Parlamentskorrespondenz Nr. 153 vom 26.02.2018

Wissenschaftsminister Faßmann will mehr Kooperation zwischen Hochschulen

Universitätsbericht 2017 und Bericht der Ombudsstelle für Studierende im Wissenschaftsausschuss diskutiert

Wien (PK) – Eine "gemeinsame Perspektive" zur Zukunft des heimischen Hochschulwesens will Wissenschaftsminister Heinz Faßmann unter den österreichischen Universitäten etablieren. "Österreich verfügt über eine ausdifferenzierte, abwechslungsreiche Universitätslandschaft", lobte Faßmann, bis vor kurzem Vizerektor der Uni Wien, das österreichische Hochschulsystem heute im Wissenschaftsausschuss. Die österreichischen Universitäten seien international attraktiv, erbrächten hohe Leistungen und böten gute Karrieremöglichkeiten. Seit langem schwelende Fragen, wie die soziale Durchmischung der Studierenden, können die seit 2005 autonom agierenden Standorte am besten im Zusammenwirken beantworten, ist der Wissenschaftsminister überzeugt.

Grundlage der Diskussion mit dem Bundesminister war der jüngste Universitätsbericht. Sowohl bei den Studierenden als auch beim Personal gab es demnach in den letzten Jahren eine Steigerung an Österreichs Universitäten. Die SPÖ vermisst allerdings Maßnahmen gegen Bildungsvererbung, da nach wie vor die Mehrzahl der Studierenden aus Akademikerhaushalten kommt.

Einen deutlichen Anstieg verzeichnete die Ombudsstelle für Studierende bei der Anzahl aufgenommener Anliegen in den letzten Jahren. Fragen zu Studienbedingungen, Förderungen, Stipendien und Studienbeihilfen, aber auch zur Studienzulassung bildeten die Spitzenreiter, geht aus dem diesbezüglichen Tätigkeitsbericht hervor, der wie der Universitätsbericht einstimmig zur Kenntnis genommen wurde.

Faßmann: Unis beachten soziale Dimension, haben jedoch kein Patentrezept gegen Ungleichheit bei Hochschulzugang

Die Gesamtstudierendenzahlen haben sich im Berichtszeitraum 2014 bis 2017 (III-91 d.B.) um 3,3% erhöht, auf insgesamt 308.374 Studierende im Wintersemester 2016.  Der Zuwachs ging überwiegend auf ausländische Studierende zurück, die 28,7% der ordentlichen und außerordentlichen Studierenden ausmachten. Besonders große soziale Selektivität gibt es laut Wissenschaftsminister Faßmann dabei an der Universität Wien, an Kunsthochschulen und Medizinischen Universitäten. Patentrezept dagegen sehe er keines, meinte er, man müsse immer wieder Bewusstsein dafür schaffen, dass individuelle Fähigkeiten und nicht monetäre Parameter für den Studienerfolg ausschlaggebend sein sollten. Im Rahmen der künftigen Unifinanzierung sollen Maßnahmen der Universitäten, welche die soziale Dimension des Studiums berücksichtigen, Teil der Leistungsvereinbarung im Bereich strategische Entwicklung werden.

SPÖ-Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl ortet die Ursache für die soziale Ungleichverteilung schon im Schulsystem. Verschärft werde sie aber durch Zulassungsbeschränkungen wie Aufnahmetests, die nur durch teure Vorbereitungskurse geschafft werden könnten. Mehr Unterstützung forderte sie vor diesem Hintergrund für erwerbstätige Studierende, die sich ihr Studium selbst finanzieren müssen. Ihre Fraktionskolleginnen Sonja Hammerschmid und Eva Holzleitner schlossen sich der Kritik an Studienzugangsbeschränkungen an. Hammerschmid meinte, da es zweifellos Verdrängungseffekte geben werde, müssten andere Bereiche, etwa die Fachhochschulen, stärker ausgebaut werden. Vor diesem Hintergrund wäre ein gesamtösterreichischer Hochschulentwicklungsplan und ein Bericht, der nicht nur die Universitäten, sondern den gesamten Hochschulraum beleuchtet, sinnvoll.

Faßmann betonte, Zugangsbeschränkungen würden nur dann zum Tragen kommen, wenn es aufgrund der verfügbaren Kapazitäten nicht anders möglich ist. Er verwies auf die Pläne der Regierung, die Fachhochschulen auszubauen. Längerfristig sollen sie ein Drittel aller Studienplätze stellen. Positiv vermerkte er, dass zwei Drittel der Bachelor-Studierenden einen Master anschließen. Er sieht aber auch Anzeichen dafür, dass der Bachelor als eigenständiger Titel zunehmend Akzeptanz findet. Laut Bericht beenden Studentinnen ihre Ausbildung grundsätzlich zügiger und erfolgreicher als ihre männlichen Kollegen, sagte der Minister. Die Bedenken der FPÖ über den Anstieg der Zahl von ausländischen Studierenden konnte Faßmann nicht nachvollziehen. Zum einen zeige sich hier die Attraktivität österreichischer Hochschulen, ließ er Jessi Lintl (F) wissen, zum anderen käme der Zuzug Studierender aus dem Ausland der Wertschöpfung zugute, wobei ein Verbleib im Inland nach Abschluss des Studiums wünschenswert wäre. Nach wie vor liege die Arbeitslosenquote von AkademikerInnen unter dem Durchschnitt, betonte Faßmann auf eine Frage von Martina Kaufmann (ÖVP) nach den Berufsaussichten für AbsolventInnen österreichischer Universitäten.

Wissenschaftsminister: Uni-Mittelbau kann nun schneller aufsteigen

Angestiegen ist seit 2014 auch die Zahl der Beschäftigten an den Hochschulen um 4,8% auf rund 56.600 Personen, mit einem Zuwachs vor allem im wissenschaftlich-künstlerischen Bereich. Nicht ganz die Hälfte (48%) der Beschäftigten sind Frauen. Die Zahl der ProfessorInnen hat sich um 5,9% auf 2.494 erhöht. Durch den Personalzuwachs haben sich laut Bericht die Betreuungsverhältnisse an den Hochschulen etwas verbessert. Im Wintersemester 2016 entfielen im Durchschnitt 117,9 ordentliche Studierende auf eine Professur (2013: 121) und 20,6 Studierende auf ein Vollzeitäquivalent Lehrpersonal (2013: 20,8). Die Kritik von Liste Pilz-Sprecher Alfred Noll, unter den Lehrenden sinke die Arbeitszufriedenheit aufgrund von überbordenden Verwaltungsaufgaben und unzureichenden Betreuungsverhältnissen massiv, wollte Minister Faßmann nicht teilen. Einer jüngsten Befragung unter Universitätsbediensteten zufolge spreche sich eine klare Mehrheit für eine Universitätskarriere aus, wenn sie sich noch einmal entscheiden könnten. Hervorgehoben wurde von Faßmann, durch die Universitätsgesetznovelle von 2005 verfüge nun auch der universitäre Mittelbau über mehr Chancen in der wissenschaftlichen Laufbahn. Generell sprach er sich für eine "Balance" bei befristeten und unbefristeten Stellen aus, da sonst junge WissenschafterInnen nicht ausreichend Arbeitsplätze an den Universitäten fänden und die Wissenschaft außerdem vom Erfahrungsgewinn an verschiedenen, gerade internationalen, Standorten lebe.

Knackpunkt Mittelverteilung im Universitätsbudget

Noch im Jahr 2017 hat der Nationalrat den Gesamtbetrag zur Finanzierung der Universitäten für 2019–2021 mit 11,070 Mrd. € festgelegt, hält der jüngste Universitätsbericht fest. Geht es nach dem Plan der aktuellen Regierung, soll sich die Finanzierung einzelner Hochschulen künftig nach der Anzahl angebotener Studienplätze richten. Das Globalbudget jeder Universität soll dabei nach einem Drei-Säulen-Modell künftig aus drei Teilbeträgen für Lehre, Forschung und Infrastruktur/strategische Entwicklung bestehen. Ein Gesetzesvorschlag (10 d.B.) für diese kapazitätsorientierte, studierendenbezogene Universitätsfinanzierung lag dem Wissenschaftsausschuss heute ebenfalls vor und wurde im Anschluss an die Debatte über die beiden Berichte erörtert.

Im Zusammenhang mit der Mittelverteilung erhielt NEOS-Wissenschaftssprecherin Claudia Gamon von Bundesminister Faßmann die Zusage, den FWF weiter stärken zu wollen. Ihr Bereichskollege von der ÖVP Rudolf Taschner, der vor seinem Einzug in den Nationalrat an der Technischen Universität Wien eine Professur für Mathematik hielt, regte zwecks universitärer Mittelversorgung mehr unternehmerisches Denken an den Hochschulen an – ein Gedanke, dem Faßmann durchaus etwas abgewinnen kann. Allerdings müsse für die Verwertung von Forschungsergebnissen auch die nötige Kompetenz zur Verfügung stehen.

Schon bisher wurden die Leistungen an die einzelnen Universitäten in sogenannten Leistungsvereinbarungen (LV) mit den Universitäten verhandelt und abgeschlossen. Für die Leistungsvereinbarungsperiode 2016–2018 konnte das Universitätsbudget um 615 Mio. € auf 9,721 Mrd. € aufgestockt werden, ein Plus von 6,8%. 315 Mio. € flossen in die Grundbudgets und 300 Mio. € in die Hochschulraum-Strukturmittel (HRSM). Entsprechend der internationalen Tendenz wurden die indikatorengebundenen Mittel stärker erhöht (+67%) als die Basisfinanzierung (+3,8%). Im Zusammenhang mit der Erhöhung der HRSM wurde besonders darauf geachtet, die Weiterentwicklung der Doktoratsausbildung zu fördern und die Grundlagenforschung zu stärken.

Mit Blick auf einen sich abzeichnenden Mangel an ÄrztInnen, vor allem in ländlichen Regionen und im niedergelassenen Bereich, sprach FPÖ-Abgeordnete Brigitte Povysil die Zahl der Medizin-Studienplätze an und wollte wissen, ob der Minister sie für ausreichend hält. Claudia Gamon (NEOS) sagte, das Problem bestehe, die Ausweitung der Studienplätze sei aber nicht die Lösung. Wissenschaftsminister Faßmann sieht die Problematik weniger bei der Zahl der AbsolventInnen. Vielmehr gehe es um die Frage, wohin diese nach dem Studium gehen, und wie man attraktive Angebote machen kann.

Ombudsstelle verzeichnet Anstieg an Anliegen im vergangen Studienjahr

Als unabhängige und weisungsfreie Einrichtung bearbeitete die Ombudsstelle für Studierende im Studienjahr 2016/17 zufolge insgesamt 545 Anliegen von Studentinnen und Studenten. Ihr Tätigkeitsbericht (III-92 d.B.) zeigt somit einen deutlichen Anstieg gegenüber den Jahren davor (487 Fälle im Studienjahr 2015/16, 506 im Studienjahr 2014/15). Nach Hochschulinstitutionen aufgeschlüsselt entfiel der Großteil der Anliegen (300) auf die öffentlichen Universitäten. 70 Anliegen betrafen die Studienbeihilfenbehörde, 54 kamen von Studierenden an Fachhochschulen, 19 von Pädagogischen Hochschulen und 6 von Privatuniversitäten. An 14 Hochschulen – öffentlichen Universitäten, Privatuniversitäten und Fachhochschulen – führte die Ombudsstelle zudem Arbeitsgespräche vor Ort durch, informierte Hochschulombudsmann Josef Leidenfrost dem Wissenschaftsausschuss über einen neuen Tätigkeitsbereich seiner Organisation. Arbeitsschwerpunkte dieses Jahr bilden ihm zufolge die Analyse der neuen Datenschutz-Grundverordnung für den Wirkungsbereich der Ombudsstelle und die Erhebung des Ist-Stands von Konfliktmanagement-Stellen und Mediationsangeboten an Hochschulen.

Gesetzlichen Änderungsbedarf macht die Ombudsstelle unter anderem bei Förderungen, Stipendien und Studienbeihilfen aus. So werden Förderungen von Auslandsstudienaufenthalten auch für Studierende an Privatuniversitäten angeregt, bei Mobilitätsstipendien sei darauf zu achten, dass das Studium tatsächlich an der zulassenden ausländischen Bildungseinrichtung erfolgt. Bei Selbsterhalterstipendien sollten Vorstudienzeiten nicht mehr für die Berechnung berücksichtigt werden, so die Ombudsstelle, sofern vor dem Antrag eine Erwerbstätigkeit von mindestens 72 Monaten vorliegt.

Andere Vorschläge beziehen sich auf Studienbedingungen und richten sich direkt an die Hochschulen. Empfohlen wird unter anderem eine Vereinheitlichung beim Nachweis von Deutschkenntnissen durch Anhebung auf C1-Niveau, barrierefreies Bauen als Teil der Architekturstudienpläne, Kinderbetreuung an Hochschulen und Co- oder Teambetreuung anstatt von Einzelbetreuung von DoktorandInnen. Zu letzterem Punkt meinte Wissenschaftsminister Faßmann, die moderne Form der Dissertationsbetreuung umfasse auch die Trennung von Betreuung und Beurteilung – dieser "Kulturwandel" setze sich in Österreich aber erst schrittweise durch. Die Ombudsstelle würdigte Faßmann als "letzte Instanz, an die sich Studierende wenden können". Unabhängig davon würden die meisten Probleme von Studierenden im direkten Kontakt mit ihrer Institution gelöst, schloss er aus der Zahl an Anliegen gemessen an der Gesamtzahl universitärer Einrichtungen in Österreich. (Fortsetzung Wissenschaftsausschuss) rei/sox


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