Parlamentskorrespondenz Nr. 181 vom 27.02.2019

Arena Analyse 2019 zum Thema Konstruktive Politik

Bundesratspräsident Appé lud zur Präsentation der Studie ins Parlament

Wien (PK) – Die Demokratie lebt vom Wettbewerb der Ideen und von der Konkurrenz der AkteurInnen. Doch über diese institutionalisierte Konfliktaustragung hinaus sind auch Instrumente nötig, die konstruktive Politik möglich machen. So lautete eine Kernaussage der "Arena Analyse 2019 – Konstruktive Politik, die gestern auf Einladung von Bundesratspräsident Ingo Appé im Plenarsaal des Parlaments vorgestellt wurde. "In einer Zeit, wo Populismus auch in Europa Einzug hält und eine Welle aus Wut, Empörung und Angst verbreitet, ist konstruktive Politik gefragter denn je. Der Dialog mit Menschen anderer Meinung ist zentraler Bestandteil einer Demokratie.

Dass Argumentieren und konstruktives Streiten die besten Mittel sind, um Konflikte zu lösen und unterschiedliche Überzeugungen und Wertvorstellungen zu koordinieren, ist unumstritten. Andere Meinungen müssen ernst genommen, respektiert und reflektiert werden", erörterte Appé in seiner Begrüßungsrede.

"Demokratie ist ohne offene Gespräche nicht möglich. Wir müssen reden. Und wir müssen streiten. Aber wir müssen vor allem eines, wir müssen zuhören. Denn erst, wenn wir zuhören und Meinungen respektieren, können wir einen Dialog führen. Wir brauchen öffentliche Debatten, die auch Menschen einbeziehen.

Das politische System entwickelt sich weiter. Bürgerinnen und Bürger wollen mitwirken. Sie wollen gehört und einbezogen werden. Diese Partizipation muss frühzeitig stattfinden, dann können konstruktive Ideen eingebracht werden." Mit zukunftsweisenden Themen schaffe es der Bundesrat wichtige Themen innerhalb der Regierung zu thematisieren, betonte Appé.

Wunsch nach konstruktiver Politik & Partizipation

Das Zusammenspiel der Akteure in der Politik durchläuft gerade einen Wandel, heißt es in der Studie, die auf Beiträgen von 50 Experten und Expertinnen beruht. Als Folge dieses Wandels wird auch das Verhältnis zwischen den AkteurInnen der Politik sowie den Bürgerinnen und Bürgern neue definiert.

"Demokratie besteht nicht immer darin, dass sich alle einig sind. Sondern sie ist darauf ausgerichtet, dass hier Konflikte ausgetragen werden. Demokratie geht davon aus, dass Parteien alternative Konzepte vorlegen", berichtet Walter Osztovics (Geschäftsführer von Kovar & Partners) in seiner Präsentation der Studie.

Zwei Trends stehen dabei im Mittelpunkt: Zum einen eben die konstruktive Politik – hier orten die StudienautorInnen sowohl einen Bedarf angesichts komplexer Herausforderungen, als auch ein Bedürfnis bei der Bevölkerung. Konstruktive Politik ist nötig zur Lösung von Problemen, die eine langfristige, über Wahlzyklen hinausreichende Arbeit erfordern. Sie soll zudem das Verhandeln von Interessensausgleich bei Konflikten ermöglichen, die in der Tagespolitik stets zu wechselseitigen Blockaden führen.

Der zweite große Trend betrifft die wachsende Forderung nach Partizipation. Bürgerinnen und Bürger wollen in der Politik stärker mitreden, und zwar schon bei der Ideenfindung, bei der Begutachtung von Vorschlägen, beim Ausarbeiten von Konzepten. Die Digitalisierung beschleunigt diesen Wunsch, denn sie hat eine Kultur der Interaktivität hervorgebracht. Zugleich liefert die Digitalisierung auch mögliche Lösungen für die stärkere Einbindung der Citoyens: Neuartige Online-Tools machen Bürger- und Bürgerinnenbeteiligung auch mit einer sehr großen Zahl von Teilnehmenden möglich, und sie geben genug Raum, um dort differenziert und überlegt Positionen darlegen und diskutieren zu können.

Fakten gegen "Bullshit"

Ein wesentliches Kennzeichen von konstruktiver Politik ist ihre Faktenbasiertheit. In einer Zeit, wo immer öfter politische Auseinandersetzungen mit "alternativen Fakten" oder nicht überprüfbaren Behauptungen geführt werden, betont konstruktive Politik bewusst den Unterschied zwischen Fakten einerseits und den Folgerungen, die daraus gezogen werden, andererseits. Konstruktive Politik ist somit auch ein Gegenentwurf gegen "Bullshit Politik" – dieser Begriff des amerikanischen Philosophen Harry G. Frankfurt bürgerte sich in den vergangenen Jahren für Formen der Politik ein, in denen Wahrheit und Unwahrheit bewusst verschleiert werden.

Erfolgreiche Beispiele für ein verändertes Zusammenspiel der politischen Akteure mit konstruktivem Ansatz hat der Bundesrat in den letzten Jahren geliefert: Viermal wurden umfassende Projekte für direkte Partizipation gestartet, die zum Teil auch Online durchgeführt wurden und bei denen Lösungen für den richtigen Umgang mit Digitalisierung sowie zur Frage der Kinder- und Jugendhilfe gefunden werden konnten.

Politische Innovationen

Bei einer Podiumsdiskussion im Anschluss an die Präsentation der Studie sprachen Christiane Spiel (Bildungspsychologin an der Universität Wien), Edward Strasser (Innovation in Politics) sowie Joachim Riedl (Die Zeit) über das Erstarken der Zivilgesellschaft und die neuen Möglichkeiten der Politikgestaltung, die sich daraus – sowohl für das parlamentarische Geschehen als auch für den außerparlamentarischen Raum – ergeben.

Die Arena Analyse wird von Kovar & Partners seit 2006 jedes Jahr durchgeführt und hat das Ziel, sogenannte "Emerging Issues" zu identifizieren und zu analysieren. Die Arena Analyse 2018, erstellt von Walter Osztovics und Andreas Kovar, steht auf der Website von Kovar & Partners unter dem Link www.publicaffairs.cc zum Download zur Verfügung. (Schluss) mar

HINWEIS

: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie auf der Website des Parlaments unter www.parlament.gv.at/aktuelles/mediathek/fotos .