Parlamentskorrespondenz Nr. 1401 vom 29.11.2018

Sozialausschuss: Kassenreform hat erste parlamentarische Hürde genommen

Abänderungsantrag nimmt die umstrittene generelle Ermächtigung für die Ministerin zurück

Wien (PK) – Die von der Regierung vorgeschlagene Sozialversicherungsreform, über deren Inhalte in den vergangenen Wochen bereits sehr ausführlich diskutiert wurde, hat nun die erste parlamentarische Hürde genommen. ÖVP und FPÖ stimmten heute im Sozialausschuss für die umfangreiche Sammelnovelle (329 d.B. ), die unter anderem eine Reduktion der Sozialversicherungsträger von 21 auf 5 sowie die Einrichtung einer Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) bringt.

Mittels Abänderungsantrag wieder aus dem ASVG eliminiert haben die Koalitionsparteien die erst vor kurzem vom Nationalrat beschlossene und von der Opposition heftig kritisierte Bestimmung, wonach die Ministerin notwendige "Vorbereitungshandlungen" für jedwedes Gesetzesvorhaben im Bereich der Sozialversicherungsgesetze setzen darf, sofern ein entsprechender Entwurf bereits in parlamentarischer Handlung steht. Eine generelle Ermächtigung sei zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt gewesen, unterstrich August Wöginger (ÖVP), vielmehr sei es um die rechtzeitige Meldung der Anzahl der Versicherten in den jeweiligen Trägern gegangen; dies werde nun klargestellt. Gelten soll die neue Organisationsstruktur der Kassen ab 2020, im Sinne eines geordneten Übergangs werden etliche Bestimmungen aber bereits 2019 in Kraft treten. Ein Entschließungsantrag der SPÖ (305/A(E)) betreffend die Harmonisierung der Leistungen aller Krankenversicherungsträger wurde vertagt.

Auf dem Weg ins Plenum ist darüber hinaus eine weitere ASVG-Novelle (338 d.B. ), die, ebenso wie ein zugehöriger Ausschussantrag auf Änderung des GSVG, des BSVG und des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes, mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ, NEOS und JETZT angenommen wurde. Mit ihr wird ausdrücklich festgeschrieben, dass Telerehabilitation, als Teil der ambulanten Rehabilitation, zur medizinischen Rehabilitation zählt. Die SPÖ lehnte das Vorhaben ab, da es noch viele offene Fragen gebe und eigene gesetzliche Bestimmungen für die Telerehabilitation aus ihrer Sicht gar nicht notwendig ist.

Opposition beurteilt Sozialversicherungsreform weiter kritisch

Dem Beschluss der Sozialversicherungsreform im Ausschuss war ein mehrstündiges Expertenhearing Mitte November (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 1273/2019 ) sowie eine weitere Diskussionsrunde im Rahmen der heutigen Sitzung vorangegangen, die jedoch zu keiner Annäherung der Standpunkte zwischen den Fraktionen führte.

Es handle sich um keine Gesundheitsreform, sondern um eine Verschlankung der Verwaltungs- und Entscheidungsstrukturen, betonte ÖVP-Abgeordneter Georg Strasser. Als Beispiel nannte er die Zusammenführung der Sozialversicherungsträger der gewerblichen Wirtschaft und der Bauern, wo man bereits auf einem sehr guten Weg sei. Auch August Wöginger (ÖVP) sprach von einem ganz wichtigen ersten Schritt in Richtung einer umfassenden Strukturreform. Weiters räumte er ein, dass die vor einer Woche beschlossene Ermächtigungsbestimmung zu Verunsicherungen geführt hat. Der von ihm eingebrachte Abänderungsantrag sehe daher nur mehr die Verpflichtung der Sozialversicherungsträger vor, dem Sozialministerium als Aufsichtsbehörde innerhalb von 14 Tagen die Zahl der pflichtversicherten DienstnehmerInnen zu einem bestimmten Stichtag und in einer bestimmten Form bekanntzugeben. Diese Regelung trete rückwirkend in Kraft.

Das Expertenhearing habe gezeigt, dass die Meinungen zur Kassenreform weit auseinander gehen, zeigte Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber (JETZT) auf. Es wurden nicht nur verfassungsrechtliche Bedenken geäußert, Kritik gab es etwa auch am Rotationsprinzip und am Eingriff in die Selbstverwaltung. Der von den Koalitionsparteien im Zuge der Beratungen eingebrachte Abänderungsantrag, der den Abgeordneten wieder einmal sehr spät übermittelt wurde, enthalte ihrer Meinung nach nicht nur kleine Korrekturen, sondern auch substanzielle Änderungen. Im Zusammenhang mit dem erforderlichen Nachweis der fachlichen Eignung der VersicherungsvertreterInnen im Verwaltungskörper sei sogar von einer möglichen Enthebung die Rede.

Abgeordneter Gerald Loacker (NEOS) zeigte sich erfreut darüber, dass die verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Ermächtigungsklausel ernst genommen und die Bestimmung zurückgenommen wurde. Für begrüßenswert hielt er auch die Korrektur in Bezug auf den Nachweis der fachlichen Eignung der VersicherungsvertreterInnen, weil zuvor die FunktionärInnen der Wirtschaftskammer bevorzugt wurden. Nun komme es darauf an, was die Ministerin am Verordnungsweg festlegen wird.

Die Vorgehensweise der Regierung bei diesem Gesetzespaket habe gezeigt, dass man eine derartige Riesenreform nicht im Eilzugstempo durchziehen könne, stellte Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ) kritisch fest. Die ständig notwendigen Abänderungsanträge würden dies auch klar beweisen. Er wiederholte die zentralen Kritikpunkte an der Reform und wies vor allem auf die nicht bezifferten Fusionskosten sowie auf die vermeintliche Patientenmilliarde hin. Verwundert zeigte Muchitsch sich auch darüber, dass einerseits immer von Einsparungspotenzialen gesprochen wird, andererseits aber teure Inserate in den Medien geschaltet werden, um das Vorhaben der Regierung zu bewerben.

Bei diesem Thema lohne sich ein Blick in die Geschichte, meinte Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ), der darauf hinwies, dass erstmals Jörg Haider im Jahr 1988 eine Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger gefordert habe. Dieser Vorschlag wurde im Laufe der Zeit von Politikern aus allen Lager unterstützt, aber eben nie umgesetzt. Nach 30 Jahren sei es nun der aktuellen Regierung gelungen, dieses wichtige Vorhaben zu realisieren, das eine Leistungsharmonisierung für 90% aller BürgerInnen bringt, hob auch Dagmar Belakowitsch (FPÖ) hervor. Sie sei überzeugt davon, dass sich die Reform auch in der Praxis beweisen und funktionieren wird.

Gleiche Beiträge für gleiche Leistungen – dieses Prinzip gelte nun für sieben Millionen Versicherte, unterstrich Bundesministerin Beate Hartinger-Klein. Sie sei froh darüber, dass es in Hinkunft zu keiner unterschiedlichen Behandlung der PatientInnen in den einzelnen Bundesländern mehr kommt, was etwa die chefärztlichen Genehmigungen oder die medizinischen Leistungen betrifft. Maßgebliche ExpertInnen, wie etwa Wirtschaftsrechtsprofessor Werner Hoffmann, hätten bestätigt, dass die angepeilten Ziele auch realisierbar sind.

Zu den wesentlichen Eckpunkten der Sozialversicherungsreform siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 1209/2018 .

Hartinger-Klein: Telerehabilitation ist eine ergänzende und keine ersetzende Maßnahme

Mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ, JETZT und NEOS wurde sodann eine weitere ASVG-Novelle in der Fassung eines Abänderungsantrags angenommen, mit der der Anwendungsbereich der Telerehabilitation geregelt wird. Das Sozialministerium erwartet sich von einem verstärkten Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien in der Rehabilitation nicht zuletzt eine bessere Motivation von PatientInnen zur regelmäßigen Durchführung von Übungen und damit auch längerfristige Therapieerfolge. In Frage kommt Telerehabilitation gemäß den Erläuterungen zum Gesetzentwurf insbesondere im Anschluss an eine stationäre oder ganztägige ambulante Rehabilitation. Mit einem Abänderungsantrag wurden in diese Novelle außerdem Klarstellungen hinsichtlich der Überlassung von Arbeitskräften zur Ausübung einer Organfunktion innerhalb von Unternehmensverbünden sowie zur Vermeidung von Verzugszinsen in Zusammenhang mit der monatlichen Beitragsgrundlagenmeldung an die Sozialversicherung eingebaut.

Abgeordneter Gerhard Kaniak (FPÖ) lobte den Entwurf, weil damit die Versicherten von den neuen technische Möglichkeiten profitieren können. Gleichzeitig betonte er, dass digitale Instrumente natürlich nie den direkten Kontakt mit Menschen ersetzen können, sondern nur eine sinnvolle Ergänzung darstellen. Für ihn stehe grundsätzlich das Prinzip "Rehabilitation vor Pension" im Vordergrund, erklärte Abgeordneter Michael Hammer (ÖVP), Telerehabilitation sei dabei ein Element von vielen.  

Grundsätzlich positiv wurde das zusätzliche Angebot an Maßnahmen der Telerehabilitation von Seiten der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber (JETZT) und Gerald Loacker (NEOS) beurteilt.

Er könne dem Gesetz nicht zustimmen, da zu viele Fragen noch offen seien, beklagte Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ). So sei etwa nicht klar, ob es eine Mitwirkungspflicht an der Telerehabilitation gibt, wie es mit dem Datenschutz ausschaut und ob die Qualität der Rehab-Maßnahmen weiterhin gewährleistet ist. Er brachte daher einen Vertagungsantrag ein, der aber keine Mehrheit fand. Sein Fraktionskollege Alois Stöger war überhaupt der Auffassung, dass die Regierungsvorlage nicht notwendig war, da Telerehabilitation unter dem Begriff Rehabilitation subsumiert sei. Außerdem sei das Gesetz sehr schlecht formuliert.

Mit dem vorliegenden Entwurf baue man auf diversen Pilotprojekten auf, die sehr erfolgreich waren, informierte Sozialministerin Beate Hartinger-Klein. Telerehabilitation fand z.B. Anwendung im Rahmen eines Herzmonitorings oder bei der Begleitung von Diabetes-PatientInnen. Es handle sich ganz klar um eine ergänzende Maßnahme auf freiwilliger Basis, unterstrich die Ressortchefin. Es brauche auch keine eigenen datenschutzrechtlichen Bestimmungen, da es ohnehin eine Datenschutz-Verordnung gebe. (Fortsetzung Sozialausschuss) sue