Parlamentskorrespondenz Nr. 751 vom 21.06.2018

Grünes Licht für Parlamentssitzungen auf Video-on-Demand

Justizausschuss beschließt Klarstellungen im Urheberrecht, Abgeordnete genehmigen auch Anpassungen beim Erwachsenenschutz

Wien (PK)- Wer sich über den Wortlaut der Debatten in Nationalrat und Bundesrat informieren will, ist bald nicht mehr nur auf die Stenographischen Protokolle angewiesen. In Zukunft sollen Parlamentssitzungen auch über Video-on-Demand abrufbar sein. Möglich wird dies durch entsprechende Klarstellungen im Urheberrechtsgesetz, die der Justizausschuss heute einstimmig verabschiedete. Die Abgeordneten beschlossen überdies ein so genanntes Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz betreffend Regelungen im Zuständigkeitsbereich des Justizministeriums und genehmigten ferner einen Ressortbericht über die internationalen Haftungsinstrumente bei Atomschäden. Die Opposition brachte ihrerseits die Themen Ehe für alle, Gruppenverfahren, Gerichtsgebühren, Bestellungsmodus beim OGH sowie Gerichtspraxis zu Sprache, konnte sich mit diesbezüglichen Anträgen aber nicht durchsetzen.

Parlamentssitzungen werden auf Video-on-Demand zugänglich

Sitzungen des Parlaments sollen in Zukunft zum Zweck der Information einer breiten Öffentlichkeit auch über Video-on-Demand zugänglich gemacht werden. Die Zulässigkeit dieser Nutzung ist derzeit aus urheberrechtlicher Perspektive noch unklar, da die freie Werknutzung im Zusammenhang mit öffentlichen Reden nur "zu Zwecken der Berichterstattung" möglich ist. Die von den Abgeordneten beschlossene Urheberrechtsgesetz-Novelle (185 d.B.) ersetzt nun das Wort "Berichterstattung" durch "Informationszwecke" und stellt damit klar, dass eine Zugänglichkeit von Sitzungen auch via Video-on-Demand möglich ist.

Kernpunkt der Novelle ist allerdings die erleichterte Werknutzung für blinde, sehbehinderte oder anderweitig lesebehinderte Personen. Diese sollen nun in Umsetzung einer auf dem Vertrag von Marrakesch basierenden EU-Richtlinie einen freien Zugang zu bestimmten veröffentlichten Werken wie Büchern in einem barrierefreien Format, etwa Braille-Schrift – erhalten. 

Die Novelle stieß bei allen Fraktionen auf positives Echo. Bezüglich der Anregung von Irmgard Griss (NEOS), wonach der im Gesetz normierte Schutz technischer Maßnahmen nicht nur für sehbehinderte Menschen, sondern auch für Personen mit anderen Behinderungen gelten sollte, kündigte Ausschussvorsitzende Michaela Steinacker (ÖVP) noch Gespräche bis zum Plenum an.

2. Erwachsenenschutzgesetz macht Kompetenzanpassungen notwendig

Ein Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz (195 d.B.), für das sich die Abgeordneten mit Stimmeneinhelligkeit aussprachen, enthält Anpassungen, die im Zuge des 2. Erwachsenenschutzgesetzes im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz notwendig geworden sind. So soll etwa eine Erwachsenenvertretung nicht mehr automatisch, sondern nur mehr dann im Firmenbuch und im Grundbuch eingetragen werden, wenn ein Genehmigungsvorbehalt erteilt wird. Die Eltern wiederum sind von der Rechnungslegungspflicht ausgenommen.

Bundesminister Josef Moser bekräftigte zudem, dass die Finanzierungspläne für die Erwachsenenschutzvereine nun feststehen und die Finanzierung sichergesellt sei. Für 2018 werden zusätzlich 10,2 Mio. € und für 2019 14,7 Mio. € zur Verfügung stehen.

ÖVP-Abgeordneter Friedrich Ofenauer begrüßte ebenso wie SPÖ-Justizsprecher Johannes Jarolim die finanzielle Absicherung der Vereine und bezeichnete das Erwachsenenschutzgesetz insgesamt als Meilenstein.

Irmgard Griss (NEOS) meldete bei grundsätzlicher Zustimmung Bedenken gegen die Abschaffung der automatischen Eintragung der Erwachsenenvertretung an und meinte, hier komme der Schutzgedanke im Geschäftsverkehr zu kurz. Problematisch würde sich das etwa bei der Abfassung eines Testaments erweisen.  Anders sah dies Friedrich Ofenauer (ÖVP), wobei er ebenso wie Volker Reifenberger (FPÖ) meinte, eine automatische Eintragung der Vertretung könnte zu einer Stigmatisierung führen. Seitens der Liste Pilz wiederum übte Alfred Noll Kritik an den disparaten Inkrafttretensbestimmungen des Gesetzes, die seiner Meinung nach die Anwendung erschweren.

Atomhaftung: Österreich gegen Obergrenzen

Einstimmig genehmigte der Ausschuss zudem einen Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung des internationalen Rechtsbestands in Sachen Atomhaftung (III-74 d.B.), aus dem die Abgeordneten entnehmen konnten, dass die Haftungsinstrumente seit 2014 unverändert geblieben sind. Bekräftigt werden in dem Papier auch die Grundsätze des österreichischen Atomhaftungsgesetzes, die vor allem einen österreichischen Gerichtsstand sowie eine unbegrenzte Haftung vorsehen.

Ehe für alle: SPÖ und NEOS wollen nicht bis 2019 warten

Nach der Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs auf Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare wollen SPÖ und NEOS mit der Umsetzung der höchstgerichtlichen Entscheidung nicht bis 2019 warten und drängen auf eine rasche Reaktion des Parlaments noch in diesem Jahr. Initiativanträge der SPÖ (97/A) und der NEOS (25/A) zielen darauf ab, sowohl heterosexuellen als auch homosexuellen Paaren die Möglichkeit der Ehe zu eröffnen. Parallel dazu sollen gleichgeschlechtliche wie verschiedengeschlechtliche Paare eine Eingetragene Partnerschaft eingehen können.

Von Seiten der Opposition kam eine klare Befürwortung beider Anträge. Der Spruch des Verfassungsgerichtshofs sei eindeutig und nun gelte es, die Ehe für alle endlich umzusetzen, ehe 2019 der Entscheid des VfGH zum Tragen komme. Eine bewusste Hinauszögerung der Thematik ortete etwa Harald Troch (SPÖ). Dies gehe auf Kosten hunderttausender Betroffener und ein rasches Handeln würde Rechtssicherheit für diese schaffen. Ähnlich sah dies auch Alfred Noll (PILZ), der der Argumentation der Regierungsfraktionen wenig abgewinnen kann, dass es Begleitmaßnahmen brauche. Problematisch sah es Irmgard Griss (NEOS), zu warten bis der Spruch des VfGH zum tragen kommt. Vielmehr solle jetzt die Chance genutzt werden, ein zeitgemäßes Eherecht zu schaffen. "Wir hätten es schon längst beschließen können", sagte Mario Lindner (SPÖ), der darauf pochte, das Urteil auch politisch umzusetzen. Johannes Jarolim (SPÖ) betonte, dass das Parlament hierzu einen Standpunkt einnehmen sollte.

Die beiden Anträge würden nicht auf ein Gesetz hinauslaufen, sondern vielmehr auf gesellschaftliche Akzeptanz abzielen, sagte Justizminister Josef Moser. Daher könne die Frage auch nur gelöst werden, wenn man auch gleichzeitig die Gesellschaft in den Prozess hin zu einer zeitgemäßen Eheform einbezieht. Er habe geprüft, welche Regelungen durch das VfGH-Urteil notwendig werden, sagte Moser. Schwierigkeiten bei der Umsetzung ortete er in den beiden Modellen Ehe und Eingetragene Partnerschaft. Ein Nebeneinander beider Formen hätte etwa zur Folge, dass diese auch für zweigeschlechtliche Paare angepasst werden müssten. Mit einer Auflösung der Eingetragenen Partnerschaft würden verfassungsrechtliche Probleme fortgeschrieben. Auch müssten die Begleitumstände berücksichtigt werden. So könne nicht sofort eine Lösung gefunden werden, sondern nur mit wachsendem gesellschaftlichen Konsens. Es brauche eine Lösung, die auch eine Mehrheit findet. In diesem Sinn sprach sich Johanna Jachs (ÖVP) für intensive parlamentarische Beratungen aus. Zudem müsse noch Überzeugungsarbeit geleistet und Rechtssicherheit bei personenstandsbezogenen Daten geschaffen werden. Daher stellte sie im Ausschuss den Vertagungsantrag für beide Initiativen.

SPÖ drängt auf Reform des kollektiven Rechtsschutzes

Weiters lag dem Ausschuss ein Antrag (96/A) der SPÖ vor, in dem Justizsprecher Johannes Jarolim ein Gruppenverfahrensgesetz vorschlägt und dabei im Wesentlichen auf die bereits ausverhandelten Reformentwürfe der Jahre 2007 und 2008, aber auch auf die in der Zwischenzeit gemachten Erfahrungen mit der Abwicklung von Massenschäden zurückgreift. Kernpunkte sind dabei ein niederschwelliger Zugang zum Verfahren, der Ausschluss einer Sperrwirkung gegenüber Individualverfahren, die Hemmung der Verjährung bis sechs Monate nach Beendigung des Verfahrens sowie die Abschöpfung der durch die Rechtsverletzung entstandenen Gewinne.  

Sein Antrag ziele gegen die Aufblähung von Gerichtsverfahren ab, unterstrich Johannes Jarolim (SPÖ). Wegen ein und derselben Frage müsste nicht eine Unzahl an Verfahren geführt werden. Dadurch würden Gerichte unter Einbeziehung aller Beteiligten entlastet werden. Wie Jarolim konnte auch Irmgard Griss (NEOS) in dem Antrag kein Zusteuern auf "amerikanische Verhältnisse" erkennen. Sie ortete in dem Antrag den Versuch, einen Kompromiss zu finden, der auch ein gesellschaftliches Anliegen sei. Griss setzt sich für eine Arbeitsgruppe des Justizministeriums ein, in der gemeinsam mit PraktikerInnen an einer Lösung des Themas Massenklagen gearbeitet werden soll.

Es sei derzeit ein Vorschlag in Ausarbeitung, der sich der Thematik annimmt, betonte Justizminister Josef Moser. Daher sei es wichtig, die Verhandlungen abzuwarten. Moser versicherte aber, dass gewisse Elemente der Oppositionsforderungen darin bereits vorgesehen seien. Zudem sei auch eine Lösung auf europäischer Ebene zu suchen. Er kündigte an, dass dies Thema des EU-Ratsvorsitzes Österreichs sein wird und schon Anfang Juli eine Ratsarbeitsgruppe dazu tagen werde. Er räumte allerdings ein, dass er noch nicht einschätzen könne, wie weit die Meinungen der Mitgliedsländer in der Frage auseinanderklaffen. Auf ein Abwarten der weiteren Entwicklungen pochte Klaus Fürlinger (ÖVP). Es mache wenig Sinn, jetzt etwas zu ändern, wenn in den kommenden Monaten die Grundlagen geändert werden, begründete er seinen Vertagungsantrag.

Pilz-Vorstoß gegen hohe Gerichtsgebühren

Thema der Debatte war auch die Höhe der Gerichtsgebühren. Den Anstoß dazu gab ein Antrag (80/A) der Liste Pilz, in dem Alfred Noll eine Halbierung der anfallenden Pauschalgebühren fordert, wenn eine Causa bereits in der ersten Verhandlung mit einem Vergleich endet. Er verfolge damit das Ziel, die Kosten für beide involvierten Seiten nicht zur Fallgrube werden zu lassen und die Arbeit der Gerichte zu reduzieren. Dadurch würde die Halbierung für die Gerichte nichts kosten, sondern vielmehr sogar etwas einbringen, war sich Noll im Justizausschuss sicher. Seit Jahren lasse eine Reform der Gerichtsgebühren auf sich warten, kritisierte Peter Wittmann (SPÖ). Nicht nur sei die Verhältnismäßigkeit der Gebühren nicht mehr gegeben, auch seien diese im EU-Vergleich sehr hoch, unterstützte er das Anliegen der Liste Pilz. Ähnlich sah dies auch Johannes Jarolim (SPÖ). Die Kosten stünden in keinem Verhältnis zum Aufwand und der Antrag könne schnell umgesetzt werden, unterstützte er die Forderung. Für eine Deckelung der Gebühren sprach sich Irmgard Griss (NEOS) aus, unterstrich aber, dass auch andere Gebühren zu hoch seien, wie etwa jene für Grundbucheintragungen.

Eine Deckelung der Gerichtsgebühren sei Teil des Regierungsprogramms, unterstrich Justizminister Josef Moser. Allerdings seien diese im größeren Kontext des Justizressorts zu sehen. So würden etwa die Mietkosten steigen oder der Strafvollzug sehr teuer sein. Zudem müsse erhoben werden, wie die Reduzierungen zu bedecken sind und das Budget für 2020 im Blick gehalten werden. Die Justiz stünde vor Herausforderungen wie etwa dem Fremdenrechtsänderungsgesetz. Die Funktionsfähigkeit der Justiz dürfe nicht eingeschränkt werden. Im Antrag der Liste Pilz ortete Moser einen Teilschritt, zu dem es noch keine Berechnungen gibt, ob er Einsparungen brächte. Die Gebühren seien zu hoch, aber es brauche ein allumfassendes Gebührensystem, an dem derzeit gearbeitet werde, begründete Hermann Brückl (FPÖ) seinen Vertagungsantrag. Ein Bekenntnis zur Gebührenreduktion legte auch Andreas Hühberger (ÖVP) ab, betonte aber auch, dass nicht nur dieser Teilbereich betrachtet werden dürfe.

Liste Pilz für mehr Transparenz bei der Bestellung des OGH-Präsidiums

Geht es nach der Liste Pilz, dann soll ein neuer Bestellungsmodus für das OGH-Präsidium für mehr Transparenz sorgen. Alfred Noll plädiert in einer Initiative (225/A) für die Besetzung von PräsidentIn und VizepräsidentIn des Obersten Gerichtshofs auf Basis eines Vorschlags der Vollversammlung der Mitglieder des OGH. Darüber hinaus sollte der Justizminister bei Richterbestellungen zu einer Mitteilung an jene Stellen, die Besetzungsvorschläge erteilt hatten, verpflichtet sein, wenn er von diesen Vorschlägen abweicht.

Bei der Bestellung des OGH-Präsidiums würde immer wieder der Anschein politischer Befangenheit entstehen, sagte Noll im Justizausschuss. Sein Vorschlag würde nichts an der Benennungskompetenz ändern, sondern Transparenz in die Besetzung bringen. Dem schlossen sich Johannes Jarolim (SPÖ) und Irmgard Griss (NEOS) an. Griss betonte, dass der Vorschlag des OGH-Präsidiums durch den Minister im Vergleich zu anderen nationalen und internationalen Institutionen untypisch sei. Es müsse gelten, die Auswahl der Richter von politischen Funktionen zu enkoppeln.

Eine Unabhängigkeit bei der Auswahl von Besetzungen sei nie gegeben, unterstrich Michaela Steinacker (ÖVP). Beim Vorschlag durch die Mitglieder der Vollversammlung könnten auch persönliche Einflüsse mitwirken. Zudem sei der Minister dem Nationalrat rechenschaftspflichtig, während die Vollversammlung niemandem verantwortlich sei, war sich Steinacker mit Markus Tschank (FPÖ) einig. Bei der Verschiebung von Kompetenzen auf die Vollversammlung müsse vorsichtig umgegangen werden, sagte Tschank. Zudem sieht er derzeit keinen Handlungsbedarf, da alle Planstellen besetzt seien, und stellte daher einen Vertagungsantrag.

Gerichtspraxis: Liste Pilz will Verlängerung auf zwölf Monate

Zwölf und nicht wie bisher sieben Monate sollte die Gerichtspraxis dauern, meint Alfred Noll in einem Entschließungsantrag (259/A(E)) und schlägt zudem auch eine obligatorische Zuteilung der RechtspraktikantInnen zu den Verwaltungsgerichten vor. Der Justizsprecher der Liste Pilz erwartet sich davon vor allem eine zeitgemäße Gestaltung der Gerichtspraxis. Selbst JuristInnen würden es bezweifeln, ob für den Nachwuchs sieben Monate reichen würden, um die erforderlichen Erfahrungen sammeln zu können, sagte Noll im Justizausschuss. Die Wichtigkeit der Gerichtspraxis unterstrichen alle Fraktionen. Irmgard Griss (NEOS) betonte, dass die Praxiszeit nicht nur der Sammlung von Erfahrung diene, sondern auch zur charakterlichen Entwicklung und Beobachtung der AnwärterInnen durch die Gerichte diene. Trotz des Bekenntnisses zur Gerichtspraxis, begründete Johanna Jachs (ÖVP) ihren Vertagungsantrag mit den dadurch entstehenden Kosten von 12 Mio. €, die budgetär derzeit nicht gedeckt seien. Der Begründung konnte Peter Wittmann (SPÖ) wenig abgewinnen, da damit eine Ablehnung einher gehen müsste.

Justizminister Josef Moser erinnerte daran, dass die Erhöhung der Gerichtspraxis von fünf auf sieben Monate im Jahr 2016 schon vom Finanzministerium kritisiert worden sei. Die Kosten für eine weitere Verlängerung sieht er nicht bedeckt. Moser kann sich zwar eine Ausweitung der Gerichtspraxis vorstellen, allerdings müsse geprüft werden, in welchen Bereichen der Justiz welcher Bedarf besteht. Außerdem stehe man im Hinblick auf eine bevorstehende Pensionierungswelle vor großen Herausforderungen beim Nachwuchs. (Schluss Justizausschuss) hof/see