Parlamentskorrespondenz Nr. 1511 vom 13.12.2018

Hartinger-Klein: Keine Ungleichbehandlung von PatientInnen in Spitalsambulanzen

Opposition warnt vor erstem Schritt in Richtung Privatisierung des Gesundheitssystems im Nationalrat

Wien (PK) – Mit einem heute im Laufe der Nationalratssitzung eingebrachten Entschließungsantrag wollten die Regierungsfraktionen die Debatte über die von der Opposition beklagte Einführung einer Sonderklasse in Spitalsambulanzen beenden. Darin wird die Gesundheitsministerin ersucht, im Rahmen eines geeigneten Monitorings sicherzustellen, dass keine Unterschiede bei der Behandlung, insbesondere was den Umfang und die Qualität betrifft, sowie beim Zugang zur medizinischen Leistung vor allem im Hinblick auf Terminvergabe und Wartezeiten zwischen den einzelnen Versichertengruppen gemacht werden. Hartinger-Klein verwahrte sich gegen die "Horrorszenarien", die von der Opposition an die Wand gemalt würden. Es würde ihr nicht einmal im Traum einfallen, dass es eine Ungleichbehandlung von PatientInnen in Ambulanzen geben kann, unterstrich  die Ressortchefin.

Auslöser des medialen Aufregers der letzten Tage war der Beschluss der Kranken- und Kuranstaltengesetz-Novelle (KAKuG) im Gesundheitsausschuss vor einer Woche. Darin findet sich die Passage, dass Länder die Möglichkeit zur Einhebung von Sonderklassegebühren für jene ambulanten Leistungen haben, die bisher stationär erbracht wurden. Umstritten war vor allem der Zusatz, wonach der Einhebung solcher Sondergebühren "adäquate Leistungen gegenüber zu stehen" haben. Auch mit der nun vorliegenden Entschließung, die noch dazu unverbindlich ist, sei die Frage nicht geklärt, welche Leistungen darunter fallen, bemängelte NEOS-Mandatar Gerald Loacker. Lautstarke Kritik kam auch von Seiten des SPÖ-Abgeordneten Philip Kucher, der die Einrichtung von VIP-Bereichen und Business-Loungen in den Ambulanzen befürchtete. Als einen "Wunsch ans Christkind" bezeichnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber (JETZT) den Antrag der Regierungsfraktionen. Die vom Kanzler in Aussicht gestellte gesetzliche Klarstellung gebe es nun doch nicht.

Die VertreterInnen der Regierungsfraktionen wiederum sprachen von einem "politischen Spiel" der Opposition, das absolut nichts mit den Tatsachen zu tun habe. Sie wiesen darauf hin, dass etwa auch die Stadt Wien in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf eine gesetzliche Regelung zur Einhebung von Sonderklassegebühren im ambulanten Bereich einforderte. Anderenfalls würde es zu einem enormen Ausfall von Einnahmen kommen.

Die Anpassung des Bundesgesetzes über Krankenanstalten und Kuranstalten wurde schließlich – ebenso wie der ÖVP-FPÖ-Entschließungsantrag – mehrheitlich angenommen. Die Initiative von Seiten der SPÖ und von JETZT, die auf ein explizites Verbot der Einhebung von Sonderklassegebühren für jede Art von ambulanten Leistungen im Gesetz abzielte, fand nicht die ausreichende Unterstützung. Auch der JETZT-Antrag betreffend intransparente und benachteiligende Sonderklasse in Spitälern blieb in der Minderheit.

Flexiblere und einfachere Spitalsorganisation, Dokumentation von Krankenhauskeimen und ein Entschließungsantrag

Eigentliche Grundlage der Debatte war eine Regierungsvorlage zur Anpassung des Kranken- und Kuranstaltengesetzes, die vor allem der Umsetzung des Österreichischen Strukturplans Gesundheit (ÖSG 2017) dient. Durch die KAKuG-Novelle werden unter anderem weitere – und gleichzeitig vereinfachte – flexible Formen der Organisation in Spitälern ermöglicht. Außerdem gibt es im Zusammenhang mit Infektionen mit Krankenhauskeimen die Verpflichtung, laufend Aufzeichnungen in elektronischer Form zu führen und entsprechende Maßnahmen zu setzen.  

Die Kritik der Opposition entzündete sich aber an den Erläuterungen zum Paragraphen 27b Absatz 3, der – so ist es dem Text zu entnehmen - aufgrund der verbindlichen Anwendung des spitalsambulanten Abrechnungsmodells ab 1. Jänner 2019 angepasst werden musste. Durch den von den Regierungsfraktionen eingebrachten Entschließungsantrag wird die zuständige Ministerin aufgefordert, mittels eines geeigneten Monitorings sicherzustellen, dass auch im spitalsambulanten Bereich "keine Unterschiede bei der Behandlung (insbesondere Umfang und Qualität) sowie beim Zugang zur medizinischen Leistung (insbesondere Terminvergabe und Wartezeiten) zwischen PatientInnen der allgemeinen Gebührenklasse und PatientInnen mit Sondergebührenverrechnung gemacht werden". In rechtlicher Hinsicht wird festgehalten, dass Paragraph 27 Abs. 4 KAKuG in der seit 1996 geltenden Form, der schon bisher die Festsetzung von Sondergebühren für den spitalsambulanten Bereich ermöglichte, durch die nunmehr vorliegende Novelle nicht geändert wird. Ein Verbot von Sondergebühren würde zudem dazu führen, dass zusatzversicherte PatientInnen in den Bereich der privaten Krankenanstalten abwandern und so dem öffentlichen Gesundheitswesen wesentliche Einnahmen entgehen.

Auch in Zukunft müsse für alle PatientInnen gewährleistet sein, heißt es weiter im Antrag, dass es keine Unterschiede bei der Behandlung sowie beim Zugang zur Behandlung (Zeitpunkt der Behandlung) im spitalsambulanten Bereich gibt. Die Landesgesetzgebung als Ausführungsgesetzgeber werde demnach erforderlichenfalls sicherzustellen haben, dass die Benachteiligung von PatientInnen der allgemeinen Gebührenklasse bei der Behandlung und beim Zugang zu medizinischen Leistungen auch im Ambulanzbereich von LKF-finanzierten Krankenanstalten zuverlässig vermieden wird. Jedenfalls ausgeschlossen müssen nicht medizinisch indizierte Differenzierungen (z.B. "fast lane" oder dergleichen) in Unfall-, Notfall- bzw. Akutambulanzen sein.

Regierungsfraktionen werfen Opposition massive Verunsicherung vor und verteidigen Maßnahme

FPÖ-Gesundheitssprecherin Brigitte Povysil ging zunächst auf die Eckpunkte der KAKuG-Novelle ein, die in Umsetzung des ÖSG einfachere, flexiblere und interdisziplinäre Organisations- und Arbeitsformen in den Krankenhäusern gewährleistet. Verbessert werde auch die Zusammenarbeit zwischen Spitälern und niedergelassenem Bereich, wobei insbesondere auch auf die regionalen Bedürfnisse eingegangen wird.

Was nun den umstrittenen Passus angeht, so wies die ausgebildete Ärztin darauf hin, dass es nicht nur politisch gewollt sei, sondern auch der medizinische Fortschritt dazu beigetragen habe, dass immer mehr stationäre Leistungen auf ambulante Weise erbracht werden. Durch die Erläuterungen im Gesetz wollte man erreichen, dass die Privatversicherungen auch weiterhin in die Pflicht genommen werden und zudem verhindern, dass Sonderklasse-PatientInnen bei tagesklinischen Eingriffen (z.B. Chemo-Therapien, Graue Star-Operationen etc.) nur noch in Privatspitäler abwandern. Den öffentlichen Krankenhäusern würden dadurch sehr hohe Einnahmen entgehen, gab Povysil zu bedenken, allein in Oberösterreich würde ein Defizit von 3 Mio. € entstehen. Insgesamt gebe es 1,8 Millionen PatientInnen mit Zusatzversicherungen in Österreich, die einen Beitrag von 880 Mio. € zum Gesundheitssystem und somit auch zur Finanzierung der Krankenanstalten leisten. Der SPÖ gegenüber stellte sie fest, dass im sozialdemokratisch regierten Wien allein 1,8 Mrd. € beim Bau des Krankenhauses Nord verschleudert wurden und die Menschen teils bis zu acht Stunden in den Ambulanzen zu warten hätten.  Auch wenn durch Paragraph 16 im KAKuG ohnehin schon garantiert sei, dass es zu keiner Besserstellung von Privatversicherten kommen kann, habe man einen Entschließungsantrag ausgearbeitet, der noch einmal klarstellt, dass es keine Ungleichbehandlung von PatientInnen geben dürfe.

ÖVP-Abgeordneter Norbert Sieber warf der Opposition vor, wider besseres Wissen Sachen in das Gesetz hinein zu interpretieren, die gar nie beabsichtigt waren. Es sei nie um den Aufgabenbereich von Notfallambulanzen, sondern nur um ausgewählte, selektive und geplante Behandlungen gegangen, die wie bisher von den Spitälern in der allgemeinen und in der Sonderklasse durchgeführt und als stationäre Fälle abgerechnet werden. Als Beispiel nannte er Bestrahlungs- und Chemotherapien. Schließlich erinnerte er noch daran, dass die Stadt Wien in ihrer Stellungnahme zum Entwurf darauf gedrängt habe, in den angesprochenen Fällen auch in Zukunft weiterhin Sondergebühren verrechnen zu können.

Es sei notwendig, das heimische Gesundheitssystem regelmäßig an die aktuellen Herausforderungen anzupassen, damit es auch weiterhin eines der besten der Welt bleibt, urteilte Johann Höfinger (ÖVP), der die Eckpunkte des Gesetzes wiederholte. Wichtig sei auch daran zu erinnern, dass die Länder bereits seit 1996 die Möglichkeit haben, geeignete Serviceeinrichtungen für ihre PatientInnen zu etablieren. Die von der Opposition ständig ins Treffen geführten Vorreihungen von einzelnen Versicherten werde es keinesfalls geben, bekräftigte er. PatientInnen sollten dennoch das Recht haben, sich wohl zu fühlen und die beste medizinische Behandlung zu bekommen, die sie verdienen.

Abgeordneter Gerhard Kaniak (FPÖ)  schloss sich den Ausführungen von Povysil an, wonach die KAKuG-Novelle primär dazu diene, den Österreichischen Strukturplan Gesundheit 2017 umzusetzen. Es komme zu einer Vereinfachung der Regelungen, einer Flexibilisierung der Spitalsorganisation und zu einem Ausbau der interdisziplinären Zusammenarbeit. Es werde auch die Basis dafür geschaffen, die Bettenanzahl zu reduzieren, ohne dass es zu Verschlechterungen für die PatientInnen kommt. Für besonders wichtig erachtete Kaniak zudem die Verpflichtung zur Dokumentation der immer häufiger auftretenden Fälle von Infektionen mit speziellen Krankenhauskeimen, die mehrfach antibiotikaresistent sind, sowie die Bestimmungen in Bezug auf freiheitsbeschränkende Maßnahmen in der Psychiatrie.

Letzter Punkt sei eben die Einführung eines transparenten, verpflichtenden und einheitlichen Abrechnungsmodells für alle ambulanten Leistungen. Dadurch werde es ermöglicht, dass die Leistungsverlagerung in den ambulanten Bereich nachvollziehbarer und vergleichbarer wird. Kaniak appellierte an die Opposition, sich nicht an "fehlerhafte Interpretationen" zu klammern, sondern dem Gesetz zuzustimmen. Die Regierungsvorlage sei nämlich Garant dafür, dass es eben nicht zu einer Zwei-Klassen-Medizin kommt, hielt Dagmar Belakowitsch (FPÖ) den Kritikern entgegen.

Opposition beklagt Institutionalisierung der Zwei-Klassen-Medizin

Bei der schon in den Medien breit kolportierten Geschichte mit der Sonderklasse im ambulanten Spitalsbereich gehe es vor allem um das Geld, unterstrich NEOS-Vertreter Gerald Loacker, und zwar im konkreten um jenes der PrimarärztInnen, der Länder sowie der Versicherungen. Auf die Frage im Gesundheitsausschuss, worin die Zusatzleistungen in den Ambulanzen bestehen könnten, bekam er von Seiten der Ministerin und des FPÖ-Abgeordneten Kaniak die Antwort, "das zeigt sich in einem anderen Wartebereich zum Beispiel". Dabei wurde der Vergleich zu den Flughäfen gezogen. Letztendlich konnte die Frage aber nicht endgültig geklärt werden.  Bedauerlicherweise löse auch der "ganz nette Entschließungsantrag" das Problem nicht, da weder der Gesetzestext noch die Erläuterungen geändert werden. Angesichts der in Österreich bestehenden "hypertrophen Spitalsstruktur" müsste man ohnehin über eine grundlegende Reform nachdenken. Statt aber die Länder dazu zu bewegen, endlich Reformen anzugehen, unterstütze die Regierung noch diese Haltung mit dem vorliegenden Gesetz, kritisierte Loacker, und nehme dabei sogar eine Institutionalisierung der Zwei-Klassen-Medizin in Kauf.

Es sei Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass alle Menschen in Österreich die bestmögliche Gesundheitsversorgung erhalten, betonte Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ). Zudem müsse man danach trachten, ein optimales Umfeld für die im Gesundheitsbereich beschäftigten MitarbeiterInnen zu schaffen. Mit dem vorliegenden Gesetz, das VIP-Bereiche und Sondergebühren in Ambulanzen ermögliche, gehe man aber genau in die entgegengesetzte Richtung. Alles das, was es bereits auf Flughäfen gibt - Lounges mit Ledersofas, WLAN, Getränkeservice und Snacks – soll nun auch in Österreichs Ambulanzen Realität werden. "Ist das euer Ernst?" Dies bedeute nämlich, dass die Mutter mit dem kranken Kind warten soll, während der Generaldirektor durchmarschiert, gab Kucher zu bedenken. Damit werde der erste Schritt in Richtung Privatisierung des Gesundheitssystems eingeleitet, warnte Verena Nussbaum (SPÖ).

Auch ihre Fraktionskollegin Selma Yildirim zeigte sich entsetzt darüber, dass es nun wohl doch zu einer Business-Class für Besserversicherte kommen wird. In einem steuerfinanzierten System müssen alle die gleichen Leistungen erhalten, forderte sie. Außerdem trat sie für ein angemessenes und leistungsgerechtes Einkommen für die Beschäftigten im Gesundheitssystem ein. Durch den von ihr eingebrachten Abänderungsantrag soll im Gesetz eingefügt werden, dass die Einhebung von Sonderklassegebühren für jede Art von ambulanten Leistungen jedenfalls ausgeschlossen ist.

Da die umstrittene Passage in den Erläuterungen noch immer im Gesetz steht, werde sie der Vorlage keinesfalls zustimmen, erklärte Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber (JETZT). Obwohl Bundeskanzler Kurz eine gesetzliche Regelung in Aussicht gestellt habe, gebe es nur eine unverbindliche Entschließung, also "einen Wunsch ans Christkind". Ebenso wie Loacker wollte sie die Frage beantwortet wissen, was man nun unter den "adäquaten Leistungen" für SonderklassepatientInnen zu verstehen hat. Die bei der stationären Behandlung mögliche "Hotelkomponente", also z.B. Einbettzimmer, spezielle Verpflegungswünsche oder freie Arztwahl, sei im ambulanten Bereich in der Form nicht umsetzbar. Es kursierten bereits die verschiedensten Ideen, von der Fast lane, Sonderöffnungszeiten am Nachmittag bis hin zur Rufbereitschaft für WahlärztInnen etc, die aber allesamt kategorisch abzulehnen seien. Auch die Patientenanwaltschaft warne vor den Auswirkungen solcher Entwicklungen, zumal die Wartezeiten in den Ambulanzen schon jetzt bis zu acht Stunden betrage.

In einem Entschließungsantrag plädierte Holzinger-Vogtenhuber noch dafür, das veraltete, intransparente und nicht mehr leistungsgerechte, sowie auch für einige Ärztegruppen und das sonstige Gesundheitspersonal benachteiligende, System der derzeitigen Sonderklassen zu reformieren, und es - an modernen Gesichtspunkten eines allgemeinen hochwertigen Gesundheitssystems für alle Menschen orientiert - neu aufzusetzen. (Fortsetzung Nationalrat) sue