Parlamentskorrespondenz Nr. 1190 vom 10.11.2016

Zentrales Wählerregister erleichtert Unterstützung von Volksbegehren

Breite Mehrheit im Nationalrat für kleines Wahlrechtspaket

Wien (PK) – Ab dem Jahr 2018 wird es in Österreich ein Zentrales Wählerregister geben. Der Nationalrat folgte heute den Empfehlungen des Verfassungsausschusses und stimmte mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit einer entsprechenden Gesetzesinitiative der Koalitionsparteien zu. Damit können Volksbegehren künftig unabhängig vom Hauptwohnsitz in jedem Gemeindeamt unterstützt werden. Auch eine elektronische Unterschrift per Handysignatur bzw. Bürgerkarte wird möglich sein. Das zentrale Register soll außerdem die Abwicklung von Wahlen erleichtern und Pannen, etwa bei der Ausgabe von Briefwahlkarten, unterbinden. Durch einen Abänderungsantrag wird klargestellt, dass auch Wählerdaten für Landtags- und Gemeinderatswahlen, etwa Hauptwohnsitz und weitere Wohnsitze, im Zentralen Wählerregister gespeichert werden können.

Letztlich stimmten nur die NEOS und das Team Stronach gegen das Gesetzespaket. Nikolaus Scherak (N) und Christoph Hagen (T) sehen nicht ein, warum künftig zwar die Unterstützung von Volksbegehren erleichtert wird, Unterstützungserklärungen für Parteien, die bei Nationalrats- bzw. EU-Wahlen antreten wollen, aber nach wie vor am Heimat-Gemeindeamt abgegeben werden müssen. Beide Parteien lehnten das Gesetz daher in Dritter Lesung – nach Zustimmung in Zweiter Lesung – ab.

Mitbeschlossen mit der Einrichtung eines Zentralen Wählerregisters haben die Abgeordneten auch erste Adaptierungen im Wahlrecht. So werden in Reaktion auf die Aufhebung der Bundespräsidentenwahl durch den Verfassungsgerichtshof die Bestimmungen über die Öffnung und Auszählung von Wahlkarten praxisnäher gestaltet. Nicht nur der Wahlleiter, sondern die gesamte Bezirkswahlbehörde kann entsprechend tätig werden, allenfalls unter Beiziehung von Hilfsorganen. Zudem ist geplant, auch bei Nationalrats- und EU-Wahlen vorläufig zu den alten Wahlkarten ohne Lasche zurückzukehren. Mittelfristig brauche es im Sinne des Datenschutzes jedoch eine andere Lösung, sind sich die Abgeordneten einig und fordern die Regierung in diesem Sinn einhellig per Entschließung auf, alternative Optionen vorzulegen.

Die Kosten für die Wiederholung der Bundespräsidenten-Stichwahl übernehmen der Bund und die Länder: Die Gemeinden werden für ihren Mehraufwand entsprechend entschädigt.

Zu einer kleinen Änderung kommt es schließlich bei den Regionalwahlkreisen. Grund dafür ist die Auflösung des Bezirks Wien-Umgebung. Die bisherigen Wahlkreise "Wien Umgebung" und "Niederösterreich Süd-Ost" werden durch die Wahlkreise "Thermenregion" (3 F) mit den Bezirken Baden und Mödling und "Niederösterreich Ost" (3 G) mit den Bezirken Bruck an der Leitha und Gänserndorf ersetzt.

Zentrales Wählerregister wird von allen Fraktionen begrüßt

Grundsätzlich wurde die Gesetzesinitiative von allen Fraktionen begrüßt. Die geplante einheitliche Wählerevidenz sei Voraussetzung für eine künftige bessere Durchführung von Wahlen, betonte SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder. Sinnvoll findet er auch, dass es WählerInnen künftig ausdrücklich gestattet ist, das Wahlkuvert selbst in die Urne einzuwerfen, ein Praxis, die bereits in der Vergangenheit gang und gäbe war.

Weitere Änderungen im Wahlrecht sollen Schieder zufolge im 1. Halbjahr 2017 fixiert werden. Auch SPÖ-Verfassungssprecher Peter Wittmann hob hervor, dass es sich beim vorliegenden Gesetzespaket nur um den ersten Schritt einer Wahlrechtsreform handelt, dem weitere folgen sollen. Nachjustieren wird man seiner Meinung nach auch bei den Briefwahl-Kuverts müssen.

Seitens der ÖVP erinnerte Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl daran, dass seit drei Jahren über die Einführung eines Zentralen Wählerregisters diskutiert werde. "Es ist eine tolle Sache, die wir hier machen", bekräftigte er in Einklang mit seinen FraktionskollegInnen. Umso mehr bedauerte Gerstl, dass die NEOS das Gesetzespaket ablehnen werden.

ÖVP-Abgeordneter Johann Singer begrüßte es, dass die Gemeinden künftig von der Pflicht befreit werden, die Eintragungslokale für Volksbegehren auch am Sonntag offenzuhalten. Die Sonntagsöffnungszeiten seien von BürgerInnen ohnehin kaum angenommen worden, machte er geltend. Erfreulich ist für ihn außerdem, dass die Gemeinden für den durch die Wiederholung der Bundespräsidenten-Stichwahl entstehenden Mehraufwand entschädigt werden. Bei künftigen Wahlrechtsreformen sollte besonders auch auf die Praxistauglichkeit der Bestimmungen geachtet werden.

Michaela Steinacker (V) nutzte die Debatte für Kritik an der Türkei. Diese habe in Bezug auf Rechtsstaatlichkeit längst rote Linien überschritten. An die Bevölkerung appellierte sie, bei der Wiederholung der Bundespräsidenten-Stichwahl vom Wahlrecht Gebrauch zu machen.

ÖVP-Seniorensprecherin Gertrude Aubauer sieht es als große Herausforderung, die Menschen, vor allem auch junge, zu den Urnen zu bringen. Schließlich sei das Wahlrecht das Herzstück der Demokratie. Eine Selbstverständlichkeit ist für sie, dass auch besachwaltete Menschen ihr Wahlrecht ausüben können. Immer wieder auftauchende Gerüchte über Unregelmäßigkeiten in Pflegheimen bei der Anforderung und beim Ausfüllen von Briefwahlkarten sprach Nikolaus Berlakovich (V) an. Auch hier müsse Ordnung gemacht werden, unterstrich er.

Wählerevidenz wird keine "Gesinnungsdatenbank"

Zustimmung der FPÖ zum Gesetzentwurf signalisierte Harald Stefan (F), auch wenn seiner Meinung nach mit dem Zentralen Wählerregister nur einige wenige Probleme gelöst werden. Es werde lediglich eine bessere Datenqualität geschaffen. Was weiter nicht möglich sein wird, sei, bei der Wahl in jedes beliebige Wahllokal zu gehen, um dort seine Stimme abzugeben. Zufrieden ist Stefan damit, dass sichergestellt ist, dass das Wählerregister keine "Gesinnungsdatenbank" wird, in der Unterstützungserklärungen für Parteien und Volksbegehren oder die Teilnahme an Wahlen dauerhaft zentral gespeichert werden.

Für Stefan und seinen Parteikollegen Philipp Schrangl ist es mit dem vorliegenden Gesetzespaket aber nicht getan. Sie drängten auf "eine echte Wahlrechtsreform", wobei ihrer Meinung nach das wesentlichste Problem die Briefwahl ist. Bei der Briefwahl würden die Wahlgrundsätze nicht eingehalten, zudem habe sich in der Praxis gezeigt, dass es schwierig sei, pannenfreie, ordnungsgemäße Wahlen durchzuführen, sagte Stefan. Laut Schrangl wurden zuletzt mehr als 46.800 von 806.000 Briefwahlstimmen nicht gezählt, wobei die Hauptgründe fehlende Unterschriften bzw. das zu frühe Abschicken von Wahlkarten waren. Er hält die Briefwahl im Inland nicht für notwendig und will sie auf AuslandsösterreicherInnen beschränken.

Grünen-Justizsprecher Albert Steinhauser (G) qualifizierte die Einrichtung eines Zentralen Wählerregisters als eine längst notwendige Maßnahme. Besonders erfreulich ist für ihn, dass dadurch die elektronische Zustimmung zu Volksbegehren ermöglicht wird. Sein Fraktionskollege Dieter Brosz fürchtet allerdings, dass einzelne Länder ausscheren könnten und das zentrale Register bei Landtags- und Gemeinderatswahlen bzw. Volksbegehren auf Landesebene nicht zum Einsatz kommen wird, da es keine Verpflichtung dazu gebe.

Ausdrücklich begrüßt wurden von Steinhauser überdies jene Änderungen im Wahlrecht, die darauf abzielen, eine Wiederholung "des Desasters" bei der Bundespräsidenten-Stichwahl zu verhindern. Briefwahl-Kuverts ohne Lasche könnten aber nicht der Weisheit letzter Schluss sei, betonte er mit Verweis auf die vorliegende Entschließung. Als besonders bedenklich erachtet er dabei, dass nicht nur die Adresse, sondern auch die Unterschrift des Wahlberechtigten öffentlich sichtbar ist. Generell skeptisch äußerte sich Steinhauser zu E-Voting.

Keine Mehrheit für Zusatzantrag der NEOS

Auch Nikolaus Scherak qualifizierte die Einführung eines Zentralen Wählerregisters als positiv. Für ihn ist es allerdings unverständlich, dass es künftig zwar möglich sein wird, Unterstützungserklärungen für Volksbegehren in jedem Gemeindeamt abzugeben, nicht aber Unterstützungserklärungen für KandidatInnen bei Bundespräsidentenwahlen bzw. für Parteien, die bei Nationalrats- oder Europawahlen antreten wollen. Damit werde das Antreten neuer Parteien unnötig erschwert, kritisierte er. SPÖ und ÖVP wollten offenbar alles tun, um "das rot-schwarze Machtkartell" einzuzementieren. Ein entsprechender Zusatzantrag der NEOS fand bei der Abstimmung allerdings nicht die erforderliche Mehrheit.  

Verständnis für das Anliegen der NEOS äußerte SPÖ-Verfassungssprecher Peter Wittmann. Er kritisierte allerdings, dass der Zusatzantrag mit der Zustimmung zum Zentralen Wählerregister junktimiert wird. Die Aussage Scheraks, dass sich viele Menschen scheuen, neue Parteien in ihrer Heimatgemeinde zu unterstützen, weil ihnen dadurch Nachteile drohen, wies die ÖVP strikt zurück. Das sei eine haltlose Unterstellung gegenüber den Bürgermeistern, meinten die Abgeordneten Gerstl, Singer und Berlakovich unisono. Auf entsprechende Erfahrungen in der Praxis verwiesen neben Scherak allerdings auch die anderen Oppositionsparteien und unterstützten in diesem Sinn den Antrag der NEOS. Es sei ein Fundament der Demokratie, dass engagierte BürgerInnen bei Wahlen antreten können, hielt etwa Leopold Steinbichler vom Team Stronach dazu fest.

Christoph Hagen betonte, dass das Team Stronach nicht grundsätzlich gegen das vorliegende Wahlrechtspaket sei, dieses jedoch einige kleine Mängel habe, wobei er sich ausdrücklich der Kritik der NEOS anschloss. Zur Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten merkte Hagen an, er sehe das nicht so negativ wie viele KommentatorInnen. Die Entscheidung des Volkes, des Souveräns, sei ernst zu nehmen. Hagen erwartet sich unter anderem eine Entspannung des Verhältnisses des Westens zu Russland durch Trumps Wahl.

Innenminister Wolfgang Sobotka wies darauf hin, dass die Beantragung einer Wahlkarte für eine fremde Person und die Angabe falscher Daten ein Straftatbestand sei. Erfreut äußerte er sich über die breite Zustimmung zur Einrichtung einer Zentralen Wählerevidenz.

Zu Beginn der Sitzung war Martina Schenk anstelle von Christoph Hagen zu einer der OrdnerInnen des Nationalrats gewählt worden. (Fortsetzung Nationalrat) gs