1499/A(E)) und der NEOS zur Nutzung der wirtschaftlichen Chancen des Klimaschutzes durch innovative heimische Unternehmen (1643/A(E)) wurden vertagt. Gegen oppositionelle Kritik am "Nichtstun" der Regierung in Sachen Klimaschutz hielt Umweltminister Andrä Rupprechter mit Unterstützung von ÖVP- und SPÖ-SprecherInnen sein Eintreten für ein Klimawende-Protokoll in Europa, die positiven Wirkungen des Klimaschutzgesetzes und die Arbeit an einer integrierten Klima- und Energie-Strategie entgegen, zu der der Umweltminister für das erste Quartal 2017 ein Weißbuch ankündigte. Der Bau des großen Hauses "Klimaschutz" brauche sorgfältige Planung, hieß es von Seiten der Regierung.

Weltklimaschutzvertrag tritt in Kraft - viel Arbeit für Österreich           

Die heutige Ratifizierung des Weltklimavertrags von Paris durch das EU-Parlament löst das Inkraftreten des Vertrags am 6. November 2016 aus. Diese Nachricht, die Ausschussobfrau Christiane Brunner und Umweltminister Andrä Rupprechter den Abgeordneten überbrachten, sorgte eingangs der Sitzung für Freude im Umweltausschuss. Christiane Brunner sprach dabei von einem großen Arbeitsauftrag für das Parlament und den Umweltausschuss und plädierte dafür, die richtigen Schlüsse aus der Enquete vom 23. Juni 2016 zu ziehen und selbstbewusst initiativ zu werden.

Das Übereinkommen von Paris ist eine der wichtigsten Beschlüsse der letzten Jahrzehnte, sagte Johann Höfinger (V), es bringe große Chancen und große Verantwortung für das Parlament mit sich. Erschüttert zeigte sich Höfinger über jene, die die Bedeutung des Klimaschutzes nicht erkennen und gegen den Vertrag stimmten. Der Klimaschutz nütze Österreichs innovativen Unternehmen und dem ländlichen Raum und werde neue Betriebe entstehen lassen. Große Mengen an Energie werden künftig nicht mehr importiert, sondern in Österreich erzeugt werden - das bringt zusätzliche Wertschöpfung und neue Jobs, führte Höfinger aus.

Opposition zum Klimaschutz: Wir müssen handeln  

Walter Rauch (F) erinnerte an die unterschiedlichen Positionen, die in der Enquete zur Umsetzung des Weltklimavertrags von Paris zum Ausdruck kamen. Der Regierung warf Rauch vor, bislang keine Entscheidung getroffen und mit keinem Wort aufgezeigt zu haben, auf welchem Weg sie die Ziele des Weltklimavertrags erreichen wolle.

Scharfe Kritik am Verhalten der Regierung übte auch Michael Bernhard (N), der die EU-Ziele und das Resultat der Enquete unterstützte. Jene 80% der bei der Enquete genannten Maßnahmen, die unumstritten seien, wie das Ende für die Dieselbegünstigung, sollten rasch umgesetzt werden. "Es reicht nicht aus, nur schöne Worte zu machen". Bernhard drängte auf ein Umsetzungspaket der Bundesregierung und auf eine Diskussion für eine Dekarbonisierungsstrategie Österreichs.

Christiane Brunner lobte in Übereinstimmung mit Sprechern aller Fraktionen die Parlamentarische Enquete vom 23.Juni und fasste die ExpertInnen-Statements in dem Satz zusammen: "Wir müssen handeln". Es reiche nicht, den Weltklimavertrag zu ratifizieren, jetzt müssten die Parlamente die Weichen dafür stellen, die Treibhausgasemissionen bis 2050 auf null zu stellen. Für die WissenschaftlerInnen sei längst alles klar. Die Sofortmaßnahmen, die die Grünen beantragen, begründete Brunner mit dem Nachholbedarf Österreichs, dessen Treibhausgasemissionen über dem Stand von 1990 liegen. Auch Brunner kritisierte die Bundesregierung, die bislang keine einzige Maßnahme vorgelegt habe. "Die Zeit läuft" und "wir müssen etwas tun", sagte auch Gabriela Moser (G) und schlug vor, die Anstrengungen zur thermischen Sanierung und zum Wärmeschutz im Neubau zu verstärken, indem die Mittel, die den Ländern für den Klimaschutz zur Verfügung gestellt werden, künftig zweckentsprechend eingesetzt werden. Denn nach wie vor verfehle Österreich das Ziel, 3% des Gebäudebestandes jährlich thermisch zu sanieren.

Einen neuen gemeinsamen Weg von Umweltschutz und Wirtschaft regte Ulrike Weigerstorfer (T) an und hielt es ebenfalls für dringend, den schönen Worten Taten folgen zu lassen. Österreich sei schon lange nicht mehr Vorreiter, der Umweltausschuss sei aufgefordert endlich Mut zu zeigen und die Kultur der Vertagung zu beenden.

Nichtstun sei keine Option, sagte Georg Willi (G) und unterstrich die Schlüsselposition des Parlaments bei der Umsetzung des Weltklimavertrags. Österreich stehe vor einer Vielzahl an Herausforderungen – vier Monate nach der Enquete liege aber keine einzige Initiative der Regierung vor, obwohl Österreich meilenweit von den Zielen entfernt sei, die in Paris vereinbart wurden. Konkret klagte Willi über niedrige Ziele im Klimaschutzgesetz, drängte auf Änderungen und kritisierte das Nachhinken Österreichs bei der Energieeffizienz sowie die Kürzung von Umweltförderungen. Für längst überholt hält Willi das steuerliche Dieselprivileg.

Mit dem Weltklimavertrag wurden die Ziele beim Klimaschutz international verbindlich festgemacht, hielt Werner Groiß (V) fest und trat der Auffassung entgegen, in Österreich geschehe nichts. Tatsächlich sei der Klimaschutz ein intensives Thema in der Gesetzgebung. Den Antrag der Grünen sah Groiß grundsätzlich positiv. Viele der Punkte seien bereits in Umsetzung, bei anderen müsse man Partner finden. Einige Anliegen der Grünen hielt Groiss für zu ambitioniert und stellte mit Erfolg einen Vertagungsantrag.

Was SUVs und Kiwis zu Weihnachten für das Klima bedeuten

Klaus Uwe Feichtinger (S), der neue Umweltsprecher der SPÖ, der eingangs der Ausschusssitzung einstimmig zum Obfrau-Stellvertreter gewählt wurde, lobte seinerseits die griffigen Statements der ExpertInnen bei der Enquete, fügte aber hinzu, dass es notwendig sein werde, das Verständnis der Menschen für die Anliegen des Klimaschutzes zu gewinnen. Allein der Begriff "Dekarbonisierung", der den Mitgliedern des Mitgliedsausschusses selbstverständlich sei, werde von einem Großteil der Bevölkerung nicht verstanden. Gefragt sei eine breite Diskussion, die auch Fragen der Industriepolitik, des Wirtschaftsstandorts und der Arbeitsplätze umfasse. Die Menschen müssen verstehen, was es für das Klima bedeute, wenn man knapp vor Weihnachten mit einem SUV noch rasch in den nächsten Supermarkt fährt, um dort Kiwis einzukaufen.

Rupprechter sucht breiten Konsens für die Dekarbonisierung  

Umweltminister Andrä Rupprechter skizzierte die beiden Säulen der österreichischen Klimaschutzstrategie, erstens die Verringerung der Treibhausgasemissionen und eine Anpassungsstrategie an den Klimawandel. Er habe sich für eine rasche Ratifizierung des Weltklimavertrages eingesetzt, berichtete der Minister und erläuterte das Schnellverfahren, das in der EU zum heutigen Beschluss des Europäischen Parlaments geführt habe. Dieser Beschluss löse das Inkrafttreten des Klimavertrags aus.

Die Auffassung der Grünen, Österreich liege bei den Treibhausgasemissionen über dem Wert von 1990, wies Rupprechter zurück, tatsächlich liege Österreich um 1 Mio.t darunter. Um bei der Umsetzung des Weltklimavertrags rasch vorgehen zu können, suche er den Konsens mit allen Stakeholdern und ein breites gesellschaftliches Bewusstsein für die Notwendigkeit der Dekarbonisierung. In der EU trete er für ein Energiewendeprotokoll ein, sagte Rupprechter und gab den Grünen in ihrer Forderung nach einer Ökologiesierung des Steuersystems und auf Entlastung des Faktors Arbeit recht. Eine Novellierung des Klimaschutzgesetzes hält Rupprechter aber für nicht erforderlich, solange die konkreten EU-Klimaschutz-Ziele und die Lastenaufteilung in Europa noch nicht bekannt seien. Das geltende Klimaschutzgesetz wirke bis 2020, bekräftigte Rupprechter.

An den Online-Konsultationen für die Energie- und Klimaschutzstrategie Österreichs haben 400 Menschen mit 10.000 Antworten teilgenommen. Sechs Arbeitsgruppen arbeiten nunmehr an einer Strategie über die am 19. Oktober bei einer Konferenz in Linz mit Vizekanzler Mitterlehner, Verkehrsminister Leichtfried und Sozialminister Stöger beraten werden wird. Das Weißbuch der Bundesregierung kündigte Rupprechter für das erste Quartal 2017 an.

Anträge der Opposition zu vertagen, dem Ausschuss aber keinerlei Initiativen der Regierung vorzulegen, hielt Wolfgang Pirklhuber (G) für beschämend. Beim Klimaschutz sollte die Zeit des Vertagens, des Verzögerns und des Verschleppens zu Ende sein, sagte Pirklhuber, der an die FPÖ appellierte, ihre Position zum Klimaschutz zu überdenken.

Klaus Uwe Feichtinger (S) unterstützte den Vertagungsantrag der ÖVP und den Umweltminister und trat seinerseits für eine sorgfältige Planung ein, denn noch wisse niemand, wie das "Haus Klimaschutz" aussehen solle. Maßnahmen zur Umsetzung des Weltklimavertrages sollten in der ersten Hälfte des kommenden Jahres starten, sagte Feichtinger. Zum Antrag der NEOS schlug Feichtinger ebenfalls eine Vertagung vor, um die Ergebnisse der Evaluierung zur Entwicklung der österreichischen Umwelttechnologie abzuwarten. Das Versprechen von Umweltminister Andrä Rupprechter, dem Umweltausschuss über diese Analyse zu berichten, veranlassten Antragsteller Michael Bernhard (N), der Vertagung zuzustimmen. (Fortsetzung Umweltausschuss) fru