Parlamentskorrespondenz Nr. 994 vom 26.09.2017

Neu im Sozialausschuss

Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten, Krankengeld für Selbständige, berufliche Integration behinderter Menschen, Lehrlinge

Wien (PK) – Die SPÖ hat im Alleingang, ohne den Koalitionspartner ÖVP, mehrere Initiativanträge zum Themenbereich Arbeit eingebracht. Insbesondere schlägt sie eine rechtliche Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten, Verbesserungen beim Krankengeld für selbständig Erwerbstätige, die Übernahme der Internatskosten für BerufsschülerInnen durch den Insolvenz-Entgelt-Fonds, höhere Budgetmittel für die berufliche Integration behinderter Menschen sowie einen besseren Rechtsschutz bei Diskriminierung vor. Auch die Grünen wollen, was die Internatskosten betrifft, Lehrlinge und Betriebe entlasten.

Über den Gesetzesantrag zur rechtlichen Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten wird der Nationalrat in seiner letzten Sitzung vor den Wahlen, am 12. Oktober, in jedem Fall diskutieren. Die Abgeordneten haben im September mehrheitlich eine entsprechende Fristsetzung beschlossen.

SPÖ für rechtliche Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten…

Unterschiede zwischen der Gruppe der Arbeiter und der Angestellten gibt es vor allem noch beim Kündigungsschutz und bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch und seine FraktionskollegInnen schlagen nun vor, diese zu beseitigen und auch für Arbeiter längere Kündigungsfristen zu verankern (2306/A). Zudem ist eine Vereinheitlichung der Systematik der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vorgesehen, wobei es sowohl für Arbeiter als auch für Angestellte zu einzelnen Verbesserungen kommen würde.

Konkret ist in Aussicht genommen, auch für Arbeiter eine zumindest sechswöchige Kündigungsfrist festzuschreiben, wobei das Dienstverhältnis nur mit Ablauf jedes Kalendervierteljahres gelöst werden können soll. Nach dem vollendeten zweiten Dienstjahr soll sich die Kündigungsfrist auf zwei Monate, nach dem vollendeten fünften Dienstjahr auf drei Monate, nach dem vollendeten 15. Dienstjahr auf vier Monate und nach dem vollendeten 25. Dienstjahr auf fünf Monate erhöhen. Ungünstigere Vereinbarungen wären nicht zulässig. Arbeiter selbst sollen zumindest eine einmonatige Kündigungsfrist – zum jeweils Monatsletzten – einhalten müssen. Für Angestellte wäre neu, dass die Kündigungsregelungen auch für Beschäftigte mit nur wenigen Wochenstunden (weniger als ein Fünftel der kollektivvertraglichen Normarbeitszeit) gelten.

Derzeit seien die Bestimmungen über die Kündigung von Dienstverhältnissen im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) und in der Gewerbeordnung höchst komplex, wird die Anpassung der einschlägigen Bestimmungen für Arbeiter an jene des Angestelltengesetzes begründet. Zudem kann es bei Arbeitern in einzelnen Fällen sogar zu einer Unterschreitung einer grundsätzlichen Mindestkündigungsfrist von 14 Tagen kommen.

Auch was die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder nach einem Unfall betrifft, soll für alle ArbeitnehmerInnen künftig die gleiche Systematik gelten. Gleichzeitig sind einzelne Verbesserungen vorgesehen. So sollen das Gehalt bzw. der Lohn künftig bereits nach einem Dienstjahr – statt wie derzeit erst nach fünf – acht Wochen lang weitergezahlt werden. An der Grundstufe (sechs Wochen) und den weiteren Steigerungsstufen für die Entgeltfortzahlung (zehn Wochen nach fünfzehn Dienstjahren, zwölf Wochen nach fünfundzwanzig Dienstjahren) würde sich hingegen nichts ändern. Bei wiederholtem Krankenstand innerhalb eines Arbeitsjahres ist eine Zusammenrechnung der in Anspruch genommenen Zeiten vorgesehen, außer es handelt sich um einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit. Günstigere Regelungen in Kollektivverträgen sollen beibehalten werden.

Nicht mehr möglich sein soll es darüber hinaus, den grundsätzlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei unverschuldeten kurzzeitigen Dienstverhinderungen aufgrund wichtiger persönlicher Gründe kollektivvertraglich einzuschränken. Bei Arbeitern ist das derzeit nicht ausgeschlossen. Auch für Lehrlinge sieht der Antrag Verbesserungen vor: Sie sollen künftig im Krankheitsfall acht – statt bisher vier – Wochen lang die volle Lehrlingsentschädigung und weitere vier Wochen (statt zwei) ein Teilentgelt erhalten.

In Kraft treten sollen die neuen Kündigungsregelungen für Arbeiter und die Änderungen im Entgeltfortzahlungsrecht mit 1. Jänner 2018, wobei letztere erst auf Dienstverhinderungen ab 2019 anzuwenden sind. Zur lückenlosen Umsetzung der Gleichstellung müssen nicht nur das Angestelltengesetz, das ABGB und das Entgeltfortzahlungsgesetz geändert werden, sondern auch das Gutangestelltengesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz und das Landarbeitsgesetz.

…und eine bessere Absicherung selbständig Erwerbstätiger im Krankheitsfall

In einen eigenen Antrag hat die SPÖ die Forderung verpackt, ArbeitnehmerInnen auch dann einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung einzuräumen, wenn das Dienstverhältnis während des Krankenstands einvernehmlich beendet wird (2305/A). Derzeit ist das nur bei einer Kündigung durch den Dienstgeber der Fall. Außerdem schlägt Abgeordneter Erwin Spindelberger vor, selbständig Beschäftigte bei längerer Krankheit besser abzusichern und kleine Betriebe im Fall der Erkrankung von MitarbeiterInnen stärker zu unterstützen.

Versicherte, bei denen die Aufrechterhaltung ihres Betriebs von der persönlichen Arbeitsleistung abhängt und die in ihrem Unternehmen niemanden oder weniger als 25 DienstnehmerInnen beschäftigen, erhalten derzeit ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit eine tägliche Unterstützungsleistung von knapp 30 €. Geht es nach der SPÖ, soll dieser Betrag künftig rückwirkend ab dem 4. Tag der Arbeitsunfähigkeit gewährt werden. Außerdem plädiert Spindelberger dafür, den Zuschuss, den Kleinunternehmen im Falle der Erkrankung eines Mitarbeiters aus Mitteln der Unfallversicherung erhalten, von 50% auf 75% des fortgezahlten Entgelts zu erhöhen, sofern der Betrieb nicht mehr als 10 MitarbeiterInnen hat. Wie bisher soll der Zuschuss ab dem elften Tag – bzw. bei Eintritt eines Unfalls ab dem 1. Tag – gebühren.

Um die dadurch entstehende Mehrbelastung der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) auszugleichen, schlägt die SPÖ vor,  den Ersatzanspruch der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) gegenüber der AUVA für Aufwendungen für das Krankengeld für selbständig Beschäftigte, der aktuell mit knapp 21 Mio. € gedeckelt ist, zu streichen.

Berufsschulinternate: SPÖ und Grüne wollen Lehrlinge und Betriebe entlasten

Beantragt hat die SPÖ auch eine Novelle zum Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und zum Berufsausbildungsgesetz (2304/A). Geht es nach Josef Muchitsch und Elisabeth Grossmann, sollen die Internatskosten für BerufsschülerInnen künftig von den Betrieben übernommen und letztlich über die Gewährung von Beihilfen aus Mitteln des Insolvenz-Entgelt-Fonds bedeckt werden. Der Fonds weise eine ausreichende Deckung zur Finanzierung der neuen Förderung auf, wird im Antrag festgehalten, wobei Muchitsch und Grossmann mit jährlichen Kosten von rund 50 Mio. € rechnen.

Mit dem Gesetzesantrag soll die derzeitige Ungleichbehandlung von Lehrlingen beseitigt werden. Abhängig von Lehrberuf und Kollektivvertrag werden Lehrlinge derzeit unterschiedlich finanziell belastet, wie in den Erläuterungen angemerkt wird. So sind im Zuständigkeitsbereich der Gewerkschaft der Privatangestellten in 35 Kollektivverträgen die Internatskosten vom Betrieb zu übernehmen, in 45 Kollektivverträgen hat sie hingegen der Lehrling selbst zu tragen. Laut Berufsausbildungsgesetz muss der Ausbildungsbetrieb grundsätzlich lediglich für die Differenz zwischen Internatskosten und Lehrlingsentschädigung aufkommen.

Mit einer Umsetzung des Antrags würde auch der Forderung des Jugendsprechers der Grünen Julian Schmid Rechnung getragen. Er spricht sich per Entschließungsantrag (2312/A(E)) für eine Übernahme der Internatskosten für BerufsschülerInnen durch die öffentliche Hand aus, um Lehrlinge und Ausbildungsbetriebe zu entlasten. Zudem plädiert er für verbindliche Qualitätskriterien für Berufsschulinternate und Lehrlingsheime.

SPÖ fordert mehr Budget für berufliche Integration behinderter Menschen

Ein weiterer Gesetzesantrag der SPÖ (2309/A) zielt darauf ab, die Budgetmittel für die berufliche Integration behinderter Menschen zu verdoppeln. Zudem will Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig den Rechtsschutz im Falle von Diskriminierungen verbessern und den Monitoringausschuss, der die Einhaltung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich überwacht, durch mehr Budget und Unabhängigkeit stärken.

Konkret spricht sich Königsberger-Ludwig dafür aus, im kommenden Jahr 90 Mio. € aus allgemeinen Budgetmitteln für Maßnahmen der beruflichen Inklusion für Menschen mit Behinderung zur Verfügung zu stellen und den Betrag danach jährlich zu valorisieren. Obwohl die Arbeitslosigkeit unter Menschen mit Behinderungen zuletzt überproportional gestiegen sei, stünden weniger Budgetmittel als früher zur Verfügung, bedauert sie. Eine Kompensation der fehlenden Mittel aus dem Ausgleichstaxfonds wird ihr zufolge wegen mangelnder Rücklagen künftig nicht mehr möglich sein.

Im Sinne eines besseren Rechtsschutzes sieht der Antrag darüber hinaus vor, dem Behindertenanwalt die Befugnis zur Einbringung einer allgemeinen Verbandsklage einzuräumen und dieses Instrumentarium insgesamt auszuweiten. Große Kapitalgesellschaften – Bilanzsumme von mindestens 20 Mio. € bzw. Umsatzerlöse von mindestens 40 Mio. € und/oder mehr als 250 ArbeitnehmerInnen – sollen demnach auch auf Unterlassung und Beseitigung einer Diskriminierung behinderter Menschen geklagt werden können. Ebenso wird die Verankerung eines individuellen Klagsrechts im Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz auf Unterlassung einer Belästigung vorgeschlagen.

Dem Parlament zugeleitet wurde auch der aktuelle Bericht über die Lage der Menschen mit Behinderungen in Österreich, der den Zeitraum 2008 bis 2016 abdeckt. Das umfassende Kompendium gibt einen Überblick über die Entwicklungen in der Behindertenpolitik in den letzten Jahren und enthält neben der Stellungnahme des Behindertenanwalts erstmals auch Beiträge der Länder, des Dachverbands (Österreichischer Behindertenrat), des Monitoringausschusses sowie die Ergebnisse einer Mikrozensus-Erhebung der Statistik Austria aus dem Jahr 2015 (III-426 d.B.). (Schluss) gs