Parlamentskorrespondenz Nr. 674 vom 13.06.2018

Diskriminierungsschutz außerhalb der Arbeitswelt - ein sensibles Thema

Kurzdebatte auf Verlangen der SPÖ im Nationalrat über Anfragebeantwortung von BM Hartinger-Klein

Wien (PK) – Eine Ausweitung des Schutzes vor Diskriminierung auf europäischer Ebene thematisierte die SPÖ heute in einer von ihr beantragten Kurzdebatte im Nationalrat - auch vor dem Hintergrund der "Pride Woche", die in der Regenbogenparade am Samstag ihren Höhepunkt findet. In einer entsprechenden Anfrage an Sozialministerin Beate Hartinger-Klein geht es Anfragesteller Mario Lindner (SPÖ) um die Positionierung Österreichs im Rahmen des EU-Ratsvorsitzes zur Umsetzung eines EU-Kommissionsvorschlags zur Gleichbehandlung ("Richtlinie zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung").

Österreich habe sich im Zuge des Ratsvorsitz-Trioprogramms unter anderem zu der Zielsetzung einer "Union, die jeden ihrer Bürger befähigt und schützt" verpflichtet, so Lindner. Gerade in Österreich seien aber Diskriminierungsgründe wie Alter oder sexuelle Orientierung außerhalb der Arbeitswelt noch nicht geschützt. Konkret geht es Lindner daher um die Frage, wie sich die Bundesregierung zur Beschlussfassung des Richtlinienvorschlags positioniert und ob und wie sie sich im Zuge des Ratsvorsitzes dafür einsetzen wird. Außerdem erfragt er bei der Ministerin, welche gesetzlichen oder anderen Maßnahmen geplant seien, falls es zu keiner Umsetzung der Richtlinie kommt. Dabei geht es Lindner etwa um den Schutz vor Diskriminierung aufgrund der Merkmale "Alter" und "sexuelle Orientierung" in den Bereichen Sozialschutz, Bildung, sowie beim Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen.

In der Anfragebeantwortung hält Hartinger-Klein fest, dass sich Österreich im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft für die Weiterarbeit am Richtlinienvorschlag einsetzen werde. Im Übrigen habe Österreich im Bereich der Antidiskriminierung bereits sehr hohe Standards erreicht, so die Ministerin weiter, allfällige innerstaatliche Verbesserungen würden daher anlassbezogen geprüft.

Diese Anfragebeantwortung war für SPÖ-Abgeordneten Mario Lindner völlig unzureichend. Er warf in diesem Zusammenhang der Ministerin Substanzlosigkeit vor, die beschämend sei. Die Ausweitung des Diskriminierungsschutzes sei offenbar für den österreichischen Ratsvorsitz kein Thema, folgerte er. Die SPÖ wolle den Diskriminierungsschutz nicht nur in der Arbeitswelt, sondern auch beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen erreichen, erläuterte er den Standpunkt seiner Fraktion. Obwohl es einen solchen Schutz in den meisten europäischen Ländern bereits gebe und ein nationalstaatlicher Schutz längst überfällig sei, sei ein solcher von der ÖVP immer verhindert worden. Lindner stellte auch mit Bedauern fest, dass auf EU-Ebene noch immer keine Verbindlichkeit gewährleistet ist. Der SPÖ Mandatar räumte ein, dass Österreich über hohe Standards verfüge, das dürfe aber keine Ausrede für Nicht-Handeln sein. Er verwies dabei auch auf die Empfehlungen des Europarats, der nach einer Prüfung Österreichs festgestellt hat, dass es genug Anlässe gibt, diesen Schutz endlich nationalstaatlich zu garantieren. Österreich sei damals aufgefordert worden, ein allgemeines Diskriminierungsverbot für den öffentlichen und privaten Sektor und alle Diskriminierungsgründe umzusetzen.

Bundesministerin Beate Hartinger-Klein gab daraufhin zu bedenken, dass die Umsetzung der Forderungen der SozialdemokratInnen in die Privatsphäre eingreifen würde, was sie für bedenklich hält. Der Schutz vor Diskriminierung in der Arbeitswelt sei umfassend geregelt, und auch darüber hinaus gebe es weitreichenden Schutz. Man wolle die Entwicklung auf europäischer Ebene abwarten, betonte die Ministerin. Sie wies auch den Vorwurf zurück, dass der Diskriminierungsschutz in der Regierung kein Thema sei. Vielmehr habe man ein Konzept für Änderungsvorschläge erarbeitet, um wieder Schwung in die Verhandlungen über den aus dem Jahr 2008 stammenden Richtlinienvorschlag zu bringen.

Die Ministerin wurde in ihrer Argumentation von den RednerInnen der ÖVP und der FPÖ unterstützt. So gab auch Michaela Steinacker (ÖVP) zu bedenken, dass die europäische Diskussion deshalb so langwierig sei, weil dadurch sehr persönliche Rechte von Privaten betroffen seien. Daher müsse man die Fragen mit Achtsamkeit und Sorgsamkeit diskutieren und es bedürfe dabei einer sensiblen Abwägung der Verhältnismäßigkeit. Einen Alleingang Österreichs lehnt sie ab.

Ähnlich äußerte sich Dagmar Belakowitsch (FPÖ), die so manche Forderungen für lebensfremd hält, weil diese zu einem Nachschnüffeln und zu Eingriffen in Privatrechte führen würden. Sie kritisierte zudem, dass die SPÖ sich nur auf die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung konzentriere, nicht jedoch auch die Diskriminierung aufgrund der Weltanschauung in Betracht ziehe.

Dem konnte auch Nikolaus Scherak von den NEOS einiges abgewinnen, auch wenn er sich grundsätzlich gegen jegliche Art der Diskriminierung aussprach. Die Kritik an der Art der Beantwortung durch die Ministerin hielt er für berechtigt, meinte aber, dass man sich genau die Frage stellen müsse, wie weit der Diskriminierungsschutz gehen kann und welche Probleme damit verbunden sein könnten. Scherak sprach dabei vor allem die Frage der Privatautonomie an. Er trat daher für eine intensive Debatte ein.

Im Gegensatz dazu vermisst Gabriele Heinisch-Hosek seitens der SozialdemokratInnen den politischen Willen, den Diskriminierungsschutz auch außerhalb der Arbeitswelt in Österreich umzusetzen. Sie appellierte, Respekt und Solidarität mit den Betroffenen zu zeigen. Heinisch-Hosek erinnerte daran, dass man in der vorangegangenen Gesetzgebungsperiode schon sehr weit gekommen sei, aber ein Gesetz am Widerstand des ÖVP-Klubs gescheitert sei.

Auch für Wolfgang Zinggl (Pilz), mangelt es am Willen der Ministerin und der Regierung, zu diesem Thema etwas zu sagen. Man kenne nicht einmal deren Standpunkt, kritisierte er und betonte, dass er eine solche Haltung nicht nachvollziehen könne. (Fortsetzung Nationalrat) jan/mbu