Parlamentskorrespondenz Nr. 693 vom 14.06.2018

Digitalisierung und Ganztagsschulausbau: SPÖ-Initiativen bleiben im Nationalrat in der Minderheit

Mehrheitliche Entschließung für Bericht zu Bildungs-Digitalisierungsvorhaben bis Ende 2018

Wien (PK) – Zwei Initiativen der SPÖ im Bildungsbereich – zum Ganztagsschulausbau und für die Digitalisierungsstrategie "Schule 4.0" - fanden im Nationalrat heute keine Mehrheit. Mit dem aktuellen Budget würden die Mittel für den Ganztagsschulausbau durch eine massive Erstreckung des Zeitraums faktisch halbiert, kritisierte etwa Christian Kovacevic (SPÖ). Hinsichtlich der Digitalisierungsstrategie "Schule 4.0" argumentierten ÖVP und FPÖ dafür, die Evaluierung bis Ende 2018 abzuwarten. Eine entsprechende Entschließung, womit der Bildungsminister über seine weiteren Vorhaben im Bereich Digitalisierung einen Bericht bis Ende 2018 vorlegen soll, wurde mehrheitlich angenommen.

SPÖ kritisiert Erstreckung des Zeitraums bei Ganztagsschulausbau

Die Initiative der SPÖ, worin sie eine Verzögerung des Komplettausbaus von Ganztagsschulen kritisiert und diese abwenden will, blieb im Nationalrat in der Minderheit. In ihrem Antrag fordern sie Bildungsminister Heinz Faßmann auf, am Zeitrahmen für den Ganztagsschulausbau bis 2025 nichts zu ändern. Der Anteil von Schülerinnen und Schülern in ganztägigen Schulformen sollte sich laut Plan der Vorgängerregierung damit von 20% auf 40% erhöhen.

Mit dem neuen Budget wurde der ursprünglich geplante Zeitraum des Ausbaus massiv erstreckt, und zwar vom Jahr 2025 auf das Jahr 2032, kritisierte Christian Kovacevic (SPÖ). Die Mittel seien somit jährlich viel weniger geworden, das komme einer Halbierung der Mittel durch Erstreckung gleich. Insgesamt diene das auch keiner besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie, so Kovacevic, denn nur wenn das nötige Angebot vorhanden sei, könne man von Wahlfreiheit sprechen. Im Gegensatz zu Deutschförderklassen würden Ganztagsschulen auf die lange Bank geschoben, wirft der SPÖ-Abgeordnete der Regierung vor.

Auch die NEOS seien dagegen, diese Mittel zu verdünnen, unterstrich Matthias Strolz (NEOS). Er ärgerte sich über den seines Erachtens fehlenden Mut der Regierung, wenn es um Kürzungen bei der Parteienförderung, um eine echte Verwaltungsreform oder um den Föderalismus geht. Stattdessen würden beim Ganztagsschulausbau die Mittel auf mehrere Jahre verteilt, daher bleibe weniger im Jahr zur Verfügung. Strolz will hier die Wahlfreiheit möglichst rasch hergestellt sehen, dieses Ziel rücke aber in die Ferne. Kritik äußerte er auch daran, dass freie Schulen für Mittel zum Ausbau nicht mitberücksichtigt seien.

Für diese Erstreckung gebe es gute Gründe, unterstrichen Abgeordnete seitens der ÖVP und FPÖ. Es handle sich bei den Mitteln um eine Anschubfinanzierung, betonte etwa Manfred Hofinger (ÖVP). Zwar sei nun der Zeitraum verlängert, nicht aber die Mittel vermindert worden. Vor allem die Gemeinden bräuchten die Finanzierung über 2025 hinaus und müssten zu jenem Zeitpunkt darauf Zugriff haben, wenn sie die dazu ihrerseits erforderlichen Mittel - etwa für Schulpersonal - zur Verfügung hätten. Insofern komme die Regelung den tatsächlichen Gegebenheiten in den Gemeinden entgegen, pflichteten ihm Gerald Hauser und Christian Schandor (beide FPÖ) bei.

Manfred Hofinger sieht die grundsätzliche Notwendigkeit eines maßvollen Ausbaus im Sinne der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Man müsse aber genau hinsehen, in welchen Gemeinden Ganztagesschulen gebraucht würden und wo nicht. Er hält jedenfalls nichts davon, ein neues System "über alle drüberzuziehen", ohne Eltern und LehrerInnen einzubinden.

Dass Privatschulen keine Mittel erhalten, stamme definitiv nicht von der jetzigen Regierung, entgegnete Wendelin Mölzer (FPÖ) Matthias Strolz. Was den Wunsch nach Ganztagsschulen betreffe, gebe es große Unterschiede zwischen ländlichen und städtischen Bereichen, die er berücksichtigt wissen will. Einig war er sich mit seinen Fraktionskollegen Gerald Hauser, Christian Schandor und Volker Reifenberger, dass echte Wahlfreiheit bestehen bleiben müsse. Außerdem wolle die FPÖ keinen verschränkten Unterricht. Im Unterschied dazu stehe eine Gruppenaufteilung der SchülerInnen in der Nachmittagsbetreuung, während in der verschränkten Form die Klassen wie am Vormittag zusammen bleiben, erläuterte etwa Schandor. Eltern sollten über eine wahlweise Betreuung am Nachmittag selbst entscheiden können, ergänzte Hauser. Ein erster wichtiger und dringend notwendiger Schritt der Regierung war aus Sicht von Hauser im Bildungsbereich außerdem die Einführung der Deutschförderklassen. Grundsätzlich soll es keine Pflicht, aber ein bundesweites Angebot an Ganztagsschulen geben, so Schandor, es gehe um den bedarfsgerechten Ausbau.

Anlässlich seiner ersten Worte im Hohen Haus sprach sich Volker Reifenberger (FPÖ) für einen wertschätzenden Umgang über die Parteigrenzen hinweg aus. Offenbar hätten zwei SPÖ-Abgeordnete bei seiner Angelobung am Vortag den Saal verlassen, weil er Mitglied in einer schlagenden Verbindung sei. Er stehe jedenfalls ohne Vorurteile für ein Gespräch zur Verfügung. Zum Ganztagsschulausbau verteidigte er die Erstreckung, etwa hinsichtlich Planung von Infrastruktur und Lehrpersonal.

Bildungsminister soll Bericht zu Bildungs-Digitalisierungsvorhaben bis Ende 2018 vorlegen

Angesichts der voranschreitenden Digitalisierung in allen Lebensbereichen bräuchten SchülerInnen wie LehrerInnen mehr Unterstützung zum Kompetenzerwerb in diesem Bereich, setzt sich die SPÖ für die Digitalisierungsstrategie "Schule 4.0" aus der vergangenen Legislaturperiode ein. Das Projekt müsse ohne Verzögerung umgesetzt und ausreichend finanziert werden, so die Forderung im Antrag, der im Plenum allerdings in der Minderheit blieb. ÖVP und FPÖ argumentierten, eine Evaluierung der Strategie bis Ende 2018 abzuwarten zu wollen. Eine entsprechende Entschließung, womit der Bildungsminister über seine weiteren Vorhaben im Bereich Digitalisierung dem Nationalrat einen Bericht bis Ende 2018 vorlegen soll, wurde mehrheitlich angenommen.

Digitale Grundbildung, entsprechende Ausbildung der PädagogInnen, Infrastruktur und Lerntools seien die vier Säulen der Strategie "Schule 4.0", führte Walter Bacher (SPÖ) aus. Diese Maßnahmen brauche es jetzt und sollten nicht bis Ende 2018 hinausgezögert werden, die Zeit laufe davon. Das unterstrich auch Stephanie Cox (PILZ), gerade bei Infrastruktur und Lehrerausbildung müsse ein Zahn zugelegt werden. Cox plädierte außerdem dafür, die Chance zu nutzen, dass gerade in der digitalen Welt individualisiertes Lernen und mehr Gleichheit möglich sei. Sie fordert ein entschlossenes Vorgehen der Regierung zum Ausbau der IT-Infrastruktur in Schulen, etwa hinsichtlich WLAN in allen Klassen. Man sollte schon viel weiter sein, das könne aber keine Ausrede dafür sein, die Dinge neuerlich hinauszuzögern, so Cox.

Claudia Gamon (NEOS) erklärte zwar, dem Antrag zuzustimmen, ihr liegt die Messlatte aber viel zu niedrig. Es gehe auch nicht um elektrifizierte Bildung, sondern um die Möglichkeiten des Lernens in der digitalen Welt und um digitale Kompetenzen. Das sei ein anderer Ansatz, als nur Instrumente zur Verfügung zu stellen. Der digitale Wandel sei auch politisch zu akzeptieren und entsprechend progressive Maßnahmen zu setzen, unterstrich Gamon.

Dafür, die Schule ins 21. Jahrhundert zu heben, sprach sich Maria Theresia Niss (ÖVP) aus. Abgesehen von digitalen Werkzeugen müsse man auch über digitale Grundbildung sprechen. Hier wurde bereits vom Bildungsministerium der ersten Schritt gesetzt, so Niss, die zudem mit der Vermittlung der digitalen Grundkompetenzen viel früher beginnen würde. Zuvor brauche es aber einen Plan, etwa eine aktuelle IKT-Erhebung und eine Analyse, welche Standardlerninhalte für neue Inhalte eventuell verringert werden könnten. Die Digitalisierung schreite in gewaltigem Tempo voran, unterstrich auch Angelika Kuss-Bergner (ÖVP). Zur digitalen Grundbildung müsse es einen klaren Auftrag für die Inhalte geben, der bloße Einsatz von technischen Hilfsmitteln ersetze nicht die grundlegende Bildung. Außerdem würden digitalkompetente PädagogInnen nicht vom Himmel fallen. Hinsichtlich digitaler Lerntools brauche es in der Anschaffung einen größeren Spielraum zur freien Verfügung. Jetzt würde aber die Evaluierung mit Analysen und der Bericht des Ministeriums abgewartet, betonte Kuss-Bergner, so funktioniere besonnene Bildungspolitik.

Auch Gerald Hauser (FPÖ) meint, dass man in Digitalisierungsfragen schon viel weiter sein müsse und führte Versäumnisse auf die vorherige Regierung zurück. Digitalisierung umfasse alle Lebensbereiche und sei ein Kernthema der neuen Regierung, die gut auf dem Weg sei und die richtigen Schritte setze. Aus seiner Sicht muss die Schule grundsätzlich neu gedacht werden, für alte Raster seien die Umbrüche in der Digitalisierung zu rasch. Hauser sprach sich für dynamische, offene Lehrpläne aus, um der Digitalisierung die Chance zu geben, jederzeit den Unterricht zu erreichen. (Fortsetzung Nationalrat) mbu


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