Parlamentskorrespondenz Nr. 644 vom 01.06.2017

Einhellige Zustimmung zur Heimopferrente in der Länderkammer

Bundesrat: Präventivmaßnahmen müssen folgen

Wien (PK) – All jene Opfer, die im Zeitrahmen vom 9. Mai 1945 bis 31. Dezember 1999 Opfer von Misshandlungen bzw. Missbrauch in Heimen und Internaten des Bundes, der Länder und der Kirche oder in Pflegefamilien geworden sind und dafür eine pauschalierte Entschädigungsleistung erhalten haben, haben ab Erreichen des Regelpensionsalters bzw. ab Pensionsantritt Anspruch auf eine monatliche Zahlung von 300 €. Damit soll der betroffenen Personengruppe der Einkommensnachteil, der durch staatliches Wegschauen bzw. Nichthinschauen entstanden ist, in einem begrenzten Ausmaß ausgeglichen werden. Die Antragstellung ist unbürokratisch, die Betroffenen müssen ihre Leidensgeschichte nicht noch einmal wiederholen.

Mit der ausdrücklichen Zustimmung des Bundesrat s kann nun das Heimopferrentengesetz mit 1. Juli 2017 in Kraft treten. Damit haben Regierung und beide Kammern des Parlaments nach dem von Nationalratspräsidentin Doris Bures initiierten Staatsakt "Geste der Verantwortung" vom 17. November des Vorjahres einen konkreten Schritt gesetzt. Einig war man sich auch in der Länderkammer, dass es sich bei dieser Rentenzahlung um eine Geste handelt, die signalisiert, dass Staat und Kirche die Verantwortung für Geschehenes übernehmen.

Misshandelte Heimkinder erhalten zusätzliche Rente von 300 € ab Juli 2017

Die Rentenleistung kann erstmals ab 1. Juli 2017 ausbezahlt werden, wobei Personen, die bereits eine Pension beziehen bzw. das Regelpensionsalter erreicht haben, die Rente rückwirkend erhalten, wenn sie innerhalb eines Jahres ab Inkrafttreten des Gesetzes einen Antrag einbringen. Ansonsten wird die Rente mit dem Folgemonat des Antrags gewährt. Sie wird ab 2018 valorisiert und gilt nicht als Einkommen, sie ist unpfändbar und hat keine Auswirkung auf das jeweilige Existenzminimum, unterstrich David Stögmüller (G/O) jene Einwände der Opposition, die im vorliegenden Gesetzestext gegenüber der ursprünglichen Fassung berücksichtigt wurden. Eine Verfassungsbestimmung stellt sicher, dass die Leistung auch nicht als Einkommen nach den Mindestsicherungsgesetzen der Länder gilt und auch nicht auf diese Geldleistungen anzurechnen ist. Der Betrag wird also brutto für netto ausbezahlt.

Die Entscheidung über eine Rentenleistung fällt der zuständige Sozialversicherungsträger mit Bescheid. Dagegen kann beim Arbeits- und Sozialgericht berufen werden. Unberechtigt empfangene Rentenleistungen sind unter bestimmten Voraussetzungen zu refundieren. Ins Gesetz aufgenommen wurde auch eine Verpflichtung, relevante Änderungen der Sozialversicherung zu melden.

Betroffene Personen, die keine einmalige Entschädigungsleistung bekommen haben, etwa weil der Heimträger einem Antrag nicht entsprochen hat oder ihnen aus besonderen Gründen keine zeitgerechte Einbringung eines Antrags möglich war, haben die Möglichkeit, nochmals bei der Volksanwaltschaft einen Antrag zu stellen. Sie müssen dabei die ihnen zugefügte vorsätzliche Gewalt wahrscheinlich machen. Die Volksanwaltschaft richtet dafür eine weisungsfreie Rentenkommission ein, der jedenfalls VertreterInnen von Opferhilfeorganisationen angehören. Ihre Aufgabe wird es im Wesentlichen sein, Vorschläge für die schriftlich begründeten Empfehlungen zu erstatten, ob die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rentengewährung vorliegen. Dadurch will der Gesetzgeber auch eine einheitliche Entscheidungspraxis sicherstellen. Die Entscheidung über die Rente obliegt jedoch der Sozialversicherung, diese ist nicht an die Empfehlung der Rentenkommission gebunden. Die Kommission kann auch im Vorfeld der Empfehlung Clearingberichte der für die jeweiligen Opfer maßgeblichen Ansprechpartner und Institutionen einholen oder selbst Erhebungen durchführen.

Die Rentenleistung gebührt für die Dauer der Zuerkennung einer Eigenpension, somit würde die Leistung nach Ablauf einer befristet zuerkannten Eigenpension – etwa einer Invaliditätspension – ebenfalls wegfallen. Die Rentenleistung soll zudem für die Dauer der Verbüßung einer Freiheitsstrafe und der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher, entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher und gefährliche Rückfallstäter entfallen.

Künftig Präventionsmaßnahmen notwendig

Es war höchste Zeit, ein Zeichen der Verantwortung der Republik Österreich zu setzen, betonte Mario Lindner (S/St). Bei der Geste der Verantwortung wurde zugehört und Schritte zur Unterstützung betroffener Personen gesetzt. Eine monatliche Rente von 300€ stelle aber keine Wiedergutmachung für Geschehenes dar, so Lindner, dem es wichtig war, das Thema damit nicht abzuschließen. Gewalt sei geflossen, wo Hilfe und Geborgenheit benötigt worden wären, sagte Gregor Hammerl (V/St). In seltener Einhelligkeit wurde daher das Heimopferrentengesetz von allen Parteien im Nationalrat beschlossen und trifft auch im Bundesrat auf die ausdrückliche Zustimmung aller. Ermutigend fand Hammerl das Budget für Präventivmaßnahmen, das notwendig sei, um künftig die Würde des Menschen zu schützen.

Bundesminister Alois Stöger will die erforderliche Sensibilität für das Thema aufbringen und ihm auch in Zukunft seine Aufmerksamkeit widmen. Die Rentenleistung werde durch ein einfaches, unbürokratisches Verfahren abgewickelt, betonte er insbesondere gegenüber jener Vielzahl an Menschen, die immer noch nicht über Erlebtes sprechen. Gewalt gehört geahndet und dessen Konsequenzen müssen hervorgehoben werden, plädierte auch Ana Blatnik (S/K) für Präventivmaßnahmen.

FPÖ will echte Entschädigung für Missbrauchsopfer

Mitverhandelt wurde auch ein älterer Antrag der FPÖ, worin Monika Mühlwerth (F/W) eine echte Entschädigung für Missbrauchsopfer fordert. Konkret ging es ihr darum, sämtliche bisher abgelehnte Fälle des Missbrauchs in Kinderheimen nach dem Verbrechensopfergesetz neuerlich zu behandeln und den Fristenablauf für die Beantragung von Entschädigungen zu hemmen. Weiters müssen Zugangshürden beseitigt werden, so Mühlwerth, die auch nach dem Beschluss des Heimopferrentengesetz weitere Schritte setzen will, um und die Augen vor weiteren Gewalttaten zu öffnen. Wir sind nicht davor gefeit, es kann jederzeit wieder passieren, sagte sie. David Stögmüller (G/O) konnte der FPÖ nicht zustimmen, da dies zu einer Retraumatisierung der Opfer führen könnte. Stögmüller brachte aber seitens der Grünen einen Abänderungsantrag ein. Geht es nach ihm, so sollten eben diese Verfahren von einer unabhängigen ExpertInnengruppe gesichtet werden. Stögmüller will dadurch Lücken in der Rechtslage von Opfern schließen. FPÖ und Grüne konnten sich gegenseitig nicht zustimmen und fanden auch keine Zustimmung der anderen Parteien. (Fortsetzung Bundesrat) gro


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