Parlamentskorrespondenz Nr. 308 vom 03.04.2020

Kurz und Kogler rufen Bevölkerung zum Durchhalten auf

Nationalrat: Opposition stellt Schulterschluss bei Covid-19-Sammelgesetzen in Frage

Wien (PK) – Die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus würden Wirkung zeigen, man sei aber noch nicht über den Berg, skizzierte Sebastian Kurz heute im Nationalrat die aktuelle Lage in der Corona-Krise. Es gelte nun, durchzuhalten und keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, unterstrich der Bundeskanzler ebenso wie Vizekanzler Werner Kögler und versicherte, man werde alles tun, um schrittweise wieder zur Normalität zurückzukehren. Seitens der Opposition wurde in der Debatte zunehmend Kritik am Vorgehen der Bundesregierung laut. Die SPÖ forderte vor allem mehr Mittel zur Abfederung der sozialen Auswirkungen der Krise, während von der FPÖ grundsätzliche Bedenken  gegen weitere Sammelgesetze kamen. Die NEOS wiederum warnten davor, Wirtschaft und Gesundheit gegeneinander auszuspielen.

Aus Sicherheitsgründen und um den geforderten Abstand zu ermöglichen nahmen an der Sitzung nur 96 Abgeordnete teil. Der Sitzungssaal bot auch insofern ein ungewohntes Bild, zumal zahlreiche MandatarInnen einen Mund- und Nasenschutz trugen und das Rednerpult mit einer Plexiglasscheibe versehen war. Eingangs der Sitzung wurde Werner Saxinger (ÖVP) als Abgeordneter angelobt. Er tritt an die Stelle von Josef Moser (ÖVP), der sein Mandat zurückgelegt hatte.

Kurz: Maßnahmen zeigen Wirkung, wir sind aber noch nicht über den Berg

Österreich sei bisher besser als andere Staaten durch die Krise gekommen, da man schneller und restriktiver reagiert habe, schickte Sebastian Kurz voraus. Die Ausbreitung der Krankheit verlangsame sich, man sei aber noch nicht über den Berg. Jetzt sei es wichtig, durchzuhalten und aus den Zahlen nicht die falschen Schlüsse zu ziehen. Er sei sich bewusst, dass die Situation für viele Menschen schwierig sei. Die Maßnahmen kosten Kraft, seien aber notwendig, damit man bald wieder zur Normalität zurückkehren könne.

Die Bundesregierung werde am Sonntag die Zahlen bewerten und dann versuchen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. "Wir wollen schnellstens aus der Krise herauskommen, aber nur so schnell, wie es verantwortbar und machbar ist", steht für Kurz fest. Eine Rückkehr zur Normalität werde jedenfalls schrittweise und behutsam erfolgen  und mit Begleitmaßnahmen verbunden sein, so etwa dem Schutz von Risikogruppen und älteren Menschen, dem Tragen von Masken und einem Containment im Sinn einer möglichst breiten Testung und der Isolierung von allfälligen neuen Glutnestern. Wichtig sind für Kurz vor allem auch die Hilfe für die Unternehmen und der Schutz der Arbeitsplätze nach der Devise "Koste es, was es wolle". Österreich werde durch diese Krise kommen, aber nur, "wenn wir zusammenstehen und durchhalten", schloss der Bundeskanzler

Kogler: Zusammenstehen, Abstand halten, Durchhalten!

Werner Kogler rief ebenfalls zum Zusammenhalten auf und zeigte sich überzeugt, dass es gelingen werde, gemeinsam aus der Krise zu kommen. "Abstand halten, Durchhalten", lautet dabei die Devise des Vizekanzlers. Die Kurve der Neuinfektionen beginne sich abzuflachen, dies zeige, dass die Maßnahmen der Bundesregierung richtig waren. Kogler sprach sich dafür aus, die Entwicklung der Zahlen weiter zu beobachten, und warnte davor, zu schnell zum bisher gewohnten Alltag zurückzukehren, da dann die Zahlen wieder nach oben explodieren würden. Möglich seien deshalb nur schrittweise Lockerungen in bestimmten Bereichen unter Abwägung aller Faktoren.

Zu den Covid-19-Paketen meinte Kogler, Österreich sei wirtschaftlich stark, es gelte nun, für die entsprechende Überbrückung zu sorgen, damit die Unternehmen Liquidität erhalten. Ausdrücklich begrüßte der Vizekanzler die Streichung der Dividenden und der Manager-Boni für die Zeit der Unterstützungsmaßnahmen.

ÖVP: Maßnahmen der Bundesregierung sind richtig

August Wöginger (ÖVP) schloss sich den Durchhalteparolen von Bundeskanzler und Vizekanzler an und appellierte an die Bevölkerung, zu Ostern auf große Familienfeiern zu verzichten. Die Regierung habe vom ersten Tag an das Richtige getan, es wäre zu früh, jetzt wieder alles zu öffnen. Der Klubobmann der Volkspartei hob die Maßnahmen zur Hilfe an die Unternehmen hervor und betonte, nun gehe es darum, die Mittel zum Einsatz zu bringen. Seine Fraktionskollegin Michaela Steinacker wies in diesem Zusammenhang auf das Delogierungsverbot bei Mietrückstand, die Stundung von Krediten, die Erhöhung des Budgets für die Kurzarbeit und die Verdoppelung der Mittel des Härtefallfonds hin.

SPÖ fordert mehr Mittel zur Abfederung der sozialen Folgen

Es seien Maßnahmen sowohl zur Bekämpfung des Virus als auch zur Vermeidung einer sozialen Katastrophe zu setzen, mahnte Pamela Rendi-Wagner (SPÖ). Im Bereich der Gesundheit werde ihre Fraktion die Schritte der Bundesregierung grundsätzlich mittragen, kündigte die SPÖ-Klubobfrau an, sprach aber von der Notwendigkeit zentraler Steuerung bei Beatmungsgeräten, Schutzkleidung und Schutzmasken. Im Kampf gegen die sozialen Folgen der Krise brauche es aber eine Bündelung aller Kräfte nach dem Motto "Helfen, Helfen, Helfen". Rendi-Wagner forderte mit Nachdruck eine Erhöhung des Arbeitslosengelds und eine Aufstockung des Härtefallfonds und kündigte entsprechende Anträge der SPÖ an. Zudem drängte sie auf einen "Kompass" für den Weg zurück zur Normalität. Jörg Leichtfried (SPÖ) warnte vor Einschränkungen der Grund- und Freiheitsrechte im Zuge der Corona-Maßnahmen und kritisierte mit scharfen Worten das Vorgehen von Ungarns Ministerpräsidenten Orban.

FPÖ gegen Sammelgesetze

Die Regierung habe in vielen Bereichen zu spät reagiert, die 200.000 Arbeitslosen gehen nun auf ihre Kappe, stellte Herbert Kickl (FPÖ) fest. Statt den von der Krise betroffenen Menschen einen Rechtsanspruch auf volle Entschädigung zu geben, würden sie zu Bittstellern und Almosenempfängern degradiert, empörte sich der FPÖ-Klubchef. Heftige Kritik übte er auch an der Vorgangsweise der Regierung, die Maßnahmen via Sammelpaket zu beschließen, wobei er meinte, ein Schulterschluss sei ein Geben und Nehmen, nicht nur ein Nehmen. Er warnte überdies davor, Freiheit gegen Gesundheit auszuspielen, und bezichtigte die Regierung der Überwachung und Bespitzelung. Den Medien wiederum warf Kickl vor, gleichgeschaltet als kritiklose Regierungslautsprecher zu agieren. Gerhard Kaniak (FPÖ) gab zu bedenken, Sammelgesetze würden es der Opposition unmöglich machen, sinnvolle Teile mitzutragen und andere Punkte abzulehnen.

Grüne begrüßen Maßnahmen zur Abfederung der sozialen Folgen der Krise

Sigrid Maurer (Grüne) sprach von enormen Einschränkungen, die die Regierung setzen müsse, um die Gesundheit und das Leben der Mitmenschen zu schützen. "Wir tun dies, damit ÄrztInnen nicht darüber entscheiden müssen, wer leben darf und wer sterben muss", betonte sie mit Blick auf die Situation in Italien und Frankreich. Es gelte nun, weiterhin Abstand zu halten und in den nächsten Wochen daran zu arbeiten, dass die Zahl der Infektionen zurückgeht und wieder Normalität einkehren kann. Viel Lob fand Maurer für das vorliegende Paket zur Abfederung der Folgen der Krise, wobei sie vor allem die Maßnahmen für armutsgefährdete Familien und die Stundung der Mieten hervorhob.

NEOS: Wirtschaft nicht gegen Gesundheit ausspielen

Für NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger geht es darum, das Gesundheitssystem zu stabilisieren und gleichzeitig auch Sorge dafür zu tragen, dass Wirtschaft und Gesellschaft nicht kollabieren. Das Tragen von Masken sei eine gute Maßnahme, ÄrztInnen und medizinisches Personal sollten aber auch mit Schutzkleidung ausgerüstet werden, mahnte sie. Wichtig sind für Meinl-Reisinger auch die Tests, und zwar nach dem Grundsatz "Tracken wir das Virus und nicht die BürgerInnen". Insgesamt warnte sie davor, Wirtschaft gegen Gesundheit auszuspielen, wobei sie nicht mit Kritik an den Hilfsmaßnahmen der Regierung sparte. Sie sprach in diesem Zusammenhang von Almosenpolitik und warf der Regierung vor, die Menschen in die Abhängigkeit des parteipolitischen Machtapparats der ÖVP zu treiben. Mit Nachdruck pochte sie auch auf die Einhaltung der Grund- und Freiheitsrechte und wandte sich gegen Überwachungsmaßnahmen.

Abgeordnete verurteilen Aussetzen des Parlamentarismus in Ungarn

Thema in der Debatte waren auch die Notstandsgesetze in Ungarn. SPÖ und NEOS forderten in Entschließungsanträgen die Regierung auf, auf europäischer Ebene die Ausschaltung des Parlaments durch Ministerpräsident Orban zu verurteilen. ÖVP und Grüne brachten ihrerseits einen gemeinsamen Antrag ein, in dem sie an die Regierung appellierten, sich weiterhin in direkten Gesprächen mit der ungarischen Regierung für eine sofortige Rücknahme aller Notstandsgesetze und Sonderrechte nach der Bewältigung der Corona-Krise einzusetzen. Darüber hinaus treten die Koalitionsparteien für die Verankerung eines Rechtsstaatlichkeitsmechanismus im Mehrjährigen Finanzrahmen der Union ein, der die Vergabe von Mitteln an die Einhaltung der Grund- und Freiheitsrechte koppelt. (Fortsetzung Nationalrat) hof

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Live-Stream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.