Parlamentskorrespondenz Nr. 1069 vom 13.11.2019

FPÖ beharrt auf mehr direkte Demokratie und Recht auf Barzahlung

Erste Lesungen im Nationalrat

Wien (PK) – Mit einer Diskussion über den Ausbau der direkten Demokratie wurde heute der Reigen der Ersten Lesungen im Nationalrat eingeleitet. Die FPÖ spricht sich dafür aus, erfolgreiche Volksbegehren einer verpflichtenden Volksabstimmung zu unterziehen, wenn die Forderungen der UnterzeichnerInnen nicht vom Parlament erfüllt werden. Auch die verfassungsrechtliche Absicherung von Bargeldzahlungen ist den Freiheitlichen weiter ein Anliegen. Beide Anträge wurden nach der Ersten Lesung dem Budgetausschuss zugewiesen.

Verpflichtende Volksabstimmungen: FPÖ-Initiative stößt auf Vorbehalte

Konkret sollen nach Vorstellung der FPÖ (9/A) vier Prozent der Stimmberechtigten, also rund 250.000 Unterschriften, ausreichen, um eine Volksabstimmung über ein Anliegen zu erzwingen. Direkte Demokratie sei der beste Weg, um die Teilhabe der Bevölkerung am politischen Prozess zu gewährleisten und zu fördern, begründet die FPÖ die Initiative. Zudem weist sie auf die 2007 beschlossene Verlängerung der Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre hin, die den ÖsterreicherInnen ihrer Meinung nach ein Mitwirken an Richtungsentscheidungen unnötig erschwert habe.

Es sei notwendig, die Beteiligung der BürgerInnen an der Gesetzgebung auszuweiten und echte Volksinitiativen zu ermöglichen, bekräftigte FPÖ-Verfassungssprecherin Susanne Fürst in der Debatte. "Die Bevölkerung ist der Boss." Es gehe um die Bindung der Politik an den Volkswillen. Die Gefahr kurzsichtiger populistischer Entscheidungen sieht Fürst nicht, auch die Entscheidung der britischen Bevölkerung für den Brexit war ihrer Meinung nach gut nachvollziehbar. Als gutes Beispiel für "den Durchbruch des Volkswillens" hält sie auch den Fall der Berliner Mauer.

Die ÖVP stehe für zivilgesellschaftliches Engagement und für Mitgestaltung durch Bürgerbeteiligung, betonte ÖVP-Abgeordneter Friedrich Ofenauer. Sie habe das Ohr an der Bevölkerung, und zwar nicht nur vor Wahlen. Der FPÖ-Vorschlag würde aber keine Aufwertung der direkten Demokratie bringen, glaubt er. Vielmehr drohe ein beachtlicher Mehraufwand für die Gemeinden. Ofenauer vermisst beispielsweise Ausnahmen im FPÖ-Antrag, etwa was Menschen- und Minderheitenrechte betrifft. Zudem hält er das vorgeschlagene Quorum für zu niedrig. Im Übrigen hätte die Bevölkerung bei der letzten Wahl eine klare Entscheidung getroffen.

Auch die anderen Fraktionen äußerten sich zur FPÖ-Initiative skeptisch, mit unterschiedlichen Nuancen. So sprach etwa Jörg Leichtfried (SPÖ) von einem "schlechten Vorschlag". Direkte Demokratie und repräsentative Demokratie würden in der österreichischen Verfassung eine gute Symbiose bilden, meinte er. Die FPÖ greife nun eine Einzelmaßnahme heraus, die im Extremfall dazu führen könne, dass drei bis vier Prozent der Bevölkerung über die anderen 96 bis 97 Prozent entscheiden. Auch Beschlüsse, die gegen EU-Recht und Verfassungsrecht verstoßen, wären möglich. Leichtfried verwies außerdem auf die Diskrepanz zwischen dem vorliegenden Antrag und der gelebten Praxis während der Regierungsbeteiligung der FPÖ.

Alma Zadić (Grüne) wies darauf hin, dass eine Stärkung der direkten Demokratie den Grünen immer ein Anliegen gewesen sei. Man dürfe die Gefahr eines "illiberalen Gebrauchs" von direkter Demokratie aber nicht unterschätzen, warnte sie vor einer Beschneidung von Minderheitenrechten und einer Aushöhlung notwendiger Machtbeschränkungen. Es brauche klare Verfahrensregeln und inhaltliche Einschränkungen direktdemokratischer Initiativen. Grund- und Menschenrechte dürften nicht untergraben werden und Initiativen nicht gegen völkerrechtliche Verpflichtungen verstoßen. Auch müssten sich Begehren im Rahmen des Budgets bewegen.

Seitens der NEOS hielt Nikolaus Scherak fest, dass der Vorschlag der FPÖ nicht dem Modell der NEOS entspreche. Im Sinne eines Stufenplans wäre es sinnvoll, zunächst auf Gemeinde- und Länderebene zu beginnen, wo die Materien weniger komplex seien. Zudem brauche es nicht nur inhaltliche Begrenzungen, sondern auch eine Cooling-off-Phase zwischen Volksbegehren und Volksabstimmung, um genügend Zeit zu haben, Pro- und Contra-Argumente auszutauschen. Auch solle der Nationalrat Gegenvorschläge machen können. Die Tür der NEOS sei für Verhandlungen immer offen, sagte Scherak, er bezweifelt aber, dass die FPÖ ihren Antrag ernst meint und verwies auf deren Umgang mit dem Don't-Smoke-Volksbegehren.

Verfassungsrechtlich geschütztes Recht auf Barzahlung

Weiterhin ein Anliegen ist der FPÖ auch die verfassungsrechtliche Absicherung des Rechts auf Barzahlung. Sie hat in diesem Sinn, ihren in der letzten Gesetzgebungsperiode gescheiterten Antrag auf Änderung des Staatsgrundgesetzes (20/A) in etwas adaptierter Form neu eingebracht. "Die Verwendung von Bargeld unterliegt keinen Einschränkungen soweit die Natur des Rechtsgeschäfts oder die Verkehrsübung nicht eine Erfüllung auf anderem Weg erfordern", soll es demnach wörtlich im aus dem Jahr 1867 stammenden Gesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger heißen.

Begründet wird der Antrag damit, dass eine Beschränkung der Verwendung von Bargeld im Zahlungsverkehr einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Freiheitsrechte der BürgerInnen und in das Recht auf Datenschutz darstellt. Daher sollten weder auf österreichischer Ebene noch auf Ebene der Europäischen Union Maßnahmen gesetzt werden, die das Vertrauen der BürgerInnen in die Bargeldbereitstellung und in das Recht auf Barzahlung erschüttern könnten.

Im Rahmen der Debatte warnte FPÖ-Finanzsprecher Hubert Fuchs vor einem bargeldlosen Alltag. Ohne Bargeld wären SparerInnen Negativzinsen der Banken und "Zwangssteuern" schutzlos ausgeliefert. Zudem würden bargeldlose Zahlungen eine totale Kontrolle der BürgerInnen ermöglichen. Dem "gläsernen Bürger" wären keine Grenzen gesetzt. "Bargeld ist gelebter Datenschutz und gelebte Freiheit", betonte Fuchs und gab außerdem zu bedenken, dass Kinder den Umgang mit Geld nur mit Bargeld lernen könnten. Als uneingeschränkter Bargeld-Fan outete sich auch FPÖ-Konsumentenschutzsprecher Peter Wurm: Er ist optimistisch, dass ÖVP und Grüne dem Anliegen der FPÖ zustimmen und damit für die notwendige Verfassungsmehrheit sorgen werden.

Seitens der anderen Fraktionen gibt es allerdings einige Vorbehalte. Die ÖVP sei im Sinne des Schutzes der Privatautonomie und der Privatsphäre weiterhin für eine verfassungsgesetzliche Verankerung des Rechts auf Barzahlung und auf Wahlfreiheit, es brauche aber eine Abwägung der Argumente, hielt etwa ÖVP-Abgeordneter Karlheinz Kopf fest. Schließlich seien etwa größere Bargeldtransfers aus Geldwäschegründen eingeschränkt. Auch sei offensichtlich, dass der digitale Zahlungsverkehr immer mehr an Bedeutung gewinne.

Kai Jan Krainer (SPÖ) wies darauf hin, dass es allgemeiner Konsens in Österreich ist, dass die Bevölkerung wählen können soll, ob sie mit Bargeld zahlt oder nicht. Mit dem Antrag der FPÖ würde man aber nicht Bargeld, sondern Schwarzgeld schützen und in die Verfassung schreiben, warnte er. Zudem würden Maßnahmen gegen illegale Parteienfinanzierung und Steuerhinterziehung verhindert. "Das wollen wir nicht." Zudem sei das Staatsgrundgesetz der falsche Ort für eine derartige Bestimmung, wie auch Justizminister Clemens Jabloner gemeint habe. Für viel wesentlicher hält Krainer das Problem, dass es im ländlichen Raum immer öfter Probleme gibt, zu Bargeld zu kommen, weil Bankfilialen und Bankomaten fehlen.

Nina Tomaselli (Grüne) hinterfragte die Notwendigkeit, die Verwendung von Bargeld in die Verfassung zu schreiben. Niemand habe die Absicht, das Bargeld abzuschaffen, versteht sie die Aufregeung nicht. "Eis im Sommer mögen wir auch alle, deswegen schreiben wir es trotzdem nicht in die Verfassung", meinte sie. Zudem sei es Fakt, dass dort, wo viel Bargeld ist, oftmals "Schindluder" getrieben werde, man solle nicht "Schmarotzer und Kriminelle" schützen. Grundsätzlich bekannte sich Tomaselli aber zur Bargeldzahlung: Jeder solle die Freiheit haben, zu bezahlen wie er möchte, und frei von Datenspuren leben können.

Skeptisch, was die Notwendigkeit einer Verfassungsbestimmung betrifft, ist auch Gerald Loacker (NEOS). Es stehe ohnehin schon "viel Kram" in der Verfassung, konstatierte er. Das einfachste, was BürgerInnen machen könnten, um Bargeld zu erhalten, sei, Bargeld zu verwenden. Auch für Loacker steht aber fest, dass Bargeld ein ganz wesentlicher Ausdruck von Freiheit und "gedruckte Privatsphäre" ist sowie ein maßgeblicher Faktor, um BürgerInnen vor Überwachung zu schützen. Gerade bei letztgenanntem Punkt hält er die FPÖ angesichts des Ausbaus des Überwachungsstaates in der letzten Gesetzgebungsperiode jedoch für wenig glaubwürdig. (Fortsetzung Nationalrat) gs

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